Programmheft - Heimat.de
Programmheft - Heimat.de
Programmheft - Heimat.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sinfoniekonzert<br />
I.<br />
Abonnement-<br />
Konzert<br />
Daniel barenboim<br />
Dirigent<br />
aliSa WeilerStein<br />
Violoncello<br />
StaatSkapelle berlin<br />
16. unD 18. September 2012
Dem An<strong>de</strong>nken Kurt San<strong>de</strong>rlings gewidmet<br />
daniel barenboim Dirigent<br />
alisa Weilerstein Violoncello<br />
staatskapelle berlin<br />
max bruch 1838–1920<br />
Kol Nidrei op. 47<br />
Adagio für Violoncello und Orchester<br />
nach hebräischen Melodien<br />
elliott carter *1908<br />
Cello Concerto<br />
Drammatico – Allegro appassionato – Giocoso – Lento –<br />
Maestoso – Tranquillo – Allegro fantastico<br />
PAUSE<br />
anton bruckner 1824–1896<br />
Sinfonie Nr. 9 d-Moll<br />
I. Feierlich, misterioso<br />
II. Scherzo. Bewegt, lebhaft – Trio. Schnell<br />
III. Adagio. Langsam, feierlich<br />
so | 16. september 2012 | 11.00 Uhr | KonzErthAUS<br />
di | 18. september 2012 | 20.00 Uhr | PhilhArmoniE<br />
Konzerteinführung jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn<br />
Eine Veranstaltung <strong>de</strong>r Staatsoper Unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n in Kooperation mit
KurT SANDerLING<br />
* 19. September 1912<br />
† 18. September 2011<br />
Kurt San<strong>de</strong>rling war ein großer Dirigent, <strong>de</strong>r immer <strong>de</strong>n Inhalt<br />
<strong>de</strong>r Musik gesucht hat. Ich habe viele Dirigenten verehrt, aber<br />
wenige mit so viel Zuneigung. Ich habe lei<strong>de</strong>r nie mit ihm gemeinsam<br />
musiziert, aber ich war in vielen seiner Konzerte und Proben.<br />
Ich wer<strong>de</strong> nie eine Probe <strong>de</strong>r 15. Sinfonie von Schostakowitsch<br />
mit <strong>de</strong>n Berliner Philharmonikern vergessen. Schostakowitschs<br />
Welt war mir bis dahin eher verschlossen geblieben, aber als Kurt<br />
San<strong>de</strong>rling diese Sinfonie probierte, hat er mich überzeugt, dass<br />
dies die größte Musik überhaupt ist, die je geschrieben wur<strong>de</strong>:<br />
So intensiv, so <strong>de</strong>tailliert, so wun<strong>de</strong>rbar war es. es war wirklich<br />
eine Lehre, ihm zuzusehen und zuzuhören. Als er aufhörte zu<br />
dirigieren, hat er mir zwei große Geschenke gemacht: erstens,<br />
dass er in meine Konzerte kam und mir so die Gelegenheit gab,<br />
mit ihm zu diskutieren. und zweitens, dass ich, sooft ich wollte,<br />
zu ihm kommen und Partituren durchgehen konnte. er war ein<br />
außergewöhnlicher Mensch!<br />
Daniel Barenboim
max bruch<br />
1883<br />
ADAGIO eINeS<br />
BeGABTeN MeLODIKerS<br />
MAx BruChS »KOL NIDreI«<br />
Detlef Giese<br />
es gibt Komponisten, die im Wesentlichen durch ein einziges Werk berühmt<br />
gewor<strong>de</strong>n sind. Max Bruch ist ein solcher Fall: Mit seinem 1. Violinkonzert<br />
g-Moll op. 26 gelang ihm eine beson<strong>de</strong>rs eindringliche Komposition, die seit<br />
ihrer uraufführung 1868 zu <strong>de</strong>n Favoritwerken <strong>de</strong>s klassisch-romantischen<br />
repertoires zählt. Vor allem <strong>de</strong>r lyrische Mittelsatz, ein tief empfun<strong>de</strong>nes<br />
Adagio, fand viel resonanz und ist gleichsam zum Inbegriff von Bruchs<br />
Musik gewor<strong>de</strong>n. Die weitaus meisten seiner an<strong>de</strong>ren Werke mit Orchester –<br />
u. a. schrieb er zwei weitere Violinkonzerte, drei Sinfonien, mehrere Suiten<br />
sowie eine reihe von einsätzigen Stücken – blieben dauerhaft im Schatten<br />
dieses Welterfolgs.<br />
ein son<strong>de</strong>rlich avancierter Komponist war Bruch zweifellos nicht. Die<br />
»Neu<strong>de</strong>utsche Schule« um Liszt und Wagner lehnte er zeitlebens ab, Orientierung<br />
bot ihm neben <strong>de</strong>n Œuvres <strong>de</strong>r Wiener Klassiker vor allem die Musik<br />
Felix Men<strong>de</strong>lssohn Bartholdys, bisweilen auch diejenige seines direkten Zeitgenossen<br />
Johannes Brahms. Mit ihm teilt Bruch eine gewisse Vorliebe für<br />
Volksliedmelodien, die er kunstvoll in seine Orchester- und Kammermusikwerke<br />
einzuglie<strong>de</strong>rn wusste. Ohnehin bemaß Bruch <strong>de</strong>n Wert einer Komposition<br />
in erster Linie nach ihren melodischen Qualitäten: eine konzentrierte<br />
motivisch-thematische Arbeit, so wie sie Brahms für unerlässlich hielt, war<br />
für Bruch eher zweitrangig, ebenso das einbringen von allzu vielen harmonischen<br />
Finessen. Seine Stärken lagen ein<strong>de</strong>utig auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Melos,<br />
in <strong>de</strong>r erfindung von langen, organisch strömen<strong>de</strong>n Kantilenen.
eINFühruNG | BruCh<br />
So verwun<strong>de</strong>rt es nicht, dass Bruch seine Talente dort am besten entfal-<br />
ten konnte, wo ein Denken in musikalischen Linien mit unaufdringlicher<br />
Begleitung gefragt war. Das betraf vornehmlich die langsamen Sätze, <strong>de</strong>nen<br />
er – so scheint es je<strong>de</strong>nfalls – beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit zudachte. Seine<br />
Sinfonien und Konzerte bieten gute Beispiele dafür, mehr in<strong>de</strong>s noch einige<br />
separat stehen<strong>de</strong> Adagio-Sätze für verschie<strong>de</strong>ne Soloinstrumente und<br />
Orchester. Den Anfang dieser Werkreihe machte 1880 Kol Nidrei op. 47 für<br />
Violoncello, 1890 folgten – ebenfalls für dieses Instrument – die Canzone<br />
op. 55 und ein Adagio nach keltischen Melodien op. 56, im gleichen Jahr schrieb<br />
er ein Adagio appassionato op. 57 für Violine, worauf sich 1892 ein weiteres<br />
Violinstück mit <strong>de</strong>m Titel In memoriam op. 65 anschloss. hinzu kommen noch<br />
mehrere romanzen, eine Serena<strong>de</strong> sowie eine Fantasie, die Bruchs eminente<br />
melodische Begabung weitere Male unter Beweis stellen.<br />
Von allen diesen Kompositionen hat Kol Nidrei <strong>de</strong>n größten Bekanntheitsgrad<br />
erlangt. Angeregt wur<strong>de</strong> das Werk durch <strong>de</strong>n mit Brahms befreun<strong>de</strong>ten<br />
Cellisten robert hausmann (1852-1909), einem <strong>de</strong>r fähigsten Instrumentalisten<br />
seiner Zeit. Der Zeitpunkt <strong>de</strong>r Anfrage fiel in eine umorientierungsphase<br />
in Bruch Biographie. In <strong>de</strong>n 1870er Jahren hatte er vor allem in Berlin<br />
gelebt und gearbeitet, teilweise als freischaffen<strong>de</strong>r Künstler, von 1878 bis<br />
1880 auch als Leiter <strong>de</strong>s renommierten Sternschen Gesangvereins. Von<br />
Preußen zog es ihn zunächst nach england: Von 1880 bis 1883 sollte Bruch<br />
<strong>de</strong>r Philharmonic Society in Liverpool vorstehen. Nach zwischenzeitlichen<br />
Tätigkeiten in <strong>de</strong>n uSA und Breslau, wo er <strong>de</strong>n hiesigen Orchesterverein<br />
leitete, kam er gegen en<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahrzehnts wie<strong>de</strong>r nach Berlin zurück – bis<br />
zum en<strong>de</strong> seines langen Lebens blieb er in <strong>de</strong>r Spreemetropole ansässig, u. a.<br />
mit Lehrverpflichtungen an <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Künste und an <strong>de</strong>r hochschule<br />
für Musik.<br />
Zu dieser Zeit hatte das Interesse an seinen Kompositionen bereits merklich<br />
nachgelassen. Bruchs Musik galt als unmo<strong>de</strong>rn, auch wenn verschie<strong>de</strong>ne<br />
seiner Werke – neben <strong>de</strong>m 1. Violinkonzert vor allem seine großen<br />
Oratorien und Chorstücke – <strong>de</strong>s Öfteren gespielt und gesungen wur<strong>de</strong>n. Kol<br />
Autograph Max Bruchs zu Kol Nidrei<br />
Nidrei blieb ebenfalls vergleichsweise populär, 1933 verschwand das Werk<br />
jedoch komplett aus <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Konzertsälen. Verantwortlich hierfür<br />
war die Tatsache, dass Bruch sich bei <strong>de</strong>r Abfassung <strong>de</strong>r Partitur hebräischer<br />
Melodien bedient hatte, auch wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Komponisten eine jüdische<br />
Abkunft unterstellt. Schon zu Lebzeiten hatte es wie<strong>de</strong>rholt geheißen, dass<br />
Bruch Ju<strong>de</strong> sei (in Wirklichkeit war <strong>de</strong>r gebürtige Kölner Protestant), ein<br />
gedanklicher Kurzschluss, <strong>de</strong>r ganz unmittelbar mit <strong>de</strong>r Bekanntheit von Kol<br />
Nidrei zusammenhing.<br />
Dass sich Bruch sich hebräischer Musik zugewandt hatte, war kaum<br />
einer son<strong>de</strong>rlichen Affinität zum Ju<strong>de</strong>ntum geschul<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn dürfte das<br />
ergebnis seiner Suche nach reizvollen melodischen elementen sein. In diesem<br />
Sinne ist Kol Nidrei ein Pendant zu seiner unmittelbar zuvor entstan<strong>de</strong>nen<br />
Fantasie es-Dur für Violine und Orchester »unter freier Benutzung<br />
schottischer Volksmelodien« (<strong>de</strong>r sogenannten Schottischen Fantasie). Der<br />
eigentümliche, ein wenig exotische Charakter <strong>de</strong>r jüdischen Musik, vornehmlich<br />
ihrer Melodiebildungen, scheint Bruch beson<strong>de</strong>rs angesprochen<br />
zu haben. Genuin musikalische Qualitäten waren es, durch die Bruch animiert<br />
wur<strong>de</strong>, zwei Melodien hebräischen ursprungs seinem Werk zugrun<strong>de</strong>
ANKüNDIGuNG<br />
II. ABONNeMeNTKONZerT<br />
Michael Gielen<br />
Dirigent<br />
Patricia Petibon<br />
Sopran<br />
Staatskapelle Berlin<br />
Hector Berlioz<br />
Drei Instrumentalsätze<br />
aus Roméo et Juliette op. 17<br />
Maurice Ravel<br />
Shéhéraza<strong>de</strong><br />
Ludwig van Beethoven<br />
Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93<br />
mo 22. oKt 2012 | 20 Uhr | KonzErthAUS<br />
di 23. oKt 2012 | 20 Uhr | PhilhArmoniE<br />
Konzerteinführung jeweils um 19.15 uhr<br />
KArtEn 59 | 50 | 44 | 37 | 23 | 16 €<br />
ticKEtS 030 - 20 35 45 55 | www.StAAtSoPEr-bErlin.dE<br />
eINFühruNG | BruCh<br />
zu legen. Seine eigenen Aussagen zur entstehung von Kol Nidrei belegen das:<br />
»Die bei<strong>de</strong>n Melodieen sind ersten ranges – die erste ist die eines uralten<br />
hebräischen Bußgesanges, die zweite (Dur) <strong>de</strong>r Mittelsatz <strong>de</strong>s rühren<strong>de</strong>n<br />
und wahrhaft großartigen Gesanges ›Oh weep for those, that wept on Babel’s<br />
stream (Byron)‹, ebenfalls sehr alt. Bei<strong>de</strong> Melodieen lernte ich in Berlin ken-<br />
