Ingenieurberufe - Süddeutsche.de - Süddeutsche Zeitung
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DEFGH Nr. 98, Samstag/Sonntag, 27./28. April 2013 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG<br />
INGENIEURBERUFE<br />
Rechnen, Zeichnen, Planen: Der Beruf <strong>de</strong>s Ingenieurs erfor<strong>de</strong>rt umfassen<strong>de</strong> Kenntnisse. Wer sich dafür entschei<strong>de</strong>t, hat beste Aussichten auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt. ILLUSTRATIONEN: HASSAN AL MOHTASIB<br />
Unbegrenzte Möglichkeiten<br />
Ingenieure befin<strong>de</strong>n sich in einer komfortablen Lage: Es gibt mehr als genug Jobs, <strong>de</strong>r Verdienst ist gut und die Aufstiegschancen reichen bis<br />
in die Vorstandsetagen. Nach einer Studie <strong>de</strong>s VDI sind Anstrengungen nötig, um künftig einen Expertenmangel zu verhin<strong>de</strong>rn<br />
VON UWE RITZER<br />
Rechenspiele sind etwas Wun<strong>de</strong>rbares.<br />
Addiert man beispielsweise <strong>de</strong>n<br />
statistischen Wertschöpfungsbeitrag,<br />
<strong>de</strong>n die 1,62 Millionen Ingenieure in<br />
Deutschland jährlich erzielen, ergibt sich<br />
eine Summe, die etwa zwei Drittel <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>shaushaltes<br />
entspricht.<br />
O<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Zahl: Fast je<strong>de</strong>r zehnte<br />
Ingenieur hierzulan<strong>de</strong> beklei<strong>de</strong>t eine Führungsposition,<br />
leitet also ein Unterneh-<br />
men, ist Geschäftsführer o<strong>de</strong>r wenigstens<br />
Bereichsleiter. Sogar 40 Prozent aller Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n<br />
eines in <strong>de</strong>r Börsenelite<br />
Dax notierten Unternehmens sind von<br />
Haus aus Ingenieure – Techniker und Naturwissenschaftler<br />
also keine Volks- o<strong>de</strong>r<br />
Betriebswirte. Man könnte diese statistischen<br />
Spielchen beliebig fortsetzen.<br />
Letztlich unterfüttern die vielen Zahlen,<br />
welche <strong>de</strong>r Berufsverband VDI (Verein<br />
Deutscher Ingenieure) vom Kölner Institut<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft zusammentra-<br />
gen und auswerten hat lassen, jedoch nur<br />
einige simple Botschaften: Ingenieure<br />
sind gesucht und gefragt wie selten zuvor.<br />
Es gibt hierzulan<strong>de</strong> eher zu wenig von ihnen.<br />
In einigen Jahren wer<strong>de</strong>n sie sogar an<br />
allen Ecken und En<strong>de</strong>n fehlen. Schon jetzt<br />
klaffen in <strong>de</strong>n Sparten Maschinenbau,<br />
Fahrzeug-, Energie- und Elektrotechnik in<br />
manchen Regionen <strong>de</strong>utliche Lücken zwischen<br />
<strong>de</strong>r Nachfrage <strong>de</strong>r Unternehmen<br />
und <strong>de</strong>m Angebot an entsprechend qualifizierten<br />
Leuten.<br />
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wer<strong>de</strong>n – außer mit …<br />
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die Guten können sich auch in Zukunftaussuchen,<br />
wo und bei wem sie arbeiten<br />
wollen – und zu welchen Konditionen.<br />
Einen flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n Fachkräftemangel<br />
jedoch, wie er von <strong>de</strong>utschen Wirtschaftsverbän<strong>de</strong>n<br />
häufig beklagt wird,<br />
gibt es nach Angaben <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur<br />
für Arbeit (BA) aktuell nicht. Doch es gibt<br />
Ausnahmen: „In <strong>de</strong>r Maschinen- und Fahrzeugtechnik<br />
sowie in Mechatronik-, Energie-<br />
und Elektroberufen gibt es vor allen in<br />
West<strong>de</strong>utschland einen Expertenmangel“,<br />
heißt es in einer „Engpassanalyse“ <strong>de</strong>r BA<br />
vom Dezember vorigen Jahres.<br />
Laut VDI kommen in diesen drei Sparten<br />
auf einen Bewerber jeweils drei offene<br />
Stellen. Insgesamt, so die BA, bestün<strong>de</strong>n<br />
„bei <strong>de</strong>n technischen Berufen Fachkräfteprobleme<br />
vor allem auf Ebene <strong>de</strong>r Experten<br />
(Ingenieure).“ In einzelnen Berufsgruppen<br />
sei jedoch „erstmalig auch bei <strong>de</strong>n<br />
nichtaka<strong>de</strong>mischen Fachkräften ein nennenswerter<br />
Mangel erkennbar“.<br />
Der VDI wollte es noch genauer wissen<br />
und gab eine Studie in Auftrag, die kürzlich<br />
vorgestellt wur<strong>de</strong>. Demnach hat sich<br />
die Situation auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt zuletzt<br />
etwas entspannt. Die Zahl <strong>de</strong>r erwerbstätigen<br />
Ingenieure ist seit 2005 um 16 Prozent<br />
gestiegen. Das hat damit zu tun, dass<br />
durch eine Anpassung <strong>de</strong>s Zuwan<strong>de</strong>rungsgesetzes<br />
<strong>de</strong>r Zuzug ausländischer Spezialisten<br />
erleichtert wur<strong>de</strong>. Doch auch die<br />
Zahl <strong>de</strong>r Absolventen von Ingenieurstudiengängen<br />
hierzulan<strong>de</strong> ist auf circa 50 000<br />
pro Jahr etwas gestiegen – und hat sich vorerst<br />
auf diesem Niveau eingepen<strong>de</strong>lt.<br />
Dennoch: Allein <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mografische<br />
Wan<strong>de</strong>l wer<strong>de</strong> das Ungleichgewicht zwischen<br />
Angebot und Nachfrage in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n<br />
Jahren wie<strong>de</strong>r verstärken, wenn<br />
das effektive Gegensteuern nicht gelingt.<br />
„Ab 2020 sinkt die Zahl <strong>de</strong>r beschäftigten<br />
Ingenieure, da mehr in <strong>de</strong>n Ruhestand gehen,<br />
als aus <strong>de</strong>n Hochschulen nachrücken“,<br />
warnt Willi Fuchs, <strong>de</strong>r für die Studie<br />
zuständige VDI-Experte.<br />
Ingenieure: Wertvoll für die Volkswirtschaft<br />
Durchschnittliche Pro-Kopf-Bruttowertschöpfung<br />
aller Erwerbstätigen in Euro<br />
63 535<br />
Jahresgehalt Faktor Ingenieur zum<br />
Gesamtdurchschnitt<br />
1,92 197<br />
Initiativen, um <strong>de</strong>m Trend gegenzusteuern<br />
gibt es reichlich. Der jährliche Girl’s<br />
Day, bei <strong>de</strong>m Schülerinnen für technische<br />
Berufe begeistert wer<strong>de</strong>n sollen, ist nur eine<br />
von vielen. Eine an<strong>de</strong>re heißt schlicht<br />
„Sachen machen“. Eine 2006 ins Leben gerufene,<br />
von 100 Partnern aus <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />
und <strong>de</strong>r Wissenschaft getragene Initiative<br />
mit <strong>de</strong>m Ziel, technikaffine Jugendliche<br />
für entsprechen<strong>de</strong> Berufe und Studiengänge<br />
zu begeistern. Doch was spricht eigentlich<br />
dafür, speziell ein Studium <strong>de</strong>r Ingenieurwissenschaften<br />
zu ergreifen?<br />
Auch darauf liefert die VDI-Studie reichlich<br />
Antworten. Ingenieur-Jobs sind <strong>de</strong>mnach<br />
krisenresistenter als Arbeitsplätze in<br />
an<strong>de</strong>ren Berufssparten. Die Fluktuation<br />
ist bei Ingenieuren nur etwa halb so hoch<br />
wie bei an<strong>de</strong>ren Berufsgruppen, weil viele<br />
Arbeitgeber allerhand dafür tun, ihre Spitzenleute<br />
zu halten – auch dann, wenn die<br />
Geschäfte einmal schlechter laufen.<br />
„Wenn Ingenieure ihren Arbeitsplatz<br />
wechseln, dann wer<strong>de</strong>n sie in <strong>de</strong>r Regel<br />
von noch besseren Arbeitsbedingungen<br />
<strong>de</strong>s neuen Jobs angezogen und nur in Ausnahmefällen<br />
von schwierigen Arbeitsbedingungen<br />
in ihrer alten Tätigkeit zu diesem<br />
Schritt gedrängt“, haben die Fachleute<br />
<strong>de</strong>s Instituts <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft<br />
herausgefun<strong>de</strong>n. Und die Chancen auf beruflichen<br />
Aufstieg sind für Ingenieure von<br />
Anfang an rosig.<br />
Selbst während <strong>de</strong>r Wirtschaftskrise<br />
2008/2009 bewältigten die Absolventen<br />
<strong>de</strong>r Ingenieurstudiengänge sowohl an Universitäten<br />
als auch an Fachhochschulen<br />
<strong>de</strong>n Übergang in <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt <strong>de</strong>utlich<br />
besser als ihre Kollegen an<strong>de</strong>rer Fachrichtungen.<br />
Wer einmal im Job ist und sich<br />
bewährt, kann schnell zum Liebling <strong>de</strong>r<br />
Headhunter wer<strong>de</strong>n. „Keine an<strong>de</strong>re aka<strong>de</strong>mische<br />
Fachrichtungsgruppe wird häufiger<br />
gesucht“, heißt es dazu beim VDI.<br />
Durchschnittliche Pro-Kopf-Bruttowertschöpfung<br />
Ingenieur in Euro<br />
121 987<br />
SZ-Grafik; Quelle: Institut <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft Köln, eigene Berechnungen auf Basis von FDZ <strong>de</strong>r Statistischen Ämter <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r,<br />
Mikrozensu 2010, SOEP, Statistisches Bun<strong>de</strong>samt,Erwerbstätige Ingenieure: 2010, Gehaltsdaten: 2011, Wertschöpfungsdaten: 2012<br />
Zahl <strong>de</strong>r erwerbstätigen Ingenieure<br />
1 617 000<br />
Wertschöpfungsbeitrag <strong>de</strong>r<br />
Ingenieure in Milliar<strong>de</strong>n Euro<br />
Zufrie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Studienfachentscheidung und <strong>de</strong>n Perspektiven<br />
Ich wür<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r<br />
das gleiche Studien-<br />
fach studieren *<br />
* Werte einer 5-stufigen Skala von 1 = „auf je<strong>de</strong>n Fall“ bis 5 = „auf keinen Fall“ in Prozent<br />
** Werte einer 5-stufigen Skala von 1 = „in hohem Maße“ bis 5 = „überhaupt nicht“ in Prozent<br />
SZ-Grafik; Quelle: Hochschul-Informationssystem, Absolventenbefragung <strong>de</strong>s Prüfungsjahrgangs 2009<br />
Wer einmal im Job ist,<br />
kann schnell zum Liebling<br />
<strong>de</strong>r Headhunter wer<strong>de</strong>n<br />
Zufrie<strong>de</strong>nheit mit<br />
Aufstiegsmöglich-<br />
keiten**<br />
Zufrie<strong>de</strong>nheit mit Fort-<br />
und Weiterbildungsmöglichkeiten**<br />
Elektrotechnik Diplom FH 86 52 63<br />
Wirtschaftsingenieurwesen Diplom FH 83 53 44<br />
Maschinenbau/Verfahrenstechnik Diplom Uni 82 52 66<br />
Maschinenbau/Verfahrenstechnik Diplom FH 76 43 39<br />
Elektrotechnik Diplom Uni 73 52 66<br />
Wirtschaftswissenschaften Diplom FH 73 43 48<br />
Wirtschaftswissenschaften Diplom Uni 68 45 43<br />
Traditionelle FH-Abschlüsse insgesamt 73 39 44<br />
Traditionelle Uni-Abschlüsse insgesamt 67 39 51<br />
Hohe Nachfrage bei geringerem Angebot,<br />
dazu Firmen, die ständig nach top ausgebil<strong>de</strong>ten<br />
Spezialisten suchen: Das wirkt<br />
sich naturgemäß auf die Einkommen aus.<br />
Im Durchschnitt aller Fachrichtungen verdient<br />
ein Ingenieur ein Jahr nach <strong>de</strong>m Studium<br />
monatlich 4830 Euro brutto. Im Vergleich<br />
mit an<strong>de</strong>ren Berufen liege man damit<br />
„auf <strong>de</strong>r obersten Einkommensebene“,<br />
so die VDI-Studie. Ingenieure mit Universitätsabschluss<br />
wür<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel<br />
sechs Prozent höher entlohnt als solche<br />
mit Fachhochschulabschluss.<br />
Trotz alle<strong>de</strong>m: <strong>Ingenieurberufe</strong> sind<br />
nach wie vor hauptsächlich Männersache.<br />
Der Frauenanteil liegt bei knapp einem<br />
Fünftel. Ten<strong>de</strong>nz zwar steigend, jedoch ist<br />
nach wie vor nur je<strong>de</strong>r fünfte Absolvent eines<br />
Ingenieurstudiums weiblichen Geschlechts.<br />
Allein 260 Initiativen haben sich<br />
vor diesem Hintergrund die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />
weiblichen Nachwuchses in <strong>Ingenieurberufe</strong>n<br />
auf die Fahnen geschrieben. „Ein Ausbau<br />
und eine qualitative Verbesserung <strong>de</strong>r<br />
Betreuungsinfrastruktur insbeson<strong>de</strong>re<br />
für unter dreijährige Kin<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong>n sich<br />
positiv auf die Karrierechancen weiblicher<br />
Ingenieure auswirken, da es ihnen ermöglichen<br />
wür<strong>de</strong>, einer Vollzeiterwerbstätigkeit<br />
nachzugehen,“ sind die Fachleute <strong>de</strong>s VDI<br />
überzeugt.<br />
Auch an Experten aus <strong>de</strong>m Ausland sind<br />
die Unternehmen interessierter <strong>de</strong>nn je.<br />
Knapp drei Viertel aller ausländischen Ingenieure<br />
kommen aus <strong>de</strong>m Rest Europas,<br />
die meisten aus Russland. Umgekehrt verlassen<br />
viele <strong>de</strong>r hier ausgebil<strong>de</strong>ten Ingenieure<br />
Deutschland wie<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Studium.<br />
„Durch eine aktive Fachkräftesicherungs-,<br />
Forschungs- und Innovationspolitik<br />
muss es gelingen, dieses Potenzial noch<br />
besser als bislang für <strong>de</strong>n Standort<br />
Deutschland zu nutzen“, heißt es beim<br />
VDI.<br />
Rein was die Arbeitszeit angeht, sind die<br />
<strong>de</strong>utschen Ingenieure nicht die fleißigsten.<br />
Im Schnitt arbeiten sie gut 40 Stun<strong>de</strong>n<br />
pro Woche. Damit liegt Deutschland im<br />
Mittelfeld. Am emsigsten sind die Türken.<br />
Sie bringen es auf 48,7 Stun<strong>de</strong>n.<br />
INHALT<br />
Nischen mit Aussicht<br />
Spezialisierte Ingenieure haben<br />
Seltenheitswert. Dementsprechend<br />
begehrt sind sie 15<br />
Alltagstaugliche Hilfe<br />
Ingenieure ohne Grenzen<br />
planen ehrenamtlich Anlagen<br />
in Entwicklungslän<strong>de</strong>rn 16<br />
Reisemuffel tun sich schwer<br />
Ein Auslandsaufenthalt<br />
ist für Fachkräfte zunehmend<br />
karriererelevant 17<br />
Nah am Menschen<br />
Ingenieure <strong>de</strong>r Medizintechnik<br />
entwickeln Geräte, die Leben<br />
retten können 18<br />
Die Vielseitigen<br />
Wirtschaftsingenieure absolvieren<br />
eine breit gefächerte Ausbildung<br />
und sind flexibel einsetzbar 19<br />
Studieren wie ein Meister<br />
Qualifizierte Handwerker<br />
können an vielen Hochschulen<br />
studieren 20
Samstag/Sonntag, 27./28. April 2013, Nr. 98 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG INGENIEURBERUFE 15<br />
Nischen mit<br />
Aussicht<br />
Spezialisierte Ingenieure haben Seltenheitswert.<br />
Dementsprechend begehrt sind sie<br />
VON CHRISTINE DEMMER<br />
Die Ingenieurdichte ist gewaltig auf<br />
<strong>de</strong>r ehemaligen Schlossinsel in<br />
Hamburg-Harburg, wo sich die<br />
Technische Universität, Siemens, Airbus<br />
und Dutzen<strong>de</strong> Zulieferer <strong>de</strong>r Flugzeugund<br />
Fahrzeug-Industrie im sogenannten<br />
Hightech-„Channel“ ballen. „Etwa 70 Prozent<br />
unserer knapp 500 Mitarbeiter an diesem<br />
Standort sind Ingenieure“, schätzt<br />
