Eine neue ERA bricht an - IG Metall Netzwerk Chancengleichheit
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Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit<br />
= <strong>ERA</strong><br />
= GLEICHSTELLUNG UMSETZEN !<br />
<strong>Eine</strong> <strong>neue</strong> ÆRA <strong>bricht</strong> <strong>an</strong><br />
Frauenpolitische H<strong>an</strong>dlungshilfe
2<br />
<strong>Eine</strong> <strong>neue</strong> ÆRA <strong>bricht</strong> <strong>an</strong><br />
Frauenpolitische H<strong>an</strong>dlungshilfe<br />
zur Umsetzung der<br />
Entgeltrahmenabkommen und -tarifverträge (<strong>ERA</strong>s)<br />
der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong><br />
für die <strong>Metall</strong>- und Elektroindustrie<br />
Herausgeber: <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>-Vorst<strong>an</strong>d, Funktionsbereich Frauen- und Gleichstellungspolitik.<br />
Ver<strong>an</strong>twortlich: Christi<strong>an</strong>e Wilke, Gabriele Ulbrich, Astrid Knüttel, Di<strong>an</strong>ne Köster.<br />
Gestaltung: Five-for-You-Multimedia, www.54u.de. Druck: Druckhaus Dresden
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Wieso ? – Warum ? – Deswegen ! Vorwort von Kirsten Rölke .......................... 5<br />
2. Wie es wurde, was es ist: zur Geschichte und den rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für Entgeltgleichheit .................................................................. 7<br />
2.1. 100 Jahre Kampf gegen die Entgeltdiskriminierung von Frauen ......................... 7<br />
2.2. Rechtliche Grundlagen für die Durchsetzung der Entgeltgleichheit .................. 9<br />
a. Europäische Rechtsnormen ......................................................................... 9<br />
b. Deutsche Rechtsnormen ............................................................................. 14<br />
3. Vom Grundsatz her: Verfahren der Arbeitsbewertung und<br />
Eingruppierungsgrundsätze ............................................................................ 17<br />
3.1. Grundsätzliche Fragen der Eingruppierung und Neuerungen in den <strong>ERA</strong>s ....... 17<br />
3.2. Worauf muss beim Eingruppierungsverfahren geachtet werden ?<br />
Was ist zu tun ? ................................................................................................ 25<br />
3.3. Was regeln die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s zu den Verfahren der Ersteingruppierung ? .......... 27<br />
4. Was steht <strong>an</strong> ? Wichtige H<strong>an</strong>dlungsfelder für die <strong>ERA</strong>-Einführung ............. 28<br />
4.1. Was nicht beschrieben wird, wird auch nicht bewertet !<br />
Arbeitsbeschreibungen als Grundlage der Eingruppierung ............................ 28<br />
a. Wo liegen Diskriminierungsgefahren bei der Arbeitsbeschreibung ? .......... 28<br />
b. Was ist zu tun ? ........................................................................................... 34<br />
c. Was regeln die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s zur Arbeitsbeschreibung ? ............................... 35<br />
4.2. Der St<strong>an</strong>d der Dinge: Typische Arbeitsaufgaben und Paarvergleiche .......... 36<br />
4.3. Gleich und gleich gesellt sich gern: Richt - und Niveaubeispiele ................. 39<br />
a. Was sind Richt - und Niveaubeispiele und wo liegen ihre<br />
Diskriminierungsgefahren ? ........................................................................ 39<br />
b. Was ist zu tun ? ................................................................................................ 43<br />
c. Was regeln die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s zu Richt- und Niveaubeispielen ? .......................... 44<br />
4.4. Was wird eigentlich bewertet ? Anforderungsarten in den <strong>ERA</strong>s .................. 44<br />
a. Wie müssen Anforderungsarten ausgewählt, beschrieben und gewichtet<br />
werden, damit sie diskriminierungsfrei sind ? ............................................. 44<br />
b. Welche <strong>neue</strong>n Spielräume eröffnen die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s ? ................................ 47<br />
4.5. Wenn etwas nicht stimmt: Reklamationsverfahren ....................................... 57<br />
3<br />
Inhalt
Inhaltsverzeichnis<br />
5. Die Schwere der Arbeit: belastende Faktoren und Belastungszulagen ..... 60<br />
5.1. <strong>Eine</strong> alte Forderung ist umgesetzt: Hohe gesundheitliche Belastungen<br />
erhöhen nicht das Grundentgelt ..................................................................... 60<br />
5.2. Welche rechtlichen Anforderungen sind <strong>an</strong> eine diskriminierungsfreie<br />
Bemessung von Belastungszulagen zu stellen ? ............................................. 60<br />
5.3. Worauf muss in den Betrieben geachtet werden ? Was ist zu tun ? .............. 62<br />
6. Mehr Leistung – mehr Geld: Tariflich vereinbarte Leistungsentgelte ........ 68<br />
6.1. Leistungsentgelte in den <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s ............................................................. 68<br />
6.2. Worauf muss in den Betrieben geachtet werden ? Was ist zu tun ? ............... 69<br />
7. Konfliktpunkte ................................................................................................ 70<br />
8. Glossar: Die wichtigsten Fachbegriffe ........................................................ 72<br />
9. Regelungen zu den Verfahren der Ersteingruppierung .................................. 78<br />
10. Regelungen zu Richt- und Niveaubeispielen ................................................. 83<br />
4<br />
Inhalt
1. Vorwort<br />
Wieso? – Warum? – Deswegen!<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
seit den achtziger Jahren diskutiert und<br />
betreibt die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> ein tarifpolitisches<br />
Reformprojekt zur Modernisierung tarif-<br />
licher Rahmenregelungen. Veränderte<br />
Arbeitsbedingungen machen veränderte Ent-<br />
geltstrukturen und <strong>neue</strong> Bewertungskriterien<br />
dringend notwendig. Hierzu gehört auch die<br />
Angleichung von tariflichen Regelungen für<br />
Arbeiter bzw. Arbeiterinnen und Angestellte.<br />
L<strong>an</strong>ge Zeit hieß unser Motto: Gemeinsame<br />
Entgelttarifverträge „ ... weil´s gerechter ist !“<br />
Mit den nun abgeschlossenen Entgeltrah-<br />
menabkommen oder Entgeltrahmentarifver-<br />
trägen ( im folgenden für beide: <strong>ERA</strong>s ) ist ein<br />
wichtiges Ziel erreicht.<br />
Tariffragen sind immer auch Machtfragen<br />
und die nun abgeschlossenen Tarifverträge<br />
sind deshalb immer auch Kompromisse. Die<br />
entst<strong>an</strong>dene Papierlage ist Ausdruck des<br />
Konflikts bzw. der gefundenen Konfliktlö-<br />
sung.<br />
Dies zeigt sich deutlich auch in der Frage der<br />
Eingruppierung und Vergütung von Frauen:<br />
Eingruppierung und Leistungsbewertung<br />
sind nie objektiv, sondern immer auch durch<br />
subjektive ( Vor-) Urteile über den Wert von<br />
Tätigkeiten geprägt.<br />
So wurden in der Verg<strong>an</strong>genheit viele<br />
Frauentätigkeiten als leicht bzw. einfach<br />
eingestuft und gering bewertet. Die Einkom-<br />
mensdiskriminierung von Frauen wurde viel-<br />
fach nachgewiesen. Auch die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> hat<br />
5<br />
Kirsten Rölke<br />
in unterschiedlichen Aktionen gegen diese<br />
Ungerechtigkeit protestiert.<br />
Die <strong>neue</strong>n Entgeltrahmenabkommen bieten<br />
Ch<strong>an</strong>cen für eine gerechte(re) Eingruppie-<br />
rung beider Geschlechter. Wie diese Ch<strong>an</strong>cen<br />
genutzt werden, entscheidet sich auch in<br />
der betrieblichen Umsetzung der <strong>neue</strong>n Rah-<br />
menregelungen.<br />
Interessen, die nicht formuliert und Ansprü-<br />
che, die nicht eingefordert werden, können<br />
nicht erfüllt werden. Dabei sollen das Prinzip<br />
der Gerechtigkeit und der Diskriminierungs-<br />
freiheit Leitlinie sein.<br />
Da sich die einzelnen bezirklichen <strong>ERA</strong>s trotz<br />
vieler Gemeinsamkeiten zum Teil erheblich<br />
unterscheiden, wurden in den Bezirken kon-<br />
krete H<strong>an</strong>dlungshilfen zu unterschiedlichen<br />
Themen und Problemen, die bei der Umset-<br />
Die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s<br />
vorwort<br />
bieten Ch<strong>an</strong>cen für<br />
Frauen, …
zung der <strong>ERA</strong>s zu beachten sind, entwickelt.<br />
Ergänzend zu den bezirklichen Materialien<br />
wurde diese H<strong>an</strong>dlungshilfe erstellt.<br />
Sie<br />
• will Frauen dabei unterstützen, ihre be-<br />
rechtigten Ansprüche zu formulieren.<br />
• stellt BetriebsrätInnen und <strong>an</strong>deren akti-<br />
ven und interessierten KollegInnen in den<br />
Betrieben und Bezirken Hilfsmittel und<br />
Werkzeuge für die Umsetzung der <strong>neue</strong>n<br />
<strong>ERA</strong>s in den Betrieben zur Verfügung.<br />
• zeigt Diskriminierungsfallen bei der Ent-<br />
geltfindung ( Grundentgelt, Belastungs-<br />
und Leistungszulagen ) auf und benennt<br />
die Möglichkeiten, die die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s<br />
bieten, Diskriminierung zu vermeiden<br />
und Entgeltgleichheit zwischen Männern<br />
und Frauen zu fördern.<br />
Viel Erfolg !<br />
6<br />
• k<strong>an</strong>n auch in Bereichen unterstützen, in<br />
denen keine <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s abgeschlossen<br />
werden, denn sie gibt allgemein gültige<br />
Hinweise zur diskriminierungsfreien Ein-<br />
gruppierung und Entgeltfindung.<br />
Im <strong>ERA</strong>-Lexikon ( ►Kapitel 8, Glossar) und<br />
auf der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> Homepage lesen wir unter<br />
dem Stichwort »Diskriminierung«:<br />
„Mit dem <strong>ERA</strong> ist die indirekte Diskriminie-<br />
rung von Frauen bei der Eingruppierung<br />
beseitigt. Die Anforderungsprofile berück-<br />
sichtigen – <strong>an</strong>ders als früher – gleiche bzw.<br />
gleichwertige Anforderungen <strong>an</strong> Männer<br />
und Frauen und bewerten sie entsprechend<br />
gleich. Deswegen gibt es auch nicht mehr<br />
das Kriterium „körperliche schwere Arbeit“,<br />
das immer mit Muskelkraft verbunden wur-<br />
de.“<br />
Sorgen wir gemeinsam dafür, dass dieser Anspruch eingelöst wird !<br />
vorwort<br />
… die aber betrieblich<br />
realisiert werden<br />
müssen.