nen, wo ich bekanntlich im Verein [gemeint ist <strong>de</strong>r Sternsche Gesangverein]<br />
viel mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israel zu thun hatte.«<br />
Der gut zehnminütige Satz bringt diese bei<strong>de</strong>n Melodien in zwei hin-<br />
sichtlich Tempo und Charakter unterschiedlichen Abschnitten. Während<br />
im ersten Teil eine Kantilene Gestalt gewinnt, die, in Moll stehend, von gro-<br />
ßer ernsthaftigkeit geprägt ist, dominiert im zweiten, etwas bewegteren Teil<br />
<strong>de</strong>r Gestus erhabener Feierlichkeit. Fast über die gesamte Zeit ist das Soloin-<br />
strument bestimmend, lediglich die Anfangstakte bei<strong>de</strong>r Abschnitte sind<br />
allein <strong>de</strong>m Orchester anvertraut. Das Violoncello mit seinem warmen,<br />
expressiven Klang und seinen weiträumigen Melodiebögen übernimmt die<br />
Führung, die an<strong>de</strong>ren Instrumenten – unter ihnen auch eine recht präsent<br />
eingesetzte harfe – besitzen fast ausschließlich Begleitfunktion.<br />
Der Titel <strong>de</strong>s Werkes verweist auf <strong>de</strong>n Text »Kol Nidre«, <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m<br />
Abendgebet <strong>de</strong>s hohen jüdischen Feiertages Jom Kippur (<strong>de</strong>m Versöhnungs-<br />
tag) gesprochen wird. Bruch war sich <strong>de</strong>r herkunft <strong>de</strong>r von ihm verwen<strong>de</strong>ten<br />
Melodien, die gemäß <strong>de</strong>m jüdischen Festkalen<strong>de</strong>r wesentlich mit reue<br />
und Buße zu tun haben, sehr wohl bewusst. Aus seiner Musik spricht je<strong>de</strong>nfalls<br />
ein tiefes Verständnis dafür.
elliott carter<br />
in new York<br />
eIN SeLBSTGeSPräCh<br />
MIT KOMMeNTAreN<br />
Zu eLLIOTT CArTerS<br />
CeLLO CONCerTO<br />
Yuri Isabella Kato<br />
What next? ist nicht nur <strong>de</strong>r Titel elliott Carters bisher einziger Oper, die<br />
unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n uraufgeführt wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn scheint auch kompositorisches<br />
Motto für <strong>de</strong>n Künstler selbst zu sein. Der mittlerweile 103-jährige<br />
New Yorker beging am 11. Dezember 2008 seinen hun<strong>de</strong>rtsten Geburtstag<br />
und komponiert seit <strong>de</strong>n achtziger Jahren <strong>de</strong>s letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts mehr als<br />
zuvor in seinem Leben. Das »Spätwerk« ist für <strong>de</strong>n geistig regen Künstler, <strong>de</strong>r<br />
zahlreiche seiner Kollegen überlebt hat, noch längst nicht abgeschlossen.<br />
und er gilt als höchst mo<strong>de</strong>rner origineller Komponist, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>r<br />
Avantgar<strong>de</strong>, die er im bro<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n New York <strong>de</strong>r zwanziger Jahre aufsog, in<br />
seinen Werken und in seiner Tonsprache auch heute noch weiterträgt. Wie<br />
kein an<strong>de</strong>rer gilt er in seinem heimatland in seiner musikalischen ästhetik<br />
als europäer. umgekehrt wird elliott Carter in europa oftmals als Amerikaner<br />
wahrgenommen und ist in bei<strong>de</strong>n Teilen <strong>de</strong>r Welt gleichermaßen<br />
erfolgreich, obwohl er niemals an musikalischen Mo<strong>de</strong>n und Strömungen<br />
teilhatte, sich ihnen vielleicht auch verweigerte und trotz<strong>de</strong>m, o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>shalb, immer ein fortschrittlicher Künstler blieb. Im Schaffen elliott<br />
Carters wird man vergeblich nach errungenschaften <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
wie Aleatorik, Collage, neoromantischen Ten<strong>de</strong>nzen, Minimal Music o<strong>de</strong>r<br />
auch <strong>de</strong>n einbezug elektronischer Musik suchen. Sein Interesse gilt dagegen<br />
formalen Innovationen herkömmlicher tradierter Gattungen wie <strong>de</strong>m<br />
Streichquartett, <strong>de</strong>m Solokonzert o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Sinfonie und <strong>de</strong>m Charakter
eINFühruNG | CArTer<br />
stück, die er mit seiner individuellen atonalen Tonsprache weiterentwickelt<br />
und gestaltet. Musikalische expressivität in Verbindung mit formaler Klarheit<br />
zeichnen Carters Werk aus.<br />
Initialzündung und überwältigen<strong>de</strong> Begeisterung für mo<strong>de</strong>rne Musik<br />
in <strong>de</strong>r turbulenten Atmosphäre <strong>de</strong>r Großstadt war für <strong>de</strong>n jungen elliott die<br />
New Yorker erstaufführung von Igor Strawinskys Le sacre du printemps am 31.<br />
Januar 1924. Die ihn umgeben<strong>de</strong> musikalische Welt bietet uraufführungen<br />
von edgard Varèse Ameriques, die er 1926 in Phila<strong>de</strong>lphia erlebte, Werke von<br />
Charles Ives o<strong>de</strong>r George Antheils Ballett mécanique, die in New York aufgeführt<br />
wur<strong>de</strong>n. An <strong>de</strong>r Metropolitan Opera wird Wozzeck von Alban Berg<br />
unter <strong>de</strong>r Leitung von Leopold Stokowski gegeben. Die Stadt ist <strong>de</strong>finitive<br />
ein Zentrum <strong>de</strong>s »Mo<strong>de</strong>rnism« und lässt keinen raum für Sehnsüchte<br />
eines vergangenen romantischen Zeitalters aufkommen. Der Teenager<br />
lebt inmitten einer hitzigen Atmosphäre <strong>de</strong>r Avantgar<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r<br />
Prohibition, in <strong>de</strong>nen in Clubs illegal Alkohol verkauft wird. In <strong>de</strong>r Nachbarschaft<br />
zum heutigen Lincoln Center befin<strong>de</strong>n sich Studios, wo europäische<br />
Künstler wie Marcel Duchamp, Picabia o<strong>de</strong>r Varèse leben und arbeiten. Mit<br />
Musik verbin<strong>de</strong>t elliott Carter ausschließlich zeitgenössische Musik. Die<br />
Welt <strong>de</strong>r Avantgar<strong>de</strong> begeistert Carter so sehr, dass er beschließt, Komponist<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Carters Vater, <strong>de</strong>r geschäftliche Beziehungen mit europa<br />
und vor allem Frankreich unterhält, ist davon zunächst nicht begeistert.<br />
Als spätere Grundlage für <strong>de</strong>n einstieg in sein Geschäft, lässt er seinen<br />
Sohn zweisprachig erziehen. er spricht daher fließend Französisch. 1921<br />
nimmt ihn sein Vater mit auf eine reise nach europa: Verdun, reims, Basel,<br />
Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n und Berlin sind ihre Aufenthalte. Nach europa sollte Carter<br />
nur wenige Jahre später zurückkehren. 1925 ist er in Wien auf Durchreise.<br />
Für wenig Geld, <strong>de</strong>r österreichische Schilling ist nahezu wertlos, kauft er<br />
bei <strong>de</strong>r universal edition zahlreiche Partituren zeitgenössischer Musik von<br />
Schönberg, Berg und Webern.<br />
In harvard studiert Carter englische und später <strong>de</strong>utsche Literatur<br />
sowie klassische Sprachen, nicht aber Musik. Die Ausbildung ist ihm zu<br />
eINFühruNG | CArTer<br />
konservativ ausgerichtet. Auf Anraten von randall Thompson und Walter<br />
Piston, die er in harvard kennenlernt und die von Nadia Boulanger unterrichtet<br />
wur<strong>de</strong>n, entschei<strong>de</strong>t er sich nach Paris zu gehen, um bei ihr seine<br />
musikalischen Studien voranzutreiben. In seinen Werken macht sich nach<br />
dieser Zeit eine verän<strong>de</strong>rte ästhetik hin zu einer klassizistischen Phase<br />
bemerkbar, was oftmals als rückschritt bewertet wur<strong>de</strong>. eine kompositorische<br />
Wen<strong>de</strong> zu einer neuen amerikanischen Mo<strong>de</strong>rne mit einer individuellen<br />
stark polyphonen Schreibweise vollzieht sich in <strong>de</strong>n vierziger Jahren.<br />
Zu ihnen zählt sein Ballett Pocahontas, Elegy für Violoncello und Klavier<br />
o<strong>de</strong>r die Holiday Overture von 1944.<br />
einen weiteren entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Wen<strong>de</strong>punkt bringt in <strong>de</strong>n fünfziger<br />
Jahren ein Aufenthalt in <strong>de</strong>r Wüste von Arizona. Zeitgleich wie Oliver Messiaen<br />
in seinen Mo<strong>de</strong>s <strong>de</strong> valeurs et d’ intensités experimentiert elliott Carter<br />
mit rhythmus und harmonien. Seine musikalischen Ansichten dieser<br />
Zeit beschreibt <strong>de</strong>r Komponist als radikal. Die Suche nach einer Basis <strong>de</strong>s<br />
musikalischen Vokabulars ist sein vorrangiges Ziel und es folgt eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit fundamentalen Fragestellungen: Welche musikalische<br />
I<strong>de</strong>e kann aus einer Note geformt wer<strong>de</strong>n? Wie kann es in ein Stück Musik<br />
verwan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n? Was kann man alles mit einem einzelnen Akkord<br />
anstellen? und was verschafft einem musikalischen Moment eigentlich<br />
Sinn? Carters Antwort darauf ist sein vielgerühmtes erstes Streichquartett.<br />
Trotz seiner stilistischen Vielseitigkeit bleibt Carter in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />
Jahren seinen kompositorischen Techniken und ästhetischen Prinzipien<br />
verpflichtet. Die Beschäftigung mit <strong>de</strong>n Aspekten von Zeit und rhythmus<br />
bleiben für ihn nach wie vor relevant.<br />
Im bisher gesamten Schaffen elliott Carters befin<strong>de</strong>t sich nur ein einziges<br />
weiteres Werk für Violoncello, die viersätzige Sonate von 1948. Sie<br />
wur<strong>de</strong> oft als Wen<strong>de</strong>punkt bezeichnet. Zum allerersten Mal verwen<strong>de</strong>tet<br />
Carter dabei seine metrische Modulation und experimentiert stark mit <strong>de</strong>m<br />
Phänomen <strong>de</strong>r Klanglichkeit. Das Werk entstand damals für <strong>de</strong>n Cellisten<br />
Bernard Greenhouse. Das Konzert für Violoncello hatte Yo Yo Mas Spiel als
Pierre Boulez, Elliott Carter, Daniel Barenboim und Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Staatskapelle Berlin nach einem Konzert in New York, 2009<br />
gedanklichen Ausgang. Gemeinsam mit <strong>de</strong>m Chicago Symphony Orchestra<br />
unter <strong>de</strong>r Leitung von Daniel Barenboim brachte Yo Yo Ma schließlich<br />
auch das Konzert zur uraufführung. Vergleicht man das etwa 20-minütige<br />
Konzert mit an<strong>de</strong>ren Solokonzerten Carters, wie etwa <strong>de</strong>m Oboenkonzert<br />