Thomas Michael Rie<strong>de</strong>l, Personalreferent<br />
bei <strong>de</strong>r P3 Voith Aerospace GmbH. Das Unternehmen<br />
unterstützt Airbus, Bombardier<br />
und an<strong>de</strong>re Industriekun<strong>de</strong>n beim Engineering,<br />
optimiert die Flugphysik, stellt<br />
Stressberechnungen an und stattet Kabinen<br />
und Frachträume aus. Ohne fachlich<br />
versierte Ingenieure geht hier gar nichts,<br />
weshalb die Recruiter alle Hän<strong>de</strong> voll zu<br />
tun haben. Beson<strong>de</strong>rs gern gesehen seien<br />
Luft- und Raumfahrtingenieure, erklärt<br />
<strong>de</strong>r Personaler und lässt <strong>de</strong>n Satz mit einem<br />
schweren Seufzer ausklingen: „Die<br />
sind aber total schwer auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen<br />
Markt zu fin<strong>de</strong>n.“ Das ist fatal für eine<br />
Branche, die knapp zwei Drittel ihrer Erzeugnisse<br />
im Ausland verkauft.<br />
Ein Großteil <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten<br />
bevorzugt klassische<br />
Fächer wie Maschinenbau<br />
Rie<strong>de</strong>l ist Fachmann für knappe Ressourcen.<br />
Früher betreute er die Mitarbeiter<br />
eines Herstellers von Windkraftanlagen.<br />
„Da war es genauso“, sagt er, „es gibt<br />
nicht viele fachlich eng spezialisierte Ingenieure<br />
auf <strong>de</strong>m Markt.“ Tatsächlich strebt<br />
das überwältigen<strong>de</strong> Gros <strong>de</strong>r Studienanfänger<br />
in <strong>de</strong>n ingenieurwissenschaftlichen<br />
Disziplinen traditionell in <strong>de</strong>n Maschinenbau<br />
sowie die Elektro-, Fahrzeugund<br />
Verfahrenstechnik. Sei es, weil bei <strong>de</strong>r<br />
fortwähren<strong>de</strong>n Klage über <strong>de</strong>n Ingenieurmangel<br />
stets diese Fachbereiche genannt<br />
wer<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r sei es, weil diese vier klassische<br />
Breitbandfächer sind, bei <strong>de</strong>nen man<br />
sich erst in <strong>de</strong>r Praxis spezialisiert. Dabei<br />
gibt es eine Vielfalt an technischen Fachrichtungen,<br />
<strong>de</strong>ren Absolventen von <strong>de</strong>r<br />
Wirtschaft bevorzugt genommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Wer sich im Ingenieurstudium von Anfang an<br />
auf die Bereiche Luft- und Raumfahrt spezialisieren<br />
will, kann dies an verschie<strong>de</strong>nen Universitäten<br />
und Fachhochschulen in Deutschland<br />
tun. Hier eine Auswahl <strong>de</strong>r möglichen<br />
Studiengänge:<br />
Fachhochschule Aachen: Bachelor „Luftund<br />
Raumfahrttechnik“ mit <strong>de</strong>n Vertiefungsrichtungen<br />
Flugzeugbau, Flugbetriebstechnik,<br />
Raumfahrttechnik und Triebwerktechnik.<br />
Weitere Informationen: www.fh-aachen.<strong>de</strong>/studienangebot/luft-und-raumfahrttechnik-beng/<br />
Hochschule Bremen: Bachelor „Luft- und<br />
Raumfahrttechnik“ mit ergänzen<strong>de</strong>n betriebswirtschaftlichen<br />
Inhalten. Informatio-<br />
Flughafen München an einem Mittwoch,<br />
neun Uhr morgens. Diplom-Ingenieur<br />
Frank Brunnecker steigt aus <strong>de</strong>m Flieger.<br />
Der Leiter <strong>de</strong>s in Erlangen beheimateten<br />
Geschäftsbereichs „Laser Welding“ <strong>de</strong>s<br />
Spezialmaschinenbauers LPKF war eine<br />
Woche auf Geschäftsreise in Asien. Mehrere<br />
Kun<strong>de</strong>ngespräche, Meetings und Fabrikbesichtigungen<br />
hat er hinter sich gebracht.<br />
Jetzt ist <strong>de</strong>r sportliche Franke mü<strong>de</strong>, aber<br />
zufrie<strong>de</strong>n. Er hat viele neue Pläne in China<br />
und Japan. Beispielsweise hat er mit Kollegen<br />
und Geschäftspartnern im Ausland die<br />
Produktion von ABS-Steuergeräten auf<br />
<strong>de</strong>n Weg gebracht. „Nach so einer Reise bin<br />
ich froh, dass ich auch mal von zu Hause<br />
aus arbeiten kann“, erzählt <strong>de</strong>r Vater von<br />
vier Kin<strong>de</strong>rn. Daheim bereitet er Projekte<br />
vor. „Wenn die Kin<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Kita und aus<br />
<strong>de</strong>r Schule kommen, bin ich da“, sagt er<br />
und lächelt. Das ist ihm wichtig. Schließlich<br />
ist er im Jahr acht-, neun- o<strong>de</strong>r zehnmal<br />
auf Geschäftsreise, meist in Asien.<br />
Sein Arbeitgeber, die LPKF AG (weltweit<br />
690 Mitarbeiter) mit Hauptsitz im nie<strong>de</strong>rsächsischen<br />
Garbsen und <strong>de</strong>utschen Nie<strong>de</strong>rlassungen<br />
in Suhl und Erlangen, produziert<br />
Maschinen- und Lasersysteme, die in<br />
<strong>de</strong>r Elektronik, <strong>de</strong>r Medizintechnik, <strong>de</strong>r Automobilherstellung<br />
und in <strong>de</strong>r Solartechnik<br />
zum Einsatz kommen. Der 36 Jahre alte<br />
Brunnecker ist am Standort Erlangen<br />
für 150 Mitarbeiter verantwortlich.<br />
Er ist jünger als die meisten <strong>de</strong>r Kollegen,<br />
die an ihn berichten müssen. „Das ist<br />
nie ein Problem gewesen“, sagt Brunnecker.<br />
Als er 2004 Applikationsleiter in einem<br />
Start-up für Laser-Anwendungen,<br />
<strong>de</strong>r LaserQuipment AG, wur<strong>de</strong>, war er für<br />
die Bereiche technischer Vertrieb und Applikation<br />
mit zwei Mitarbeitern zuständig.<br />
„Luft- und Raumfahrtingenieure“, ruft<br />
Thomas Rie<strong>de</strong>l laut aus seinem Büro, „die<br />
können richtig selbstbewusst auftreten.<br />
Die steigen ein mit etwa 40 000 Euro im<br />
Jahr plus einem variablen Anteil.“<br />
Einer, <strong>de</strong>r vor nicht allzu langer Zeit eingestiegen<br />
ist, heißt Jörg Seeger, ist 33 Jahre<br />
alt und promovierter Luft- und Raumfahrtingenieur.<br />
Als einer von 23 unter 300<br />
Maschinenbaustu<strong>de</strong>nten seines Jahrgangs<br />
an <strong>de</strong>r TU Dres<strong>de</strong>n hatte sich Seeger<br />
2000 für die Flugtechnik entschie<strong>de</strong>n. Und<br />
nichts bereut: Der Berechnungsingenieur<br />
bei Atkins Aerospace in Hamburg kennt<br />
seinen Wert: „Der Bedarf ist da, ohne Zweifel.<br />
Die Arbeitsmarktchancen in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Luftfahrt sind zurzeit sehr, sehr<br />
gut.“ Weil Airbus momentan zahlreiche<br />
Entwicklungsprojekte in <strong>de</strong>r Pipeline habe.<br />
Weil Astrium, die Raumfahrtsparte von<br />
EADS, zusammen mit an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Unternehmen gera<strong>de</strong> das Navigationssystem<br />
Galileo aufbaue. Weil die Branche<br />
insgesamt floriere.<br />
Seeger rät angehen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r noch im<br />
Grundstudium stecken<strong>de</strong>n Technikstu<strong>de</strong>nten<br />
unbedingt, die Luft- und Raumfahrt<br />
in <strong>de</strong>n Blick zu nehmen. „Wenn man<br />
für seinen Fachbereich viel Interesse mitbringt<br />
und diese Lei<strong>de</strong>nschaft auch <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
beweisen kann, ist <strong>de</strong>r Einstieg<br />
überhaupt kein Problem.“ Mehr noch:<br />
„Luftfahrtingenieure sind nicht nur in<br />
Deutschland gefragt, son<strong>de</strong>rn überall auf<br />
<strong>de</strong>r Welt: in Amerika, in Brasilien, in Asien,<br />
in Russland; in <strong>de</strong>n Bereichen Konstruktion,<br />
Berechnung, Fertigung; bei Verkehrsflugzeugbauern,<br />
Sportflugzeugbauern, Helikopterherstellern,<br />
Antriebsherstellern,<br />
Turbinenbauern. Nicht zu vergessen: die<br />
Zulieferindustrie.“<br />
Für Maschinenbauer gibt es jedoch<br />
noch mehr Arbeitsbereiche. Im Engineering<br />
gibt es viele Berufe mit Zukunft. Werkstoffwissenschaftler<br />
und Kunststoffingenieure,<br />
so lauten die Tipps von Klaus Steinmann,<br />
Personalberater bei Mercuri Urval<br />
in Düsseldorf. „Die sind in <strong>de</strong>r Industrie immer<br />
stärker gefragt.“ Keine Frage: <strong>de</strong>r klassische<br />
Elektrotechniker auch. Doch wer<br />
Spaß an Technik habe, solle sich nicht nur<br />
die Mainstreamfächer ansehen, son<strong>de</strong>rn<br />
auch nach links und rechts schauen. Wobei<br />
Luftfahrt, Messtechnik, Aerodynamik<br />
nen:www.hs-bremen.<strong>de</strong>/internet/<strong>de</strong>/studium/stg/lur/in<strong>de</strong>x.html Duale Hochschule Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
in Ravensburg: Bachelor „Luft- und Raumfahrtelektronik“<br />
unter an<strong>de</strong>rem mit <strong>de</strong>n<br />
Schwerpunkten Flugregelung, Software--<br />
Engineering, Messtechnik und Elektromagnetische<br />
Verträglichkeit. Informationen:<br />
www.dhbw-ravensburg.<strong>de</strong>/<strong>de</strong>/studienintere<br />
ssierte/fakultaet-studiengang/technik/luftund-raumfahrttechnik/luft-und-raumfahrtelektronik/<br />
Universität Stuttgart: Bachelor „Luft und<br />
Raumfahrttechnik“ mit zwölfwöchigem Fachpraktikum<br />
in <strong>de</strong>r Industrie, Fortsetzung <strong>de</strong>s<br />
Studiums im gleichnamigen Masterstudien-<br />
Bitte mehr Bauchgefühl<br />
„Die große Chance in meiner Karriere ergab<br />
sich zwei Jahre später, als die junge<br />
Firma als Geschäftsbereich in die LPKF-<br />
Muttergesellschaft eingeglie<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>“,<br />
erzählt Brunnecker. Die Führungsspitze<br />
hatte das Start-up verlassen und <strong>de</strong>r ehrgeizige<br />
Laser-Fachmann schlug sich kurzerhand<br />
selbst als neuen Chef vor. „Der<br />
LPKF-Vorstand in Garbsen staunte nicht<br />
schlecht über meinen Mut. Schließlich war<br />
ich damals erst 28 Jahre alt“, berichtet <strong>de</strong>r<br />
Franke. Sein Mut wur<strong>de</strong> belohnt: Er bekam<br />
tatsächlich <strong>de</strong>n Job. Sein Ressort umfasste<br />
damals die Bereiche Applikation, Service<br />
und Finanzen. Vor allem die betriebswirtschaftliche<br />
Materie musste er sich allerdings<br />
für die Aufgabe komplett neu aneignen.<br />
„Buchführung und Businesspläne gehören<br />
nicht zum Maschinenbau-Studium“,<br />
erzählt Frank Brunnecker.<br />
Dabei wäre Brunnecker nach seinem<br />
zielstrebigen Studium an <strong>de</strong>r Uni Erlangen-<br />
Nürnberg fast in einer beruflichen Sackgas-<br />
man natürlich grundsätzlich das studieren<br />
solle, was einem Spaß mache. Allerdings<br />
rät Steinmann schon dazu, zu überlegen,<br />
was man am En<strong>de</strong> seines Studiums damit<br />
anfangen könne. „Dafür gibt es Praktika“,<br />
sagt er, „dabei erkennt man, ob das Fachgebiet<br />
Freu<strong>de</strong> macht.“<br />
Dem stimmt Jörg Seeger zu. Im Grundstudium<br />
Maschinenbau hatte er ein Praktikum<br />
bei BMW machen wollen, das klappte<br />
nicht, statt<strong>de</strong>ssen ging er für zwei Monate<br />
zu einem Flugzeugbauer. Danach wechselte<br />
er in die Luftfahrt.<br />
Doch auch am Bo<strong>de</strong>n wächst die Nachfrage<br />
nach pfiffigen Ingenieuren mit Vorliebe<br />
für Außergewöhnliches. Ebenso wie<br />
sein Branchenkollege Steinmann macht<br />
<strong>de</strong>r Frankfurter Headhunter Ralph Kleine<br />
auf die Wasserwirtschaft aufmerksam.<br />
Kleine ist fest überzeugt: „Die Wasserwirtschaft<br />
läuft in blühen<strong>de</strong> Zukunftsaussich-<br />
gang möglich. Informationen: www.uni-stuttgart.<strong>de</strong>/studieren/angebot/lrt_bsc/<br />
Technische Universität Braunschweig:<br />
Master „Luft- und Raumfahrttechnik“ mit Vertiefungsmöglichkeiten<br />
unter an<strong>de</strong>rem in <strong>de</strong>n<br />
Bereichen Aerodynamik, Flugzeug- und<br />
Leichtbau, Raumfahrttechnik und Werkstoffe,<br />
zu<strong>de</strong>m Anwendung <strong>de</strong>r erworbenen<br />
Kenntnisse auf <strong>de</strong>m Forschungsflughafen<br />
<strong>de</strong>r Universität. Informationen: www.tubraunschweig.<strong>de</strong>/studieninteressierte/studienangebot/maschinenbau/master/lur<br />
Technische Universität Berlin: Master<br />
„Luft- und Raumfahrttechnik“ mit sechswöchigem<br />
Pflichtpraktikum. Informationen:<br />
www.tu-berlin.<strong>de</strong>/?id=115207 MARIA FIEDLER<br />
Seine Karriere verdankt Laserspezialist Brunnecker ungewöhnlichen Entschlüssen<br />
Der Familienvater schätzt<br />
die Möglichkeit, auch<br />
zu Hause arbeiten zu können<br />
Liebt Herausfor<strong>de</strong>rungen: Ingenieur<br />
Frank Brunnecker machte Karriere<br />
bei einem Mittelständler. FOTO: OH<br />
Es gibt nicht nur eine Lösung: Wer sich als Ingenieur auf ein Nischenfach spezialisiert, kann von seinem Exotenstatus profitieren.<br />
se gelan<strong>de</strong>t: „Ich habe mich schon sehr<br />
früh mit <strong>de</strong>m Kernthema meiner heutigen<br />
Tätigkeit, <strong>de</strong>r Lasertechnik, befasst.“ Auf<br />
seine Diplomarbeit bekam er die Note<br />
„Sehr gut“. Den Absolventen zog es danach<br />
zum Weltmarktführer für Wälzlager, <strong>de</strong>n<br />
Konzern Schaeffler Technologies in Herzogenaurach.<br />
Dort aber ereilte ihn <strong>de</strong>r Praxisschock:<br />
35-Stun<strong>de</strong>n-Woche, feste Arbeitszeiten<br />
von sieben bis 14.30 Uhr, viel Verwaltung,<br />
Unterfor<strong>de</strong>rung. Der Jungingenieur<br />
zog die Konsequenz und kündigte nach<br />
nur vier Monaten: „Je<strong>de</strong>r Karriereberater<br />
hätte die Hän<strong>de</strong> über <strong>de</strong>m Kopf zusammengeschlagen.“<br />
Brunnecker aber heuerte beim Start-up<br />
LaserQuipment AG an, bei <strong>de</strong>m er schon<br />
seine Diplomarbeit verfasst hatte und das<br />
eben später in die LPKF eingeglie<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>.<br />
Er ist hier glücklich. Seine Erkenntnis:<br />
Mit flexiblen Arbeitszeitmo<strong>de</strong>llen und an<strong>de</strong>ren<br />
familienfreundlichen Angeboten lassen<br />
sich Karriere und Familie bei kleineren<br />
Unternehmen oft wesentlich besser vereinbaren<br />
als bei Big Playern.<br />
Nachwuchsingenieuren rät Frank Brunnecker,<br />
„nicht immer alles hun<strong>de</strong>rtprozentig<br />
absichern zu wollen, son<strong>de</strong>rn auch mal<br />
eine wichtige Entscheidung für die Karriere<br />
aus <strong>de</strong>m Bauch heraus zu fällen“. Außer<strong>de</strong>m<br />
sollten auch Technik-Experten an ihren<br />
Sozialkompetenzen wie Führungsqualitäten<br />
und Managementfähigkeiten im interkulturellen<br />
Kontext arbeiten: „Lernt<br />
Englisch, interessiert euch für an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r.<br />
Hört euren Kollegen aus an<strong>de</strong>ren Fachbereichen<br />
zu. Schaut auch mal in eine Psychologie-<br />
o<strong>de</strong>r Betriebswirtschafts-Vorlesung<br />
rein!“ Die Beschäftigung mit solchen,<br />