2. Wie es wurde, was es ist:<br />
zur Geschichte und den rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für Entgeltgleichheit<br />
2.1. 100 Jahre Kampf gegen die Entgeltdiskriminierung von Frauen<br />
Der Kampf um eine gleichberechtigte Bezah-<br />
lung von Frauen und Männern k<strong>an</strong>n auf viele<br />
Jahre Geschichte zurückblicken. In diesem<br />
Kampf war die Rechtsprechung – vor allem<br />
die moderne Rechtsprechung auf EU-Ebene<br />
– immer eine wichtige Bundesgenossin. Nur<br />
widerwillig folgte Deutschl<strong>an</strong>d 1980 den<br />
Impulsen und Vorschriften der EU.<br />
Zu tief waren die Überzeugungen einer<br />
klaren Geschlechterteilung verwurzelt und<br />
zu unerschütterlich war auch das blinde<br />
Vertrauen in die damals gültigen Regelun-<br />
gen, die viele als völlig ausreichend und<br />
rechtmässig <strong>an</strong>sahen. Immer wieder muss-<br />
ten sich streitbare Frauen für eine gerechte<br />
Eingruppierung einsetzen und den Klageweg<br />
beschreiten. Aber der Reihe nach:<br />
In der Weimarer Republik sahen die tarif-<br />
lichen Eingruppierungssysteme der Me-<br />
tall- und Elektroindustrie überwiegend eine<br />
Unterteilung in Facharbeiter, <strong>an</strong>gelernte<br />
Arbeiter und Hilfsarbeiter vor. Die Lohngrup-<br />
pen für <strong>an</strong>gelernte Arbeiter und Hilfsarbeiter<br />
waren nach Geschlechtern unterteilt, wobei<br />
die Tariflöhne der Frauen ca. 70 bis 75 Pro-<br />
zent der Männerlöhne betrugen.<br />
Während der Zeit des Nationalsozialismus<br />
wurde der »Lohngruppenkatalog Eisen<br />
und <strong>Metall</strong> (LKEM)« entwickelt. Von seinen<br />
acht Lohngruppen waren nur die unteren fünf<br />
für Frauen zulässig – wobei die Eingruppie-<br />
rung in Lohngruppe 5 von einem Reichstreu-<br />
7<br />
händer genehmigt werden musste und der<br />
Betrieb in den Verdacht geriet, zu hohe Löhne<br />
zu zahlen. Zusätzlich wurden die Grundlöhne<br />
von Frauen pauschal um 25 Prozent gekürzt.<br />
Nach der Entstehung der Bundesrepublik<br />
wurden zwar <strong>neue</strong> Tarifverträge abgeschlos-<br />
sen, doch die Tradition der sog. Frauenlohn-<br />
abschläge wurde fortgesetzt. Erwerbstätige<br />
Frauen mussten für identische Arbeiten Ent-<br />
geltabschläge von bis zu 30 Prozent ( je nach<br />
Tarifvertrag ) hinnehmen.<br />
1955 klagten sog. Hilfsarbeiterinnen gegen<br />
diese Praxis und das Bundesarbeitsgericht<br />
entschied, dass der Gleichheitsgrundsatz<br />
des Artikels 3 des Grundgesetzes auch die<br />
Tarifvertragsparteien bindet, und Frauenab-<br />
schläge verfassungswidrig sind.<br />
Doch die Reaktion auf dieses Urteil war<br />
nicht, die Lohnabschläge abzuschaffen und<br />
Frauen den gleichen Lohn zu zahlen. Denn<br />
die Bezahlung der Frauen nach den Tarifen<br />
für männliche Hilfsarbeiter hätte eine Loh-<br />
nerhöhung von 25 bis 35 Prozent bedeutet.<br />
Stattdessen wurden den »normalen« Lohn-<br />
gruppen sogen<strong>an</strong>nte Leichtlohngruppen<br />
vorgeschaltet. Die Einstufung der Tätigkeiten<br />
erfolgte nun nach „leichter körperlicher Ar-<br />
beit“ oder „schwerer körperlicher Arbeit“.<br />
In den neu gebildeten unteren Lohngruppen<br />
wurden in der Folge überwiegend Frauen<br />
beschäftigt, da ihre Tätigkeit von vornherein<br />
als „leicht“ bewertet wurde.<br />
Von den Lohnab-<br />
schlägen für Frauen<br />
zu den Leichtlohn-<br />
gruppen<br />
Rückblick
In den siebziger und achtziger Jahren des<br />
letzen Jahrhunderts wurden deshalb von der<br />
<strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> und <strong>an</strong>deren Gewerkschaften Hö-<br />
hergruppierungsaktionen durchgeführt, um<br />
die Leichtlohngruppen als ungerechtfertigt<br />
und diskriminierend abzuschaffen.<br />
Im Jahr 1988 wurden sie endlich vom Bun-<br />
desarbeitsgericht als „mittelbare“ Diskrimi-<br />
nierung verboten. <strong>Metall</strong>erinnen, die in einer<br />
Wittener Kabelfirma arbeiteten, klagten,<br />
um eine gerechtere Eingruppierung durch-<br />
zusetzen. Seit dieser Zeit wird unter kör-<br />
perlich schwerer Arbeit auch solche Arbeit<br />
verst<strong>an</strong>den, die stehende Tätigkeiten, eine<br />
taktgebundene, repetitive Arbeit, nervliche<br />
Belastungen oder Lärmbelastung beinhaltet<br />
8<br />
bzw. eine bestimmte Körperhaltung erfordert<br />
– Anforderungen, die es <strong>an</strong> vielen Arbeits-<br />
plätzen von Frauen in der <strong>Metall</strong>- und Elek-<br />
troindustrie gibt.<br />
In den letzten 100 Jahren wurde also einiges<br />
erkämpft, um das Prinzip der Entgeltgleich-<br />
heit zwischen Frauen und Männern in der Pra-<br />
xis durchzusetzen. Dennoch erhalten Frauen<br />
in Deutschl<strong>an</strong>d im Durchschnitt immer noch<br />
nur ca. 78 Prozent des Entgeltes von Män-<br />
nern. Grund genug also, weiterhin wachsam<br />
zu sein für die zahlreichen Diskriminierungs-<br />
fallen, in die Frauen immer noch geraten kön-<br />
nen. Und Grund genug auch, weiterhin einzu-<br />
treten für die Durchsetzung des Prinzips des<br />
gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit.<br />
Die „mittelbare“<br />
Diskriminierung wird<br />
verboten<br />
Rückblick
2.2. Rechtliche Grundlagen für die Durchsetzung der Entgeltgleichheit<br />
a. Europäische Rechtsnormen<br />
Die Gesetze und Richtlinien der Europä-<br />
ischen Union ( EU ) sind für die Praxis in<br />
deutschen Betrieben von großer Bedeutung,<br />
denn in allen Mitgliedsstaaten der EU muss<br />
europäisches Recht beachtet und in nationa-<br />
les, sprich: deutsches Recht umgew<strong>an</strong>delt<br />
werden. Das gilt auch für Tarifverträge.<br />
Wichtigste Rechtsnorm, quasi das Grund-<br />
gesetz der EU, ist der Amsterdamer Vertrag,<br />
oder EG-Vertrag, der in seiner aktuellen Fas-<br />
9<br />
sung am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist. In<br />
den Artikeln 2 und 3 des EG-Vertrages wird<br />
die Verpflichtung zur Förderung der Gleich-<br />
stellung von Männern und Frauen in allen<br />
Tätigkeitsbereichen festgelegt.<br />
In Artikel 141 ( im alten EWG-Vertrag von 1957<br />
war dies Artikel 119 ) wird die Durchsetzung<br />
des Grundsatzes des gleichen Entgeltes für<br />
Männer und Frauen in allen Mitgliedsstaaten<br />
gefordert. Der Text lautet:<br />
EG-Vertrag Artikel 141: gleiches Entgelt für Männer und Frauen<br />
1. Jeder Mitgliedsstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des glei-<br />
chen Entgelts für Männer und Frauen sicher.<br />
2. Unter »Entgelt« im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder<br />
Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verste-<br />
hen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeit-<br />
nehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.<br />
Gleichheit des Arbeitsentgeltes ohne Diskriminierung aufgrund des<br />
Geschlechts bedeutet:<br />
a) dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit auf-<br />
grund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird,<br />
b) dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Ar-<br />
beitsplatz gleich ist.<br />
Rechtsgrundlagen<br />
EG-Vertrag
Diese allgemeinen Bestimmungen des<br />
EG-Vertrages werden in der Richtlinie<br />
75 / 117 / EWG von 1975 – der sogen<strong>an</strong>nten<br />
Entgeltgleichheitsrichtlinie – genauer be-<br />
schrieben. Wichtig sind hier vor allem die<br />
Aussagen zu Einstufungssystemen, die<br />
10<br />
gemeinsame Kriterien für Tätigkeiten von<br />
Männer und Frauen zugrunde legen und<br />
Diskriminierungen ausschließen müssen.<br />
Die Diskriminierungsfreiheit von Tarifver-<br />
trägen wird ausdrücklich in Artikel 4 er-<br />
wähnt.<br />
Entgeltgleichheitsrichtlinie: Richtlinie 75 / 117 / EWG<br />
– vom 01.02.1975<br />
zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die An-<br />
wendung des Grundsatzes des gleichen Entgeltes für Männer und Frauen<br />
Artikel 1:<br />
Der in Artikel 119 des Vertrages gen<strong>an</strong>nte Grundsatz des gleichen Ent-<br />
gelts für Männer und Frauen, im folgenden als »Grundsatz des gleichen<br />
Entgelts« bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit,<br />
die als gleichwertig <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt wird, die Beseitigung jeder Diskriminie-<br />
rung aufgrund des Geschlechts in bezug auf sämtliche Entgeltbest<strong>an</strong>d-<br />
teile und -bedingungen.<br />
Insbesondere muss d<strong>an</strong>n, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System<br />
beruflicher Einstufung verwendet wird, dieses System auf für männliche<br />
und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so be-<br />
schaffen sein, dass Diskriminierungen ausgeschlossen werden.<br />
Artikel 4:<br />
Die Mitgliedsstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicher-<br />
zustellen, dass mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbare<br />
Bestimmungen in Tarifverträgen, Lohn- und Gehaltstabellen oder -verein-<br />
barungen oder Einzelarbeitsverträgen nichtig sind oder für nichtig erklärt<br />
werden können.<br />
Rechtsgrundlagen<br />
Entgeltgleichheits-<br />
richtlinie
In einer Reihe von Entscheidungen hat der<br />
Europäische Gerichtshof diese Bestimmun-<br />
gen konkretisiert.<br />
Anforderungen für die Entgeltfindung oder Eingruppierung:<br />
1) Entgeltsysteme müssen durchschaubar und überprüfbar sein.<br />
2) Für alle Beschäftigten müssen die gleichen Bewertungsmaßstäbe<br />
11<br />
