Skript la.pdf - next-internet.com
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1.3.1 Voraussetzungen und Folgerungen<br />
Ein Beweis hat normalerweise die Form eines Weges. Man fängt an einem bestimmten Punkt an,<br />
versucht, ein Ziel anzusteuern, und hofft darauf, nicht zwischendurch wieder an einen bekannten<br />
P<strong>la</strong>tz zurückzukommen. Einen großen Unterschied gibt es schon: Auf dem gesamten Weg gewinnt<br />
man immer mehr Erkenntnisse, d.h. man kann sich dem Ziel eigentlich gar nicht weiter entfernen.<br />
Konkret sieht das so aus:<br />
Zunächst schreibe ich alle Voraussetzungen auf, die mir auf den Weg gegeben wurden; das ist mein<br />
Ausgangspunkt: „Sei G eine Gruppe, . . . ”. Nun gehe ich in einzelnen Schritten in eine Richtung,<br />
die mir sinnvoll erscheint; die Schritte trenne ich durch einen Folgepfeil („ ⇒ ”). In jedem Schritt<br />
darf ich die gesamten Voraussetzungen benutzen, das dürfte jedem einleuchten. Ich darf aber auch<br />
alle Aussagen benutzen, die ich auf dem Weg schon gemacht habe. Am besten nenne ich mal ein<br />
Beispiel:<br />
Sei G eine Gruppe, x ∈ G, y1 und y2 invers zu x. Dann gilt:<br />
y1 ·x = 1G ∧x·y2 = 1G ⇒ (y1 ·x)·y2 = 1G ·y2 ⇒ y1 ·(x·y2) = y2 ⇒ y1 ·1G = y2 ⇒ y1 = y2<br />
x·y2=1G<br />
So<strong>la</strong>nge man wie hier gegebenenfalls die benutzte Tatsache unter den Folgepfeil schreibt, sollte dies<br />
anerkannt werden, denn man hat vorher hergeleitet, dass sie unter den Voraussetzungen richtig ist.<br />
Es ist übrigens eine Konvention, „A ⇒ B ⇒ C” für „(A ⇒ B) ∧ (B ⇒ C)” zu schreiben,<br />
genau wie man gerne „a = b = c” für „(a = b) ∧ (b = c)” schreibt. Das macht in beiden Fällen<br />
wegen der Transitivität Sinn (d.h. es gilt auch A ⇒ C bzw. a = c). Etwas gefährlicher ist da schon<br />
„A ⇔ B ⇒ C”, was für „(A ⇔ B) ∧ (B ⇒ C)” steht. Denn wenn man es übertreibt, z.B.<br />
„A ⇐ B ⇔ C ⇒ D”, dann kommt Unsinn dabei heraus. In diesem Beispiel könnte man weder<br />
D aus A folgern noch umgekehrt.<br />
1.3.2 Einsetzen in Definitionen<br />
Der Schritt von „y1 invers zu x” nach „y1 · x = 1G” im obigen Beweis ist eigentlich trivial, denn<br />
es wird nur die Definition des „inversen Elements” benutzt. Trotzdem lohnt es sich mehr als man<br />
g<strong>la</strong>ubt, den Schritt explizit hinzuschreiben. Denn nur in der ausgeschriebenen Formel sieht man, wie<br />
man weiter verfahren muss; von einer Aufgabenstellung wie „Sei G eine Gruppe, x ∈ G, y1 und y2<br />
invers zu x. Zeigen Sie: y1 = y2.” wird man oft zunächst überrumpelt.<br />
Es bietet sich manchmal an, nicht direkt die Definition zu benutzen, sondern einen Satz, der sich<br />
daraus ableitet. Das drängt sich besonders auf, wenn der Satz zu einer alternativen Definition führt.<br />
Z.B. gibt es für eine Funktion f die Definition:<br />
Aber es gilt die Äquivalenz:<br />
f ist bijektiv :⇔ f ist injektiv ∧ f ist surjektiv<br />
f ist bijektiv ⇔ f −1 existiert<br />
Das wäre also eine alternative Definition. Ist als Voraussetzung gegeben, dass f bijektiv ist, dann<br />
braucht man viel öfter die Existenz von f −1 als die Injektivität oder Surjektivität, und fängt den<br />
Beweis lieber so an: „f ist bijektiv ⇒ f −1 existiert ⇒ . . . ”<br />
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