für Ingenieure frem<strong>de</strong>n Themen entpuppe<br />
sich häufig als hilfreich auf <strong>de</strong>m Weg zu einer<br />
Führungsposition. Auch Karriereberater<br />
warnen Ingenieure vor <strong>de</strong>r Spezialistenfalle.<br />
Man sollte nicht nur in einem Bereich<br />
top sein, sonst gerate man auf ein Abstellgleis,<br />
sobald diese Technik überholt sei.<br />
JÜRGEN HOFFMANN<br />
ten hinein.“ Dem stimmt Steinmann zu:<br />
„Hier gibt es noch nicht viele erfahrene Ingenieure.<br />
Aber schon bald wird ein hoher<br />
Bedarf entstehen.“ Und zwar in ähnlicher<br />
Größenordnung, wie heute gute Energiewirtschaftler<br />
schon vom Hörsaal weg engagiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Wür<strong>de</strong> er heute Ingenieurwissenschaften<br />
studieren, sagt Steinmann,<br />
dann wür<strong>de</strong> er die Personaler von<br />
großen Unternehmen anrufen und nach<br />
<strong>de</strong>m Bedarf in fünf Jahren fragen.<br />
Noch spezialisieren<br />
sich wenige Stu<strong>de</strong>nten<br />
auf Umwelttechnik<br />
Die Umwelttechnik wür<strong>de</strong> dabei sicher<br />
häufig genannt. Und obwohl immer mehr<br />
Ingenieurstudiengänge an <strong>de</strong>r Schnittstelle<br />
zur Ökologie eingerichtet wer<strong>de</strong>n, sucht<br />
Beste Grün<strong>de</strong> für das Arbeiten bei Audi:<br />
Weltweit<br />
weiterentwickeln<br />
Hanno Frömming, Geschäftsführer <strong>de</strong>s<br />
Prüflabors Trea in Sta<strong>de</strong>, verzweifelt nach<br />
Spezialisten. „Wir sind ein Umweltsimulationslabor<br />
und testen Luftfahrt-, Raumfahrt-,<br />
Automobil- und Medizintechnikgeräte<br />
auf ihre Umweltverträglichkeit“, erklärt<br />
<strong>de</strong>r Maschinenbauer, „das heißt, wir<br />
bil<strong>de</strong>n die später auf das Produkt wirken<strong>de</strong>n<br />
Umwelteinflüsse ab und prüfen, ob es<br />
umweltverträglich ist.“ Getestet wird zum<br />
Beispiel auf die elektromagnetische Verträglichkeit<br />
<strong>de</strong>r Produkte. Lernt man so etwas<br />
im klassischen Ingenieurstudium?<br />
„Nein“, sagt Frömming, „darauf muss<br />
man sich spezialisieren, und das tun nicht<br />
viele.“<br />
Seine Strategie: „Wir stellen Elektroingenieure<br />
ein, manchmal auch Fahrzeugbauer,<br />
und bil<strong>de</strong>n die weiter.“ Eine Basis<br />
zu haben, ist also gut: Ein Generalist kann<br />
später immer noch ein Spezialist wer<strong>de</strong>n.<br />
»Beste Grün<strong>de</strong> bei Audi zu arbeiten« sind so zahlreich wie unsere Standorte weltweit.<br />
Egal ob Ungarn, Belgien, China o<strong>de</strong>r Mexiko – wir unterstützen unsere Mitarbeiter, sich<br />
auch international zu entwickeln.<br />
Diesen Weg hat auch Virginia Avila-Cruz eingeschlagen. Nach einem Projekt im ungarischen<br />
Györ plant sie jetzt das Logistik-Konzept unseres neuen Produktionsstandorts in Mexiko.<br />
Das be<strong>de</strong>utet für sie eine weitere Herausfor<strong>de</strong>rung und führt sie dorthin, wo ihre Wurzeln<br />
liegen.<br />
Mehr erfahren unter: www.arbeiten-bei-audi.<strong>de</strong><br />
Beste Grün<strong>de</strong> bei Audi zu arbeiten<br />
fi n<strong>de</strong>n Sie auch hier.<br />
Zukunftsmarkt<br />
Der Fachkräftemangel dürfte bei IT- und<br />
<strong>Ingenieurberufe</strong>n min<strong>de</strong>stens noch weitere<br />
zehn Jahre andauern. Nach Ansicht von<br />
Nils Richter von <strong>de</strong>r Personalberatung Michael<br />
Page spricht das klar für <strong>de</strong>n Ingenieurberuf,<br />
beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n Zukunftstechnologien:<br />
Alternative Antriebe, Elektronik,<br />
Wasser, Sensorik und Licht. Pauschale Aussagen<br />
zu Jobchancen will Richter nicht machen,<br />
doch die Nachfrage nach Ingenieuren<br />
sei <strong>de</strong>finitiv vorhan<strong>de</strong>n, auch die nach<br />
Spezialisten. Es gebe auch regionale Unterschie<strong>de</strong>:<br />
Die Luftfahrt konzentriere sich<br />
auf Hamburg, Berlin und München, in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
wür<strong>de</strong>n eher Wasserwirtschaftler,<br />
Feststofftechnologen und<br />
Waffentechniker gesucht. CDE
16 INGENIEURBERUFE EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Samstag/Sonntag, 27./28. April 2013, Nr. 98<br />
Hilfe,<br />
die im<br />
Alltag<br />
besteht<br />
Ingenieure ohne Grenzen<br />
planen und installieren<br />
technische Anlagen für<br />
Menschen in armen<br />
Län<strong>de</strong>rn. Doch die Lösungen<br />
müssen lebensnah sein<br />
VON MAIKE BRZOSKA<br />
Technik ist nicht alles. Diese Erfahrung<br />
haben die Ingenieure ohne<br />
Grenzen schon oft gemacht. Sanitäre<br />
Anlagen bauen, Biogasanlagen installieren,<br />
Dörfer mit Strom versorgen, das sind<br />
alles keine großen technischen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
für Ingenieure. Probleme bereiten<br />
eher die Menschen mit ihren jeweiligen<br />
Ansichten und Bedürfnissen. Da war<br />
zum Beispiel die Sache mit <strong>de</strong>n Toiletten.<br />
Die wur<strong>de</strong>n in einem Flüchtlingslager in einer<br />
Reihe aufgestellt, und zwar nach Osten<br />
hin ausgerichtet. Der Großteil <strong>de</strong>r<br />
Flüchtlinge waren aber Muslime, und die<br />
dürfen ihr Geschäft nun mal nicht gen<br />
Mekka verrichten. Die Toiletten wur<strong>de</strong>n<br />
nur wenig genutzt.<br />
Die Geschichte ist einer Partnerorganisation<br />
passiert, kommt aber auf Workshops<br />
<strong>de</strong>r Ingenieure ohne Grenzen immer<br />
wie<strong>de</strong>r zur Sprache – als mahnen<strong>de</strong>s<br />
Beispiel dafür, was schiefgehen kann,<br />
auch wenn die technische Lösung passt.<br />
Aber die Ingenieure ohne Grenzen selbst<br />
haben auch so ihre Erfahrungen mit frem<strong>de</strong>n<br />
Kulturen gemacht und Lehren daraus<br />
gezogen. „Ganz wichtig ist es, die lokalen<br />
Funktioniert das? Wer als Ingenieur in Entwicklungslän<strong>de</strong>rn tätig ist, muss nicht nur die Technik, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>n kulturellen Kontext im Auge behalten.<br />
Autoritäten einzubeziehen, damit das Projekt<br />
in <strong>de</strong>r Bevölkerung angenommen<br />
wird“, sagt Volker Eiselein, <strong>de</strong>r seit vielen<br />
Jahren Öffentlichkeitsarbeit für <strong>de</strong>n Verein<br />
macht. „Technik ist manchmal heikel.“<br />
Die Ingenieure ohne Grenzen haben es<br />
sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensbedingungen<br />
von Menschen in entwicklungsschwachen<br />
Regionen mithilfe technischer<br />
Lösungen zu verbessern. Sie versorgen<br />
Dörfer mit sauberem Wasser o<strong>de</strong>r mit Biogasanlagen,<br />
um Strom zu produzieren.<br />
Der Verein baut zum Beispiel für Schulen<br />
Eine Portion Abenteuerlust ist<br />
schon dabei, wenn die Helfer bei<br />
Projekten in Übersee anheuern<br />
auch kleinere Brücken o<strong>de</strong>r Sanitäranlagen.<br />
Insgesamt gibt es 50 Projekte, vor allem<br />
in Afrika und Lateinamerika. „Wir<br />
sind <strong>de</strong>r Meinung, dass eine funktionieren<strong>de</strong><br />
Infrastruktur ein Kernpunkt ist, damit<br />
weitere, auch ökonomische Entwicklung<br />
in einer Region stattfin<strong>de</strong>n kann“, sagt Jojakim<br />
Sames. Das heißt im Einzelfall: Solange<br />
die nächste Trinkwasserquelle kilometerweit<br />
entfernt ist, können Kin<strong>de</strong>r<br />
Ich bei ZF.<br />
Ingenieur und Chefpilot.<br />
nicht in die Schule gehen o<strong>de</strong>r Eltern ihren<br />
Lebensunterhalt nicht verdienen, weil sie<br />
<strong>de</strong>n halben Tag dafür aufwen<strong>de</strong>n müssen,<br />
Wasser herbeizuschaffen.<br />
Sames war auch schon dabei, als <strong>de</strong>r Verein<br />
2003 gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Damals wollte<br />
er mit ein paar Leuten die Wasserversorgung<br />
eines Dorfes in Tadschikistan instand<br />
setzen. Weil sie dafür Geld brauchten,<br />
suchten sie nach einer Organisation,<br />
unter <strong>de</strong>ren Dach sie Spen<strong>de</strong>n sammeln<br />
konnten. Fündig wur<strong>de</strong>n sie nicht, <strong>de</strong>swegen<br />
grün<strong>de</strong>ten sie schließlich ihren eigenen<br />
Verein. „Das war am Anfang gar nicht<br />
so groß angedacht“, sagt Sames. Im Laufe<br />
<strong>de</strong>r Zeit sei <strong>de</strong>r Verein dann immer größer<br />
und professioneller gewor<strong>de</strong>n. Heute,<br />
zehn Jahre nach <strong>de</strong>r Gründung, hat <strong>de</strong>r Verein<br />
circa 1500 Mitglie<strong>de</strong>r, von <strong>de</strong>nen gut<br />
ein Drittel aktiv an Projekten mitarbeitet.<br />
Etwa die Hälfte <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r sind Stu<strong>de</strong>nten,<br />
die an<strong>de</strong>re Hälfte ist berufstätig o<strong>de</strong>r<br />
in Rente. Und trotz <strong>de</strong>s Namens machen<br />
Vertreter <strong>de</strong>r Ingenieurwissenschaften<br />
nur etwa die Hälfte <strong>de</strong>r Mitstreiter aus,<br />
auch die meisten an<strong>de</strong>ren Fachrichtungen<br />
sind vertreten.<br />
Eiselein kennt mehrere Grün<strong>de</strong>, warum<br />
sich die Vereinsmitglie<strong>de</strong>r neben Studium<br />
Ich liebe es, etwas Einzigartiges zu machen – wie das Mo<strong>de</strong>llfliegen. Etwas von <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e bis zur<br />
Einsatzreife zu entwickeln, zu durch<strong>de</strong>nken und zu bauen, so dass es am En<strong>de</strong> auch funktioniert<br />
– das ist meine Lei<strong>de</strong>nschaft. Privat genauso wie im Job. Ich bin Matthias Möller und seit über<br />
10 Jahren als Entwicklungs- und Projektingenieur tätig. ZF ist für mich ein Platz, an <strong>de</strong>m ich<br />
ge för<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong> und mich wohlfühle. Mehr über mich, meinen Job und welche I<strong>de</strong>en wir heute<br />
schon für übermorgen entwickeln, gibt es unter www.ich-bei-zf.com.<br />
Matthias Möller<br />
Projektingenieur CAD-Konstruktion<br />
ZF Friedrichshafen AG<br />
Dielingen<br />
www.ich-bei-zf.com<br />
Mehr über mich und meine<br />
Arbeit bei ZF erfahren Sie<br />
hier:<br />
o<strong>de</strong>r Vollzeitberuf ehrenamtlich engagieren.<br />
Immerhin laufen viele Projekte über<br />
mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre.<br />
Ein wenig Abenteuerlust sei schon bei vielen<br />
dabei. „Einige kommen zu uns und wollen<br />
gleich morgen nach Afrika fliegen.“ Denen<br />
erklärt er dann erst mal, dass <strong>de</strong>r Großteil<br />
<strong>de</strong>r Projekte von Deutschland aus geplant<br />
wird. Vor allem für die Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r<br />
Ingenieurwissenschaften und ähnlicher<br />
Fächer sei es außer<strong>de</strong>m sehr attraktiv, das<br />
Wissen aus <strong>de</strong>m Studium konkret anwen<strong>de</strong>n<br />
zu können. Oft geht es bei <strong>de</strong>n Projekten<br />
in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong>de</strong>rn weniger<br />
um High-Tech-Lösungen, wie man sie vielleicht<br />
für eine <strong>de</strong>utsche Firma entwickeln<br />
wür<strong>de</strong>. Son<strong>de</strong>rn um Lösungen, die zur jeweiligen<br />
Region passen.<br />
Eiselein berichtet beispielsweise von einer<br />
Region in Tansania, in <strong>de</strong>r es bereits<br />
Biogasanlagen zur Stromerzeugung von einer<br />
an<strong>de</strong>ren Organisation gab. Es waren<br />
Anlagen, die mit Rin<strong>de</strong>r- und Schweinedung<br />
befüllt wer<strong>de</strong>n, wie sie auch in Europa<br />
üblich sind. In Tansania allerdings laufen<br />
die Tiere meist frei herum. Das hatte offenbar<br />
niemand bedacht. „Die Bewohner<br />
mussten mit <strong>de</strong>m Moped quer über die Fel<strong>de</strong>r<br />
fahren, um Rin<strong>de</strong>rdung aufzusam-<br />
„Die Brücke macht<br />
das Leben einfacher“<br />
Wie <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nt Valentin Koslowski<br />
einem Dorf in Ruanda mit einem Bauprojekt hilft<br />
Von Oktober 2012 bis Januar dieses Jahres<br />
war Valentin Koslowski, 28, für die Ingenieure<br />
ohne Grenzen in Ruanda. In <strong>de</strong>m kleinen<br />
Dorf Kamajanga hat er zusammen mit<br />
vier Kommilitonen aus Deutschland und<br />
ruandischen Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Universität in<br />
Kigali eine Fußgängerbrücke gebaut. Koslowski<br />
studiert Bauingenieurwesen an <strong>de</strong>r<br />
Technischen Universität München.<br />
SZ: Warum ist die Brücke für die Menschen<br />
in Kamajanga wichtig?<br />
Valentin Koslowski: Wenn es in <strong>de</strong>m Dorf<br />
länger regnet, schwillt <strong>de</strong>r Fluss zu einem<br />
richtig breiten Strom an. Kamajanga war<br />
dann je<strong>de</strong>s Mal von seiner Umgebung abgeschottet.<br />
Aber auch ohne Regen war es<br />
schwierig, über <strong>de</strong>n Fluss zu kommen. Da<br />
lagen nur ein paar Baumstämme, über die<br />
musste man balancieren. Mit <strong>de</strong>r Brücke<br />
können die Bewohner jetzt je<strong>de</strong>rzeit über<br />
<strong>de</strong>n Fluss ins nächste Dorf, wo auch Schulen<br />
und Krankenhäuser sind.<br />
Wie sind Sie <strong>de</strong>nn auf die I<strong>de</strong>e gekommen?<br />
Ich war schon mal an einem ähnlichen Projekt<br />
beteiligt und fand, das ist eine tolle Sache,<br />
weil so eine Brücke <strong>de</strong>n Alltag <strong>de</strong>r Menschen<br />
sehr viel einfacher machen kann. Zusammen<br />
mit meinen vier Kommilitonen<br />
Axel Greim, Miriam Schütz, Christoph Winter<br />
und Johannes Krumpen habe ich das<br />
Projekt dann unter <strong>de</strong>m Dach von Ingenieure<br />
ohne Grenzen ins Leben gerufen.<br />
Eine Brücke zu bauen ist ja keine Kleinigkeit.<br />
Wie haben Sie das <strong>de</strong>nn bewerkstelligt?<br />
Wir hatten viel Unterstützung von Statikern<br />
und Brückenbauern <strong>de</strong>r Ingenieure<br />
ohne Grenzen, die haben damit ja Erfahrung.<br />
Es ist eine Hängebrücke wie die Gol<strong>de</strong>n<br />
Gate Bridge in San Francisco, nur viel<br />
kleiner natürlich; 35 Meter lang. In Afrika<br />
haben wir zusammen mit ruandischen Stu<strong>de</strong>nten<br />
<strong>de</strong>r Kigali Institutes of Science and<br />
Technology gearbeitet. Auf <strong>de</strong>m Campus<br />
<strong>de</strong>r Uni konnten wir auch wohnen. Außer<strong>de</strong>m<br />
haben uns die lokalen Dorfvorsteher<br />
und <strong>de</strong>r Bürgermeister <strong>de</strong>r Region unterstützt.<br />