gelten. Wenn einzelne Kriterien Männer begünstigen, weil sie <strong>an</strong> den<br />
von ihnen besetzen Arbeitsplätzen besonders häufig vorkommen, so<br />
sind im Ausgleich dazu auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die<br />
Frauen begünstigen bzw. <strong>an</strong> den von ihnen besetzten Arbeitsplätzen<br />
besonders häufig vorkommen.<br />
3) Die Kriterien müssen diskriminierungsfrei ausgelegt und <strong>an</strong>gewendet<br />
werden.<br />
4) Das System darf in seiner Gesamtheit nicht diskriminieren. Die Kriteri-<br />
en müssen den Charakteristika der zu bewertenden Arbeit Rechnung<br />
tragen.<br />
Auf der Basis dieser rechtlichen Normen<br />
und der Anforderungen des Europäischen<br />
Gerichtshofs ist im Auftrag des DGB eine<br />
Checkliste für Tarifverträge entwickelt wor-<br />
den. 2 Wer sie durcharbeitet, k<strong>an</strong>n den je-<br />
weils gültigen Tarifvertrag daraufhin prüfen,<br />
1 DGB ( Hrsg. ): Entgeltgleichheit für Frauen und Männer. Ein Seminarkonzept des DGB, Berlin 2003, S. 8f<br />
2 veröffentlicht in: DGB ( Hrsg. ): Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit – H<strong>an</strong>dreichung zur Anwendung des<br />
Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsgebots in Tarifverträgen, Berlin 2003, S. 46 – 53<br />
Folgende Anforderungen gelten nunmehr<br />
<strong>an</strong> ein System der Entgeltfindung oder Ein-<br />
gruppierung: 1<br />
ob und wo er diskriminierende Vereinbarun-<br />
gen enthält.<br />
Häufig ist das Argument zu hören, Tarifver-<br />
träge könnten gar nicht mehr diskriminieren,<br />
weil in ihnen kein Unterschied zwischen<br />
Rechtsgrundlagen<br />
Europäische<br />
Rechtsprechung
Frauen und Männern gemacht werde. Dies<br />
ist bei genauem Hinsehen leider nicht kor-<br />
rekt. Denn wir müssen hier zwischen zwei<br />
möglichen Formen der Diskriminierung<br />
unterscheiden: der unmittelbaren und der<br />
mittelbaren Diskriminierung. Wenn Tarif-<br />
verträge zwischen Frauen und Männern<br />
unterscheiden würden, also z. B. wenn für<br />
Frauen niedrigere Entgelte vereinbart wor-<br />
den wären, d<strong>an</strong>n würden diese Tarifverträge<br />
unmittelbar diskriminieren. Doch auch Re-<br />
gelungen, die keinen Unterschied zwischen<br />
den Geschlechtern machen, können im Er-<br />
gebnis zu Benachteiligungen der Angehöri-<br />
gen eines Geschlechtes führen. Dies ist d<strong>an</strong>n<br />
mittelbare Diskriminierung. Wenn also z. B.<br />
aufgrund tariflicher Regelungen Frauen we-<br />
niger verdienen als Männer und dies weder<br />
<strong>an</strong>gemessen noch notwendig ist, noch mit<br />
12<br />
sachlichen Gründen gerechtfertigt werden<br />
k<strong>an</strong>n, d<strong>an</strong>n liegt mittelbare Diskriminierung<br />
vor. Ein weiteres Beispiel sind Regelungen,<br />
durch die bestimmte Beschäftigtengruppen<br />
( z. B. Teilzeitkräfte, geringfügig Beschäftigte,<br />
Reinigungskräfte ) von der Möglichkeit einer<br />
Leistungszulage oder <strong>an</strong>deren Vergünstigun-<br />
gen ausgeschlossen werden. Wenn dieser<br />
Beschäftigtengruppe hauptsächlich Frauen<br />
<strong>an</strong>gehören ( was bei den gen<strong>an</strong>nten Beispie-<br />
len meist der Fall ist ), d<strong>an</strong>n benachteiligt<br />
diese Regelung im Ergebnis die beschäftig-<br />
ten Frauen, auch wenn der Tarifvertrag Frau-<br />
en und Männer nicht ausdrücklich erwähnt.<br />
Auch zur Klärung der Begriffe der unmittel-<br />
baren und mittelbaren Diskriminierung hat<br />
der europäische Gesetzgeber einen wichtigen<br />
Beitrag geleistet:<br />
Rechtsgrundlagen<br />
Unmittelbare<br />
und mittelbare<br />
Diskriminierung
Beweislastrichtlinie: Richtlinie<br />
97/80/EG<br />
vom 15.12.1997<br />
über die Beweislast bei Diskriminierung<br />
aufgrund des Geschlechts<br />
Artikel 2: Definitionen<br />
1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet<br />
der Ausdruck »Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsgrundsatz«,<br />
dass keine unmittelbare oder<br />
mittelbare Diskriminierung<br />
aufgrund des Geschlechts<br />
erfolgen darf.<br />
2) Im Sinne des in Absatz 1<br />
gen<strong>an</strong>nten Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsgrundsatzes<br />
liegt eine<br />
mittelbare Diskriminierung<br />
vor, wenn dem Anschein nach<br />
neutrale Vorschriften, Kriterien<br />
oder Verfahren einen wesentlich<br />
höheren Anteil der Angehörigen<br />
eines Geschlechts<br />
benachteiligen, es sei denn,<br />
die betreffenden Vorschriften,<br />
Kriterien oder Verfahren sind<br />
<strong>an</strong>gemessen und notwendig<br />
und sind durch nicht auf das<br />
Geschlecht bezogene sachliche<br />
Gründe gerechtfertigt.<br />
13<br />
Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsrichtlinie:<br />
Richtlinie 2002/73/EG<br />
vom 23.09.2002<br />
zur Verwirklichung des Grundsatzes<br />
der Gleichbeh<strong>an</strong>dlung von<br />
Männern und Frauen<br />
Artikel 2:<br />
2) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet<br />
der Ausdruck<br />
• »Unmittelbare Diskriminierung«:<br />
wenn eine Person<br />
aufgrund ihres Geschlechts<br />
in einer vergleichbaren Situation<br />
eine weniger günstige<br />
Beh<strong>an</strong>dlung als eine <strong>an</strong>dere<br />
Person erfährt, erfahren hat<br />
oder erfahren würde;<br />
• »Mittelbare Diskriminierung«:<br />
wenn dem Anschein nach neutrale<br />
Vorschriften, Kriterien<br />
oder Verfahren Personen, die<br />
einem Geschlecht <strong>an</strong>gehören,<br />
in besonderer Weise gegenüber<br />
Personen des <strong>an</strong>deren<br />
Geschlechts benachteiligen<br />
können, es sei denn, die betreffenden<br />
Vorschriften, Kriterien<br />
oder Verfahren sind durch<br />
ein rechtmäßiges Ziel sachlich<br />
gerechtfertigt und die Mittel<br />
sind zur Erreichung dieses<br />
Ziels <strong>an</strong>gemessen und erforderlich.<br />
Rechtsgrundlagen
Die <strong>neue</strong> Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsrichtlinie von<br />
2002 muss bis Oktober 2005 in deutsches<br />
Recht umgew<strong>an</strong>delt werden. Sie weist im<br />
Unterschied zu der älteren Definition in der<br />
sog. Beweislastrichtlinie zwei wichtige Un-<br />
terschiede auf:<br />
Erstens reicht es nun aus, wenn die Rege-<br />
lungen diskriminieren können, sie müssen<br />
also nicht bereits diskriminiert haben und<br />
es k<strong>an</strong>n vorsorglich vor Diskriminierung ge-<br />
schützt werden. Zweitens spricht die <strong>neue</strong><br />
Richtlinie von Personen, die benachteiligt<br />
sein können, und nicht mehr von einem<br />
wesentlich höheren Anteil der Angehörigen<br />
b. Deutsche Rechtsnormen<br />
Die höchste deutsche Rechtsnorm ist das<br />
Grundgesetz. In ihm werden in den Arti-<br />
keln 2 und 3 die Gleichberechtigung von<br />
Männern und Frauen, die Verpflichtung des<br />
Staates zur Förderung der Gleichberechti-<br />
gung und das Verbot der Benachteiligung<br />
wegen des Geschlechts festgelegt. Auch Ta-<br />
rif- und Betriebsparteien sind <strong>an</strong> diese ver-<br />
fassungsrechtlichen Normen gebunden und<br />
14<br />
eines Geschlechts. Aufwändige Statistiken<br />
dürften also zukünftig entfallen.<br />
Die <strong>neue</strong> Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsrichtlinie for-<br />
dert von den Mitgliedsstaaten außerdem,<br />
Verb<strong>an</strong>dsklagen zuzulassen. Dies würde<br />
bedeuten, dass nun nicht mehr einzelne<br />
Frauen ihre eigene Eingruppierung <strong>an</strong>kla-<br />
gen müssten, sondern es könnten Gewerk-<br />
schaften oder <strong>an</strong>dere Interessenverbände<br />
für die gesamte Gruppe betroffener Frauen<br />
klagen und die Abschaffung diskriminie-<br />
render Regelungen erwirken. <strong>Eine</strong> solche<br />
Möglichkeit gibt es in Deutschl<strong>an</strong>d bisl<strong>an</strong>g<br />
nicht.<br />
müssen sie beachten. Die Tarifautonomie ist<br />
also insofern eingeschränkt, dass die Tarif-<br />
parteien das Recht auf Gleichbeh<strong>an</strong>dlung<br />
und Entgeltgleichheit beachten müssen und<br />
keine diskriminierenden Tarifverträge ab-<br />
schließen dürfen. Für die Betriebsparteien<br />
gilt dies ebenfalls und ist in § 75 Absatz 1<br />
BetrVG noch einmal ausdrücklich vorge-<br />
schrieben.<br />
Rechtsgrundlagen<br />
Gleichbeh<strong>an</strong>dlungs-<br />
richtlinie<br />
Grundgesetz<br />
Betriebsverfassungs-<br />
gesetz
Grundgesetz Artikel 3: (in der Fassung von 1994)<br />
2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.<br />
Betriebsverfassungsgesetz<br />
§ 75 Grundsätze für die Beh<strong>an</strong>dlung<br />
der Betriebs<strong>an</strong>gehörigen<br />
1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im<br />
15<br />
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechti-<br />
gung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung beste-<br />
hender Nachteile hin.<br />
3) Niem<strong>an</strong>d darf wegen seines Geschlechtes (...) benachteiligt oder be-<br />
vorzugt werden.<br />
Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Bil-<br />
ligkeit beh<strong>an</strong>delt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche<br />
Beh<strong>an</strong>dlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nati-<br />
onalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung<br />
oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen<br />