aus <strong>de</strong>n 80er Jahren o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m dreisätzigen Violinkonzert von 1990, fällt<br />
schnell auf, dass <strong>de</strong>r Komponist mit <strong>de</strong>r Gattung Konzert doch sehr unterschiedliche<br />
Ziele und I<strong>de</strong>en verfolgt. Während das offensichtlich virtuos<br />
gestaltete Violinkonzert in seinem Gestus und seiner dreisätzigen Satzfolge<br />
sich bewusst in eine historische Tradition stellt, scheint das Cello Concerto<br />
als einsätziges Werk mit seinen gestalteten Abschnitten, einen Organismus<br />
darzustellen, in <strong>de</strong>nen die musikalischen I<strong>de</strong>en kunstvoll ineinan<strong>de</strong>r<br />
übergehen. Dabei kristallisieren sich sieben größere tragen<strong>de</strong> Abschnitte<br />
heraus, die in <strong>de</strong>r Partitur mit Drammatico, Allegro appassionato, Giocoso,<br />
Lento, Maestoso, Tranquillo und Allegro fantastico überschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />
Insgesamt wirkt das Konzert wie eine gewaltige Aussage <strong>de</strong>s Violincellos, zu<br />
<strong>de</strong>nen das Orchester Zwischenkommentare gibt, die aber oftmals von <strong>de</strong>r<br />
eINFühruNG | CArTer<br />
Stimme <strong>de</strong>s Solisten isoliert wirken; fast, als ob es sich auf einer zweiten<br />
Tonspur befin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Dabei verfolgt das Konzert eine mo<strong>de</strong>rne Tonsprache,<br />
das keine zu starke Atonalität auslebt und dabei auch immer wie<strong>de</strong>r<br />
mit konventionellen elementen kokettiert.<br />
Das Werk eröffnet mit einer großen Kantilene <strong>de</strong>s Violoncellos. Das<br />
Orchester beschränkt sich zunächst auf grobe Zwischeneinwürfe. In ihnen<br />
entfaltet sich keine Schönheit, son<strong>de</strong>rn ein geballtes Klangspektrum, während<br />
das Cello im scharfen Kontrast einen gesanglich romantischen Part<br />
wie<strong>de</strong>rgibt. Der übergang in <strong>de</strong>n Abschnitt Giocoso vollzieht sich direkt<br />
und bringt einen völligen Charakterwechsel. Kammermusikalisch reduziert<br />
sich dabei die Begleitung auf die Perkussion und ihre rhythmischen<br />
elemente. erst die virtuoseren Läufe <strong>de</strong>s Violoncellos leiten einen neuerlichen<br />
Charakterwechsel ein. Prägnant erscheinen im weiteren Verlauf<br />
(mit <strong>de</strong>r Angabe Più mosso) ein auskomponierter Triller <strong>de</strong>s Solisten und<br />
ein sphärisch traditionell wirken<strong>de</strong>r holzbläsereinsatz. ein erstes längeres<br />
und be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s Orchesterzwischenspiel ereignet sich vor <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s<br />
Abschnitts Lento. Nach all <strong>de</strong>n quirligen Passagen kristallisiert sich in <strong>de</strong>r<br />
neuen lyrischen Kantilene <strong>de</strong>s Cellos ein neues element heraus: zwei markante<br />
Töne drängen sich dabei immer weiter in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund. es folgt<br />
die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r schnellen Bewegung in 16tel-Gruppen mit Pausen, das wie ein<br />
aufgeregtes Sprechen wirkt. Markant und charakteristisch sind im späteren<br />
Verlauf die häufigkeit von Naturintervallen in <strong>de</strong>r solistischen Stimme, das<br />
sich auch in <strong>de</strong>r Orchesterbegleitung wie<strong>de</strong>rspiegelt. hier scheinen sich die<br />
rollen von Solist und Orchester als haupttragen<strong>de</strong> Stimme zu vertauschen.<br />
Der letzte Abschnitt Allegro fantastico löst charakterlich seine Satzüberschrift<br />
ein. Irreal, fantastisch erscheint das Orchester reduziert, um sich<br />
schließlich am en<strong>de</strong> nochmals wuchtig frontal aufzubäumen. es entstehen<br />
gera<strong>de</strong>zu opernhafte Züge. Das Violoncello glänzt mit Virtuosität und führt<br />
in einen <strong>de</strong>r ungewöhnlichsten Schlüsse, die ein Konzert aufweisen kann,<br />
ganz im Pizzicato gehalten und ohne jegliche Begleitung – ein herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>s<br />
en<strong>de</strong> und schlicht seine essenz.
anton bruckner<br />
1894<br />
eINe uNVOLLeNDeTe,<br />
eIN GIPFeL<br />
BruCKNerS 9. SINFONIe<br />
Detlef Giese<br />
es war Ludwig van Beethoven, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Zahl seiner Sinfonien <strong>de</strong>n Maß-<br />
stab für die folgen<strong>de</strong>n Generationen setzen sollte: Die Nr. 9 schien eine<br />
Grenze zu markieren, über die hinaus kein weiteres Werk mehr möglich<br />
schien. Vergegenwärtigt man sich das Schaffen <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Sinfoni-<br />
ker <strong>de</strong>s 19. und frühen 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, so wirkt eine solche merkwür-<br />
dige These tatsächlich so abwegig nicht: We<strong>de</strong>r Schubert, Men<strong>de</strong>lssohn,<br />
Schumann und Brahms noch Dvořák o<strong>de</strong>r Tschaikowsky sind in <strong>de</strong>r Zahl<br />
ihrer Sinfonien über neun hinausgekommen. und bei zwei weiteren Kom-<br />
ponisten ist zu min<strong>de</strong>st die »offizielle« 9. Sinfonie auch <strong>de</strong>ren letzte: bei<br />
Gustav Mahler (<strong>de</strong>r gleichwohl sein Lied von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> im untertitel <strong>de</strong>zidiert<br />
als »Sinfonie« bezeichnete) und bei Anton Bruckner, <strong>de</strong>r in<strong>de</strong>s zusätzlich<br />
zu <strong>de</strong>n nummerierten Werken noch eine »Studiensinfonie« sowie die soge-<br />
nannte »Nullte« (bzw. »Annullierte«) schrieb, also insgesamt elf Beiträge<br />
zu dieser Gattung lieferte. Trotz allem muss Bruckner <strong>de</strong>r Gedanke an eine<br />
9. Sinfonie, mit <strong>de</strong>ren Skizzierung er sofort nach Beendigung <strong>de</strong>s Vorgän-<br />
gerwerkes im Sommer 1887 begann, eigentümlich be rührt, womöglich gar<br />
erschreckt haben. Für einen tiefgläubigen Menschen wie ihn, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n<br />
christlichen Lehren ebenso wie mit <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r Zahlensymbolik vertraut<br />
war, galt die Zahl 9 als etwas Beson<strong>de</strong>res: Als 2. Potenz <strong>de</strong>r Zahl 3 – die tra-<br />
ditionell für die Dreieinigkeit, mithin für das Vollkommene steht – besaß<br />
sie etwas gleichsam heiliges. und wenn man sich die immense Be<strong>de</strong>utung
eINFühruNG | BruCKNer<br />
vor Augen führt, die religiöse Zeichen und Dinge für Bruckner besaßen, so<br />
wird man seinen beinahe übergroßen respekt, sich an eine 9. Sinfonie zu<br />
wagen, durchaus nachvollziehen können. Die Aussage je<strong>de</strong>nfalls, dass er<br />
sein Werk als eine einzige »huldigung vor <strong>de</strong>r göttlichen Majestät« verstan<strong>de</strong>n<br />
wissen wollte, ist beredt genug.<br />
Bei alle<strong>de</strong>m lässt sich kaum <strong>de</strong>r tiefgreifen<strong>de</strong> einfluss leugnen, <strong>de</strong>n<br />
Beethovens letzte Sinfonie auf Bruckners sinfonisches Œuvre ausgeübt hat.<br />
Jene dort so eindringlich ins Werk gesetzte Gestaltwerdung <strong>de</strong>r Motive und<br />
Themen aus einem zunächst diffusen Klangbild heraus, das erst nach und<br />
nach die entfaltung schärferer Konturen erlaubt, ist für die eingangspartien<br />
einer ganzen reihe von Bruckners Sinfonien vorbildhaft gewesen,<br />
am prägnantesten jedoch für seine Nr. 9. Darüber hinaus stellte sich auch<br />
durch die Wahl <strong>de</strong>r Grundtonart eine Parallele her: Nach seiner »Nullten«<br />
sowie seiner 3. Sinfonie ist es zwar bereits das dritte Werk Bruckners in<br />
d-Moll (seiner erklärten Lieblingstonart), zugleich aber auch dasjenige,<br />
<strong>de</strong>m er am <strong>de</strong>utlichsten einen Charakter von Größe und wür<strong>de</strong>vollem<br />
ernst verlieh, wie er auch <strong>de</strong>r Musik Beethovens eigen war.<br />
Die immense Ausdruckskraft, die <strong>de</strong>r 9. Sinfonie innewohnt, ist gewiss<br />
ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Moment, ein an<strong>de</strong>res ist die je<strong>de</strong>rzeit spürbare Metiersicherheit,<br />
die sich vor allem aus <strong>de</strong>m gewachsenen Selbstbewusstsein<br />
Bruckners speiste, als Sinfoniker nunmehr weithin anerkannt zu sein.<br />
Spätestens mit <strong>de</strong>n erfolgen, die er mit <strong>de</strong>r 7. und 8. Sinfonie für sich verbuchen<br />
konnte, fühlte sich Bruckner bestätigt, auf <strong>de</strong>m richtigem Weg zu<br />
sein – immerhin hatte er seine künstlerischen überzeugungen auch gegen<br />
Seiner 9. Sinfonie verlieh Bruckner<br />
am <strong>de</strong>utlichsten einen Charakter von Größe<br />
und wür<strong>de</strong>vollem Ernst, wie er auch <strong>de</strong>r Musik<br />
Beethovens eigen war.<br />
Anton Bruckner gemeinsam mit seiner Haushälterin, seinem Bru<strong>de</strong>r und seinem<br />
Arzt vor <strong>de</strong>m Eingang <strong>de</strong>s Kusto<strong>de</strong>nstöckl, seinem letzten Wohnsitz<br />
teils massive Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> von Seiten so mancher Berufskollegen wie <strong>de</strong>r<br />
Musikkritik durchgesetzt. Auf dieser Basis nahm er mit 9. Sinfonie nochmals<br />
ein höchst ambitio niertes Werk in Angriff, das alles Bisherige über-<br />
treffen sollte – ein zusammenfassen<strong>de</strong>s Werk, ein »Spätwerk« nicht allein<br />
im chronologischen Sinne, son<strong>de</strong>rn auch im Blick auf die Art und Weise,<br />
wie es ihm gelang, <strong>de</strong>n immer weiter angewachsenen erfahrungsschatz<br />
eines erfüllten Komponistenlebens ins Feld zu führen und noch einmal all<br />
seine kreativen Kräften zu aktivieren.<br />
Diese 9. Sinfonie stellt ein wahres Kompendium von Bruckners<br />
musikalischem Denken dar. Die wesentlichen Merkmale seines sinfo-<br />
nischen Stils treten hier noch einmal zutage, die Monumentalität <strong>de</strong>s<br />
Gesamtentwurfs ebenso wie die Ausgestaltung <strong>de</strong>r einzelheiten. Auch<br />
das kompositionstech nische Niveau – für Bruckner, <strong>de</strong>r sich Zeit seines<br />
Lebens intensiv mit Kontrapunkt und harmonielehre beschäftigt hat,<br />
ein beson<strong>de</strong>rs wichtiger Punkt – ist auf eine gera<strong>de</strong>zu beispiellose höhe<br />
geführt, <strong>de</strong>sgleichen zeichnet sich das Werk durch eine außer gewöhnliche<br />
klangliche Intensität aus.