Das war wichtig, auch für die Akzeptanz<br />
<strong>de</strong>s Projektes in <strong>de</strong>r Bevölkerung.<br />
Und wie haben Sie das Projekt finanziert?<br />
Insgesamt hat die Brücke knapp 30 000<br />
Euro gekostet. 12 000 Euro hat <strong>de</strong>r Bürgermeister<br />
beim „micro project fund“ beantragt,<br />
das ist ein Geldtopf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Entwicklungshilfe in Ruanda. Davon haben<br />
wir das Baumaterial bezahlt. Die restlichen<br />
18 000 Euro haben wir selbst aufgetrieben;<br />
im Bekanntenkreis und durch Vor-<br />
meln, das hat natürlich keinen Sinn, damit<br />
ist nieman<strong>de</strong>m geholfen“, sagt Eiselein.<br />
Die Ingenieure ohne Grenzen haben <strong>de</strong>shalb<br />
eine Anlage mitentwickelt, die auch<br />
mit Resten und Abfällen von Bananenplantagen<br />
befüllt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Hilfe zur Selbsthilfe: Wenn die<br />
Techniker fort sind, müssen die<br />
Dörfler ihre Anlage selbst warten<br />
An<strong>de</strong>re Biogasanlagen, die sie auf Erkundungsreisen<br />
gesehen haben, seien wie<strong>de</strong>rum<br />
gar nicht in Betrieb gewesen, erzählt<br />
Eiselein. Weil die einheimische Bevölkerung<br />
sie nicht warten o<strong>de</strong>r reparieren<br />
konnte. Teilweise habe nur ein Ventil gefehlt,<br />
trotz<strong>de</strong>m habe die ganze Anlage<br />
brach gelegen. Deswegen haben die Ingenieure<br />
ohne Grenzen einen festen Grundsatz<br />
für ihre Projekte: Sie arbeiten immer<br />
mit <strong>de</strong>n Menschen an Ort und Stelle zusammen.<br />
Wenn das nicht geht, kommt das<br />
Projekt nicht zustan<strong>de</strong>. „Wir wollen keine<br />
dauerhaften Geld- o<strong>de</strong>r Ressourcengeber<br />
sein“, sagt Sames. Irgendwann sei man ja<br />
nicht mehr am Ort und von diesem Moment<br />
an müssten die Menschen selber wis-<br />
träge, die wir an <strong>de</strong>r Uni zu <strong>de</strong>m Thema gehalten<br />
haben. Auch einige Ingenieurbüros<br />
haben uns finanziell unterstützt.<br />
Wie hat <strong>de</strong>nn die Zusammenarbeit mit<br />
<strong>de</strong>n ruandischen Stu<strong>de</strong>nten geklappt?<br />
Am Anfang gab es schon ein paar Probleme.<br />
Die dortigen Stu<strong>de</strong>nten konnten sich<br />
unter „Ehrenamt“ nicht viel vorstellen,<br />
das ist da wohl nicht so üblich. Ich glaube,<br />
einige haben zuerst gedacht, da kommt eine<br />
<strong>de</strong>utsche Firma, für die sie arbeiten können.<br />
Wir haben dann immer wie<strong>de</strong>r erklärt,<br />
dass wir das ehrenamtlich machen.<br />
Auch die ersten Treffen waren etwas seltsam.<br />
Die Stu<strong>de</strong>nten aus Ruanda haben sich<br />
erst nicht getraut, etwas zu fragen o<strong>de</strong>r<br />
nachzuhaken. Aber das hat sich nach ein<br />
paar Tagen geklärt und danach hat die Zusammenarbeit<br />
super geklappt.<br />
Hilfe zur Selbsthilfe ist ja ein Leitsatz <strong>de</strong>r<br />
Ingenieure ohne Grenzen. Glauben Sie,<br />
dass in Ruanda jetzt viele solcher Brücken<br />
entstehen?<br />
Das wäre natürlich eine tolle Sache, wenn<br />
sich das Wissen und die Erfahrung verbreiten<br />
wür<strong>de</strong>n. Zu <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>r Brücke<br />
sind schon mal viele gekommen, auch <strong>de</strong>r<br />
Bürgermeister und Leute aus <strong>de</strong>n Ministerien.<br />
Ob unsere Arbeit auch an an<strong>de</strong>ren Orten<br />
in Ruanda Früchte trägt, wer<strong>de</strong>n wir<br />
aber wohl erst in ein paar Jahren sehen.<br />
Sie haben viel Zeit investiert in das Projekt.<br />
Wollen Sie nach <strong>de</strong>m Studium<br />
hauptberuflich in die Entwicklungshilfe<br />
gehen?<br />
Insgesamt hat das Projekt knapp zwei Jahre<br />
gedauert, Planung und Bau brauchten<br />
sechs Monate. Wir waren ja zu fünft, je<strong>de</strong>r<br />
von uns war zwei bis drei Monate in Ruanda,<br />
so lange war das also gar nicht. Nach<br />
<strong>de</strong>m Studium möchte ich hier in Deutschland<br />
im Bereich Tragwerksplanung arbeiten.<br />
Aber für die Ingenieure ohne Grenzen<br />
wer<strong>de</strong> ich weiter tätig sein, zum Beispiel in<strong>de</strong>m<br />
ich an<strong>de</strong>re Brückenbauer bei ihren<br />
Projekten berate.<br />
INTERVIEW: MAIKE BRZOSKA<br />
„Ob unsere Arbeit in<br />
Ruanda Früchte trägt,<br />
wer<strong>de</strong>n wir wohl erst in<br />
ein paar Jahren sehen“,<br />
sagt <strong>de</strong>r junge Ingenieur<br />
Valentin Koslowski. Er<br />
will sich auf je<strong>de</strong>n Fall<br />
weiter ehrenamtlich für<br />
Ingenieure ohne Grenzen<br />
engagieren. FOTO: OH<br />
sen, was sie tun können, um sich zu helfen.<br />
Hilfe zur Selbsthilfe also. Ein Großteil <strong>de</strong>r<br />
Arbeit <strong>de</strong>r Ingenieure ohne Grenzen bestehe<br />
<strong>de</strong>swegen in <strong>de</strong>r Ausbildung und Motivation<br />
<strong>de</strong>r Menschen am jeweiligen Ort.<br />
Auch dabei gibt es hin und wie<strong>de</strong>r Probleme.<br />
An einigen ist die Entwicklungshilfe<br />
vergangener Jahrzehnte sogar nicht<br />
ganz unbeteiligt. Früher sei eher wenig<br />
Wert auf Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r einheimischen<br />
Bevölkerung gelegt wor<strong>de</strong>n. Das<br />
wollten die Ingenieure ohne Grenzen von<br />
Anfang an an<strong>de</strong>rs machen. „In einigen Regionen<br />
hatte man sich mit <strong>de</strong>r Entwicklungshilfe<br />
ganz gut eingerichtet“, sagt<br />
Eiselein. Wer es gewohnt ist, Dinge zu bekommen,<br />
ohne etwas dafür tun zu müssen,<br />
muss zunächst einmal motiviert wer<strong>de</strong>n,<br />
wie<strong>de</strong>r selbst Hand anzulegen. Das ist<br />
beson<strong>de</strong>rs schwierig, wenn sich <strong>de</strong>r Nutzen<br />
erst Monate später zeigt. Biogasanlagen<br />
etwa müssen zwei bis drei Monate<br />
lang je<strong>de</strong>n Tag befüllt wer<strong>de</strong>n, bevor das<br />
erste Gas abgezapft wer<strong>de</strong>n könne. „Sobald<br />
das Gas zum Kochen da ist, sind alle<br />
zufrie<strong>de</strong>n, aber am Anfang mussten wir da<br />
erst mal viel Überzeugungsarbeit leisten“,<br />
sagt Eiselein rückblickend. Technik allein<br />
ist eben nicht alles.<br />
Immer noch<br />
offene Stellen<br />
Erstmals seit Jahren geht die Zahl <strong>de</strong>r offenen<br />
Stellen für Ingenieure leicht zurück.<br />
„Im Februar 2013 gab es rund<br />
69 600 offene Stellen“, sagt Ina Kayser<br />
vom Verein Deutscher Ingenieure. Im<br />
September 2012 waren es noch 80 500.<br />
Sorgen um einen Arbeitsplatz müssen<br />
sich Hochschulabsolventen <strong>de</strong>shalb<br />
aber nicht machen. „Viele Firmen haben<br />
immer noch Probleme, Fachkräfte zu fin<strong>de</strong>n“,<br />
sagt Paul Ebsen von <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur<br />
für Arbeit. Die Aussichten auf<br />
<strong>de</strong>m Arbeitsmarkt seien für Ingenieure<br />
nach wie vor gut. Beson<strong>de</strong>rs gesucht seien<br />
Hochschulabgänger, die sich für die<br />
Bereiche Maschinenbau o<strong>de</strong>r Fahrzeugherstellung<br />
interessierten. Etwas schwieriger<br />
ist die Lage am Arbeitsmarkt Ebsen<br />
zufolge dagegen für Bauingenieure.<br />
Die Zahl <strong>de</strong>r Studienanfänger ist in<br />
<strong>de</strong>n vergangenen Jahren kontinuierlich<br />
gestiegen: 2011 haben sich 156 317 Personen<br />
zum ersten Mal für die Ingenieurwissenschaften<br />
eingeschrieben. 2001 waren<br />
es nur circa 70 000. Trotz<strong>de</strong>m: Von einem<br />
Überangebot an jungen Ingenieuren<br />
ist die Branche weit entfernt, sagt Ebsen.<br />
In Zukunft wer<strong>de</strong> das wegen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mografischen<br />
Wan<strong>de</strong>ls und <strong>de</strong>r damit<br />
rückläufigen Stu<strong>de</strong>ntenzahlen aller Voraussicht<br />
nach so bleiben. DPA<br />
Viel Arbeit,<br />
wenig Prämien<br />
Die Wochenarbeitszeit von Ingenieuren<br />
ist <strong>de</strong>utlich länger als vereinbart. Offenbar<br />
hat die starke Auslastung <strong>de</strong>r produzieren<strong>de</strong>n<br />
Unternehmen im vergangenen<br />
Jahr die Arbeitsbelastung <strong>de</strong>r Beschäftigten<br />
noch einmal <strong>de</strong>utlich nach<br />
oben getrieben. Obwohl 83 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Ingenieure eine vertraglich geregelte Arbeitszeitzwischen<br />
36 und 40 Stun<strong>de</strong>n haben,<br />
liegt die tatsächliche Arbeitszeit erheblich<br />
darüber. 47 Prozent arbeiten zwischen<br />
41 und 45 Stun<strong>de</strong>n, 18 Prozent<br />
sind bis zu 50 Stun<strong>de</strong>n im Unternehmen<br />
tätig. 5,2 Prozent <strong>de</strong>r Ingenieure haben<br />
sogar eine tatsächliche Arbeitszeit von<br />
mehr als 50 Stun<strong>de</strong>n. Innerhalb <strong>de</strong>r vertraglich<br />
geregelten Arbeitszeit liegen dagegen<br />
nur 27 Prozent. Das ist das Ergebnis<br />
<strong>de</strong>r neuen Gehaltsstudie 2012 <strong>de</strong>r<br />
VDI Nachrichten, die auf <strong>de</strong>n tatsächlichen<br />
Einkommens- und Arbeitsdaten<br />
von 8630 Ingenieuren basiert.<br />
Weiterhin hoch ist <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Ingenieure,<br />
die we<strong>de</strong>r Urlaubs-, noch Weihnachtsgeld<br />
erhalten. 2012 lag <strong>de</strong>ren<br />
Anteil bei <strong>de</strong>n Ingenieuren mit mehr als<br />
zwei Jahren Berufserfahrung bei 56<br />
Prozent. Auch variable Prämien sind bei<br />
<strong>de</strong>n berufserfahrenen Ingenieuren noch<br />
immer nicht die Regel. 51 Prozent erhielten<br />
im vergangenen Jahr erfolgsabhängige<br />
Prämien, bei <strong>de</strong>n Berufsanfängern sogar<br />
nur 32 Prozent. SZ
Samstag/Sonntag, 27./28. April 2013, Nr. 98 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG INGENIEURBERUFE 17<br />
Reisemuffel<br />
tun sich schwer<br />
Ein Auslandsaufenthalt ist für Fachkräfte wichtig für<br />
die Karriere. Wer ablehnt, braucht Grün<strong>de</strong><br />
VON CHRISTINE DEMMER<br />
Der Kun<strong>de</strong> hat ein Problem. Der Rollout<br />
seiner neuen Fertigungsanlage<br />
in Shenzhen, 9049 Kilometer von<br />
München entfernt in Südostchina, läuft alles<br />
an<strong>de</strong>re als rund. Irgendwo steckt <strong>de</strong>r<br />
Wurm drin, <strong>de</strong>shalb geht ein dringen<strong>de</strong>r<br />
Hilferuf an <strong>de</strong>n Zulieferer: Er möge ihm bitte<br />
umgehend einen versierten Projektleiter<br />
schicken. Jetzt hat <strong>de</strong>r Anlagenhersteller<br />
das Problem. Sein erfahrenster Ingenieur<br />
lehnt ab. Reisen von ein o<strong>de</strong>r zwei Wochen<br />
Dauer sind in Ordnung, aber länger<br />
will er seine Familie nicht allein lassen.<br />
Und dass die für sechs Monate mitkommt,<br />
ist ausgeschlossen. Schließlich hat seine<br />
Frau einen aussichtsreichen Job und die an<strong>de</strong>rthalbjährige<br />
Tochter soeben einen <strong>de</strong>r<br />
knappen Kitaplätze zugeteilt bekommen.<br />
Soll er so viel Glück etwa aufs Spiel setzen?<br />
Während viele Arbeitnehmer von einem<br />
Job o<strong>de</strong>r wenigstens einem befristeten Einsatz<br />
im Ausland träumen, gibt es min<strong>de</strong>stens<br />
ebenso viele, die überhaupt keine<br />
Lust darauf haben. Denen die jährliche Urlaubsreise<br />
in ein an<strong>de</strong>res Land vollauf genügt,<br />
die sich mit Fremdsprachen und ungewohnten<br />
Klimaverhältnissen schwer<br />
tun, die nicht längere Zeit ohne Frau und<br />
Kind, Haus und Garten, Fußballklub o<strong>de</strong>r<br />
Schützenverein sein wollen.<br />
Führungskräfte haben selten<br />
Verständnis für Mitarbeiter,<br />
die nicht ins Ausland wollen<br />
„Verstehe ich“, sagt man vielleicht,<br />
wenn sich Freun<strong>de</strong> in eigener Sache als Globalisierungsgegner<br />
erweisen. Weit schwerer<br />
damit tun sich Vorgesetzte, die über einen<br />
begrenzten Fundus an fähigen Mitarbeitern<br />
verfügen. Vor allem Führungskräfte<br />
in mittleren Jahren haben kaum Verständnis<br />
für die Verweigerung <strong>de</strong>s Auslandstrips:<br />
„Das hätte man mir damals anbieten<br />
müssen – ich wäre sofort weg gewesen.“<br />
Doch es soll tatsächlich Ingenieure geben,<br />
die absolut keine Lust auf die große,<br />
weite Welt haben. Wie macht man das <strong>de</strong>m<br />
Chef klar, ohne als laues Lan<strong>de</strong>i dazustehen?<br />
An<strong>de</strong>rs gefragt: Wie argumentiert<br />
Deutsche Autohersteller stehen bei angehen<strong>de</strong>n<br />
Ingenieuren und Betriebswirten<br />
hoch im Kurs. So sind unter <strong>de</strong>n Top-5-Arbeitgebern<br />
gleich vier Autobauer zu fin<strong>de</strong>n.<br />
„Das ist ein <strong>de</strong>utsches Phänomen“,<br />
sagt Holger Koch, Geschäftsführer <strong>de</strong>s Instituts<br />
Tren<strong>de</strong>nce, das jährlich das Tren<strong>de</strong>nce<br />
Graduate Barometer herausbringt,<br />
eine Befragung unter angehen<strong>de</strong>n Hochschulabsolventen<br />
<strong>de</strong>r Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften.<br />
Die Stichprobe wur<strong>de</strong> zwischen September<br />
2012 und Februar 2013 an 79 Hochschulen<br />
in ganz Deutschland erhoben. Knapp<br />
14 000 Ingenieurstu<strong>de</strong>nten und 14 500 Betriebswirte,<br />
die kurz vor ihrem Abschluss<br />
stehen, befragte man nach ihrem Traum-<br />
Arbeitgeber. Bei <strong>de</strong>m Ranking kam <strong>de</strong>r Ingolstädter<br />
Autobauer Audi auf Platz 1. Auf<br />
<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Plätzen lan<strong>de</strong>ten weitere<br />
<strong>de</strong>utsche Automobilfirmen wie BMW, Porsche,<br />
Volkswagen und Daimler. Koch überrascht<br />
das Ergebnis nicht: „In Deutschland<br />
ist es traditionell so, dass die Premium-Automobilhersteller<br />
auf die vor<strong>de</strong>rsten Plätze<br />
gewählt wer<strong>de</strong>n.“ Stelle die Automobilbranche<br />
in Deutschland doch einen wichtigen<br />
Wirtschaftsfaktor da.<br />
Bei ihrer Entscheidung legen die Stu<strong>de</strong>nten<br />
auf weiche Faktoren Wert. So seien bei<br />
<strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>s Arbeitgebers vor allem die<br />
späteren Aufgaben und Entwicklungschancen<br />
entschei<strong>de</strong>nd. Auch die Wertschätzung<br />
<strong>de</strong>r eigenen Arbeit, <strong>de</strong>r kollegiale Umgang<br />
sowie <strong>de</strong>r Führungsstil in einem Unternehmen<br />