Identität unterbleibt. Sie haben darauf zu achten, dass Arbeitnehmer<br />
nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt<br />
werden.<br />
Rechtsgrundlagen
Um das EG-Recht auch in Deutschl<strong>an</strong>d um-<br />
zusetzen, wurden im Jahr 1980 zwei Paragra-<br />
phen in das Bürgerliche Gesetzbuch einge-<br />
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung vom 13.08.1980<br />
§ 612 Vergütung<br />
3) Bei einem Arbeitsverhältnis darf für gleiche oder für gleichwertige<br />
16<br />
Arbeit nicht wegen des Geschlechtes des Arbeitnehmers eine gerin-<br />
gere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des<br />
<strong>an</strong>deren Geschlechts. Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung<br />
wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen des Geschlechts des<br />
Arbeitnehmers besondere Schutzvorschriften gelten. § 611 a Absatz 1<br />
Satz 3 ist entsprechend <strong>an</strong>zuwenden.<br />
§ 611 a Gleichbeh<strong>an</strong>dlung und Beweislast<br />
1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder<br />
einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsver-<br />
hältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer<br />
Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. <strong>Eine</strong><br />
unterschiedliche Beh<strong>an</strong>dlung wegen des Geschlechts ist jedoch<br />
zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der<br />
vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenst<strong>an</strong>d hat und<br />
ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese<br />
Tätigkeit ist. Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft<br />
macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten<br />
lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf<br />
das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche<br />
Beh<strong>an</strong>dlung rechtfertigen oder das Geschlecht eine unverzichtbare<br />
Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.<br />
fügt, die Vorschriften zur Entgeltgleichheit<br />
enthalten und die Beweislast in Streitfällen<br />
regeln.<br />
Rechtsgrundlagen<br />
BGB
3. Vom Grundsatz her:<br />
Verfahren der Arbeitsbewertung und Eingruppierungsgrundsätze<br />
3.1. Grundsätzliche Fragen der Eingruppierung und Neuerungen<br />
in den <strong>ERA</strong>s<br />
Grundlage für die betriebliche Eingruppie-<br />
rung in den <strong>ERA</strong> der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> ( wie insgesamt<br />
in den Tarifverträgen in Deutschl<strong>an</strong>d ) ist<br />
eine Bewertung der Anforderungen, die ein<br />
Arbeitsplatz <strong>an</strong> seinen Inhaber oder seine<br />
Inhaberin stellt. Die Basis des Entgeltes ist<br />
also nicht abhängig von den Qualifikationen,<br />
17<br />
die ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitneh-<br />
merin erworben haben oder von der Leis-<br />
tung, die sie erbringen, sondern von den An-<br />
forderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes,<br />
<strong>an</strong> dem sie arbeiten. Dies ist das Prinzip der<br />
<strong>an</strong>forderungsabhängigen Entgeltdifferenzie-<br />
rung, das in folgenden Stufen verläuft:<br />
Prinzip der <strong>an</strong>forderungsabhängigen Entgeltdifferenzierung<br />
1. Beschreibung der Arbeitsaufgaben, der Arbeitsplätze, der Tätigkeiten<br />
oder der Stellen<br />
2. Definition der Anforderungsarten, die vergütet werden sollen<br />
3. Analyse der Anforderungen, die <strong>an</strong> die Arbeitsplatzinhaber und -inha-<br />
berinnen gestellt werden<br />
4. Bewertung der Anforderungen<br />
5. Zuordnung des Bewertungsergebnisses zu Entgeltgruppen<br />
6. Eingruppierung der Beschäftigten in eine Entgeltgruppe entspre-<br />
chend der Arbeitsaufgabe oder des Arbeitsplatzes<br />
Arbeitsbewertung
Die Anforderungen, die ein Arbeitsplatz <strong>an</strong><br />
seinen Inhaber oder seine Inhaberin stellen<br />
k<strong>an</strong>n (Anforderungsarten), lassen sich in den<br />
meisten Tarifverträgen auf folgende Liste<br />
zurückführen:<br />
• Kenntnisse<br />
• Geschicklichkeit<br />
• Ver<strong>an</strong>twortung<br />
• H<strong>an</strong>dlungsspielraum/<br />
Entscheidungsfreiheit<br />
• Kooperation<br />
• Führung.<br />
Die jeweiligen Tarifverträge setzen bei der<br />
Auswahl unterschiedliche Schwerpunkte.<br />
In früheren Verfahren zählten auch Belas-<br />
tungen der Muskeln, der Sinne und Nerven<br />
und Umgebungseinflüsse zu den eingruppie-<br />
rungsrelev<strong>an</strong>ten Anforderungsarten. Diesbe-<br />
züglich hat die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> mit ihren <strong>ERA</strong>-Ab-<br />
schlüssen einen beachtlichen Erfolg erzielt,<br />
denn es wurde durchweg geregelt, dass<br />
Belastungen nicht mehr eingruppierungsre-<br />
lev<strong>an</strong>t sind. Belastungen haben also keinen<br />
Einfluss auf das Grundentgelt mehr, sondern<br />
werden durch ein gesondertes Zulagensys-<br />
tem abgegolten ( ►Kapitel 2.1 und 5 ).<br />
Die Anforderungsarten dienen zunächst<br />
der Eingruppierung in Grundentgeltstufen.<br />
18<br />
Darüber hinaus spielen sie jedoch auch eine<br />
wichtige Rolle für das Erreichen der neu<br />
eingeführten Zusatzstufen. Diese <strong>neue</strong> Stu-<br />
fungssystematik, die in den meisten <strong>ERA</strong>s<br />
zu finden ist 3 , ermöglicht die Berücksichti-<br />
gung und Vergütung zusätzlicher Anforde-<br />
rungen, die noch keine Höhergruppierung<br />
rechtfertigen würden. In den Tarifbezirken<br />
werden hierfür unterschiedliche Kriterien he-<br />
r<strong>an</strong>gezogen, z. B. Flexibilität, Ver<strong>an</strong>twortung,<br />
Kooperation, tätigkeitsübergreifende Quali-<br />
fikationen sowie betriebliche oder aufgaben-<br />
bezogene Spezialkenntnisse (►ausführli-<br />
cher Kapitel 4.4 ). Mit Hilfe der Zusatzstufen<br />
können nun Anforderungen – gerade auch <strong>an</strong><br />
Frauenarbeitsplätzen – vergütet werden, die<br />
früher unberücksichtigt blieben.<br />
<strong>Eine</strong>n weiteren Erfolg stellt die nun ver-<br />
einbarte „g<strong>an</strong>zheitliche Betrachtung“ der<br />
Anforderungen bei der Bewertung von Arbeit<br />
dar. Während früher die sog. „überwie-<br />
gende Tätigkeit“ über die Eingruppierung<br />
entschied, müssen nun alle Tätigkeiten be-<br />
rücksichtigt werden. Nach den <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s<br />
gilt, dass es für die Eingruppierung auf die<br />
Anforderungen der Tätigkeiten <strong>an</strong>kommt,<br />
die das Niveau der Gesamttätigkeit prägen,<br />
unabhängig davon, wie l<strong>an</strong>ge die einzelnen<br />
Tätigkeiten bzw. Teilaufgaben ausgeübt<br />
werden. Damit können flexible und viel-<br />
seitige Arbeitsplätze und Arbeitsbereiche<br />
<strong>an</strong>gemessener bewertet werden als früher.<br />
3 In NRW gibt es keine Zusatzstufen in dem beschriebenen Sinn. Es gibt Zeitstufen in den EG 12,13,14.<br />
Arbeitsbewertung<br />
Anforderungen<br />
beinflussen auch die<br />
<strong>neue</strong>n Zusatzstufen<br />
Anforderungen<br />
müssen g<strong>an</strong>zheitlich<br />
betrachtet und<br />
bewertet werden.
<strong>Eine</strong> Person die flexibel eingesetzt wird und<br />
damit mehrere Arbeitsaufgaben bzw. Tätig-<br />
keiten erledigen k<strong>an</strong>n und muss, benötigt<br />
auch mehr Qualifikationen. Es ergibt sich ein<br />
höheres Anforderungsniveau. Diese Neue-<br />
Summarische Verfahren:<br />
Hier werden die Arbeitsplätze als G<strong>an</strong>zes<br />
bewertet. Die Anforderungs<strong>an</strong>alyse bezieht<br />
sich auf wenige Anforderungsarten, meist<br />
sind dies erforderliche Kenntnisse (Unter-<br />
weisungs- oder Anlernzeit, Ausbildung) und<br />
Fertigkeiten. Auch Berufserfahrung, Ver<strong>an</strong>t-<br />
wortung und Selbständigkeit werden oft in<br />
die Bewertung einbezogen. Summarische<br />
Verfahren sind in den <strong>ERA</strong>s der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> am<br />
häufigsten vertreten. Die unterschiedlichen<br />
Entgeltgruppen werden mit Hilfe von Ent-<br />
19<br />
rung k<strong>an</strong>n auch für viele sog. typische Frau-<br />
enarbeitsplätze eine höhere Eingruppierung<br />
ermöglichen.<br />
Für die Bewertung dieser Anforderungen<br />
gibt es verschiedene Verfahren:<br />
geltgruppentexten beschrieben. Mit jeder<br />
Entgeltgruppe steigen die Anforderungen,<br />
die der Arbeitsplatz stellt. Wird eine Kollegin<br />
oder ein Kollege auf mehreren Arbeitsplät-<br />
zen eingesetzt, ergeben sich aufgrund der<br />
g<strong>an</strong>zheitlichen, summarischen Eingruppie-<br />
rungssystematik <strong>an</strong>dere Anforderungen.<br />
Daraus folgt in der Regel eine höhere Ent-<br />
geltstufe. Als Beispiel findet sich der ent-<br />
sprechende §4 des <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong> des Bezirks<br />
Küste auf der nächsten Seite.<br />
Arbeitsbewertung<br />
Summarik:<br />
Bewertung als G<strong>an</strong>-<br />
zes,Entgeltgruppen- texte
Beispiel für das summarische Lohngruppenverfahren: <strong>ERA</strong> des Bezirks Küste<br />
Anforderungsstufe<br />
Auszubildende, die in einem <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten Ausbildungsberuf i.S.d. Berufsbildungsgesetzes<br />
auf Grund eines Berufsausbildungsvertrages ausgebildet<br />
werden.<br />
Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung im Einzelnen festgelegt sind.<br />