Skizze Bruckners zum unvollen<strong>de</strong>ten Finale <strong>de</strong>r 9. Sinfonie<br />
eINFühruNG | BruCKNer<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Orchesterbesetzung orientiert sich Bruckner an seiner<br />
8. Sinfonie: hier wie dort verwen<strong>de</strong>t er dreifache holzbläser sowie nicht<br />
weniger als acht hörner (wobei im dritten Satz vier hornisten zu Tenor-<br />
und Basstuben zu greifen haben), zu<strong>de</strong>m je drei Trompeten und Posaunen,<br />
Kontrabasstuba, Pauken und einen großen Streicherapparat. Wie bereits<br />
bei <strong>de</strong>n Vorgängerwerken ist die starke Präsenz <strong>de</strong>s Blechs offensichtlich,<br />
in auffallend vielen Passagen setzt Bruckner jedoch auch ausgesprochen<br />
zarte Klang farben ein, häufig in aparten Kombinationen von Streichern<br />
und solistisch hervortreten<strong>de</strong>n holzbläsern.<br />
Die virtuose Orchesterbehandlung, die Bruckners 9. Sinfonie kenn-<br />
zeichnet, zeigt sich sogleich im eingangssatz. Aus <strong>de</strong>r Stille kristallisieren<br />
sich die wesentlichen melodischen, harmonischen und rhythmischen<br />
Strukturen heraus: zunächst einzeltöne und einfache Intervalle, bevor<br />
dann klarer umrissene, zunehmend fassliche Motive und Themen Gestalt<br />
gewinnen und zu merklich größerer Komplexität anwachsen. Dieser<br />
Prozess <strong>de</strong>r Klangwerdung erhält ein gera<strong>de</strong>zu archaisches Gepräge – als<br />
ob sich <strong>de</strong>r Klang seinen raum erst tastend erschließen muss statt mit<br />
gleichsam imperialer Geste sofort von ihm Besitz zu ergreifen. Der für<br />
alles Musizieren so eminent wichtige »einschwingvorgang« scheint hier<br />
mit be son<strong>de</strong>rem Gespür regelrecht auskomponiert zu sein.<br />
Nach einer längeren einleitungsphase entfaltet sich ein gera<strong>de</strong>zu<br />
riesenhaft anmuten<strong>de</strong>r Sonatensatz, <strong>de</strong>r im Blick auf seine Proportionen<br />
und das Gewicht seiner Formteile zwar genau ausbalanciert ist, bisweilen<br />
aber doch <strong>de</strong>n eindruck einer gewissen heterogenität hervorruft. ursache<br />
hierfür dürfte die Arbeit mit vergleichsweise kleinen Motivbausteinen<br />
sein, die Bruckner zu ebenso umfänglichen wie vielschichtigen Themen-<br />
komplexen montiert. Diese besitzen ein außeror<strong>de</strong>ntlich weit gespanntes<br />
Ausdrucksspektrum – zum einen wird <strong>de</strong>r ernste, strenge d-Moll-Ton <strong>de</strong>s<br />
Beginns wie<strong>de</strong>rholt aufgegriffen, zum an<strong>de</strong>ren lassen sich aber auch Par-<br />
tien von großer Kanta bilität sowie feierliche Choralsequenzen fin<strong>de</strong>n. Die<br />
avancierte harmonische Gestaltung sorgt ebenso für expressive Zuspitzun-
eINFühruNG | BruCKNer eINFühruNG | BruCKNer<br />
gen wie markante Klangsteigerungen, die mehrfach in nachgera<strong>de</strong> katas-<br />
trophischen Zusammenbrüchen mün<strong>de</strong>n: Wer hier eine Anti zipation <strong>de</strong>r<br />
Sinfonik Gustav Mahlers zu vernehmen meint, dürfte nicht falsch liegen.<br />
und auch <strong>de</strong>r eindrucksvolle »Durchbruch« am en<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Satzes, ein wahre<br />
Krönung durch das erneute erscheinen <strong>de</strong>s hauptthemas (bzw. von <strong>de</strong>ssen<br />
charakteristischen Tonformeln) in strahlen<strong>de</strong>m Orchesterglanz ist eine<br />
originäre errungenschaft Bruckners, <strong>de</strong>ren zukunftsweisen<strong>de</strong> Wirkung<br />
außer Frage steht.<br />
Das folgen<strong>de</strong>, recht knapp gefasste Scherzo erweist sich als ein extrem<br />
spannungsreicher Satz, wobei die scharf akzentuierte rhythmik das wohl<br />
prägnanteste Merkmal darstellt. Die durch kraftvoll markierte Dreierschläge<br />
beständig angetriebene Bewegung, die nur zwischenzeitlich durch<br />
flüchtig erscheinen<strong>de</strong> melodische Partikel in ihrem Vorwärtsdrang eingedämmt<br />
wird, bestimmt <strong>de</strong>n Charakter dieses eigentümlichen Stücks<br />
Musik. Das eingeschobene Trio wirkt <strong>de</strong>mgegenüber zurückgenommen,<br />
jedoch keineswegs entspannt: Mit seinen metrischen Verschiebungen ist<br />
es dazu angetan, die Wahrnehmung <strong>de</strong>r hörer in immer neue richtungen<br />
zu lenken, da die rhythmischen Bezugspunkte, die noch im Scherzo stark<br />
ausgeprägt waren, nun spürbar verschleiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Wie bereits im Falle <strong>de</strong>r 8. Sinfonie steht ein breit angelegtes Adagio<br />
an <strong>de</strong>r dritten Stelle <strong>de</strong>r Sinfonie. Trotz <strong>de</strong>s groß dimensionierten und<br />
überaus gewichtigen Kopfsatzes ist es <strong>de</strong>r umfangreichste Teil <strong>de</strong>s Werkes,<br />
ein Satz von elementar wirksamer Ausdrucksemphase, <strong>de</strong>n Bruckner aus<br />
tiefster überzeugung mit »feierlich« überschrieb. Die zahlreichen Choralanklänge,<br />
die durchaus als Symbole <strong>de</strong>s religiösen zu verstehen sind,<br />
mögen für diese erhabene Wirkung verantwortlich sein, <strong>de</strong>sgleichen das<br />
fließen<strong>de</strong> Melos und – wie es gleich am Beginn bei <strong>de</strong>r einstimmigen Figur<br />
<strong>de</strong>r Violinen zu erleben ist – die hochexpressiven weiten Tonsprünge. Wie<strong>de</strong>rum<br />
sind es die be merkenswerten harmonischen Kühnheiten, welche<br />
in beson<strong>de</strong>rem Maße <strong>de</strong>n Tonsatz prägen: Kompromisslos setzt Bruckner<br />
Zusammenklänge, die sich aus <strong>de</strong>r über einan<strong>de</strong>rschichtung verschie<strong>de</strong>-<br />
ner Linien ergeben und so manche Schärfen erzeugen. Auch dynamische<br />
Kontraste treten verstärkt in erscheinung, vom zartesten Pianissimo bis<br />
zu vollster Kraftentfaltung wer<strong>de</strong>n sämtliche Zwischenstufen ausgenutzt.<br />
Beson<strong>de</strong>rs eindringlich ist dieses mehr dimensionale Denken gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />
Schlusspassage <strong>de</strong>s nahezu halbstündigen Satzes zu erfahren: Zunächst<br />
wird ein großer dynamischer Aufschwung initiiert, <strong>de</strong>r jedoch nicht<br />
zu einer finalen Apotheose führt, son<strong>de</strong>rn – nach einem plötzlichen<br />
Abbruch – zu einem überraschend zurückhalten<strong>de</strong>n, leisen, verlöschen<strong>de</strong>n<br />
Ausklang: Bruckners letztes Wort als Sinfoniker ist ein versöhnliches, aber<br />
ein bewusst nicht affirmatives.<br />
Das Adagio wur<strong>de</strong> im Spätherbst 1894 fertiggestellt – damit umfasst<br />
die entstehung <strong>de</strong>r drei Sinfoniesätze einen ungewöhnlich langen Zeitraum<br />
von sieben Jahren, <strong>de</strong>r freilich durch an<strong>de</strong>re Neukompositionen (u. a.<br />
durch <strong>de</strong>n 150. Psalm sowie Helgoland für Chor und Orchester) sowie durch<br />
umfangreiche revisionen mehrerer Sinfonien (u. a. <strong>de</strong>r Zweitfassung <strong>de</strong>r<br />
Nr. 8, <strong>de</strong>r Drittfassung <strong>de</strong>r Nr. 3 sowie die Durchsicht <strong>de</strong>r 1. und 2. Sinfonie)<br />
unterbrochen wur<strong>de</strong>. Die reinschrift <strong>de</strong>s Adagio fällt zu<strong>de</strong>m mit <strong>de</strong>m en<strong>de</strong><br />
seiner beruflichen Tätigkeit zusammen: 1894 hielt Bruckner seine letzten<br />
Vorlesungen an <strong>de</strong>r Wiener universität, zuvor hatte er bereits sein Lehramt<br />
am Konservatorium aufgegeben, auch war er aus <strong>de</strong>m Dienst als Organist<br />
<strong>de</strong>r Kaiserlichen hofkapelle ausgeschie<strong>de</strong>n. Finanziell ist Bruckner durch<br />
Pension und »ehrensold« abgesichert, eine kostenlose Wohnung im Kusto<strong>de</strong>nstöckl<br />
<strong>de</strong>s Wiener Belve<strong>de</strong>re, die ihm nicht zuletzt durch die unterstützung<br />
<strong>de</strong>r kaiserlichen Familie überlassen wor<strong>de</strong>n war, gibt ihm das Gefühl,<br />
ein allgemein anerkanntes Mitglied <strong>de</strong>r Wiener Gesellschaft zu sein. Auch<br />
wer<strong>de</strong>n seine noch vor einem Jahrzehnt in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit kaum beachteten<br />
Werke nunmehr <strong>de</strong>s Öfteren aufgeführt; bei <strong>de</strong>n Darbietungen ist<br />
Bruckner häufig selbst vor Ort. Jedoch behin<strong>de</strong>rn Krankheiten und zunehmen<strong>de</strong>r<br />
körperlicher Verfall eine weitere konzentrierte Arbeit an <strong>de</strong>r<br />
9. Sinfonie, was Bruckners Sorge wachsen lässt, ob er überhaupt im stan<strong>de</strong><br />
sein wer<strong>de</strong>, das große Werk – sein offenkundig letztes – zu vollen<strong>de</strong>n.