seien <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten wichtig.<br />
„Eine sehr hierarchische Arbeitsstruktur<br />
ist eher abschreckend“, sagt Koch. „Das Gehalt<br />
dagegen hat noch nie eine Toprolle gespielt<br />
und tut dies auch weiter nicht.“<br />
Zwar stehen in <strong>de</strong>r Gunst <strong>de</strong>r baldigen<br />
Berufseinsteiger vor allem Großkonzerne,<br />
die in <strong>de</strong>r Regel besser zahlen als kleinere<br />
Die zehn beliebtesten Arbeitgeber bei Absolventen<br />
Business<br />
Audi<br />
BMW<br />
Volkswagen<br />
Porsche<br />
adidas<br />
Daimler/Merce<strong>de</strong>s Benz<br />
Bosch<br />
Google<br />
Deutsche Lufthansa<br />
Siemens<br />
Anteil in<br />
Prozent<br />
12,0<br />
11,7<br />
7,8<br />
7,2<br />
6,3<br />
6,2<br />
6,1<br />
6,0<br />
5,8<br />
5,0<br />
Rang<br />
2013<br />
1 1<br />
2 2<br />
3 6<br />
4 3<br />
5 7<br />
6 5<br />
7 8<br />
8 10<br />
9 4<br />
10 13<br />
Rang<br />
2012<br />
man, damit mit <strong>de</strong>m Nein nicht gleich auch<br />
die Karriereaussichten weg sind?<br />
Das sei keine leichte Nuss, meint André<br />
So<strong>de</strong>r, Chef <strong>de</strong>r Hamburger Personalberatung<br />
Target People. „Noch vor 20 Jahren<br />
war die Auslandserfahrung ein Karrierehebel,<br />
heute ist sie nötig, um als Fachkraft im<br />
internationalen Umfeld langfristig seinen<br />
Arbeitsplatz zu sichern“, erklärt er. Wenn<br />
man grundsätzlich nicht ins Ausland will,<br />
kann die Argumentation gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Arbeitgeber schon schwierig wer<strong>de</strong>n. Für<br />
eine aktuell problematische Familiensituation<br />
hätten Vorgesetzte zwar Verständnis.<br />
Jedoch nur in Maßen: „Die betriebliche<br />
Notwendigkeit wird in <strong>de</strong>r Regel höher gewichtet.“<br />
In solchen Fällen wer<strong>de</strong> gerne<br />
auf Zeit gespielt: Grundsätzlich wäre man<br />
bereit, ins Ausland zu gehen, aber gera<strong>de</strong><br />
jetzt passe es nicht so gut. Die Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n<br />
bald eingeschult, <strong>de</strong>r Hausbau kommt<br />
ins Stocken, <strong>de</strong>r Partner bereitet sich auf eine<br />
wichtige Prüfung vor, die lang erwartete<br />
Reha ist kürzlich erst von <strong>de</strong>r Krankenkasse<br />
bewilligt wor<strong>de</strong>n, die Eltern sind pflegebedürftig<br />
o<strong>de</strong>r steuern gera<strong>de</strong>wegs darauf<br />
hin: „Solche Ausre<strong>de</strong>n können kurzfristig<br />
funktionieren“, sagt So<strong>de</strong>r, „aber sie<br />
helfen langfristig nicht.“ Denn was ist,<br />
wenn <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> im fernen Shenzhen<br />
nächstes Jahr eine zweite Anlage montiert<br />
haben will?<br />
Weitsichtiger sei die Strategie, meint<br />
<strong>de</strong>r Headhunter, sich an seinem Standort<br />
unabkömmlich zu machen: Projekte zu leiten,<br />
die niemand aus <strong>de</strong>m Stand übernehmen<br />
kann, o<strong>de</strong>r sich ein spezifisches Fachwissen<br />
anzueignen, über welches kein an<strong>de</strong>rer<br />
Kollege verfügt. „Dann kann man argumentieren,<br />
dass man für das Unternehmen<br />
zu Hause wertvoller ist.“<br />
Dem stimmt Psychologe Manuel Tusch<br />
aus Köln zu. Prinzipiell sei es stets klug,<br />
von <strong>de</strong>r Bedürfnislage <strong>de</strong>s Vorgesetzten<br />
auszugehen. Was be<strong>de</strong>utet, das Ansuchen<br />
nicht stur abzulehnen, son<strong>de</strong>rn nach Begründungen<br />
zu suchen, weshalb es für die<br />
Firma von Vorteil sei, wenn man im Lan<strong>de</strong><br />
bleibe. „Chefs tun am liebsten etwas für ihre<br />
Mitarbeiter“, weiß Tusch, „wenn ihre eigenen<br />
Bedürfnisse dadurch befriedigt wer<strong>de</strong>n.“<br />
Der Business-Coach und Buchautor<br />
empfiehlt, folgen<strong>de</strong>n Satz in Gegenwart<br />
Auf <strong>de</strong>r Pole Position<br />
Berufseinsteiger bevorzugen die Autoindustrie<br />
mittelständische Betriebe. Dies sei aber<br />
eher einem höheren Sicherheitsbedürfnis<br />
geschul<strong>de</strong>t als einer höheren Gehaltserwartung.<br />
„Viele wollen bei einem großen Konzern<br />
anheuern, da sie sich ein sicheres Umfeld<br />
versprechen“, erklärt Koch. Insgesamt<br />
seien die Gehaltsvorstellungen <strong>de</strong>r<br />
Stu<strong>de</strong>nten aber marktgerecht.<br />
Zwischen Männern und Frauen gibt es<br />
hier jedoch <strong>de</strong>utliche Unterschie<strong>de</strong>. Eine<br />
Absolventin mit Wirtschaftsabschluss erwarte<br />
heute etwa im Schnitt ein Gehalt von<br />
knapp 41 000 Euro, 800 Euro mehr als<br />
noch vor zehn Jahren. Die Gehaltserwartung<br />
<strong>de</strong>r männlichen Kommilitonen stieg<br />
in <strong>de</strong>mselben Zeitraum um 4200 Euro auf<br />
47 000 Euro. „Die Gehaltsschere ist in <strong>de</strong>n<br />
Köpfen schon vorhan<strong>de</strong>n“, sagt Koch. Es<br />
sei gut möglich, dass dies später zu einer<br />
selbsterfüllen<strong>de</strong>n Prophezeiung wer<strong>de</strong>.<br />
„Die Gehaltsschere ist<br />
in <strong>de</strong>n Köpfen<br />
schon vorhan<strong>de</strong>n“<br />
Auch in puncto Kin<strong>de</strong>rbetreuung zeichnen<br />
sich noch alte Geschlechterrollen ab. So ist<br />
ein solches Angebot am Arbeitsplatz für<br />
mehr als die Hälfte <strong>de</strong>r befragten Frauen<br />
wünschenswert, während dies für die<br />
männlichen Kommilitonen kurz vor <strong>de</strong>m<br />
Uni-Abschluss kaum relevant ist.<br />
Insgesamt seien die Stu<strong>de</strong>nten informierter<br />
als noch vor zehn Jahren. „Die<br />
meistensind aber nicht mehr bereit, ihr Privatleben<br />
hintenanzustellen und voll im Beruf<br />
aufzugehen.“ Die Berufseinsteiger wollten<br />
im Schnitt 42,6 Stun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Woche<br />
arbeiten. 2009 waren es noch 44,1 Wochenstun<strong>de</strong>n.<br />
Dabei sei <strong>de</strong>n meisten bewusst,<br />
dass es nicht so einfach sei, einen Job zu fin<strong>de</strong>n.<br />
KATHARINA WETZEL<br />
Ingenieurwesen<br />
Audi<br />
BMW<br />
Porsche<br />
Volkswagen<br />
Siemens<br />
Daimler/Merce<strong>de</strong>s Benz<br />
Bosch<br />
EADS<br />
Bilfinger<br />
Fraunhofer Ges.<br />
Anteil in<br />
Prozent<br />
18,4<br />
15,5<br />
11,6<br />
10,7<br />
10,6<br />
9,0<br />
8,6<br />
7,2<br />
5,0<br />
5,0<br />
Rang<br />
2013<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
Rang<br />
2012<br />
1<br />
2<br />
4<br />
6<br />
3<br />
5<br />
7<br />
8<br />
19<br />
10<br />
SZ-Grafik; Quelle: Tren<strong>de</strong>nce<br />
<strong>de</strong>s Vorgesetzen zu vervollständigen:<br />
„Wenn ich hier für Sie in Deutschland tätig<br />
bleibe, könnte die Firma weitaus mehr davon<br />
profitieren, weil . . .“ Erst wenn sich<br />
hier absolut nichts fin<strong>de</strong>, solle man Argumente<br />
aus <strong>de</strong>m eigenen Umfeld aufbieten.<br />
Tusch erklärt: „Dann wird die Ablehnung<br />
für <strong>de</strong>n Vorgesetzten wenigstens verstehbar.“<br />
Treffe freilich auch dies auf taube Ohren,<br />
dann solle man die Daumenschrauben<br />
anlegen und mit Fortgang aus <strong>de</strong>m Unternehmen<br />
drohen. „Hört man nicht immer<br />
von <strong>de</strong>m großen Ingenieurmangel?“, fragt<br />
Tusch rhetorisch und empfiehlt, Alternativangebote<br />
einzuholen und bei einem<br />
Schwerpunkt<br />
Gebäu<strong>de</strong>hülle<br />
Die Konstruktion und bauliche Umsetzung<br />
futuristischer Fassa<strong>de</strong>n, die zugleich<br />
architektonische, energetische<br />
und gebrauchstaugliche Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong>hülle erfüllen, ist eine komplexe<br />
Aufgabe für Ingenieure. Für diesen<br />
weltweit stark wachsen<strong>de</strong>n Bereich<br />
bietet die Hochschule Rosenheim vom<br />
Wintersemester 2013/14 an ein bisher<br />
einmaliges Studienangebot im <strong>de</strong>utschsprachigen<br />
Raum: die Studienrichtung<br />
„Gebäu<strong>de</strong>hülle“ innerhalb <strong>de</strong>s Bachelorstudiengangs<br />
Energie- und Gebäu<strong>de</strong>technologie.<br />
Heinrich Köster, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Rosenheimer<br />
Hochschule, sagt: „Die zukünftigen<br />
Absolventen im Bereich Gebäu<strong>de</strong>hülle<br />
wer<strong>de</strong>n gefragte Experten für<br />
Unternehmen <strong>de</strong>r Bauindustrie, Planungsgesellschaften<br />
und viele mehr, die<br />
auf <strong>de</strong>m stark wachsen<strong>de</strong>n Markt <strong>de</strong>r<br />
energetischen Sanierung o<strong>de</strong>r im Neubau<br />
energieeffizienter und intelligenter<br />
Gebäu<strong>de</strong> tätig sind.“ Schwerpunkte <strong>de</strong>s<br />
siebensemestrigen Studiums liegen in<br />
<strong>de</strong>n Bereichen Konstruktion, Bauteile,<br />
Materialeinsatz, Solar- und Regelungstechnik,<br />
Projektsteuerung, Fertigung<br />
sowie Sanierung und Brandschutz. Die<br />
neue Studienrichtung konzipierte die<br />
Hochschule Rosenheim gemeinsam mit<br />
<strong>de</strong>m Zentralverband Sanitär Heizung<br />
Klima (ZVSHK). Die Verknüpfung mit<br />
aktuellem Praxiswissen und Projekten<br />
aus <strong>de</strong>r Wirtschaft bietet <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten<br />
die Möglichkeit, sich anwendungsorientiert<br />
auf <strong>de</strong>n Beruf vorzubereiten. Das<br />
fünfte Semester ist als Praxissemester<br />
vorgesehen.<br />
In <strong>de</strong>r Entwicklung neuer Technologien<br />
für energieeffiziente Gebäu<strong>de</strong> gehören<br />
<strong>de</strong>utsche Industrie und <strong>de</strong>utsches<br />
Handwerk zu <strong>de</strong>n Weltmarktführern.<br />
Diese Spitzenstellung stellt hohe Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
an Entwickler, Planer und Bauausführen<strong>de</strong>:<br />
„Für Großprojekte o<strong>de</strong>r<br />
Son<strong>de</strong>rprojekte sind Fachingenieure gefragt,<br />
die Architekten, Bauherren und öffentlichen<br />
Auftraggebern die vielen Möglichkeiten<br />
im Dach- und Fassa<strong>de</strong>nbereich<br />
erläutern und mit ihnen auf Augenhöhe<br />
kommunizieren können“, sagt Elmar<br />
Esser, Hauptgeschäftsführer <strong>de</strong>s<br />
Zentralverbands Sanitär Heizung Klima.<br />
Für <strong>de</strong>n immer weiter wachsen<strong>de</strong>n Bereich<br />
mit <strong>de</strong>m Schwerpunkt Dach und<br />
Fassa<strong>de</strong> solle mit <strong>de</strong>r Studienrichtung<br />
„Gebäu<strong>de</strong>hülle“ <strong>de</strong>r Fachkräftenachwuchs<br />
sichergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine Zulassung zum Studium ist auch<br />
für erfahrene Praktiker ohne Abitur<br />
möglich. Wer zum Beispiel eine min<strong>de</strong>stens<br />
zweijährige Berufsausbildung und<br />
min<strong>de</strong>stens drei Jahre Berufspraxis vorweisen<br />
kann o<strong>de</strong>r wer die Meisterprüfung<br />
als Klempner/Spengler, Dach<strong>de</strong>cker,<br />
Zimmerer o<strong>de</strong>r Metallbauer erfolgreich<br />
abgeschlossen hat, wird zum Studium<br />
zugelassen. Voraussetzung ist zu<strong>de</strong>m<br />
ein Beratungsgespräch an <strong>de</strong>r Hochschule.<br />
IWD<br />
Wechsel <strong>de</strong>s Arbeitgebers gleich noch das<br />
Gehalt zu steigern.<br />
Auf einen wichtigen Punkt macht Isabella<br />
Schale aufmerksam, Personalberaterin<br />
bei <strong>de</strong>r Frankfurter SCS. „Für ins Ausland<br />
entsandte Mitarbeiter gibt es nur in <strong>de</strong>n seltensten<br />
Fällen einen klar gezeichneten Karrierepfad.<br />
Wenn Mitarbeiter aber ohne berufliche<br />
Perspektive und ohne einen Expatriate-Vertrag<br />
mit Rückkehrgarantie über<br />
die Grenzen geschickt wer<strong>de</strong>n, laufen sie eine<br />
große Gefahr. Gibt es nämlich nach ihrer<br />
Rückkehr keine freie Stelle, dann stehen<br />
sie ziemlich dumm da.“ Das sei ein<br />
kaum zu kalkulieren<strong>de</strong>s Risiko, warnt die<br />
Recruiting<br />
Personalberaterin: „Da zieht man mit Sack<br />
und Pack weg und was hat man davon? Einentiefen<br />
Karriereknick.“ Auch damit könne<br />
man getrost argumentieren. Allerdings<br />
habe das nur bei längerfristigen Auslandsentsendungen<br />
Chancen auf Erfolg. Wer<br />
nicht bereit sei, im Geschäftsinteresse für<br />
wenige Wochen die eigene Koje mit <strong>de</strong>m<br />
Hotelbett zu tauschen, solle sich ernsthaft<br />
überlegen, ob er zu Hause wirklich beruflich<br />
vorankommen könne.<br />
Strategische Denker sehen <strong>de</strong>shalb besser<br />
zu, dass sie <strong>de</strong>n ungeliebten Trip in die<br />
Diaspora so schnell und so gut wie möglich<br />
hinter sich bringen.<br />
TEILEN SIE MIT UNS IHRE LEIDENSCHAFT FÜR INNOVATIVE TECHNOLOGIEN.<br />
Den richtigen Dreh fin<strong>de</strong>n:<br />
Wer am Heimatstandort<br />
unabkömmlich ist, kann Einsätze<br />
im Ausland eher ablehnen,<br />
ohne <strong>de</strong>swegen einen Karriereknick<br />
befürchten zu müssen.<br />
Nur in einem perfekten Team kommen die<br />
außer gewöhnlichen Innovationen von morgen<br />
zustan<strong>de</strong>.<br />
MAN KANN DIE ZUKUNFT NICHT<br />
VOR HERSAGEN. ABER ENTWICKELN.<br />
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18 INGENIEURBERUFE EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Samstag/Sonntag, 27./28. April 2013, Nr. 98<br />
Zwischen Mensch<br />
und Maschine<br />
Medizintechnik-Ingenieure entwickeln lebensretten<strong>de</strong><br />
Geräte – gemeinsam mit Ärzten und Wissenschaftlern<br />
VON MARIA FIEDLER<br />
Was Philipp Adam im Zuge seiner<br />
Bachelor-Arbeit entwickelt hat,<br />
könnte später einmal Leben retten.<br />
Der 23 Jahre alte Stu<strong>de</strong>nt sitzt in einem<br />
Labor <strong>de</strong>r Hochschule Mannheim, wo<br />
er und seine Kommilitonen an ihren Forschungsarbeiten<br />
tüfteln. Grüne Heizungsrohre<br />
an <strong>de</strong>r Decke und knallgelbe Fensterrahmen<br />
verströmen Werkstatt-Atmosphäre.<br />
Vor Adam auf <strong>de</strong>m Tisch liegt ein mit<br />
Kupferdraht umwickelter Kunststoffzylin<strong>de</strong>r,<br />
in <strong>de</strong>ssen Inneren sich ein Magnet bewegt.<br />
Der angehen<strong>de</strong> Medizintechnik-Ingenieur<br />
arbeitet an einem innovativen<br />
Pumpenkonzept. Es soll die Flüssigbeatmung<br />
von Frühgeborenen möglich machen,<br />
<strong>de</strong>ren Lunge für die Beatmung mit<br />
Sauerstoff noch nicht genügend ausgebil<strong>de</strong>t<br />