Erforderlich sind Arbeits- oder Materialkenntnisse oder Geschicklichkeit<br />
bei der Arbeitsausführung, die durch eine zweckgerichtete Einarbeitung<br />
und Übung von bis zu vier Wochen erlernt werden.<br />
Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung weitgehend festgelegt sind.<br />
Erforderlich sind Arbeits- oder Materialkenntnisse oder besondere Geschicklichkeit<br />
bei der Arbeitsausführung, wie sie in der Regel durch ein<br />
systematisches Anlernen von mehr als vier Wochen Dauer erworben werden.<br />
Berufliche Vorbildung ist nicht erforderlich.<br />
Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung teilweise festgelegt sind. Erforderlich<br />
sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch<br />
• eine mindestens zweijährige fachspezifische Ausbildung<br />
• oder eine abgeschlossene dreijährige fachfremde Berufsausbildung<br />
erworben werden,<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
Sachbearbeitende Aufgaben und /oder Facharbeiten, deren Erledigung<br />
weitgehend vorgegeben ist. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten,<br />
wie sie in der Regel durch<br />
• eine abgeschlossene fachspezifische mindestens dreijährige Berufsausbildung<br />
• oder eine abgeschlossene fachfremde Berufsausbildung und eine<br />
mehrjährige fachspezifische Berufserfahrung erworben werden,<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
Schwierige sachbearbeitende Aufgaben und /oder schwierige Facharbeiten,<br />
deren Erledigung überwiegend vorgegeben ist. Erforderlich sind<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch<br />
• eine abgeschlossene fachspezifische mindestens dreijährige Berufsausbildung<br />
und eine mehrjährige Berufserfahrung<br />
• oder durch abgeschlossene fachfremde Berufsausbildung und eine<br />
mehrjährige fachspezifische Berufserfahrung sowie spezielle Weiterbildung<br />
erworben werden,<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
20<br />
Entgeltgruppe<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Eckentgelt<br />
6<br />
►►►<br />
Fortsetzung nächste Seite<br />
Arbeitsbewertung
Anforderungsstufe<br />
Entgeltgruppe<br />
►►►<br />
Umfassende sachbearbeitende Aufgaben und/oder umfassende Fachaufgaben<br />
innerhalb des Fachgebietes, deren Erledigung teilweise vorgege- 7<br />
ben ist. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel<br />
durch<br />
• eine abgeschlossene fachspezifische mindestens dreijährige Berufsausbildung<br />
und eine mehrjährige Berufserfahrung sowie zusätzliche<br />
spezielle Weiterbildung erworben werden,<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
Fachgebietsübergreifende Aufgabengebiete, deren Erledigung im Rahmen<br />
von bestimmten Richtlinien erfolgt. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten,<br />
wie sie in der Regel durch<br />
• eine abgeschlossene zweijährige Fachschulausbildung<br />
• oder durch eine abgeschlossene fachspezifische mindestens dreijährige<br />
Berufsausbildung und eine l<strong>an</strong>gjährige Berufserfahrung sowie eine<br />
zusätzliche spezielle Weiterbildung erworben werden,<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
Komplexe Aufgabengebiete im Rahmen von Richtlinien. Erforderlich sind<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch<br />
• eine abgeschlossene Hochschulausbildung<br />
• oder durch eine abgeschlossene zweijährige Fachschulausbildung,<br />
Berufsausbildung und eine mehrjährige Berufserfahrung sowie eine<br />
zusätzliche spezielle Weiterbildung erworben werden,<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
Aufgabenbereiche im Rahmen von allgemeinen Richtlinien. Erforderlich<br />
sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch<br />
• eine abgeschlossene Hochschulausbildung erworben werden<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
Komplexe Aufgabenbereiche – teilweise nach allgemeinen Richtlinien.<br />
Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch<br />
• eine abgeschlossene Hochschulausbildung und eine l<strong>an</strong>gjährige fachspezifische<br />
Berufserfahrung sowie gegebenenfalls eine entsprechende<br />
Fortbildung erworben werden,<br />
• oder auf einem <strong>an</strong>deren Wege erworben wurden.<br />
21<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
Arbeitsbewertung
Analytische Verfahren:<br />
Hier werden die einzelnen Anforderungsar-<br />
ten, die ein Arbeitsplatz aufweist, getrennt<br />
und unabhängig vonein<strong>an</strong>der <strong>an</strong>alysiert und<br />
bewertet. Jeder Anforderungsart wird also<br />
ein Punktwert zugeordnet. Als Ergebnis die-<br />
ses Rechenverfahrens steht eine Summe, die<br />
den Wert aller Anforderungsarten ausdrückt<br />
(= Arbeitswert) und die d<strong>an</strong>n den Entgelt-<br />
gruppen zugeordnet wird.<br />
Dieses Verfahren wird vor allem im <strong>ERA</strong> des<br />
Bezirks Baden-Württemberg <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dt.<br />
Als Beispiel finden sich die Regelungen<br />
des Stufenwertzahlverfahrens aus Baden-<br />
Württemberg in der <strong>an</strong>schließenden Zusam-<br />
menfassung.<br />
22<br />
Bei den <strong>an</strong>alytischen Verfahren ist es mög-<br />
lich, den einzelnen Anforderungsarten<br />
jeweils unterschiedliche Gewichtungen<br />
zuzuweisen, so dass sie einen unterschied-<br />
lich hohen Einfluss auf den Arbeitswert und<br />
letztendlich auf das Entgelt haben. Diese<br />
Gewichtung k<strong>an</strong>n durch Multiplikation der<br />
Punktwerte mit einem Gewichtungsfaktor<br />
erfolgen (= getrennte Gewichtung) oder aber<br />
dadurch, dass eine unterschiedliche Zahl<br />
von Stufen mit einem unterschiedlich hohen<br />
maximal erreichbaren Punktwert gebildet<br />
werden (= gebundene Gewichtung). Diese<br />
Form der Gewichtung liegt bei den <strong>ERA</strong>s der<br />
Bezirke Baden-Württemberg und in einigen<br />
Bereichen in Nordrhein-Westfalen vor.<br />
Arbeitsbewertung<br />
Analytik:<br />
getrennte Bewertung<br />
der Anforderungen,<br />
Punktwerte, Gewich-<br />
tungsfaktoren
Beispiel für das <strong>an</strong>alytische Stufenwertzahlverfahren:<br />
<strong>ERA</strong> des Bezirks Baden-Württemberg<br />
Anforderungsart Anforderungsstufen und zugeordnete Punkte (Stufenwertzahlen) max. *<br />
1. Wissen und Können<br />
1.1 Anlernen<br />
1.2 Ausb. und Erfahr.<br />
1.2.1. Ausbildung<br />
1.2.2. Erfahrung<br />
B1 Abgeschlossene, in der Regel zweijährige Berufsausbildung i.S. des BBiG<br />
B2 Abgeschlossene, in der Regel drei- bis dreieinhalbjährige Berufsausbildung i.S. des<br />
BBiG<br />
B3 Abgeschlossene Berufsausbildung i.S. des BBiG und eine darauf aufbauende abgeschlossene,<br />
in der Regel einjährige Vollzeit-Fachausbildung (z.B. Meister-Ausbildung<br />
IHK)<br />
B4 Abgeschlossene Berufsausbildung i.S. des BBiG und eine darauf aufbauende abgeschlossene,<br />
in der Regel zweijährige Vollzeit-Fachausbildung (z.B. staatlich geprüfter<br />
Techniker)<br />
B5 Abgeschlossenes Fachhochschulstudium<br />
B6 Abgeschlossenes Universitätsstudium<br />
23<br />
A1/3<br />
B1/10<br />
E1/1<br />
A2/4<br />
B2/13<br />
E2/3<br />
A3/5<br />
B3/16<br />
E3/5<br />
A4/7<br />
B4/19<br />
E4/8<br />
A5/9<br />
B5/24<br />
E5/10<br />
B6/29<br />
2.Denken D1/1 D2/3 D3/5 D4/8 D5/12 D6/16 D7/20 20<br />
3. H<strong>an</strong>dlungsspielraum/<br />
Ver<strong>an</strong>twortung<br />
9<br />
29<br />
10<br />
max.<br />
H1/1 H2/3 H3/5 H4/7 H5/9 H6/11 H7/14 H8/17 17<br />
4. Kommunikation K1/1 K2/3 K3/5 K4/7 K5/10 K6/13 13<br />
5. Mitarbeiterführung F1/2 F2/3 F3/4 F4/5 F5/7 7<br />
* maximale Wertzahl<br />
Die Anforderungsstufen werden so beschrieben, dass für jeden Arbeitsplatz eine Einordnung<br />
in eine der Stufen pro Anforderungsart möglich ist. Als Beispiel hier die Beschreibung der<br />
Stufen für die Anforderungsart 1.2.1 Ausbildung:<br />
39<br />
►►►<br />
Fortsetzung nächste Seite<br />
Arbeitsbewertung
►►►<br />
Die erreichte Gesamtpunktzahl wird den<br />
Entgeltgruppen zugeordnet.<br />
24<br />
Gesamtpunktzahl Entgeltgruppe<br />
6 1<br />
7 – 8 2<br />
9 – 11 3<br />
12 – 14 4<br />
15 – 18 5<br />
19 – 22 6<br />
23 – 26 7<br />
27 – 30 8<br />
31 – 34 9<br />
35 – 38 10<br />
39 – 42 11<br />
43 – 46 12<br />
47 – 50 13<br />
51 – 54 14<br />
55 – 58 15<br />
59 – 63 15<br />
64 – 96 17<br />
Arbeitsbewertung
3.2. Worauf muss beim Eingruppierungsverfahren geachtet werden ?<br />
Eingruppierungen und Umgruppierungen<br />
sind personelle Einzelmaßnahmen im Sinne<br />
des Betriebsverfassungsgesetzes. Das heißt,<br />
dass der Arbeitgeber zunächst die Eingrup-<br />
pierung eines Arbeitsplatzes vorschlägt oder<br />
vorläufig vornimmt und der Betriebsrat <strong>an</strong>-<br />
schließend zustimmen muss ( §99 BetrVG ).<br />
Die <strong>ERA</strong>-Einführung erfordert in allen Betrie-<br />
ben eine generelle Eingruppierungs- bzw.<br />
Umgruppierungsaktion. Sollen ungerechtfer-<br />
tigte Benachteiligungen von Frauen beseitigt<br />
werden, gilt es, diese Ch<strong>an</strong>ce zu nutzen. Mit<br />
einer einzigen Eingruppierungsaktion wird<br />
über die zukünftigen Entgelte aller Beschäf-<br />
tigten entschieden. Deshalb sehen die meis-<br />
ten <strong>ERA</strong>s für diese Einführungsphase auch<br />
besondere Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />
des BR bzw. der Beschäftigten vor ( siehe Zu-<br />
sammenfassung unter 3.3 in diesem Kapitel ).<br />
Es ist wichtig, dass direkt mit der Eingrup-<br />
pierung geprüft wird, ob diskriminiert wird<br />