eINFühruNG | BruCKNer<br />
Trotz<strong>de</strong>m widmet er sich fortgesetzt <strong>de</strong>m abschließen<strong>de</strong>n Allegro,<br />
ohne dass er dieses jedoch in <strong>de</strong>n zwei Jahren, die ihm noch verbleiben<br />
sollten, komplettieren kann. Noch in letzten Lebenswochen und -tagen ist<br />
er mit <strong>de</strong>r Komposition und Instrumentation dieses vierten Satzes beschäf-<br />
tigt, <strong>de</strong>r nach seinem sinfonischen Verständnis unbedingt <strong>de</strong>m Adagio<br />
folgen musste. Für <strong>de</strong>n Fall in<strong>de</strong>s, dass die Sinfonie unvollen<strong>de</strong>t bliebe,<br />
hatte er sich sein Te Deum als Finale erbeten – eine Praxis, für die es in <strong>de</strong>r<br />
Aufführngsgeschichte zwar immer wie<strong>de</strong>r Beispiele gab, die Bruckners<br />
I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Sinfonie (die als eine rein instrumentale Kunst ohne <strong>de</strong>n einbe-<br />
zug von Gesangsstimmen auskommen sollte) im Grun<strong>de</strong> aber vollkommen<br />
zuwi<strong>de</strong>rlief. Die frühen Bruckner-Apologeten konnten aber eine solche<br />
Lösung durchaus gutheißen, war auf diese Weise doch eine weitere Parallele<br />
zu Beethovens 9. Sinfonie mit ihrem grandiosen Chorfinale hergestellt<br />
wor<strong>de</strong>n, was die verbreitete Meinung, dass diese bei<strong>de</strong> Neunten eine direkte<br />
Verbindungslinie besitzen, nur noch einmal bekräftigte.<br />
In <strong>de</strong>n vergangenen Jahrzehnten hat es keineswegs an Versuchen<br />
gefehlt, <strong>de</strong>n Finalsatz von Bruckners letztem Werk zu rekonstruieren und<br />
in eine spielbare Form zu bringen. Seit <strong>de</strong>r Zwischenkriegszeit sind eine<br />
ganze reihe von Notentextausgaben erstellt wor<strong>de</strong>n, welche die Aufführung<br />
im Konzertsaal ermöglichen sollten. So wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Mitarbeitern<br />
<strong>de</strong>r Bruckner-Ausgabe in Wien in akribischer Kleinarbeit sämtliche verfügbaren<br />
Quellen gesichtet und ediert. Obgleich erstaunlich viel Material<br />
erhalten ist, kann doch nicht davon gesprochen wer<strong>de</strong>n, dass Bruckner<br />
einen auch nur annähernd vollständigen Schlusssatz hinterlassen hat:<br />
Zwar sind manche Passagen bereits in Partiturform gebracht, an<strong>de</strong>res<br />
befin<strong>de</strong>t sich hingegen noch in einem frühen bzw. mittleren Arbeitsstadium.<br />
Die fehlen<strong>de</strong> Instrumentierung einzelner Ab schnitte mag hierbei<br />
weit weniger ins Gewicht fallen als die vielfach noch nicht über erste<br />
Ansätze hinausgelangte Skizzierung weiter Teile <strong>de</strong>s Satzes, die kaum<br />
rückschlüsse über die generelle Disposition, geschweige <strong>de</strong>nn über die<br />
genaue Ausformung <strong>de</strong>s Ganzen erlaubt.<br />
eINFühruNG | BruCKNer<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r keineswegs ungünstigen Quellenlage – wenngleich auch<br />
einige Manuskripte nach Bruckners Tod im Oktober 1896 verlorengegan-<br />
gen sein dürften – mochte (und mag) es in <strong>de</strong>r Tat von hohem reiz sein,<br />
Bruckners »unvollen<strong>de</strong>te« zu komplettieren bzw. die überlieferten Mate-<br />
rialien zu einem vollständigen Finalsatz zu arrangieren. Im Konzertleben<br />
haben sich diese Versionen jedoch nicht durchsetzen können: Die weitaus<br />
meisten Aufführungen verzichten – und das aus gutem Grund – auf einen<br />
vierten Satz und lassen das Werk mit <strong>de</strong>m ungemein eindrucksvollen,<br />
hochexpressiven Adagio ausklingen, einem wahren Gipfel <strong>de</strong>r sinfonischen<br />
Kunst überhaupt.<br />
Die entscheidung für eine dreisätzige, letztlich »unvollen<strong>de</strong>te« Struktur<br />
entspricht somit jenem seltsamen Mythos, dass man über eine 9. Sinfonie<br />
nicht hinausgelangen könne. In <strong>de</strong>r Tat wur<strong>de</strong> Bruckners Komposition<br />
gera<strong>de</strong> aufgrund ihrer fragmentarischen Gestalt rasch zu jenen mysteriösen<br />
Spätwerken gezählt, die an <strong>de</strong>r Grenze zwischen Leben und Tod<br />
sie<strong>de</strong>ln und eine Ahnung von <strong>de</strong>r »an<strong>de</strong>ren Welt« zu vermitteln scheinen.<br />
Die mündlich überlieferte Widmung tut ein übriges hinzu: Nach<strong>de</strong>m er<br />
die 7. einem König (Ludwig II. von Bayern) und die 8. einem Kaiser (Franz<br />
Joseph I. von Österreich) <strong>de</strong>diziert habe, bliebe ihm, so Bruckner, gar keine<br />
an<strong>de</strong>re Möglichkeit als die 9. Sinfonie »<strong>de</strong>m lieben Gott« zu widmen. Für<br />
die Nachwelt war diese entscheidung ein <strong>de</strong>utliches Zeichen dafür, dass im<br />
Aufgrund ihrer fragmentarischen Gestalt<br />
wur<strong>de</strong> Bruckners 9. Sinfonie rasch zu jenen<br />
mysteriösen Spätwerken gezählt, die an <strong>de</strong>r<br />
Grenze zwischen Leben und Tod sie<strong>de</strong>ln und<br />
eine Ahnung von <strong>de</strong>r »an<strong>de</strong>ren Welt« zu<br />
vermitteln scheinen.