ist. „Bisher hat es noch kein solches Beatmungssystem<br />
komplett in die Anwendung<br />
einer Klinik geschafft“, sagt er.<br />
Schon bald, so hofft <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nt, wird seine<br />
Arbeit die erste sein, <strong>de</strong>r das gelingt.<br />
Adam studiert im Bachelor-Studiengang<br />
„Medizintechnik“, <strong>de</strong>n die Hochschule<br />
Mannheim gemeinsam mit <strong>de</strong>r Universität<br />
Hei<strong>de</strong>lberg anbietet. „Das Gebiet ist eine<br />
Schnittstelle zwischen Medizin und Ingenieurwesen“,<br />
sagt <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>s Studiengangs,<br />
Professor Marcus Vetter. Die Absolventen<br />
seien in erster Linie Ingenieure, die<br />
zahlreiche Prüfungen in Mathematik, Physik,<br />
Elektrotechnik und Informatik abgelegt<br />
hätten. Zusätzlich wür<strong>de</strong>n die Studieren<strong>de</strong>n<br />
aber von Ärzten in die Grundlagen<br />
<strong>de</strong>r Anatomie, Physiologie und Pathologie<br />
eingewiesen. „So sollen Mediziningenieure<br />
die Sprache und Problemstellungen eines<br />
klinischen Arztes verstehen lernen“,<br />
sagt Vetter.<br />
„Meine Motivation ist: Ich kann<br />
mit meiner Arbeit das Leben<br />
von Patienten besser machen“<br />
Später wer<strong>de</strong>n sie vor allem in <strong>de</strong>r Forschung<br />
und Entwicklung eingesetzt. Ingenieure<br />
<strong>de</strong>r Medizintechnik arbeiten zum<br />
Beispiel an intelligenten Herzschrittmachern,<br />
Defibrillatoren und Prothesen. Aber<br />
auch an <strong>de</strong>r Entwicklung von 3D-Ultraschall,<br />
Computertomografie, neuen Laboranalyseverfahren<br />
und mo<strong>de</strong>rnsten Strahlentherapien<br />
sind Medizintechniker beteiligt.<br />
„Die Berufsaussichten in <strong>de</strong>r Medizintechnologie-Branche<br />
sind für Ingenieure<br />
und Medizintechniker ausgezeichnet“,<br />
sagt Joachim Schmitt, Vorstandsmitglied<br />
und Geschäftsführer <strong>de</strong>s Branchenverban<strong>de</strong>s<br />
BVmed. Insgesamt seien 175 000 Menschen<br />
in Deutschland in <strong>de</strong>r Medizintechnik-Industrie<br />
beschäftigt – etwa 15 Prozent<br />
davon im Bereich Forschung und Entwicklung.<br />
Schmitt prognostiziert, dass<br />
hier <strong>de</strong>r Bedarf an Ingenieuren weiter steigen<br />
wird.<br />
Doch die Arbeitgeber erwarten von Medizintechnik-Ingenieuren<br />
mehr als nur<br />
fachliche Expertise. „Für unssind Begeisterungsfähigkeit<br />
und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein<br />
von großer Be<strong>de</strong>utung“,<br />
sagt Christoph Böhmer, Geschäftsführen<strong>de</strong>r<br />
Direktor bei Biotronik.<br />
Der Berliner Konzern stellt unter an<strong>de</strong>rem<br />
Herzschrittmacher und Defibrillatoren<br />
herund ist nach eigener Darstellung Vorreiter<br />
bei sogenannten Home-Monitoring-<br />
Technologien. Mit <strong>de</strong>ren Hilfe erhalten Ärzte<br />
aus <strong>de</strong>r Ferne Informationen über die<br />
Herzfunktionen ihrer Patienten und können<br />
Therapieanpassungen vornehmen.<br />
„Unsere Produkte sind überlebenswichtig<br />
für die Patienten. Daher suchen wir Mitarbeiter,<br />
die hohen Wert auf Leistung und Genauigkeit<br />
legen“, erklärt Böhmer.<br />
Biotronik-Mitarbeiterin Esther Brö<strong>de</strong>r<br />
sieht hier die Herausfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Jobs:<br />
„Bei lebenserhalten<strong>de</strong>n Produkten gibt es<br />
enorm hohe Qualitätsanfor<strong>de</strong>rungen. Wir<br />
haben eine Null-Fehler-Toleranz, schließlich<br />
tragen wir sehr viel Verantwortung“,<br />
sagt die 31 Jahre alte Bio-Medizintechnikerin.<br />
Sie ist bei Biotronik dafür zuständig,<br />
das Feedback <strong>de</strong>r Ärzte zu sammeln und<br />
diese Rückmeldungen für die Entwicklung<br />
neuer Produkte zur Verfügung zu stellen.<br />
„Ich kann mit meiner Arbeit das Leben <strong>de</strong>r<br />
Patienten besser machen – hier liegt für<br />
mich die Motivation“, sagt Brö<strong>de</strong>r.<br />
Als Frau ist sie unter <strong>de</strong>n Medizintechnikern<br />
keine Seltenheit. „Bei uns waren im<br />
vergangenen Semester über 50 Prozent<br />
<strong>de</strong>r neu eingeschriebenen Studieren<strong>de</strong>n<br />
weiblich“, sagt Studiengangsleiter Vetter.<br />
Die Medizintechnik sei für Frauen weitaus<br />
attraktiver als beispielsweise Maschinenbau<br />
o<strong>de</strong>r Elektrotechnik. „Das liegt wohl<br />
daran, dass <strong>de</strong>r Studiengang die Gelegenheit<br />
bietet, eine gesellschaftlich sinnvolle<br />
Aufgabe zu übernehmen“, vermutet Vetter.<br />
Zu<strong>de</strong>m sei die Medizintechnik ein sehr<br />
kommunikativer Ingenieurbereich, <strong>de</strong>r<br />
die ständige Interaktion mit Medizinern<br />
und Naturwissenschaftlern erfor<strong>de</strong>re.<br />
„Bei Neuentwicklungen von Endoprothesen<br />
arbeiten wir immer mit Ärzten o<strong>de</strong>r<br />
Kliniken zusammen, die uns ihre Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
an das Produkt und die Bedürfnisse<br />
<strong>de</strong>r Patienten vermitteln“, erklärt Eric<br />
Perucco, Geschäftsführer <strong>de</strong>r Biomet<br />
Deutschland GmbH. Das Unternehmen<br />
produziert künstliche Gelenke – vom<br />
Schulter- bis zum Sprunggelenk. Ingenieure<br />
entwickeln bei Biomet diese Implantate.<br />
Ihre Aufgaben reichen dabei von <strong>de</strong>r Konstruktion<br />
und <strong>de</strong>m Test von Prototypen bis<br />
zur Zulassung <strong>de</strong>r Produkte im Markt.<br />
„Es ist natürlich sehr anspruchsvoll,<br />
hierfür gute Leute zu fin<strong>de</strong>n“, sagt Perucco.<br />
Biotronik-Geschäftsführer Böhmer<br />
spricht gar von einem Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt:<br />
Gut ausgebil<strong>de</strong>te Ingenieure<br />
hätten oft mehrere attraktive Wahlmöglichkeiten.<br />
Deshalb bemühen sich die Unternehmen<br />
schon früh um die jungen Talente.<br />
„Wir wer<strong>de</strong>n intensiv von Firmen angesprochen,<br />
die gerne unsere Stu<strong>de</strong>nten<br />
kennenlernen wollen“, sagt Studiengangsleiter<br />
Vetter. Die Nachfrage sei wegen <strong>de</strong>s<br />
Fachkräftemangels so hoch, dass es bisher<br />
keinen Absolventen gegeben habe, <strong>de</strong>r<br />
nach seinem Abschluss keinen Job gefun<strong>de</strong>n<br />
habe.<br />
Auch in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren, so<br />
glaubt Vetter, wer<strong>de</strong>n auf die Medizintechnik<br />
immer wie<strong>de</strong>r neue Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
zukommen. „Die Diagnostik muss<br />
noch genauer wer<strong>de</strong>n, um bessere Therapieerfolge<br />
für die Patienten zu erzielen“,<br />
sagt er. In <strong>de</strong>r Krebstherapie hänge es beispielsweise<br />
von <strong>de</strong>r genetischen Disposition<br />
<strong>de</strong>s Gewebes ab, wie ein Tumor gezielter<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n könne. Dafür opti-<br />
mierte Diagnose-Verfahren zu entwickeln<br />
– das sei die Aufgabe <strong>de</strong>r Medizintechniker.<br />
Aber auch auf eine altern<strong>de</strong> Gesellschaft<br />
müssten sich die Ingenieure einstellen.<br />
Schon bald könnten unter an<strong>de</strong>rem<br />
die Automobilhersteller medizintechnische<br />
Geräte in ihre Fahrzeuge einbauen,<br />
die Herz- und Sehstörungen <strong>de</strong>s Fahrers erkennen<br />
und eine automatisierte Steuerung<br />
auslösen.<br />
Der angehen<strong>de</strong> Ingenieur Philipp Adam<br />
weiß noch nicht genau, in welche Richtung<br />
<strong>de</strong>r Medizintechnik es ihn verschlagen<br />
wird. Er will nach seiner Bachelor-Arbeit<br />
wohl noch einen Master anschließen. Doch<br />
auch für ihn ist neben <strong>de</strong>r Begeisterung für<br />
Technik und Medizin vor allem eines wichtig:<br />
„Ich leiste einen Beitrag, um später vielleicht<br />
einmal Menschenleben zu retten.“<br />
EXPERTEN<br />
RICHTIG GUT FINDEN<br />
Und richtig gut ist immer <strong>de</strong>r Experte,<br />
<strong>de</strong>r richtig gut zu Ihnen passt.<br />
hays.<strong>de</strong>/engineering<br />
Geräte entwerfen, die <strong>de</strong>n Menschen das Leben erleichtern, das können Ingenieure <strong>de</strong>r Medizintechnik. Viele wählen <strong>de</strong>n<br />
Beruf aus diesem Grund.<br />
Medizintechnik studieren<br />
Wer sich für ein Studium <strong>de</strong>r Medizintechnik<br />
entschei<strong>de</strong>t, sollte bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>s Studienortes<br />
vor allem eines be<strong>de</strong>nken: Je<strong>de</strong> Hochschule<br />
besitzt ihre eigenen Schwerpunkte in<br />
Forschung und Lehre. Im Bachelor-Studiengang,<br />
<strong>de</strong>n die Uni Hei<strong>de</strong>lberg in Kooperation<br />
mit <strong>de</strong>r Hochschule Mannheim anbietet,<br />
liegt beispielsweise das Augenmerk auf <strong>de</strong>r<br />
Anwendung <strong>de</strong>r Elektro-Informationstechnik<br />
für medizintechnische Fragestellungen.<br />
Während<strong>de</strong>ssen konzentriert sich das Studium<br />
<strong>de</strong>r Hochschule Furtwangen am Standort<br />
Tuttlingen auf die Entwicklung und Planung<br />
medizintechnischer Geräte, chirurgischer<br />
Instrumente und Implantate. Dieser<br />
Fokus ist vor allem auf die in Tuttlingen ansässige<br />
Industrie zurückzuführen. An <strong>de</strong>r<br />
Fachhochschule Dortmund ist die Spezialisierung<br />
schon im Namen <strong>de</strong>s Studiengangs festgelegt:<br />
Hier kann man „Medizinische Informatik“<br />
studieren und sich mit <strong>de</strong>r Aufbereitung<br />
und Verarbeitung von medizinischen<br />
Daten beschäftigen. An <strong>de</strong>r TU Ilmenau gibt<br />
es <strong>de</strong>n Studiengang „Biomedizinische Technik“,<br />
bei <strong>de</strong>m es um technikorientierte Metho<strong>de</strong>n<br />
und Systeme zur Früherkennung, Diagnose<br />
und Therapie von Krankheiten geht.<br />
Insgesamt gibt es mehr als hun<strong>de</strong>rt Studiengänge<br />
in Deutschland, die einen medizintechnischen<br />
Fokus besitzen. FIEM<br />
Berufsbegleitend<br />
Master wer<strong>de</strong>n<br />
Die Fachhochschule Dortmund bietet<br />
zum Wintersemester 2013/2014 einen<br />
neuen Masterstudiengang für Ingenieure<br />
an. Die Fachrichtung „Internationales<br />
Projektingenieurwesen“ ist ein berufsbegleiten<strong>de</strong>s<br />
Studium, das fünf Semester<br />
dauert, teilte die Hochschule mit. In <strong>de</strong>m<br />
Masterstudium setzen sich Stu<strong>de</strong>nten<br />
mit <strong>de</strong>m Aufbau einer Produktionsanlage<br />
im Ausland auseinan<strong>de</strong>r. Auf <strong>de</strong>m<br />
Lehrplan stehen technische Themen, unter<br />
an<strong>de</strong>rem Transporttechnik o<strong>de</strong>r<br />
Montageabnahme. Darüber hinaus hören<br />
die Studieren<strong>de</strong>n aber auch Vorlesungen<br />
zu Themen wie internationales Vertragsrecht<br />
o<strong>de</strong>r interkulturelle Kommunikation.<br />
Die Bewerber müssen einen ersten<br />
Studienabschluss in <strong>de</strong>n Ingenieurwissenschaften<br />
mit <strong>de</strong>r Abschlussnote 3,0<br />
o<strong>de</strong>r besser vorweisen sowie min<strong>de</strong>stens<br />
ein Jahr Berufserfahrung haben.<br />
Die Studiengebühren liegen bei 1500 Euro<br />
pro Semester. Bewerbungsschluss ist<br />
<strong>de</strong>r 15. Juli. DPA<br />
Energiewirtschaft<br />
trifft Informatik<br />
Einen Master in „Energiewirtschafts-Informatik“<br />
kann man ab Wintersemester<br />
2013/2014 an <strong>de</strong>r Fachhochschule Aachen<br />
machen. Der neue Studiengang<br />
dauert vier Semester, teilt die Hochschule<br />
mit. Stu<strong>de</strong>nten hören Vorlesungen in<br />
Energietechnik und -wirtschaft. Sie lernen,<br />
wie Kraftwerke funktionieren o<strong>de</strong>r<br />
beschäftigen sich mit Fragen <strong>de</strong>s Energierechts.<br />
Gleichzeitig belegen sie Seminare<br />
in Informatik und setzen sich mit<br />
Software auseinan<strong>de</strong>r, die etwa bei<br />
Stromerzeugern zum Einsatz kommt.<br />
Absolventen sollen später beiEnergieunternehmen<br />
arbeiten können. Bewerber<br />
müssen einen Bachelorabschluss in Elektro-,<br />
Energietechnik o<strong>de</strong>r Informatik<br />
mitbringen. Bewerbungsschluss ist <strong>de</strong>r<br />
15. Juli. DPA<br />
Studiengang<br />
Strahlenschutz<br />
Der Bereich Stahlenschutz gewinnt sowohl<br />
im technischen als auch im nuklearmedizinischen<br />
Sektor zunehmend an Be<strong>de</strong>utung.<br />
Die Duale Hochschule Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg bil<strong>de</strong>t am Standort Karlsruhe<br />
im Bachelor-Studiengang „Sicherheitswesen“<br />
Strahlenschutz-Ingenieure<br />
aus. Im theoretischen Teil <strong>de</strong>s Studiums<br />
wird <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Umgang mit<br />
Strahlenquellen, radioaktiven Stoffen<br />
und Röntgenstrahlung nähergebracht.<br />
Zu<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n sie unter an<strong>de</strong>rem in die<br />
Bereiche Arbeitssicherheit, Immissionsschutz<br />
und Qualitätsmanagement eingeführt.<br />
Den praktischen Teil <strong>de</strong>r Ausbildung<br />
absolvieren die Studieren<strong>de</strong>n in einem<br />
Unternehmen. Zu <strong>de</strong>n Kooperationspartnern<br />
<strong>de</strong>r Hochschule gehört das<br />
Deutsche Krebsforschungszentrum<br />
(DKFZ) in Hei<strong>de</strong>lberg. Strahlenschutzingenieure<br />
können später beispielsweise<br />
in radiologischen Kliniken, Laboren und<br />
kerntechnischen Anlagen tätig sein. Für<br />
das Berufsfeld erwartet die Duale Hochschule<br />
in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n 40 bis 50 Jahren<br />
einen beson<strong>de</strong>rs gravieren<strong>de</strong>n Fachkräftemangel,<br />
weil eine große Zahl an<br />
Strahlenschutzingenieuren bei <strong>de</strong>r Außerbetriebnahme<br />
und <strong>de</strong>m Rückbau von<br />
Atomkraftwerken benötigt wird. FIEM
Samstag/Sonntag, 27./28. April 2013, Nr. 98 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG INGENIEURBERUFE 19<br />
Die Vielseitigen<br />
Wirtschaftsingenieure sind gefragt und bei Arbeitgebern beliebt. Denn sie sind wegen ihrer breit angelegten Ausbildung in verschie<strong>de</strong>nen Bereichen einsetzbar.<br />
Im Berufsalltag sind jedoch auch klare Vorstellungen über die eigene Entwicklung wichtig, sagen Experten<br />