25<br />
oder nicht. Wird Diskriminierung vermutet<br />
oder gar nachgewiesen, müssen die jewei-<br />
ligen Möglichkeiten der Zustimmungsver-<br />
weigerung oder des Einspruchs genutzt<br />
werden.<br />
Dies setzt natürlich voraus, dass die Mit-<br />
glieder des Betriebsrats und /oder der Pa-<br />
ritätischen Kommission in den Fragen der<br />
Entgeltdiskriminierung von Frauen geschult<br />
wurden und für die Diskriminierungsfallen<br />
der Arbeitsbewertung sensibel sind. Hier ist<br />
also das Engagement von Frauen gefragt.<br />
Es ist wichtig, dass möglichst viele Frauen <strong>an</strong><br />
den <strong>an</strong>gebotenen Qualifizierungsmaßnah-<br />
men teilnehmen. In keinem <strong>ERA</strong> wird übri-<br />
gens ausdrücklich erwähnt, dass Frauen und<br />
Männer in den Paritätischen Kommissionen<br />
ausgewogen vertreten sein müssen. Deswe-<br />
gen müssen die Kolleginnen ihre Ansprüche<br />
auf Beteiligung einfordern und ihre Bereit-<br />
schaft signalisieren.<br />
Eingruppierung<br />
Eingruppierungsvor-<br />
schlag des<br />
Arbeitgebers prüfen<br />
und gegebenenfalls<br />
fristgerecht<br />
widersprechen<br />
Schulungsmaßnah-<br />
men org<strong>an</strong>isieren<br />
Ausgewogene Ver-<br />
tretung von Frauen in<br />
den Kommissionen<br />
sicherstellen
► Was ist zu tun ?<br />
Zusammenfassend und in Kürze hier noch<br />
einmal die H<strong>an</strong>dlungsempfehlungen für die<br />
Gestaltung des Eingruppierungsverfahrens:<br />
26<br />
►<br />
►<br />
►<br />
►<br />
Der Eingruppierungsvorschlag des Ar-<br />
beitgebers muss auch auf Diskriminie-<br />
rungsfreiheit geprüft werden.<br />
Die Mitglieder des Betriebsrates und<br />
der Paritätischen Kommission müssen<br />
entsprechend geschult sein, um die Ge-<br />
fahren und Mech<strong>an</strong>ismen der Diskrimi-<br />
nierung erkennen zu können.<br />
Im Betriebsrat und in den paritätischen<br />
Kommissionen zur Eingruppierung müs-<br />
sen Frauen und Männer <strong>an</strong>gemessen<br />
vertreten sein.<br />
Auch in den Tarifkommissionen müssen<br />
Frauen entsprechend ihrem Anteil vertre-<br />
ten sein, um bereits bei der Gestaltung<br />
der tariflichen Regelungen die Interessen<br />
von Frauen wirkungsvoll einbringen zu<br />
können. Dies fordert die Satzung der<br />
<strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>.<br />
Eingruppierung
3.3. Was regeln die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s zu den Verfahren der Ersteingruppierung<br />
?<br />
Paritätische Kommissionen:<br />
In allen <strong>ERA</strong>s werden für das Verfahren der<br />
Ersteingruppierung Paritätische Kommissio-<br />
nen gebildet, denen jeweils zwei oder drei<br />
VertreterInnen des Arbeitgebers und der<br />
Beschäftigten <strong>an</strong>gehören. Die VertreterInnen<br />
der Beschäftigten sind vom Betriebsrat zu<br />
benennen und müssen dem Unternehmen<br />
<strong>an</strong>gehören. In Baden-Württemberg und Nie-<br />
dersachsen gelten vereinfachte Regelungen<br />
für kleinere Betriebe. In Baden-Württemberg<br />
Widerspruchsfristen und -formen:<br />
Dem Vorschlag des Arbeitgebers zur Erst-<br />
eingruppierung k<strong>an</strong>n innerhalb eines Zeit-<br />
raums von zwischen drei bis acht Wochen<br />
( je nach <strong>ERA</strong> ) widersprochen werden. Die<br />
<strong>ERA</strong>s von Küste und Thüringen schreiben<br />
hierfür ausdrücklich die Schriftform vor.<br />
Der <strong>ERA</strong> von Baden-Württemberg sieht<br />
Schulungen für die Mitglieder und Stellver-<br />
treterInnen der Paritätischen Kommission<br />
ausdrücklich vor. In allen <strong>an</strong>deren <strong>ERA</strong>s ist<br />
dies nicht der Fall. Hier können aber die Re-<br />
gelungen des §37 ( 6 ) und ( 7 ) BetrVG offensiv<br />
genutzt werden, d.h. dass einerseits <strong>an</strong>gebo-<br />
tene Schulungsver<strong>an</strong>staltungen in Anspruch<br />
27<br />
und Nordrhein-Westfalen bleiben diese Pari-<br />
tätischen Kommissionen dauerhaft beste-<br />
hen, in den <strong>an</strong>deren Tarifbezirken gelten<br />
nach erfolgter Ersteingruppierung die Mitbe-<br />
stimmungsregelungen nach § 99 BetrVG. Im<br />
Bezirk Küste gibt es darüber hinaus ein indi-<br />
viduelles Einspruchsrecht mit betrieblichem<br />
Verfahren vor dem Rechtsweg. ( detaillierte<br />
tabellarische Aufstellung der Regelungen<br />
►Abschnitt 9, ab Seite 78 )<br />
Der weitere Ablauf des Widerspruchs-<br />
bzw. Einigungsverfahrens ist in den<br />
<strong>ERA</strong>s im Detail unterschiedlich geregelt.<br />
( detaillierte tabellarische Aufstellung<br />
der Regelungen ►Abschnitt 9, ab Sei-<br />
te 78 )<br />
Schulungen zur Einführung des <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>:<br />
genommen werden sollten. Andererseits<br />
sollte auch darauf hingewirkt werden, dass<br />
in den Schulungen der Aspekt der Entgelt-<br />
diskriminierung von Frauen berücksichtigt<br />
wird oder spezielle Schulungen zu dieser<br />
Thematik <strong>an</strong>geboten werden. ( detaillierte<br />
tabellarische Aufstellung der Regelungen<br />
►Abschnitt 9, ab Seite 78 )<br />
Ersteingruppierung
4. Was steht <strong>an</strong>?<br />
Wichtige H<strong>an</strong>dlungsfelder für die <strong>ERA</strong>-Einführung<br />
Der Zeitpunkt der Einführung der <strong>neue</strong>n<br />
<strong>ERA</strong>s unterscheidet sich von Tarifbezirk zu<br />
Tarifbezirk. Und auch in den Betrieben wird<br />
ein jeweils unterschiedliches Tempo gefah-<br />
ren. Doch auch – oder gerade – wenn es so<br />
scheint, als stünde bis zur Umsetzung der<br />
<strong>neue</strong>n Regelungen noch viel Zeit zur Ver-<br />
fügung, muss diese Zeit für eine sinnvolle<br />
4.1. Was nicht beschrieben wird, wird auch nicht bewertet!<br />
Arbeitsbeschreibungen als Grundlage der Eingruppierung<br />
a. Wo liegen Diskriminierungsgefahren bei der Arbeitsbeschreibung?<br />
<strong>Eine</strong> sorgfältige und auch vollständige<br />
Arbeitsbeschreibung ist, unabhängig vom<br />
jeweils <strong>an</strong>gewendeten Arbeitsbewertungs-<br />
verfahren, eine wichtige Voraussetzung für<br />
eine korrekte und diskriminierungsfreie<br />
Eingruppierung.<br />
Denn es ist logisch: Wenn einzelne Tä-<br />
tigkeiten nicht beschrieben worden sind,<br />
können deren Anforderungen <strong>an</strong> den oder<br />
die ArbeitsplatzinhaberIn nicht bewertet<br />
werden. Damit werden diese Tätigkeiten mit<br />
ihren Anforderungen bei der Eingruppierung<br />
zw<strong>an</strong>gsläufig nicht beachtet und können<br />
keinen Einfluss auf die Vergütung nehmen.<br />
Für Frauen wird dies zu einer besonders sub-<br />
tilen Diskriminierungsgefahr: Insbesondere<br />
<strong>an</strong> sogen<strong>an</strong>nten typischen Frauenarbeits-<br />
plätzen sind oft Tätigkeiten zu verrichten<br />
oder Qualifikationen gefordert, die Frauen<br />
aufgrund eines traditionellen Rollenver-<br />
ständnisses als selbstverständlich zuge-<br />
28<br />
Vorbereitung genutzt werden. Denn wenn<br />
es d<strong>an</strong>n so weit ist, wird es – wie immer<br />
– plötzlich g<strong>an</strong>z schnell gehen. Wenn also in<br />
den Betrieben die verbleibende Zeit bis zur<br />
Einführung genutzt und die folgenden Punk-<br />
te bearbeitet werden, d<strong>an</strong>n können bei der<br />
<strong>ERA</strong>-Einführung Ch<strong>an</strong>cen für Frauen verwirk-<br />
licht werden.<br />
schrieben werden. Denn typische Frauenar-<br />
beitsplätze sind meist eng verw<strong>an</strong>dt mit den<br />
Aufgaben, die traditionell Frauenaufgaben<br />
in der Familie und im Haushalt waren ( z. B.<br />
Versorgen, Pflegen, Putzen, Kochen, Nähen,<br />
Aufräumen, Org<strong>an</strong>isieren ) oder mit den<br />
Fähigkeiten, die Frauen als quasinatürlich<br />
zugeschrieben werden ( z .B. Kommunikati-<br />
onsfähigkeit, Geduld und Ausdauer, Finger-<br />
fertigkeit, Einfühlungsvermögen ). Und wenn<br />
Frauen d<strong>an</strong>n als Näherinnen in der Polsterei,<br />
als Montagearbeiterin in der Elektromonta-<br />
ge, als Sekretärin oder als Sachbearbeiterin<br />
mit Kundenkontakt arbeiten, d<strong>an</strong>n besteht<br />
die Gefahr, dass bestimmte Tätigkeiten oder<br />
Qualifikations<strong>an</strong>forderungen übersehen<br />
werden, weil es so selbstverständlich er-<br />
scheint, dass Frauen diese Arbeit leisten und<br />
die entsprechenden Fähigkeiten besitzen. Es<br />
erscheint praktisch »gar nicht mehr der Rede<br />
wert«. Und dennoch sind diese Tätigkeiten<br />
berufliche Aufgaben, und die Qualifikationen<br />
Arbeitsbeschreibungen<br />
die noch vorh<strong>an</strong>dene<br />
Zeit zur Vorbereitung<br />
nutzen<br />
sämtliche<br />
Anforderungen<br />
vollständig erfassen
sind beruflich notwendige und erforderliche<br />
Qualifikationen. Deshalb müssen sie erfasst<br />
und beschrieben werden und Eingruppie-<br />
rung und Vergütung beeinflussen.<br />
<strong>Eine</strong> Regelüberführung der Arbeitsplätze<br />
oder Arbeitsaufgaben von den alten Tarif-<br />
verträgen in die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s ist deshalb aus<br />
Sicht der Frauen abzulehnen. Denn wenn<br />
Arbeitsplätze nach vorab festgelegten Re-<br />
geln ohne eine <strong>neue</strong> Bewertung in die <strong>neue</strong>n<br />
4 In Anlehnung <strong>an</strong>: DGB ( Hrsg. ): Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit – H<strong>an</strong>dreichung zur Anwendung des<br />
Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsgebots in Tarifverträgen, Berlin 2003, S. 38<br />
29<br />
Entgeltgruppen eingestuft werden, d<strong>an</strong>n<br />
würde die Ch<strong>an</strong>ce vert<strong>an</strong>, die Eingruppierung<br />
von Frauenarbeitsplätzen zu überprüfen und<br />
ggf. zu korrigieren. Möglicherweise diskrimi-<br />
nierende Eingruppierungen aus früherer Zeit<br />
würden nicht entdeckt und nichts würde sich<br />
<strong>an</strong> der Diskriminierung ändern.<br />
Um Diskriminierungsgefahren bei der Ar-<br />
beitsbeschreibung zu umgehen, müssen die<br />
folgenden Grundsätze befolgt werden. 4<br />
Arbeitsbeschreibungen
Grundsätze für geschlechtsneutrale Arbeitsbeschreibungen<br />
1) Die Arbeitsbeschreibung muss umfassend und vollständig sein.<br />
30<br />
Alle Tätigkeitsinhalte und Anforderungen sollten erfasst werden. Bei<br />
der Beschreibung der Anforderungen sind systematisch jeweils die<br />
Kategorien zu berücksichtigen, die für die spätere Eingruppierung<br />
wichtig sind, also z. B. erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten,<br />
H<strong>an</strong>dlungsspielraum oder Ver<strong>an</strong>twortung.<br />
2) Sie muss einheitlich abgefasst sein.<br />
Vorteilhaft ist ein st<strong>an</strong>dardisiertes Frageraster, das sämtliche Infor-<br />
mationen über die Tätigkeiten nach gleichen Kriterien erhebt.<br />
3) Sie muss sachlich sein.<br />
Die Arbeitsbeschreibung soll Aufgaben und Anforderungen lediglich<br />
beschreiben, und nicht bereits bewerten.<br />
4) Sie muss eindeutig und verständlich sein.<br />
Der Erhebungsbogen muss verständlich, präzise formuliert und ein-<br />
fach zu h<strong>an</strong>dhaben sein, damit alle Beschäftigten in gleicher Weise<br />
ohne Schwierigkeiten und Unsicherheit mit ihm umgehen können.<br />
5) Sie sollte zunächst von den Beschäftigten selbst ( nicht vom Arbeit-<br />
geber ) verfasst werden.<br />
Dies fördert eine größtmögliche Objektivität und Vollständigkeit der<br />
Beschreibung. Außerdem wird dadurch verhindert, dass einzelne Tä-<br />
tigkeitsinhalte nur durch die Verwendung bestimmter Formulierungen<br />
unwichtig erscheinen.<br />
Arbeitsbeschreibungen
Der Grundsatz der Vollständigkeit hat es<br />
in sich und ist bei weitem nicht so leicht<br />
zu erfüllen, wie es sich im ersten Moment<br />
<strong>an</strong>hört.<br />
Den meisten Beschäftigten fällt es sehr<br />
schwer, ihren Arbeitsplatz vollständig zu<br />
beschreiben. Insbesondere Frauen überse-<br />
hen m<strong>an</strong>chmal den beruflichen Charakter<br />
m<strong>an</strong>cher ihrer eigenen Tätigkeiten und nen-<br />
nen sie von sich aus nicht – entweder aus<br />
( falsch verst<strong>an</strong>dener ) Bescheidenheit oder<br />
weil sie ihnen auch so selbstverständlich<br />
und deshalb nicht erwähnenswert vorkom-<br />
men. Oft werden die eigene Wichtigkeit und<br />
die eigenen Möglichkeiten von H<strong>an</strong>dlungs-<br />
spielräumen falsch eingeschätzt. Deshalb<br />
k<strong>an</strong>n die Selbstaufschreibung nur ein erster<br />
5 Beispiele für den Arbeitsplatz einer Innenreinigerin, einer Kr<strong>an</strong>kenpflegerin und einer Sekretärin finden sich in:<br />
DGB (Hrsg.): Entgeltgleichheit für Frauen und Männer. Ein Seminarkonzept des DGB, Berlin 2003, S. 31 - 33<br />
31<br />
Vorbereitungsschritt sein. Die endgültige<br />
Aufgabenbeschreibung sollte gemeinsam<br />
mit Betriebsräten oder sachkundigen Ver-<br />
trauensleuten gemacht werden.<br />
<strong>Eine</strong> Hilfestellung zur Erstellung vollständi-<br />
ger Arbeitsbeschreibungen können die fol-<br />
genden Fragenkataloge für Mitarbeiterinnen<br />
in der kaufmännischen oder technischen<br />
Sachbearbeitung und im gewerblichen Be-<br />
reich liefern. Die Beispiele lassen sich für<br />
bestimmte Arbeitsplätze leicht ergänzen<br />
oder verändern. 5 Das Ziel der Fragen ist es,<br />
bisl<strong>an</strong>g übersehene Tätigkeiten zu »entde-<br />
cken«, Selbstverständlichkeiten zu hinterfra-<br />
gen und für die Nichtbeachtung und damit<br />
Unterbewertung sogen<strong>an</strong>nter typischer Frau-<br />
entätigkeiten zu sensibilisieren.<br />
Arbeitsbeschreibungen<br />
Endgültige Arbeits-<br />
(Aufgaben-) beschrei-<br />
bung gemeinsam<br />
mit Betriebsrat bzw.<br />
Vertrauensleuten<br />
abfassen.
Fragen <strong>an</strong> eine Mitarbeiterin in der kaufmännischen oder technischen Sachbearbeitung<br />
Mögliche Fragen Beispiele für Anforderungen<br />
Welche Ausbildung ist notwendig, um die Tätigkeiten<br />
<strong>an</strong> deinem Arbeitsplatz auszuüben ?<br />
Welche Weiterbildungsmaßnahmen hast du besucht,<br />
um deine Arbeitsaufgaben erfüllen zu können<br />
?<br />
Welche Kenntnisse oder Fähigkeiten brauchst du <strong>an</strong><br />
deinem Arbeitsplatz, die du nirgendwo »offiziell«<br />
gelernt hast ?<br />
Wie viel Erfahrung benötigt m<strong>an</strong>, bis m<strong>an</strong> sich <strong>an</strong><br />
deinem Arbeitsplatz richtig gut auskennt ?<br />
Welche Informationen beschaffst du dir selber<br />
? Wie beschaffst du sie dir ?<br />
Welche Vorgaben erhältst du für deine<br />
Arbeit ?<br />
Worüber entscheidest du selbst ?<br />
Ab w<strong>an</strong>n musst du deine/-n Chef/-in fragen ?<br />
32<br />
Ausbildung, Einarbeitung, Einweisung<br />
Erforderliche Weiterbildung<br />
Einfühlungsvermögen, Kundenorientierung, Freundlichkeit,<br />
Kommunikationsfähigkeit<br />
Notwendige Erfahrung<br />
Selbständigkeit, Eigeninitiative<br />
H<strong>an</strong>dlungsspielraum, Selbständigkeit<br />
Ver<strong>an</strong>twortung, Entscheidungsfindung<br />
Wofür bist du ver<strong>an</strong>twortlich ? Ver<strong>an</strong>twortung für Maschinen, Material, Menschen,<br />
die Arbeit <strong>an</strong>derer, Geld<br />
Arbeitest du allein oder in einem Team ? Teamfähigkeit, Kooperationsfähigkeit<br />
Mit wem stimmst du dich bei deiner Arbeit ab ? Teamfähigkeit, Kooperationsfähigkeit<br />
Mit wem hast du sonst beruflich Kontakt ? Soziale Kompetenzen, Einfühlungsvermögen,<br />
Fremdsprachenkenntnisse<br />
Arbeitest du viel am PC ? Was ?<br />
Welche Programme benutzt du ?<br />
PC-Kenntnisse (Software und Hardware), Grafik,<br />
Design, Internetrecherchen<br />
Welche Arbeitsmittel benutzt du ? Technische Kenntnisse: Fax, Kopierer, Telefon<strong>an</strong>lage,<br />
Drucker, Plotter, PC<br />
Hast du eine Führungsaufgabe ? Führung<br />
Weist du <strong>an</strong>dere KollegInnen ein oder leitest sie <strong>an</strong> ? Führung, Ver<strong>an</strong>twortung für Menschen oder die<br />
Arbeit <strong>an</strong>derer<br />
Welche Pläne erstellst du selber ? Erstellen von Zeitplänen, Materialplänen, Projektplänen,<br />
Ablaufplänen oder Reiseplänen<br />
Für welche Art von Problemen suchst du selber<br />
Lösungen ?<br />
Was war im letzten Jahr dein umf<strong>an</strong>greichstes Projekt<br />
?<br />
Vertrittst du KollegInnen während des Urlaubs oder<br />
wenn sie kr<strong>an</strong>k sind ?<br />
Wenn ja, welche Aufgaben übernimmst du d<strong>an</strong>n<br />
zusätzlich ?<br />
Problemlösungsfähigkeit, Selbständigkeit<br />
Komplexität der Arbeitsaufgaben, H<strong>an</strong>dlungsspielraum,<br />
Selbständigkeit<br />
Übernahme höherwertiger Aufgaben<br />
Wie ungestört k<strong>an</strong>nst du arbeiten ? Häufige Arbeitsunterbrechungen durch Anweisungen<br />
des/der Chefs/-in, Telefonate und BesucherInnen<br />
Was ist das Anstrengendste am Tag ?<br />
Was nervt m<strong>an</strong>chmal ?<br />
Was fällt dir schwer ?<br />
Physische und psychische Belastungen<br />
( Dies ist wichtig für die Zahlung von Belastungszulagen<br />
bzw. den entsprechenden Freizeitausgleich ! )<br />
Arbeitsbeschreibungen
Fragen <strong>an</strong> eine Mitarbeiterin im gewerblichen Bereich<br />
Mögliche Fragen Beispiele für Anforderungen<br />
Welche Ausbildung ist notwendig, um die Tätigkeiten<br />
<strong>an</strong> deinem Arbeitsplatz auszuüben ?<br />
Welche Weiterbildungsmaßnahmen hast du besucht,<br />
um deine Arbeitsaufgaben erfüllen zu können<br />
?<br />
Welche Kenntnisse oder Fähigkeiten brauchst du <strong>an</strong><br />
deinem Arbeitsplatz, die du nirgendwo »offiziell«<br />
gelernt hast ?<br />
Wie viel Erfahrung benötigt m<strong>an</strong>, bis m<strong>an</strong> sich <strong>an</strong><br />
deinem Arbeitsplatz richtig gut auskennt ?<br />
An wie vielen Arbeitsplätzen oder Maschinen wirst<br />
du eingesetzt?<br />
33<br />
Ausbildung, Einarbeitung, Einweisung<br />
Erforderliche Weiterbildung<br />
Freundlichkeit, Kundenorientierung, Kommunikationsfähigkeit,<br />
Geschicklichkeit, Geduld<br />
Notwendige Erfahrung<br />
Kenntnisse, Flexibilität, Vielseitigkeit<br />
Welche Werkzeuge und Arbeitsmittel benutzt du ? Technische Kenntnisse, PC-Kenntnisse, Flexibilität,<br />
Vielseitigkeit<br />
Wer besorgt das Material?<br />
Wer richtet die Maschine ein und bestückt sie ?<br />
Erkennst du Fehler <strong>an</strong> der Maschine, am Material<br />
oder am Produkt ? Was machst du d<strong>an</strong>n ?<br />
Komplexität der Aufgabe, höherwertige Aufgaben<br />
Selbständigkeit, Ver<strong>an</strong>twortung, H<strong>an</strong>dlungsspielraum,<br />
höherwertige Aufgaben<br />
Welche Art von Problemen löst du selber ? Problemlösungsfähigkeit, höherwertige Aufgaben<br />
Bist du auch zuständig für Wartung, Pflege und<br />
Reparatur »deiner« Maschine ?<br />
Technische Kenntnisse, Vielseitigkeit, höherwertige<br />
Aufgaben<br />