eINFühruNG | BruCKNer<br />
gesamten Werk, vor allem aber im Adagio, so etwas wie »religiöse Weihe«<br />
einkomponiert sein müsse, wie es einem »letzten Werk« – zu mal eines<br />
<strong>de</strong>rart tiefgläubigen Menschen wie Anton Bruckner – ansteht.<br />
Bruckners 9. Sinfonie hat sich gleichsam zum Mythos verklärt, zu<br />
einem Mythos freilich, <strong>de</strong>r zur Sache selbst gehört: Nicht zuletzt sind es die<br />
beson<strong>de</strong>ren musikalischen eigenschaften, die das Adagio auf eine ebenso<br />
offenkundige wie plakative Weise in das vertraute Bild <strong>de</strong>s »Abschieds«<br />
einpassen. Allemal vollen<strong>de</strong>t sich in diesem Satz und dieser Sinfonie ein<br />
wechselvolles Künstlerleben, das gera<strong>de</strong> in seinen letzten Jahren einen<br />
gänzlich unerwarteten Verlauf nahm: Der späte erfolg, <strong>de</strong>r Bruckner mit<br />
seiner 7. und 8. Sinfonie sowie mit <strong>de</strong>m Te Deum (und davon ausstrahlend<br />
auch mit seinen früheren Werken) zufiel, <strong>de</strong>n er durch seine Beharrlichkeit<br />
gleichsam erzwungen hat, war ihm eine große Genugtuung und musste<br />
ihm wie eine kaum mehr für möglich gehaltene erfüllung seiner Mission<br />
erschienen sein. und auch die meinungsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> musikalische Öffentlich-<br />
keit zeigte sich vom Wert seiner Musik zunehmend überzeugt: Bruckner<br />
wur<strong>de</strong> rasch in Phalanx <strong>de</strong>r »großen Kom ponisten« <strong>de</strong>r abendländischen<br />
Musik geschichte aufgenommen.<br />
Den gewaltigen eindruck, <strong>de</strong>n 9. Sinfonie hinterließ, hat Bruckner<br />
in<strong>de</strong>s nicht mehr erleben können: erst 1903 erfolgte die ur aufführung<br />
unter Ferdinand Löwe mit <strong>de</strong>m Orchester <strong>de</strong>s Wiener Konzertvereins<br />
(wo bei <strong>de</strong>r Dirigent allerdings zahlreiche än <strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r originalen<br />
Instrumentierung vornahm und zu<strong>de</strong>m das Te Deum, wie es Bruckner<br />
gewünscht hatte, an <strong>de</strong>n Schluss setzte). 1932 erklang das Werk dann<br />
in einem Konzert mit <strong>de</strong>n Münchner Philharmonikern unter Siegmund<br />
von hausegger in <strong>de</strong>r vom Komponisten eingerichteten Form. Bruckners<br />
9. Sinfonie, so ließe sich konstatieren, ist im Blick auf ihre entstehung,<br />
Gestalt und überlieferung ein Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>r Musikgeschichte, ein singu-<br />
läres Werk, welches das Œuvre eines <strong>de</strong>r größten Sinfoniker <strong>de</strong>r klassisch-<br />
romantischen ära auf berühren<strong>de</strong> Weise beschließt.<br />
daniel barenboim<br />
DANIeL BAreNBOIM<br />
Daniel Barenboim wur<strong>de</strong> 1942 in Buenos Aires geboren. Im Alter von fünf<br />
Jahren bekam er seinen ersten Klavierunterricht, zunächst von seiner Mutter.<br />
Später studierte er bei seinem Vater, <strong>de</strong>r sein einziger Klavierlehrer<br />
blieb. Sein erstes öffentliches Konzert gab er mit sieben Jahren in Buenos<br />
Aires. 1952 zog er mit seinen eltern nach Israel.<br />
Mit elf Jahren nahm Daniel Barenboim in Salzburg an Dirigierklassen<br />
von Igor Markevitch teil. Im Sommer 1954 lernte er Wilhelm Furtwängler<br />
kennen und spielte ihm vor. Furtwängler schrieb daraufhin: »Der elfjährige<br />
Daniel Barenboim ist ein Phänomen.« In <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren<br />
studierte Daniel Barenboim harmonielehre und Komposition bei Nadia<br />
Boulanger in Paris.<br />
Im Alter von zehn Jahren gab Daniel Barenboim sein internationales<br />
Solisten<strong>de</strong>büt als Pianist in Wien und rom, anschließend in Paris (1955), in<br />
London (1956) und in New York (1957), wo er mit Leopold Stokowski spielte.<br />
Seit<strong>de</strong>m unternahm er regelmäßig Tourneen in europa und <strong>de</strong>n uSA sowie<br />
in Südamerika, Australien und Fernost.<br />
1954 begann Daniel Barenboim, Schallplattenaufnahmen als Pianist<br />
zu machen. In <strong>de</strong>n 1960er Jahren spielte er mit Otto Klemperer die Klavierkonzerte<br />
von Beethoven ein, mit Sir John Barbirolli die Klavierkonzerte von<br />
Brahms sowie alle Klavierkonzerte von Mozart mit <strong>de</strong>m english Chamber<br />
Orchestra in <strong>de</strong>r Doppelfunktion als Pianist und Dirigent. Seit seinem<br />
Dirigier<strong>de</strong>büt 1967 in London mit <strong>de</strong>m Philharmonia Orchestra ist Daniel<br />
Barenboim bei allen führen<strong>de</strong>n Orchestern <strong>de</strong>r Welt gefragt, in europa<br />
gleichermaßen wie in <strong>de</strong>n uSA. Zwischen 1975 und 1989 war er Chefdirigent<br />
<strong>de</strong>s Orchestre <strong>de</strong> Paris. häufig brachte er zeitgenössische Werke<br />
zur Aufführung, darunter Komposi tionen von Lutosławski, Berio, Boulez,<br />
henze, Dutilleux und Takemitsu.<br />
Sein Debüt als Operndirigent gab Daniel Baren boim beim edinburgh<br />
Festival 1973, wo er Mozarts Don Giovanni leitete. 1981 dirigierte er zum<br />
ersten Mal in Bayreuth, bis 1999 war er dort je<strong>de</strong>n Sommer tätig. Während
DANIeL BAreNBOIM<br />
dieser 18 Jahre dirigierte er Tristan und Isol<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Ring <strong>de</strong>s Nibelungen, Parsi-<br />
fal und Die Meistersinger von Nürnberg.<br />
Von 1991 bis Juni 2006 wirkte Daniel Barenboim als Chefdirigent <strong>de</strong>s<br />
Chicago Symphony Orchestra. 2006 wählten ihn die Musiker <strong>de</strong>s Orches-<br />
ters zum ehrendirigenten auf Lebenszeit. Seit 1992 ist Daniel Barenboim<br />
Generalmusikdirektor <strong>de</strong>r Staatsoper unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n in Berlin, von<br />
1992 bis August 2002 war er außer<strong>de</strong>m <strong>de</strong>ren Künstlerischer Leiter. Im<br />
herbst 2000 wählte ihn die Staatskapelle Berlin zum Chefdirigenten auf<br />
Lebenszeit.<br />
Sowohl im Opern- wie auch im Konzertrepertoire haben Daniel Barenboim<br />
und die Staats kapelle große Zyklen gemeinsam erarbeitet. Weltweite<br />
Beachtung fand die zyklische Aufführung aller Opern richard Wagners<br />
an <strong>de</strong>r Staatsoper sowie die Darbietung aller Sinfonien Ludwig van Beet-<br />
hovens und robert Schumanns, die auch auf CD vorliegen. Anlässlich <strong>de</strong>r<br />
FeSTTAGe <strong>de</strong>r Staatsoper unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n 2007 wur<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>r Leitung<br />
von Daniel Barenboim und Pierre Boulez in <strong>de</strong>r Berliner Philharmonie<br />
ein zehnteiliger Mahler-Zyklus präsentiert. Neben <strong>de</strong>m großen klassischromantischen<br />
repertoire widmen sich Daniel Barenboim und die Staatskapelle<br />
Berlin verstärkt <strong>de</strong>r zeitgenössischen Musik. So fand die uraufführung<br />
von elliott Carters einziger Oper What next? an <strong>de</strong>r Lin<strong>de</strong>noper<br />
statt. In <strong>de</strong>n Sinfoniekonzerten erklingen regelmäßig Kompositionen von<br />
Boulez, rihm, Mundry, Carter und höller. Musiker <strong>de</strong>r Staatskapelle sind<br />
aktive Partner in <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>s Musikkin<strong>de</strong>rgartens, <strong>de</strong>n Daniel Barenboim<br />
im September 2005 in Berlin grün<strong>de</strong>te.<br />
Gemeinsam mit <strong>de</strong>r Staatskapelle und <strong>de</strong>m Staatsopernchor wur<strong>de</strong><br />
Daniel Barenboim 2003 für die einspielung von Wagners Tannhäuser ein<br />
Grammy verliehen. Im selben Jahr wur<strong>de</strong>n er und die Staatskapelle mit<br />
<strong>de</strong>m Wilhelm-Furtwängler-Preis ausgezeichnet.<br />
1999 rief Daniel Barenboim gemeinsam mit <strong>de</strong>m palästinensischen<br />
Literaturwissenschaftler edward Said das West-eastern Divan Orchestra<br />
ins Leben, das junge Musiker aus Israel, Palästina und <strong>de</strong>n arabischen
DANIeL BAreNBOIM<br />
Län<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>n Sommer zusammenführt. Das Orchester möchte <strong>de</strong>n Dia-<br />
log zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Kulturen <strong>de</strong>s Nahen Ostens durch die<br />
erfahrungen gemeinsamen Musizierens ermöglichen. Musiker <strong>de</strong>r Staatskapelle<br />
Berlin wirken seit seiner Gründung als Lehrer an diesem Projekt<br />
mit. Im Sommer 2005 gab das West-eastern Divan Orchestra in <strong>de</strong>r palästinensischen<br />
Stadt ramallah ein Konzert von historischer Be<strong>de</strong>utung, das<br />
vom Fernsehen übertragen und auf DVD aufgenommen wur<strong>de</strong>. Vor einiger<br />
Zeit initiierte Daniel Barenboim ein Projekt für Musikerziehung in <strong>de</strong>n<br />
palästinensischen Gebieten, welches die Gründung eines Musikkin<strong>de</strong>rgartens<br />
sowie <strong>de</strong>n Aufbau eines palästinensischen Jugendorchesters umfasst.<br />
2002 wur<strong>de</strong>n Daniel Barenboim und edward Said im spanischen<br />
Oviedo für ihre Frie<strong>de</strong>nsbemühungen im Nahen Osten mit <strong>de</strong>m Preis<br />
»Príncipe <strong>de</strong> Asturias« in <strong>de</strong>r Sparte Völkerverständigung geehrt. Daniel<br />
Barenboim ist Träger zahlreicher hoher Preise und Auszeichnungen: So<br />
erhielt er u. a. <strong>de</strong>n »Toleranzpreis« <strong>de</strong>r evangelischen Aka<strong>de</strong>mie Tutzing<br />
sowie das »Große Verdienstkreuz mit Stern« <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland,<br />
die Buber-rosenzweig-Medaille, <strong>de</strong>n Preis <strong>de</strong>r Wolf Foundation für<br />
die Künste in <strong>de</strong>r Knesset in Jerusalem, <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>nspreis <strong>de</strong>r Geschwister<br />
Korn und Gerstenmann-Stiftung in Frankfurt und <strong>de</strong>n hessischen<br />