Technisches Verständnis, gepaart mit betriebswirtschaftlicher Expertise – das zeichnet Wirtschaftsingenieure aus. Ihre Berufschancen sind daher gut.<br />
VON MARTIN RADISCH<br />
Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ingenieurstudiums<br />
sah Ulrich Schatz sein künftiges<br />
Einsatzgebiet klar vor sich: Unternehmensberater<br />
wollte er wer<strong>de</strong>n, ein abwechslungsreicher<br />
und herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r<br />
Job. Doch die oft bis in <strong>de</strong>n späten Abend<br />
reichen<strong>de</strong>n Arbeitszeiten ließen ihn umschwenken.<br />
Seit sieben Jahren arbeitet er<br />
nun im Projektgeschäft <strong>de</strong>r Bertrandt AG,<br />
einem <strong>de</strong>r großen Ingenieurdienstleister<br />
in Deutschland. Für <strong>de</strong>ren Kun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />
Automobilindustrie optimiert Schatz das<br />
Qualitätsmanagement, wirbt für die Einführung<br />
neuer Prozesse und <strong>de</strong>monstriert,<br />
wie man das Geschäft straffer und effizienter<br />
betreiben kann. Damit hat Schatz ähnliche<br />
Aufgaben wie ein Unternehmensberater,<br />
aber ohne nächtliche Teambesprechungen<br />
abhalten zu müssen, mit Verpflegung<br />
aus <strong>de</strong>m Pizzakarton. „Ich bin ein Familienmensch“,<br />
sagt <strong>de</strong>r 35-Jährige offen heraus.<br />
„Der geregelte Feierabend ist mir wichtig.“<br />
Viele Wirtschaftsingenieure <strong>de</strong>nken<br />
ähnlich. Die andauernd hohe Nachfrage<br />
nach Absolventen dieser Studiengänge<br />
macht die Kombination von Verantwortung<br />
im Beruf und Dasein für die Familie<br />
auch möglich. Im Jahresdurchschnitt 2011<br />
waren 2300 Wirtschaftsingenieure arbeitslos<br />
gemel<strong>de</strong>t. Das war noch nicht einmal<br />
ein Prozent <strong>de</strong>r 238 800 bun<strong>de</strong>sweit tätigen<br />
„sonstigen Ingenieure“, zu <strong>de</strong>nen die<br />
Fehlen<strong>de</strong> Bildungsbereitschaft taugt nicht<br />
als Erklärung für <strong>de</strong>n geringen Frauenanteil<br />
in <strong>de</strong>n <strong>Ingenieurberufe</strong>n. Immerhin<br />
sind 52 Prozent aller Hochschulabsolventen<br />
weiblich. Doch nur je<strong>de</strong> Zwanzigste<br />
von ihnen erwirbt einen Bachelor of Engineering.<br />
Trotz zahlreicher Initiativen von<br />
Politik und Wirtschaft stagnierte <strong>de</strong>r Anteil<br />
weiblicher Absolventinnen <strong>de</strong>r Ingenieurwissenschaften<br />
in <strong>de</strong>n vergangenen sieben<br />
Jahren.<br />
„Wer junge Frauen für industrienahe<br />
Technikberufe begeistern will, muss dicke<br />
Bretter bohren“, sagt Oliver Koppel vom<br />
Kölner Institut <strong>de</strong>r Deutschen Wirtschaft.<br />
Nicht nur in Deutschland haben Frauen<br />
Aufholbedarf – auch in an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Län<strong>de</strong>rn hält sich <strong>de</strong>r weibliche Run<br />
auf das Ingenieurstudium in Grenzen. Eine<br />
Ursache sieht <strong>de</strong>r 37-Jährige in fehlen<strong>de</strong>n<br />
Vorbil<strong>de</strong>rn für Mädchen.<br />
Petra Le<strong>de</strong>rmann hat sie gehabt. Mit einer<br />
Schreinerlehre stieg sie in die technische<br />
Berufswelt ein. „Schwergefallen ist<br />
mir das nicht – ich komme aus einer Handwerkerfamilie.“<br />
Heute arbeitet sie als Bauingenieurin<br />
beim Seil-, Hebe- und Sicherheitstechnikspezialisten<br />
Carl Stahl in Süßen.<br />
Die Mutter von zwei Töchtern berechnet<br />
und konstruiert Kräne in Teilzeit. Je<strong>de</strong>s<br />
ihrer Projekte ist auf die Bedürfnisse<br />
<strong>de</strong>s Auftraggebers zugeschnitten, sie<br />
schätzt die vielseitige Arbeit. Obwohl die<br />
gebürtige Pfälzerin nur eine von zwei Frauen<br />
im 18-köpfigen Entwicklungsteam ist,<br />
begegnen ihr im Maschinenbau keine Vorurteile.<br />
Bei ihrer früheren Arbeit am Bau<br />
sah das an<strong>de</strong>rs aus: „Die dummen Sprüche<br />
hörten aber auf, nach<strong>de</strong>m ich mein Können<br />
bewiesen hatte.“<br />
Mit Girls’ Days, Workshops in Kin<strong>de</strong>rgärten<br />
und Schnupperpraktika in Technikberufen<br />
will die Wirtschaft Mädchen naturwissenschaftliche<br />
und technische Themen<br />
nahebringen. Aus Sicht <strong>de</strong>s Experten beim<br />
IW Köln reicht das nicht: „Die gehören<br />
schon in die Ausbildung für Erzieher und<br />
Grundschullehrer“, sagt Koppel. Wenn die<br />
Kleinen in Kin<strong>de</strong>rgarten und Grundschule<br />
Grenzgänger zwischen Ökonomie und<br />
Technik gerechnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Grund für ihre Beliebtheit bei <strong>de</strong>n<br />
Arbeitgebern ist ihre nahezu universelle<br />
Einsatzfähigkeit. „Wirtschaftsingenieure<br />
bringen bei<strong>de</strong> Aspekte mit, <strong>de</strong>n technischen<br />
und <strong>de</strong>n ökonomischen“, lobt Ralph<br />
Schlienz, Personalleiter bei Audi in Ingolstadt<br />
und fügt gleich eine Werbebotschaft<br />
hinzu: „Bei uns können sie ihre Kenntnisse<br />
gut zusammenbringen, zum Beispiel in<br />
Querschnittsbereichen wie Projektmanagement,<br />
Mo<strong>de</strong>llreihen o<strong>de</strong>r Produktma-<br />
Die Fachrichtung ist beliebt,<br />
weil man sich nicht gleich auf ein<br />
Berufsbild festlegen muss<br />
nagement.“ Am Beispiel <strong>de</strong>s Projektmanagements<br />
macht Schlienz <strong>de</strong>n unschlagbaren<br />
Vorzug von Wirtschaftsingenieuren<br />
<strong>de</strong>utlich: „Von <strong>de</strong>r Methodik her machen<br />
sie Projektarbeit. Aber sie haben auch<br />
genug technisches Verständnis, um mit<br />
<strong>de</strong>n Entwicklern im Detail diskutieren zu<br />
können.“<br />
Das Studium gilt als attraktiv – nicht<br />
nur wegen <strong>de</strong>r anhaltend guten Jobaussichten,<br />
son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>shalb, weil man sich<br />
nicht von Anfang an auf ein bestimmtes Berufsbild<br />
festlegen muss. „Wenn man jung<br />
ist, will man das noch nicht“, bestätigt Projektingenieur<br />
Schatz. Trotz<strong>de</strong>m rät er zum<br />
Her mit <strong>de</strong>n Frauen!<br />
Vorbil<strong>de</strong>r wecken das Interesse an Technik und Ingenieurberuf<br />
sehen, dass Frauen ganz selbstverständlich<br />
mit Handwerkszeug hantieren, Fahrrä<strong>de</strong>r<br />
reparieren und Dübel setzen, wirke das<br />
mehr als ein zeitlich begrenztes Projekt.<br />
Nachhaltige Wirkung zeigte bei Hanna<br />
Geiger das Faible ihres Vaters für erneuerbare<br />
Energien. Als Teenager sensibilisiert,<br />
fing sie Feuer für Umweltthemen und Fragen<br />
<strong>de</strong>r regenerativen Energieerzeugung.<br />
So waren es <strong>de</strong>nn auch eher i<strong>de</strong>elle Grün<strong>de</strong><br />
als die guten Noten in Mathe und in naturwissenschaftlichen<br />
Fächern, die bei <strong>de</strong>r<br />
26-Jährigen <strong>de</strong>n Ausschlag zum Ingenieurstudium<br />
für Energie- und Umweltmanagement<br />
gaben. Heute betreut sie die Kun<strong>de</strong>n<br />
von Aton-Solar, einem Dienstleister und<br />
Händler für Fotovoltaik- und Stromspeicheranlagen.<br />
„Mir ist es wichtig, dass meine<br />
Berufstätigkeit zu meinen I<strong>de</strong>alen passt<br />
– das kann ich hier leben.“<br />
Nicht so ganz passend waren Erfahrungen,<br />
die Dagmar Metzger als junge Ingeni-<br />
Weibliche Absolventen Ingenieurwissenschaftlicher<br />
Studiengänge in Prozent aller<br />
weiblichen Absolventen<br />
Portugal<br />
Finnland<br />
Italien<br />
Schwe<strong>de</strong>n<br />
Spanien<br />
Griechenland<br />
Frankreich<br />
Österreich<br />
Belgien<br />
Slowakei<br />
Tschechien<br />
9,5<br />
8,6<br />
8,5<br />
8,4<br />
8,3<br />
8,3<br />
7,0<br />
6,8<br />
6,7<br />
6,3<br />
6,0<br />
Dänemark<br />
Deutschland<br />
Türkei<br />
Japan<br />
Polen<br />
Schweiz<br />
V. Königsreich<br />
Ungarn<br />
Irland<br />
Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong><br />
USA<br />
5,4<br />
5,2<br />
5,1<br />
5,0<br />
4,6<br />
4,3<br />
4,<br />
3,5<br />
3,5<br />
2,7<br />
2,3<br />
SZ-Grafik; Quelle: Institut <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft Köln<br />
roten Fa<strong>de</strong>n im Lebenslauf: „Wenn man in<br />
eine bestimmte Branche gehen möchte,<br />
sollte man dort ein Praktikum machen<br />
o<strong>de</strong>r seine Diplomarbeit schreiben. Am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Studiums muss man eine klare Vorstellung<br />
haben, wohin man will. Sonst ist<br />
man eine Allzweckwaffe ohne Schusskraft.“<br />
An<strong>de</strong>rs als die klassischen <strong>Ingenieurberufe</strong><br />
in Konstruktion o<strong>de</strong>r Entwicklung prä<strong>de</strong>stiniert<br />
die breite Ausbildung für Querschnittsfunktionen<br />
wie Service, Einkauf,<br />
Qualitäts- o<strong>de</strong>r Projektmanagement.<br />
„Wirtschaftsingenieure bedienen vor allem<br />
die Schnittstellen“, erläutert Ralph<br />
Kleine, Headhunter bei <strong>de</strong>r SCS Personalberatung<br />
in Frankfurt, „wie es vom Lean<br />
Management und <strong>de</strong>r Supply Chain Technologie<br />
gefor<strong>de</strong>rt wird.“ Selbstverständlich<br />
stehe ihnen auch <strong>de</strong>r Weg ins Controlling,<br />
in <strong>de</strong>n Vertrieb, in <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l o<strong>de</strong>r ins<br />
Bankwesen offen. „Die meisten wählen jedoch<br />
eine produktionsnahe Tätigkeit“, so<br />
fasst Kleine seine Erfahrung zusammen.<br />
Ingenieur bleibt eben Ingenieur, selbst<br />
wenn er es heute locker an die Spitze großer<br />
Konzerne schaffen kann.<br />
Auch international ist die Ausbildung<br />
zum Wirtschaftsingenieur bekannt und attraktiv.<br />
Vergleichbare Studiengänge in Europa<br />
und in <strong>de</strong>n USA heißen „(Industrial)<br />
Engineering and Management“. Absolventen<br />
seien weltweit einsetzbar und könnten<br />
sofort loslegen. „Plug and Play“, sagt Perso-<br />
eurin bei <strong>de</strong>r Inbetriebnahme großer Kraftwerksanlagen<br />
machte. „Anzügliche Zurufe<br />
von <strong>de</strong>n Gerüsten herunter waren Normalität,<br />
wenn ich auf <strong>de</strong>r Baustelle unterwegs<br />
war.“ Bei Einsätzen in arabischen Län<strong>de</strong>rn<br />
durfte sie als Frau gar nicht auf die Baustelle,<br />
son<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Schreibtisch verbannt.<br />
„Es gibt Männer, <strong>de</strong>nen fällt es<br />
schwer, technische Kompetenz o<strong>de</strong>r gar<br />
Überlegenheit einer Frau zu akzeptieren“,<br />
erzählt die Elektrotechnik-Ingenieurin.<br />
Von <strong>de</strong>n Kraftwerks-Großbaustellen hat<br />
sie sich auch wegen <strong>de</strong>s rauen Umgangs<br />
verabschie<strong>de</strong>t. Heute verantwortet sie als<br />
Produktmanagerin weltweit Laminierund<br />
Pressenanlagen <strong>de</strong>s Freu<strong>de</strong>nstädter<br />
Maschinenbauers Robert Bürkle. Und<br />
weiß, dass <strong>de</strong>r kulturelle Hintergrund großen<br />
Einfluss auf die Akzeptanz von Frauen<br />
in <strong>de</strong>r Technik hat. In islamischen Län<strong>de</strong>rn<br />
rufe eine Ingenieurin immer noch Erstaunen<br />
hervor. In China o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n ehemaligen<br />
Sowjetstaaten hingegen seien wohl infolge<br />
<strong>de</strong>r politischen Historie erfolgreiche Frauen<br />
in technischen Jobs nichts Außergewöhnliches.<br />
„Auch bei uns hat sich mittlerweile<br />
einiges verbessert, aber Ingenieurinnen<br />
müssen sich darauf einstellen, in einem<br />
männlich dominierten Umfeld zu arbeiten<br />
und sollten nicht empfindlich sein.“<br />
Oliver Koppel weiß, dass auch die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf die Berufswahl<br />
beeinflusst. In <strong>de</strong>r produzieren<strong>de</strong>n<br />
Industrie, wo die Auslastung von<br />
Maschinen die Arbeitszeiten vorgibt, ist<br />
sie schwieriger als in Dienstleistungsbereichen<br />
wie Planung, Konzeption o<strong>de</strong>r<br />
Kun<strong>de</strong>nberatung. Ingenieurinnen arbeiten<br />
folglich häufiger dort, wo Firmen<br />
flexible Arbeitszeiten und Teilzeit ermöglichen.<br />
Und sind eher selten in produktionsnahen<br />
Bereichen wie Konstruktion o<strong>de</strong>r<br />
Implementierung von Maschinen und Anlagen<br />
anzutreffen. Angesichts <strong>de</strong>s drohen<strong>de</strong>n<br />
Fachkräftemangels wird das Thema<br />
Work-Life-Balance zum Erfolg versprechen<strong>de</strong>n<br />
Betätigungsfeld für die Wirtschaft<br />
– nicht nur, um Ingenieurinnen an<br />
Bord zu bekommen. EVELYN KESSLER<br />
Ansturm trotz hoher Ansprüche<br />
Wirtschaftsingenieurwesen ist eine interdisziplinäre<br />
Wissenschaft an <strong>de</strong>r Schnittstelle<br />
zwischen Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaft.<br />
Sie verbin<strong>de</strong>t technisch-naturwissenschaftliche<br />
sowie wirtschafts-, rechts- und<br />
sozialwissenschaftliche Inhalte miteinan<strong>de</strong>r.<br />
In <strong>de</strong>r Regel schließt das Studium mit<br />
<strong>de</strong>m Bachelor ab, nur an wenigen Hochschulen<br />
wird noch ein Diplomstudiengang ange-<br />
boten. Die Ausbildung ist trotz ihres hohen<br />
Anspruchs sehr beliebt. 2009 haben fast 51<br />
Prozent mehr junge Menschen als zur Jahrtausendwen<strong>de</strong><br />
das Studium aufgenommen,<br />
etwa 60 000 studieren das Fach <strong>de</strong>rzeit in<br />
Deutschland. Der Ansturm ist groß: An <strong>de</strong>r<br />
Universität Duisburg-Essen kamen im Mittel<br />
<strong>de</strong>r vergangenen Jahre sieben Bewerber auf<br />
einen Studienplatz. CDE<br />
Technische Innovationen<br />
beginnen oft mit einer Bewerbung.<br />
nalberater Kleine, „sofern sie mit frem<strong>de</strong>n<br />
Sprachen zurechtkommen.“ Das dürfte angesichts<br />
zahlreicher englischsprachiger<br />
Studienmodule und <strong>de</strong>r vielfach gefor<strong>de</strong>rten<br />
Auslandssemester kein Problem sein.<br />
Christian Püttjer, Karriereberater in Bre<strong>de</strong>nbek<br />
bei Hamburg, hatte schon häufig<br />
mit Wirtschaftsingenieuren zu tun. Weniger<br />
mit Berufseinsteigern als mit erfahrenen<br />
Kräften, die sich um <strong>de</strong>n Fortgang ihrer<br />
Karriere sorgten. „Sie sind bei <strong>de</strong>n Arbeitgebern<br />
beliebt und begehrt, wer<strong>de</strong>n<br />
aber nicht zwingend hervorragend bezahlt“,<br />
erzählt Püttjer. Mit einem durchschnittlichen<br />
Einstiegsgehalt von etwa<br />
40 000 Euro verdienten sie etwas weniger<br />
