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Urteil im Langtext des LArbG Berlin-Brandenburg PDF 103 KB

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129 Doch auch wenn man nicht auf die aus Art. 3 GG abgeleiteten Prinzipien zurückgreifen will,<br />

dann wären zumin<strong>des</strong>t die einfach gesetzlichen Erwägungen heranzuziehen, die das BAG<br />

bei der Anwendung <strong>des</strong> betrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aufgestellt hat. Das<br />

Bun<strong>des</strong>arbeitsgericht verlangt insofern, dass der Arbeitgeber die Differenzierungsgründe<br />

spätestens dann offen legen muss, wenn die Arbeitnehmer, die die Besserstellung für sich in<br />

Anspruch nehmen, an ihn herantreten. Insofern zitiert es die plastische Formel, dass es nicht<br />

angehen könne, dass ein Arbeitgeber zunächst so differenziert, wie es ihm passt, um dann<br />

<strong>im</strong> Streitfall nach Rechtfertigungsgründen Ausschau zu halten (BAG vom 09.09.1981 - 5 AZR<br />

1182/79 - AP Nr. 117 zu Art. 3 GG Rn. 37; offen lassend in neuerer Zeit BAG vom 03.07.2003 - 2<br />

AZR 617/02 - BAGE 107, 56 Rn. 24 f. m. w. N.).<br />

130 Der Beklagte hat nicht gegenüber der Klägerin die Kriterien umgehend offen gelegt, die ihn zu<br />

seiner Auswahlentscheidung motiviert haben sollen. Im Scheiben vom 03.01.2007 (Bl. 150 d. A.)<br />

wird nur allgemein ausgeführt, dass die Beförderung „ausschließlich aus fachlichen Erwägungen<br />

heraus getroffen“ wurde. Auch nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 6. Februar 2007 erstmals<br />

ihre Schadensersatzansprüche in Höhe von über 200.000,00 € geltend gemacht hat, lässt der<br />

Beklagte über seine jetzige Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 8. Februar 2007 nur<br />

mitteilen:<br />

131 „Eine Diskr<strong>im</strong>inierung Ihrer Mandantin ist in keiner Weise ersichtlich, insbesondere ist ihre<br />

Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt mit derjenigen <strong>des</strong> Herrn R. vergleichbar gewesen. Für eine<br />

eventuelle Klage sehen Sie uns bitte als Zustellungsbevollmächtigte an.“ (Bl. 149 d. A.)<br />

132 Soweit der Beklagte <strong>im</strong> Klageerwiderungsschriftsatz auf S. 18 (Bl. 306 d. A.) auf Frau St. als<br />

besser geeignete Bewerberin verweist, trägt der Beklagte hier jedoch widersprüchlich vor.<br />

Mehrmals, so auch auf S. 26 <strong>des</strong> Berufungserwiderungsschriftsatzes (Bl. <strong>103</strong>6 d. A.) führt er aus,<br />

dass Frau St. schon <strong>des</strong>wegen nicht als Frau bei der Beförderung übergangen worden sei, weil<br />

diese aufgrund ihrer familiären Situation an einer Verlängerung ihrer Arbeitszeit nicht interessiert<br />

gewesen sei. Danach hält der Beklagte Frau St. schon objektiv <strong>im</strong> Bewerbungsverfahren für nicht<br />

geeignet. Dann kann sie <strong>im</strong> Vergleich zur Klägerin auch nicht als besser geeignet angesehen<br />

werden.<br />

133 7. Der nach § 15 Abs. 1 AGG zu leistende materielle Schadensersatz ist die Vergütungsdifferenz<br />

zwischen der tatsächlich erhaltenen und der Vergütung, die auf der höherwertigen Stelle gezahlt<br />

wird. Dieser Anspruch ist zeitlich nicht begrenzt.<br />

134 Im Rahmen <strong>des</strong> Schadensersatzes ist nach zutreffender Ansicht für den bestqualifizierten<br />

Bewerber das positive Interesse (Bauer/Göpfert/Krieger § 15 AGG Rn. 24; Däubler/Bertzbach-<br />

Deinert § 15 AGG Rn. 34; Adomeit/Mohr § 15 AGG Rn. 23) und nicht nur der Vertrauensschaden<br />

(so Meinel/Heyn/Herms § 15 AGG Rn. 27; Schleusener u. a. – Voigt § 15 AGG Rn. 18) zu<br />

ersetzen.<br />

135 Fast durchgängig wird dem bestqualifizierten Bewerber in Fällen der Einstellung und/oder<br />

Beförderung jedoch nur ein zeitlich begrenzter Schadensersatz zugesprochen, wobei entweder<br />

auf die Gedanken <strong>des</strong> § 628 BGB, der §§ 9, 10 KSchG oder die Möglichkeit einer ersten<br />

Kündigung zurückgegriffen wird (Adomeit/Mohr § 15 AGG Rn. 27; Bauer/Göpfert/Krieger §<br />

15 Rn. 27; Palandt/Weidenkaff, 67. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 5). Nur wenige halten einen<br />

Endlosschaden für möglich (Däubler/Bertzbach-Deinert § 15 AGG Rn. 39 c, a. A. aber noch in der<br />

ersten Auflage § 15 AGG Rn. 39; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskr<strong>im</strong>inierungsschutz 2007 Rn.<br />

542).<br />

136 Die Argumente für eine zeitliche Einschränkung überzeugen nicht. Warum sollte eine<br />

unterstellte frühestmögliche Kündigung <strong>des</strong> diskr<strong>im</strong>inierenden Arbeitgebers grundsätzlich ein<br />

Arbeitsverhältnis selbst bei Nichteingreifen <strong>des</strong> Kündigungsschutzes beenden können? Sie<br />

wäre nicht anderes als eine Reaktion <strong>des</strong> Arbeitgebers auf die Geltendmachung der Rechte<br />

<strong>des</strong> unterlegenen Bewerbers, was eindeutig angesichts von § 16 AGG kein rechtmäßiges<br />

Alternativverhalten <strong>des</strong> Arbeitgebers wäre. Allenfalls wenn das Arbeitsverhältnis mit dem<br />

bevorzugten Bewerber rechtmäßig aus betriebsbedingten Gründen beendet worden wäre, käme<br />

eine zeitliche Begrenzung in Betracht. Dies wäre zumin<strong>des</strong>t dann der Fall, wenn diese Gründe<br />

auch zur Auflösung <strong>des</strong> Arbeitsverhältnisses <strong>des</strong> diskr<strong>im</strong>inierten Bewerbers (Sozialauswahl,<br />

Sonderkündigungsschutz etc.) gereicht hätten. Vorliegend besteht das Arbeitsverhältnis von<br />

Herrn R. aber ungefährdet fort.<br />

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