Frie<strong>de</strong>nspreis. Darüber hinaus wur<strong>de</strong> Daniel Barenboim mit <strong>de</strong>m »Kulturgroschen«,<br />
<strong>de</strong>r höchsten Auszeichnung <strong>de</strong>s Deutschen Kulturrats,<br />
mit <strong>de</strong>m Internationalen ernst von Siemens Musikpreis sowie mit <strong>de</strong>r<br />
Goethe-Medaille geehrt. Im Frühjahr 2006 hielt Daniel Barenboim die<br />
renommierte Vorlesungsreihe <strong>de</strong>r BBC, die reith Lectures; im herbst <strong>de</strong>sselben<br />
Jahres gab er als Charles eliot Norton Professor Vorlesungen an <strong>de</strong>r<br />
harvard university. 2007 erhielt er die ehrendoktorwür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r universität<br />
Oxford, 2007 die Insignien eines Komman<strong>de</strong>urs <strong>de</strong>r französischen ehrenlegion.<br />
Im Oktober <strong>de</strong>sselben Jahres ehrte ihn das japanische Kaiserhaus<br />
mit <strong>de</strong>m Kunst- und Kulturpreis »Praemium Imperiale«. Im September<br />
2007 wur<strong>de</strong> er von uN-Generalsekretär Ban Ki-Moon zum Frie<strong>de</strong>nsbotschafter<br />
<strong>de</strong>r Vereinten Nationen ernannt. Im Mai 2008 erhielt er in Buenos<br />
DANIeL BAreNBOIM<br />
Aires die Auszeichnung »Ciudadano Ilustre«. Im Februar 2009 wur<strong>de</strong> er<br />
für seinen einsatz für Völkerverständigung mit <strong>de</strong>r Moses Men<strong>de</strong>lssohn<br />
Medaille ausgezeichnet. 2010 erhielt er einen »honorary Degree in Music«<br />
von <strong>de</strong>r royal Aca<strong>de</strong>my of Music in London. Im Februar diesen Jahres<br />
wur<strong>de</strong> er für sein musikalisches Lebenswerk mit <strong>de</strong>m Deutschen Kulturpreis<br />
ausgezeichnet. Im Oktober erhielt er in Münster <strong>de</strong>n Westfälischen<br />
Frie<strong>de</strong>nspreis. Zu <strong>de</strong>n Auszeichnungen <strong>de</strong>r jüngsten Zeit zählen außer<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r herbert-von-Karajan-Musikpreis und die Otto-hahn-Frie<strong>de</strong>nsmedaille.<br />
Im Februar 2011 wur<strong>de</strong> er vom französischen Staatspräsi<strong>de</strong>nten mit <strong>de</strong>m<br />
Titel eines »Grand officier dans l’ordre national <strong>de</strong> la Légion d’honneur«<br />
geehrt. Im Juli erhielt er in <strong>de</strong>r Londoner Wigmore hall die Auszeichnung<br />
»Outstanding Musician Award of the Critics’ Circle«. Im selben Monat<br />
wur<strong>de</strong> er von Queen eliza beth II. zum »Knight Comman<strong>de</strong>r of the Most<br />
excellent Or<strong>de</strong>r of the British empire« (KBe) ernannt. Im Oktober wur<strong>de</strong> er<br />
mit <strong>de</strong>m Willy-Brandt-Preis geehrt.<br />
Mit Beginn <strong>de</strong>r Spielzeit 2007/08 ist Daniel Barenboim als »Maestro<br />
Scaligero« eine enge Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Teatro alla Scala in Mailand<br />
eingegangen. er dirigiert dort regelmäßig Opern und Konzerte und wirkt<br />
in Kammerkonzerten mit. Im herbst 2011 wur<strong>de</strong> er zum Musikdirektor<br />
dieses renommierten hauses berufen.<br />
Daniel Barenboim hat mehrere Bücher veröffentlicht: die Autobiographie<br />
Die Musik – Mein Leben und Parallelen und Paradoxien, das er gemeinsam<br />
mit edward Said verfasste. Im herbst 2007 kam sein Buch La musica sveglia il<br />
tempo in Italien heraus, das seit Mitte August 2008 auch auf Deutsch unter<br />
<strong>de</strong>m Titel Klang ist Leben – Die Macht <strong>de</strong>r Musik erhältlich ist. Zusammen mit<br />
Patrice Chéreau veröffentlichte er im Dezember 2008 Dialoghi su musica e<br />
teatro. Tristano e Isotta.<br />
www.danielbarenboim.com
alisa Weilerstein<br />
ALISA WeILerSTeIN<br />
Nicht zuletzt die Intensität und Spontaneität ihres Spiels machen Alisa<br />
Weilerstein zu einer <strong>de</strong>r gefragtesten Cellisten ihrer Generation. Im Jahr<br />
2010 erhielt die gebürtige Amerikanerin als erste Cellistin nach 30 Jahren<br />
einen exklusivvertrag mit Decca Classics. Auf ihrer Debüt-Aufnahme,<br />
die im November 2012 erscheinen wird, spielt sie die Cellokonzerte von<br />
elliott Carter und edward elgar mit <strong>de</strong>r Staatskapelle Berlin unter Daniel<br />
Barenboim.<br />
Alisa Weilerstein, Jahrgang 1982, gab ihr Debüt mit <strong>de</strong>m Cleveland<br />
Orchestra im Alter von 13 Jahren mit Tschaikowskys Rokoko-Variationen.<br />
1997 <strong>de</strong>bütierte sie in <strong>de</strong>r Carnegie hall New York mit <strong>de</strong>m New York<br />
Youth Symphony Orchestra. Sie studierte am Cleveland Institute of Music<br />
bei richard Weiss und schloss zu<strong>de</strong>m 2004 ihr Studium <strong>de</strong>r russischen<br />
Geschichte an <strong>de</strong>r New Yorker Columbia university ab.<br />
Alisa Weilerstein ist Preisträgerin <strong>de</strong>s Lincoln Center Martin e. Segal-<br />
Preises für herausragen<strong>de</strong> Leistungen, 2006 wur<strong>de</strong> sie mit <strong>de</strong>m Leonard<br />
Bernstein Award ausgezeichnet. Sie erhielt im Jahr 2000 <strong>de</strong>n Avery Fisher<br />
Career Grant und wur<strong>de</strong> nachfolgend für zwei renommierte Konzertserien<br />
ausgewählt: für die recital-reihe eChO (european Concert hall Organization)<br />
»rising Stars« und die reihe am Lincoln Center »Chamber Music<br />
Society Two«. Im September 2011 wur<strong>de</strong> Alisa Weilerstein zum MacArthur<br />
Foundation Fellow ernannt.<br />
Im Mai 2010 gab Alisa Weilerstein ihr Debüt mit <strong>de</strong>n Berliner Philharmonikern<br />
unter Daniel Barenboim mit <strong>de</strong>m Cellokonzert von edward elgar<br />
in Berlin und im englischen Oxford. In <strong>de</strong>r Saison 2011/12 war sie »Artistin-resi<strong>de</strong>nce«<br />
beim Sinfonieorchester <strong>de</strong>s hessischen rundfunks, mit <strong>de</strong>m<br />
sie beim rheingau Musik Festival sowie in <strong>de</strong>r Frankfurter Alten Oper zu<br />
hören war. In europa war Alisa Weilerstein unter an<strong>de</strong>rem zu Gast bei<br />
<strong>de</strong>n Berliner Philharmonikern, <strong>de</strong>m Gulbenkian Orchestra Lissabon, <strong>de</strong>m<br />
NDr Sinfonieorchester, <strong>de</strong>m Orchestre <strong>de</strong> Paris, <strong>de</strong>m Orchestre National<br />
<strong>de</strong> France, <strong>de</strong>m Orchestre National <strong>de</strong> Lyon, <strong>de</strong>m royal Scottish National
Orchestra sowie <strong>de</strong>m Tonhalle Orchester Zürich. Im August 2011 <strong>de</strong>bütierte<br />
sie bei <strong>de</strong>n Salzburger Festspielen mit <strong>de</strong>m Gustav Mahler Jugendorchester<br />
und Ainārs Rubiķis.<br />
Zu <strong>de</strong>n Dirigenten, mit <strong>de</strong>nen Alisa Weilerstein gearbeitet hat, zählen<br />
Daniel Barenboim, Sir Andrew Davis, Gustavo Dudamel, Sir Mark el<strong>de</strong>r,<br />
Christoph eschenbach, Manfred honeck, Paavo Järvi, Andrew Litton, Lorin<br />
Maazel, Zubin Mehta, Pablo heras-Casado, Marek Janowski, Yuri Temirkanov,<br />
Juraj Valcuha, Osmo Vänskä, Simone Young und David Zinman.<br />
In <strong>de</strong>r Saison 2012/13 ist Alisa Weilerstein »Artist-in-resi<strong>de</strong>nce« beim<br />
Barcelona Symphony Orchestra. Weitere höhepunkte <strong>de</strong>r Saison sind Konzerte<br />
mit <strong>de</strong>m New York Philharmonic Orchestra, <strong>de</strong>r Staatskapelle Berlin,<br />
<strong>de</strong>n Wiener Symphonikern und <strong>de</strong>m Orchestre <strong>de</strong> Paris. Geplant sind auch<br />
eine 16-Städte Tournee mit <strong>de</strong>m Pianisten Inon Barnatan und <strong>de</strong>r Aca<strong>de</strong>my<br />
of St. Martin in the Fields sowie eine Tournee nach Australien und Japan mit<br />
<strong>de</strong>m Mahler Chamber Orchestra unter Daniel harding.<br />
Im November 2008 wur<strong>de</strong> Alisa Weilerstein, bei <strong>de</strong>r im Alter von neun<br />
Jahren Diabetes diagnostiziert wur<strong>de</strong>, Botschafterin <strong>de</strong>r Juvenile Diabetes<br />
research Foundation.<br />
STAATSKAPeLLe BerLIN<br />
staatskapelle berlin<br />
Die Staatskapelle Berlin gehört mit ihrer seit <strong>de</strong>m 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt bestehen<strong>de</strong>n<br />
Tradition zu <strong>de</strong>n ältesten Orchestern <strong>de</strong>r Welt. Von Kurfürst<br />
Joa chim II. von Bran<strong>de</strong>nburg als hofkapelle gegrün<strong>de</strong>t, wird sie in einer<br />
Kapell ordnung von 1570 erstmals urkundlich erwähnt. Zunächst als kur-<br />
bran<strong>de</strong>nburgische hofkapelle ausschließlich <strong>de</strong>m musikalischen Dienst<br />
bei hof verpflichtet, erhielt das ensemble mit <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r König-<br />
lichen hofoper 1742 durch Friedrich <strong>de</strong>n Großen einen erweiterten Wir-<br />
kungskreis. Seit dieser Zeit ist sie <strong>de</strong>m Opernhaus unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n fest<br />
verbun<strong>de</strong>n.<br />
Be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Musikerpersönlichkeiten leiteten <strong>de</strong>n Opernbetrieb sowie<br />
die seit 1842 regulär stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Konzertreihen <strong>de</strong>s Orchesters: Mit<br />
Gaspare Spontini, Felix Men<strong>de</strong>lssohn Bartholdy, Giacomo Meyerbeer, Felix<br />
von Weingartner, richard Strauss, erich Kleiber, Wilhelm Furtwängler,<br />
herbert von Karajan, Franz Konwitschny und Otmar Suitner sind nur einige<br />
Dirigenten genannt, welche die instrumentale und interpretatorische Kultur<br />
<strong>de</strong>r Staatskapelle Berlin entschei<strong>de</strong>nd prägten.<br />
Die Werke richard Wagners, <strong>de</strong>r die »Königlich Preußische hofkapelle«<br />
1844 bei <strong>de</strong>r erstaufführung seines Fliegen<strong>de</strong>n Hollän<strong>de</strong>rs und 1876 bei <strong>de</strong>r<br />
Vorbereitung <strong>de</strong>r Berliner Premiere von Tristan und Isol<strong>de</strong> selbst leitete,<br />