als Maschinen- o<strong>de</strong>r Fahrzeugbauer und<br />
Für <strong>de</strong>n Berufseinstieg ist<br />
das Studium gut, für eine Karriere<br />
braucht es aber noch mehr<br />
<strong>de</strong>utlich weniger als Elektroingenieure.<br />
Das liege zum einen an <strong>de</strong>r starken Konkurrenz<br />
<strong>de</strong>r Betriebswirte, zum an<strong>de</strong>ren am<br />
starren Gehaltsgefüge in <strong>de</strong>n Unternehmen.<br />
„Zu Beginn steckt man sie gern in betriebswirtschaftsnahe<br />
Funktionen“, sagt<br />
Püttjer, „aber Einkäufer o<strong>de</strong>r Controller<br />
verdienten nicht allein <strong>de</strong>shalb mehr, weil<br />
sie einen technischen Hintergrund haben.“<br />
Deshalb sei es ganz wichtig, sich<br />
gleich nach <strong>de</strong>m Einstieg Gedanken über<br />
die weitere Entwicklung im Unternehmen<br />
zu machen. Der multifunktionale Abschluss<br />
erleichtere zwar <strong>de</strong>n Berufseinstieg.<br />
„Aber er beschleunigt die Karriere<br />
nicht automatisch.“<br />
„Das Studienfach hat Vor- und Nachteile“,<br />
erläutert Audi-Personalleiter Schlienz.<br />
„Es kommt eben darauf an, wo Wirtschaftsingenieure<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Wo<br />
<strong>de</strong>r fachliche Fokus breiter wird, passen<br />
Wirtschaftsingenieure sehr gut. Aber bei<br />
<strong>de</strong>r Entwicklung technischer Details ist<br />
ein ingenieurwissenschaftliches Studium<br />
von Vorteil.“ Und im Vorstand haben die<br />
Betriebswirte dann wie<strong>de</strong>r das Sagen,<br />
o<strong>de</strong>r? So will Ralph Schlienz das nicht stehen<br />
lassen: „Die Studienausrichtung ist<br />
am Beginn <strong>de</strong>r Karriere wichtig. Danach<br />
entwickelt sich Erfahrungswissen, und<br />
das kann mit je<strong>de</strong>r Ausbildung an die Spitze<br />
führen.“<br />
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20 INGENIEURBERUFE EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Samstag/Sonntag, 27./28. April 2013, Nr. 98<br />
Studieren<br />
wie ein Meister<br />
Qualifizierte Handwerker können mittlerweile<br />
an vielen <strong>de</strong>utschen Hochschulen studieren.<br />
Einfach ist <strong>de</strong>r Weg jedoch nicht<br />
Vom Kfz-Mechatroniker zum Ingenieur<br />
o<strong>de</strong>r vom Friseur zum Philosophen:<br />
Bei<strong>de</strong>s entspricht nicht <strong>de</strong>m<br />
normalen Bildungsweg. Möglich aber sind<br />
diese Karrieren. Denn wer einen Meisterbrief<br />
in <strong>de</strong>r Tasche hat, kann sich an vielen<br />
<strong>de</strong>utschenHochschulen für je<strong>de</strong>s angebotene<br />
Studienfach bewerben.<br />
Die Möglichkeit besteht seit 2009. Damals<br />
beschloss die Kultusministerkonferenz,<br />
<strong>de</strong>n Meisterbrief mit <strong>de</strong>r allgemeinen<br />
Hochschulreife gleichzustellen. Denn das<br />
<strong>de</strong>utsche Bildungssystem solltedurchlässiger<br />
wer<strong>de</strong>n. Auch die zuvor sehr unterschiedlichen<br />
rechtlichen Vorgaben zum<br />
Studium ohne Abitur in <strong>de</strong>n einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
sollten vereinheitlicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Seit<strong>de</strong>m hat sich in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn viel getan:<br />
Handwerker können sich heute in fast allen<br />
Län<strong>de</strong>rn nicht nur an Fachhochschulen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch an Universitäten einschreiben.<br />
Einzige Ausnahmen sind <strong>de</strong>rzeit Bran<strong>de</strong>nburg<br />
und Sachsen.<br />
Ein Studium ermöglicht es,<br />
eine Führungsposition<br />
im Betrieb zu übernehmen<br />
Wie viele Stu<strong>de</strong>nten mit Meisterbrief es<br />
an <strong>de</strong>n Hochschulen gibt, ist nicht bekannt.<br />
Aber die Zahl <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten ohne Abitur<br />
steigt <strong>de</strong>utlich an. Zwischen 2007 und 2010<br />
hat sich <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Studienanfänger ohne<br />
Hochschulreife fast verdoppelt. Laut<br />
<strong>de</strong>m Centrum für Hochschulentwicklung<br />
(CHE) stieg <strong>de</strong>r Anteil im bun<strong>de</strong>sweiten<br />
Durchschnitt von 1,09 auf 2,08 Prozent.<br />
Dies entspreche einer Steigerung von 3940<br />
auf 9241 Studienanfänger ohne Abitur.<br />
Ein Studium kann für Handwerker aus<br />
mehreren Grün<strong>de</strong>n sinnvoll sein: Die einen<br />
schließen ein BWL-Studium an ihren Meisterbrief<br />
an, umin ihremBetrieb ineine Führungsposition<br />
zu kommen. Die an<strong>de</strong>ren absolvieren<br />
noch ein Studium in <strong>de</strong>n Ingenieurwissenschaften.<br />
Denn einige Industriebetriebe<br />
lagerten die Bereiche Forschung<br />
und Entwicklung inzwischen an ihre handwerklichen<br />
Zulieferer aus, sagt Volker Born<br />
vom Zentralverband <strong>de</strong>s Deutschen Hand-<br />
werks (ZDH) in Berlin. Doch <strong>de</strong>r Weg vom<br />
Maurer zum Maschinenbauer ist nicht<br />
leicht.<br />
„Die Regelungen in <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
sind immer noch sehr unterschiedlich“,<br />
sagt Sigrun Nickel, Forscherin am CHE. Sie<br />
hat 2009 die Möglichkeiten zum Studieren<br />
ohne Abitur untersucht und die Ergebnisse<br />
im vergangenen Jahr auf <strong>de</strong>n neuesten<br />
Stand gebracht.<br />
Orientierungbietet seit Januar das Internetportal<br />
„studieren-ohne-abitur.<strong>de</strong>“, das<br />
das CHE mit Unterstützung <strong>de</strong>s Stifterverbandsfür<br />
die <strong>de</strong>utsche Wissenschaft eingerichtet<br />
hat. Hier fin<strong>de</strong>n angehen<strong>de</strong> Aka<strong>de</strong>miker<br />
nicht nur eine Übersicht über 4000<br />
Studienangebote, son<strong>de</strong>rn auch Tipps zu<br />
Studium, Stipendien und Studienkrediten.<br />
„Wenn man passen<strong>de</strong> Studiengänge in <strong>de</strong>r<br />
Datenbank herausgefiltert hat, sollte man<br />
direkt Kontakt zu <strong>de</strong>n Hochschulen aufnehmen,<br />
um sich individuell beraten zu lassen“,<br />
rät Nickel. Ebenso könne man sich an<br />
die Berater <strong>de</strong>r Agenturen fürArbeit, <strong>de</strong>r Industrie-<br />
und Han<strong>de</strong>lskammern sowie <strong>de</strong>r<br />
Handwerkskammern wen<strong>de</strong>n.<br />
Im Beratungsgespräch sollte geklärt wer<strong>de</strong>n,<br />
ob die Meisterstu<strong>de</strong>nten einen Vorkurs<br />
brauchen. Gera<strong>de</strong> in technischen Fächern<br />
raten Experten zu diesen Brückenkursen.<br />
„In manchen Fachbereichen wie Ingenieurwissenschaften<br />
sind sie nach ersten<br />
Erfahrungen unabdingbar“, sagt<br />
Schwarz. Außer<strong>de</strong>m sollte beim Berater<br />
nachgefragt wer<strong>de</strong>n, ob durch die Vorqualifikation<br />
die Studienzeit verkürzt wer<strong>de</strong>n<br />
kann. „Das machen nur wenige Hochschulen“,<br />
erklärt Born. „Vorbildcharakter hat etwa<br />
die Fachhochschule für die Wirtschaft<br />
in Hannover: Hier wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Meistern <strong>de</strong>s<br />
Kfz- und<strong>de</strong>s Landmaschinengewerbes pauschal<br />
75 von 210 Credit Points auf <strong>de</strong>n Wirtschaftsingenieur-Bachelor<br />
angerechnet.“<br />
Zu<strong>de</strong>m sollten sich die Handwerker genau<br />
überlegen, wo sie sich bewerben wollen.<br />
„Studieninteressierte sollten prüfen,<br />
welches Studienformat an was für einer<br />
Hochschule ihren Fähigkeiten und Neigungenentspricht“,<br />
sagtJochen Schwarz, Referent<br />
<strong>de</strong>r Hochschulrektorenkonferenz<br />
(HRK).Oft sind für Meisterstu<strong>de</strong>nten Hoch-<br />
Die passen<strong>de</strong> Hochschule zu fin<strong>de</strong>n, ist eine Kunst für sich. Manche Universitäten bieten für Stu<strong>de</strong>nten<br />
mit Meisterbrief Kurse an, um <strong>de</strong>n Einstieg ins Studium zu erleichtern.<br />
FÜHRUNGSKRÄFTE<br />
FÜR FABRIKEN DER<br />
ZUKUNFT<br />
Kooperatives,<br />
interdisziplinäres<br />
Promotionsprogramm <strong>de</strong>r<br />
GSaME<br />
GSaME – Die Graduate School<br />
of Excellence Advanced Manufacturing<br />
Engineering in Stuttgart<br />
ist ein international führen<strong>de</strong>s<br />
<br />
von Nachwuchsführungskräften<br />
durch Spitzenforschung und Innovation,<br />
orientiert an zukünftigen<br />
Fach- und Führungsaufgaben<br />
eines globalen Arbeitsmarktes.<br />
In ihrem Forschungsprogramm<br />
mit mehr als 90 Themen kooperiert<br />
die GSaME mit namhaften<br />
Unternehmen sowie<br />
mit Fraunhofer und bin<strong>de</strong>t<br />
Professoren aus 5 Fakultäten<br />
<strong>de</strong>r Universität Stuttgart ein.<br />
Promovieren<strong>de</strong>n bietet die<br />
GSaME optimale Rahmenbe-<br />
Spezial:<br />
<strong>Ingenieurberufe</strong><br />
Termine 2013:<br />
Erscheinungstermin: Anzeigenschluss:<br />
<strong>Ingenieurberufe</strong> III 29. Juni 14. Juni<br />
<strong>Ingenieurberufe</strong> IV 12. Oktober 27. September<br />
<strong>Ingenieurberufe</strong> V 7. Dezember 22. November<br />
Wir beraten Sie gerne!<br />
Verkaufsberatung<br />
Stellenmarkt<br />
Melanie Pala<br />
Tel. 089-2183-8375<br />
Fax 089-2183-8719<br />
stellen-anzeigen@sued<strong>de</strong>utsche.<strong>de</strong><br />
dingungen für eine exzellente<br />
<br />
zum Dr.-Ing. und Dr. rer. pol.,<br />
die an <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen eines<br />
globalen Arbeits- und Marktumfelds<br />
orientiert ist.<br />
GSaME Graduate School of<br />
Excellence advanced Manufacturing<br />
Engineering in Stuttgart<br />
Mehr Information zur GSaME, <strong>de</strong>m<br />
Promotionsprogramm und <strong>de</strong>n aktuellen<br />
<br />
www.gsame.uni-stuttgart.<strong>de</strong><br />
schulen beson<strong>de</strong>rs geeignet, die ein berufsbegleiten<strong>de</strong>s<br />
Studium ermöglichen. „Handwerksmeister<br />
stehen an<strong>de</strong>rs im Leben als<br />
Abiturienten. Sie haben oft Familie o<strong>de</strong>r einen<br />
eigenen Betrieb“, gibt Born zu be<strong>de</strong>nken.<br />
Beson<strong>de</strong>rs beliebt ist daher das Fernstudium:<br />
Ein Umzug ist nicht nötig, außer<strong>de</strong>m<br />
kann man in seinem Job bleiben und<br />
sich das Lernpensum selbst einteilen. Das<br />
be<strong>de</strong>utet allerdings, dass man sich selbst<br />
motivieren muss, die zugeschickten Studienhefte<br />
abends und am Wochenen<strong>de</strong><br />
durchzuarbeiten.<br />
Die Finanzierung <strong>de</strong>s Studiums<br />
gestaltet sich oft schwierig.<br />
Manchmal hilft <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
Ist das passen<strong>de</strong> Studium gefun<strong>de</strong>n,<br />
bleibt vielen Meisterstu<strong>de</strong>nten das Problem<br />
mit <strong>de</strong>r Finanzierung. Stipendien gibt<br />
es für die Zielgruppe <strong>de</strong>r beruflich qualifizierten<br />
Stu<strong>de</strong>nten kaum. Bestehen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rprogramme<br />
wie Bafög o<strong>de</strong>r Stipendien<br />
von Stiftungen sind meist nur bis zum 30.<br />
Lebensjahr möglich. Die Summen sind mit<br />
wenigen hun<strong>de</strong>rt Euro eher gering. Eine<br />
Ausnahme ist das Aufstiegsstipendium <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sbildungsministeriums. Dafür müssen<br />
qualifizierte Praktiker eine beson<strong>de</strong>rs<br />
hohe Leistungsfähigkeit nachweisen.<br />
Alle an<strong>de</strong>ren sollten mit <strong>de</strong>m Personalchef<br />
ihrer Firma über einen Zuschuss sprechen.<br />
Manchmal lassen sich dieseauf die Investition<br />
ein. Arbeitnehmer können ihnen<br />
zum Beispiel vorschlagen, mit ihnen<br />
schriftlich einen Verbleib im Unternehmen<br />
zu vereinbaren. So weiß die Firma sicher,<br />
dass <strong>de</strong>r Arbeitnehmer nicht mit <strong>de</strong>m gewonnenen<br />
Know-how nach <strong>de</strong>m Abschluss<br />
ins nächste Unternehmen entschwin<strong>de</strong>t.<br />
ALEXANDRA BÜLOW/DPA<br />
<strong>Ingenieurberufe</strong><br />
Verantwortlich: Werner Schmidt<br />
Redaktion: I. Brunner, J. Pfund, K. Wetzel<br />
Gestaltung: Michaela Lehner<br />
Anzeigen: Jürgen Maukner<br />
Facility Management studieren<br />
Das be<strong>de</strong>utet: Energieeffizientes und nachhaltiges Planen und<br />
Bewirtschaften von Gebäu<strong>de</strong>n. Ein ökonomisch-technisches<br />
Studium mit glänzen<strong>de</strong>n Jobaussichten in einer Zukunftsbranche.<br />
www.hs-albsig.<strong>de</strong>/fm<br />
Spezial:<br />
Frauen in Führung<br />
Bestnoten beim<br />
CHE-Ranking<br />
Themenauszug<br />
Frauen, die es „geschafft“ haben. Weibliche Unternehmerinnen und Führungskräfte<br />
berichten über ihren Wer<strong>de</strong>gang, was sie von männlichen Führungskräften unterschei<strong>de</strong>t<br />
und wie sie als Vorbil<strong>de</strong>r dienen können.<br />
Karriere und Kind. Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben ist Frauen ten<strong>de</strong>nziell<br />
wichtiger als Männern. Was Unternehmen tun,<br />
um begabte Frauen zu halten.<br />
Frauenför<strong>de</strong>rung. Spezielle Mentorenprogramme unterstützen weibliche<br />
Führungspersönlichkeiten bei <strong>de</strong>r Karriereentwicklung. In gemischten Teams von<br />
Männern und Frauen soll das individuelle Potenzial je<strong>de</strong>s einzelnen herausgestellt und<br />
entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Frauen-Netzwerke. Studien zeigen, dass Männer besser netzwerken. Aber es gibt immer<br />
mehr Business-Treffen, bei <strong>de</strong>nen Kontakte zwischen Frauen aus <strong>de</strong>r Geschäftswelt,<br />
Kultur und öffentlichem Leben aufgebaut wer<strong>de</strong>n. Auch die Messe „Women & Work“<br />
Anfang Juni in Bonn bil<strong>de</strong>t eine Bühne zum netzwerken.<br />
Frauen führen selbstbewusst. Trotz hoher<br />
Qualifikationen und Kompetenzen versäumen Frauen es oft, sich ins rechte<br />
Licht zu stellen. In Seminaren können Frauen lernen, ihren persönlichen Marktwert<br />
selbstbewusst zu vertreten.<br />
Termine<br />
Erscheinungstermin: 1. Juni 2013<br />
Anzeigenschluss: 17. Mai 2013<br />
(Än<strong>de</strong>rungen vorbehalten)<br />
Kontakt<br />
<strong>Süd<strong>de</strong>utsche</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Verkaufsberatung Stellenmarkt<br />
Telefon (089) 21 83-82 73<br />
Fax (089) 21 83-87 19<br />
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