bil<strong>de</strong>n seit dieser Zeit eine <strong>de</strong>r Säulen <strong>de</strong>s repertoires <strong>de</strong>r Lin<strong>de</strong>noper und<br />
ihrem Orchester.<br />
Seit 1992 steht Daniel Barenboim als Generalmusikdirektor an <strong>de</strong>r<br />
Spitze <strong>de</strong>s Klangkörpers. Im Jahre 2000 wur<strong>de</strong> er vom Orchester zum Dirigenten<br />
auf Lebenszeit gewählt. In jährlich acht Abonnementkonzerten in<br />
<strong>de</strong>r Philharmonie und im Konzerthaus sowie mit einer reihe von weiteren<br />
Sinfoniekonzerten nimmt die Staatskapelle einen zentralen Platz im Berliner<br />
Musikleben ein.<br />
Bei zahlreichen Gastspielen, welche die Staatskapelle in die großen<br />
europäischen Musikzentren, nach Israel, Japan und China sowie nach<br />
Nord- und Südamerika führten, hat sich die internationale Spitzenstellung
<strong>de</strong>s ensembles wie<strong>de</strong>rholt bewiesen. Die Darbietung sämtlicher Sinfonien<br />
und Klavierkonzerte von Beethoven u. a. in Wien, Paris, London, New York<br />
und Tokio sowie die Zyklen <strong>de</strong>r Sinfonien von Schumann und Brahms,<br />
<strong>de</strong>r zehnteilige Zyklus mit allen großen Bühnenwerken richard Wagners<br />
anlässlich <strong>de</strong>r Staatsopern-FeSTTAGe 2002 und die dreimalige Aufführung<br />
von Wagners ring <strong>de</strong>s Nibelungen in Japan 2002 gehörten hierbei zu <strong>de</strong>n<br />
herausragen<strong>de</strong>n ereignissen. Im rahmen <strong>de</strong>r FeSTTAGe 2007 erklangen in<br />
<strong>de</strong>r Berliner Philharmonie Sinfonien und Orchesterlie<strong>de</strong>r Gustav Mahlers<br />
unter <strong>de</strong>r Stabführung von Daniel Barenboim und Pierre Boulez. Dieser<br />
zehnteilige Zyklus gelangte in <strong>de</strong>r Spielzeit 2008/2009 auch im Musikverein<br />
Wien sowie in <strong>de</strong>r New Yorker Carnegie hall zur Aufführung. Im Jahr 2010<br />
konzertierten die Staatskapelle Berlin und Daniel Barenboim vor ausverkauften<br />
häusern in London, Birmingham, Paris, essen, Düsseldorf, Madrid<br />
und Granada. Zu Beginn <strong>de</strong>s Jahres 2011 gastierte die Staatskapelle in Abu<br />
Dhabi und gab als erstes ausländisches Orchester ein Konzert im neu eröff-<br />
neten Opera house in Doha (Dirigent und Solist: Daniel Barenboim), gefolgt<br />
von Konzerten in Wien und Paris. eine Vielzahl weiterer Konzerte führten<br />
die Staatskapelle und Daniel Barenboim 2011/2012 nach essen, Ba<strong>de</strong>n-<br />
Ba<strong>de</strong>n, London, Bukarest, Luzern, München, hamburg, Köln, Paris, Madrid,<br />
Barcelona und Genf. Den Abschluss bil<strong>de</strong>te ein neunteiliger Bruckner-<br />
Zyklus im Wiener Musikverein im Juni 2012.<br />
Die Staatskapelle Berlin wur<strong>de</strong> 2000, 2004, 2005, 2006 und 2008 von<br />
<strong>de</strong>r Zeitschrift Opernwelt zum »Orchester <strong>de</strong>s Jahres« gewählt, 2003 erhielt<br />
sie <strong>de</strong>n Furtwängler-Preis. eine ständig wachsen<strong>de</strong> Zahl von Schallplattenund<br />
CD-Aufnahmen, sowohl im Opern- als auch im sinfonischen repertoire,<br />
dokumentiert die Arbeit <strong>de</strong>s Orchesters. Dabei wur<strong>de</strong> die einspielung<br />
sämtlicher Beethoven-Sinfonien 2002 mit <strong>de</strong>m Grand Prix du Disque ausgezeichnet,<br />
während die Produktion von Wagners Tannhäuser 2003 mit<br />
einem Grammy und die Live-Aufnahme von Mahlers 9. Sinfonie 2007 mit<br />
einem echo-Preis bedacht wur<strong>de</strong>n. Kürzlich erschien eine DVD-Produk-
STAATSKAPeLLe BerLIN<br />
tion <strong>de</strong>r fünf Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens mit Daniel Barenboim<br />
als Solist und Dirigent. Zu <strong>de</strong>n jüngsten einspielungen zählen Aufnahmen<br />
von Bruckners 7. Sinfonie und <strong>de</strong>r Klavierkonzerte von Chopin und<br />
Liszt.<br />
In <strong>de</strong>r 1997 gegrün<strong>de</strong>ten Orchesteraka<strong>de</strong>mie erhalten junge Instrumentalisten<br />
Gelegenheit, Berufserfahrungen in Oper und Konzert zu sammeln;<br />
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Staatskapelle sind hierbei als Mentoren aktiv. Darüber<br />
hinaus engagieren sich viele Musiker ehrenamtlich im 2005 auf Initiative<br />
Daniel Barenboims gegrün<strong>de</strong>ten Musikkin<strong>de</strong>rgarten Berlin. Neben ihrer<br />
Mitwirkung bei Opernaufführungen und in <strong>de</strong>n großen Sinfoniekonzerten<br />
widmen sich zahlreiche Instrumentalisten auch <strong>de</strong>r Arbeit in Kammermusikformationen<br />
sowie im ensemble »Preußens hofmusik«, das sich in<br />
seinen Projekten vor allem <strong>de</strong>r Berliner Musiktradition <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
zuwen<strong>de</strong>t. In mehreren Konzertreihen ist diese facettenreiche musikalische<br />
Tätigkeit an verschie<strong>de</strong>nen Spielstätten zu erleben.<br />
staatskapelle berlin<br />
i. Violine Wolf-Dieter Batzdorf | Thorsten rosenbusch | Lothar Strauß<br />
Wolfram Brandl | Axel Wilczok | Juliane Winkler<br />
Christian Trompler | Susanne Schergaut | ulrike eschenburg<br />
Susanne Dabels | Michael engel | henny-Maria rathmann<br />
Titus Gottwald | André Witzmann | eva römisch | David Delgado<br />
Andreas Jentzsch | Petra Schwieger | Tobias Sturm<br />
Serge Verheylewegen | rüdiger Thal<br />
ii. Violine Knut Zimmermann | Mathis Fischer | Johannes Naumann<br />
Sascha rie<strong>de</strong>l | Detlef Krüger | André Freu<strong>de</strong>nberger | Beate Schubert<br />
Franziska uibel | Sarah Michler | Milan ritsch | Barbara Weigle<br />
Laura Volkwein | ulrike Bassenge<br />
bratsche Felix Schwartz | Yulia Deyneka | Volker Sprenger<br />
holger espig | Boris Bar<strong>de</strong>nhagen | Matthias Wilke | Katrin Schnei<strong>de</strong>r<br />
MITGLIeDer Der STAATSKAPeLLe BerLIN<br />
Clemens richter | Frie<strong>de</strong>mann Mittenentzwei | Wolfgang hinzpeter<br />
helene Wilke | Stanislava Stoykova<br />
Violoncello Andreas Greger | Sennu Laine | Claudius Popp<br />
Michael Nellessen | Nikolaus hanjohr-Popa | Isa von We<strong>de</strong>meyer<br />
Claire So Jung henkel | egbert Schimmelpfennig | ute Fiebig<br />
Tonio henkel | Dorothee Gurski | Johanna helm<br />
kontrabass Otto Tolonen | Mathias Winkler | Joachim Klier<br />
Axel Scherka | robert Seltrecht | Alf Moser | harald Winkler<br />
Martin ulrich | Kaspar Loyal<br />
harfe Alexandra Clemenz | Stephen Fitzpatrick<br />
flöte Thomas Beyer | Claudia Stein | Claudia reuter | Linda Zanetti (Gast)<br />
Christiane hupka | Christiane Weise | Simone Bodoky-van <strong>de</strong>r Vel<strong>de</strong><br />
Maurizio Simeoli (Gast)<br />
oboe Volkmar Besser | Gregor Witt | Fabian Schäfer<br />
Gerd-Albrecht Kleinfeld | Tatjana Winkler | Cristina Gómez<br />
klarinette Matthias Glan<strong>de</strong>r | Tibor reman | Tillmann Straube<br />
unolf Wäntig | hartmut Schuldt | Sylvia Schmückle-Wagner<br />
fagott holger Straube | Mathias Baier | Ingo reuter | Sabine Müller<br />
Frank heintze | robert Dräger<br />
horn Ignacio García | hans-Jürgen Krumstroh | Přemysl Vojta<br />
Markus Bruggaier | Thomas Jordans | Sebastian Posch | Axel Grüner<br />
Christian Wagner | Frank Men<strong>de</strong> | Frank Demmler<br />
trompete Christian Batzdorf | Jan Gustavsson (Gast) | Peter Schubert<br />
rainer Auerbach | Dietrich Schmuhl | Felix Wil<strong>de</strong><br />
posaune Curt Lommatzsch | Joachim elser | Wolfram Arndt (Gast)<br />
Peter Schmidt | ralf Zank | Martin reinhardt | Csaba Wagner<br />
tuba Gerald Kulinna | Thomas Keller<br />
pauken Torsten Schönfeld | ernst-Wilhelm hilgers<br />
schlagzeug Andreas haase | Matthias Petsch | Matthias Marckardt<br />
Dominic Oelze
STAATSKAPeLLe BerLIN | IMPreSSuM<br />
orchesteraka<strong>de</strong>mie bei <strong>de</strong>r staatskapelle berlin<br />
i. Violine Katharina Overbeck | elsa Claveria | Agata Policinska<br />
Alexandra Maria Schuck | Kinneret Sieradzki<br />
ii. Violine Ansgard Srugies | Krzysztof Specjal | Nora hapca<br />
Alina Petrescu | Christin uhlemann<br />
bratsche Pavel Verba | evgenia Vynogradska | Mischa Pfeiffer<br />
Violoncello Aleisha Verner | hye Jin Mok | Margarethe Niebuhr<br />
kontrabass Wieland Bachmann flöte Stephanie Wilbert<br />
oboe Katharina Wichate klarinette Franziska hofmann<br />
horn Irene López | Jorge Monte <strong>de</strong> Fez trompete Johannes Bartmann<br />
posaune Dominik hauer tuba elliot Dushamn<br />
schlagzeug Rosa Montañés Cebriá harfe rosa Diaz Cótan<br />
herausgeber Staatsoper unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n | Bismarckstraße 110 | 10625 Berlin<br />
intendant Jürgen Flimm generalmusikdirektor Daniel Barenboim<br />
geschäftsführen<strong>de</strong>r direktor ronny unganz redaktion Dr. Detlef Giese<br />
Die Texte von Yuri Isabella Kato und Detlef Giese (Max Bruch) sind Originalbeiträge für<br />
dieses <strong>Programmheft</strong>. Der einführungstext zu Anton Bruckner von Detlef Giese ist <strong>de</strong>m<br />
<strong>Programmheft</strong> zum Beethoven-Bruckner-Zyklus <strong>de</strong>r Staatskapelle Berlin 2010 entnommen.<br />
abbildungen Christopher Fifield: Max Bruch. His Life and Works, London 1988; hans Conrad<br />
Fischer: Anton Bruckner. Sein Leben, Salzburg 1974; Lan<strong>de</strong>sanstalt für erziehung und unterricht<br />
Stuttgart (hrsg.): Bruckner. Bil<strong>de</strong>r aus seinem Leben, Stuttgart 1965; Leopold Nowak:<br />
Anton Bruckner. Musik und Leben, Linz 1995.<br />
fotos Agentur Schmid (San<strong>de</strong>rling), Kathy Chapman (Carter, S. 10), Steve J. Sherman (Carter, S. 14),<br />
Monika rittershaus (Barenboim), Thomas Bartilla (Weilerstein/Barenboim, Staatskapelle Berlin)<br />
Die Blumensträuße für die Künstler spen<strong>de</strong>t<br />
<strong>de</strong>r blumenkorb.<br />
An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich dafür.<br />
<strong>de</strong>r blumenkorb<br />
Villeroy und Boch – Blumen und Tischkultur<br />
Charlottenstraße 35/36 – 10117 Berlin-Mitte – Telefon: 20 45 44 75