Welche Störungen gibt es und was machst du d<strong>an</strong>n ? Kenntnisse, Selbständigkeit, Ver<strong>an</strong>twortung, H<strong>an</strong>dlungsspielraum<br />
Wie und von wem wird die tägliche Arbeitseinteilung<br />
vorgenommen ?<br />
Pl<strong>an</strong>ungsfähigkeit, Ver<strong>an</strong>twortung, Selbständigkeit<br />
Welche Vorgaben erhältst du für deine Arbeit ? Ver<strong>an</strong>twortung, Selbständigkeit<br />
Arbeitest du alleine oder im Team ? Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit<br />
Mit wem stimmst du dich bei deiner Arbeit ab ? Teamfähigkeit, Kooperationsfähigkeit<br />
Mit wem hast du sonst beruflich Kontakt ? Soziale Kompetenzen, Einfühlungsvermögen<br />
Wofür bist du ver<strong>an</strong>twortlich ? Maschine, Menschen, Produkt, Qualität, Sauberkeit,<br />
Arbeitssicherheit<br />
Weist du <strong>an</strong>dere KollegInnen ein oder leitest sie <strong>an</strong> ? Führungsaufgaben, Ver<strong>an</strong>twortung für Menschen<br />
oder die Arbeit <strong>an</strong>derer<br />
Für welche Art von Problemen suchst du selber<br />
Lösungen ?<br />
Was war im letzten Jahr deine schwierigste Aufgabe<br />
?<br />
Arbeitest du im Stehen, im Sitzen, gebückt oder in<br />
einer festen Körperhaltung ?<br />
Was ist das Anstrengende <strong>an</strong> deiner Arbeit ?<br />
Was ist un<strong>an</strong>genehm in deiner Arbeitsumgebung ?<br />
Was nervt m<strong>an</strong>chmal ?<br />
Was fällt dir schwer ?<br />
Problemlösungsfähigkeit, Selbständigkeit<br />
Komplexität der Arbeitsaufgaben, H<strong>an</strong>dlungsspielraum,<br />
Selbständigkeit<br />
Körperliche Belastungen ( Dies ist wichtig für die<br />
Zahlung von Belastungszulagen bzw. den entsprechenden<br />
Freizeitausgleich ! )<br />
Körperliche und psychische Belastungen, Umgebungseinflüsse<br />
( Dies ist wichtig für die Zah-lung<br />
von Belastungszulagen bzw. den entsprechenden<br />
Freizeitausgleich ! )<br />
Arbeitsbeschreibungen
►b. Was ist zu tun ?<br />
►<br />
►<br />
►<br />
Es ist wichtig, dass Arbeitsbeschreibun-<br />
gen als Grundlage für eine spätere Ein-<br />
gruppierung <strong>an</strong>gefertigt werden ! Regel-<br />
überführungen sollte es nicht geben.<br />
Die Grundsätze für geschlechtsneutrale<br />
Arbeitsbeschreibungen müssen eingehal-<br />
ten werden !<br />
Kolleginnen sollten bei der Abfassung<br />
einer vollständigen Arbeitsbeschreibung<br />
von einer Person unterstützt werden, die<br />
viele Fragen stellt und sich nicht mit allzu<br />
kurzen und bescheidenen Beschreibun-<br />
gen der Arbeitsaufgabe bzw. der Tätigkei-<br />
ten zufrieden gibt !<br />
34<br />
►<br />
►<br />
Wenn Zweifel dar<strong>an</strong> bestehen, dass<br />
Arbeitsaufgaben bzw. Tätigkeiten von<br />
Frauen vollständig beschrieben wurden,<br />
müssen die Möglichkeiten, die der <strong>ERA</strong><br />
zur Überprüfung und ggf. Überarbeitung<br />
von Arbeitsbeschreibungen bietet, ge-<br />
nutzt werden.<br />
Teilaufgaben, die nur zeitweise ausge-<br />
führt werden, die Arbeitsaufgabe in ihrer<br />
Gesamtheit aber prägen können, müssen<br />
besonders beachtet werden. Auch sie<br />
müssen, entsprechend der Bestimmun-<br />
gen des jeweiligen <strong>ERA</strong>, ausreichend<br />
berücksichtigt werden. Dies entspricht<br />
dem <strong>neue</strong>n Prinzip der g<strong>an</strong>zheitlichen<br />
Betrachtung von Anforderungen. Es muss<br />
vermieden werden, dass gerade typische<br />
Anforderungen <strong>an</strong> sog. „Frauenarbeits-<br />
plätzen“ als »nicht prägend« unberück-<br />
sichtigt bleiben !<br />
Arbeitsbeschreibungen
c. Was regeln die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s zur Arbeitsbeschreibung?<br />
Die Anfertigung einer Arbeitsbeschreibung<br />
als Grundlage für die Eingruppierung ist nur<br />
im <strong>ERA</strong> von Baden-Württemberg ausdrück-<br />
lich erwähnt [ § 6 ( 4 )] 6 . Hier k<strong>an</strong>n außerdem<br />
jede Seite der Paritätischen Kommission<br />
unter Angabe von Gründen eine Überprüfung<br />
und ggf. Überarbeitung der Arbeitsbeschrei-<br />
bung verl<strong>an</strong>gen [ § 7 ( 3.1 ) ].<br />
In <strong>an</strong>deren Tarifbezirken k<strong>an</strong>n die Notwen-<br />
digkeit der Arbeitsbeschreibung aus den<br />
Formulierungen abgeleitet werden, nach<br />
denen die Eingruppierung entsprechend der<br />
prägenden Anforderungen, Tätigkeiten oder<br />
Teilaufgaben erfolgt. Denn eine Eingruppie-<br />
rung ist demzufolge nur möglich, wenn diese<br />
Anforderungen, Tätigkeiten oder Teilaufga-<br />
ben auch beschrieben wurden.<br />
Ein Beispiel aus dem <strong>ERA</strong> von Nordrhein-<br />
Westfalen soll dies verdeutlichen: In §2 ( 3 )<br />
6 Falls nicht <strong>an</strong>ders erwähnt, beziehen sich die Angaben zu Paragraphen immer auf das Entgeltrahmenabkom-<br />
men bzw. den Entgeltrahmentarifvertrag des Tarifbezirks, der gerade besprochen wird.<br />
35<br />
wird geregelt, dass die Grundlage der Ein-<br />
gruppierung die Einstufung der übertrage-<br />
nen und auszuführenden Arbeitsaufgabe ist.<br />
In §7 ( 3 ) Einführungs-TV werden erforder-<br />
liche Unterlagen erwähnt, auf die der Ar-<br />
beitgeber seinen Eingruppierungsvorschlag<br />
stützt. Aus der Kombination der beiden Pa-<br />
ragraphen ergibt sich, dass eine Arbeitsbe-<br />
schreibung nötig ist, um eine nachvollzieh-<br />
bare und überprüfbare Eingruppierung auf<br />
der Basis der übertragenen Arbeitsaufgaben<br />
vornehmen zu können.<br />
In den <strong>ERA</strong>s der Bezirke Küste und Thüringen<br />
k<strong>an</strong>n die Notwendigkeit von Arbeitsbeschrei-<br />
bungen daraus abgeleitet werden, dass im Falle<br />
eines Einspruchs, dem der Arbeitgeber nicht<br />
stattgibt, die Ablehnung unter Zugrundelegung<br />
der Anforderungsbeschreibung schriftlich zu<br />
begründen ist [§ 2 (5)].<br />
Arbeitsbeschreibungen
Die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s bieten Ch<strong>an</strong>cen für eine<br />
Überprüfung und gerechtere Eingruppie-<br />
rung von Frauenarbeitsplätzen. Wenn sie<br />
genutzt werden sollen, besteht eine wich-<br />
tige Grundlage für die Vorbereitung in den<br />
Betrieben darin, sich einen Überblick über<br />
die Entgeltstruktur zwischen Frauen und<br />
Männern zu verschaffen. Günstig wäre eine<br />
Beschäftigtenstatistik, die nach Tätigkeiten,<br />
Geschlecht und Entgelt aufgeschlüsselt ist<br />
und folgende Daten liefert:<br />
Entgeltdaten:<br />
• Wer verdient wie viel ?<br />
• Welchen Anteil haben Frauen und Männer<br />
<strong>an</strong> den Entgeltgruppen ?<br />
• Wie viel Prozent der beschäftigten Frauen<br />
und Männer sind in den höchsten bzw.<br />
niedrigsten Entgeltgruppen eingruppiert ?<br />
Daten zu Tätigkeiten:<br />
• Welche Tätigkeiten /Arbeitsplätze gibt es<br />
im Betrieb ?<br />
• Welche Arbeitsplätze werden hauptsäch-<br />
lich von Frauen, welche hauptsächlich<br />
36<br />
von Männern ausgeübt ?<br />
• In welchen Entgeltgruppen sind die Ar-<br />
beitsplätze eingruppiert, die entweder<br />
hauptsächlich von Frauen oder von Män-<br />
nern ausgeübt werden ?<br />
Solche statistischen Daten liegen leider oft<br />
nicht vor. Doch selbst d<strong>an</strong>n ist es möglich,<br />
aus der Kenntnis des Betriebes heraus typi-<br />
sche Arbeitsplätze von Frauen und Männern<br />
zu suchen und mit Hilfe von Paarvergleichen<br />
auf Diskriminierungsfreiheit zu überprüfen.<br />
Bei einem Paarvergleich werden Tätigkeiten<br />
mitein<strong>an</strong>der verglichen, die typischerweise<br />
von Frauen bzw. von Männern ausgeübt wer-<br />
den, z. B. Maschinenbediener und Schreib-<br />
kraft. Verglichen werden nun einerseits die<br />
bisherigen Entgelte <strong>an</strong> den beiden Arbeits-<br />
plätzen und die Wertigkeit der Arbeitsplätze<br />
<strong>an</strong>dererseits. Wenn eine diskriminierungs-<br />
freie Bewertung der Arbeit ergibt, dass beide<br />
Arbeitsplätze gleichwertig sind, müssen die<br />
Arbeitsplätze in derselben Entgeltgruppe<br />
eingruppiert sein. Anderenfalls läge eine<br />
begründete Vermutung für Diskriminierung<br />
vor. 7<br />
Typische Arbeitsaufgaben und Paarvergleiche<br />
4.2 Der St<strong>an</strong>d der Dinge: Typische Arbeitsaufgaben und Paarvergleiche<br />
7 Ausführliche Beschreibungen des Vorgehens und der rechtlichen Hintergründe für Paarvergleiche finden sich<br />
in: DGB (Hrsg.): Entgeltgleichheit für Frauen und Männer. Ein Seminarkonzept des DGB, Berlin 2003, S. 65 – 71<br />
Beschäftigungs- und<br />
Entgeltdaten aufberei-<br />
ten und <strong>an</strong>alysieren.<br />
Mit Paarvergleichen<br />
Diskriminierung ent-<br />
decken !
Ein Beispiel aus der Fachliteratur:<br />
Schreibkraft: Gehaltsstufe G2 Lagerarbeiter: Lohngruppe LG IV<br />
Zu 95Prozent weiblich besetzt<br />
Einstiegsgehalt: 1.510 5<br />
Endgehalt nach 7 Tätigkeitsjahren<br />
1.800 5<br />
Kein Aufstieg in die nächsthöhere<br />
Gruppe vorgesehen<br />
Bewertungskriterien:<br />
1. Kenntnisse: abgeschlossene<br />
Berufsausbildung oder gleichwertige<br />
Ausbildung<br />
2. Auch erworben durch mehrjährige<br />
<strong>an</strong>derweitige Qualifikation<br />
Keine Zulagen<br />
37<br />
Zu 85 Prozent männlich besetzt<br />
Lohn: 1.645 5<br />
Keine Stufendifferenz nach Tätigkeitsjahren<br />
Aufstieg in Lohngruppe V nach<br />
fünfjähriger Tätigkeit möglich<br />
( Einstieg: 1.940 5 )<br />
Bewertungskriterien:<br />
1. Kenntnisse: sechsmonatige<br />
Einarbeitung<br />
2. Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit<br />
3. Ver<strong>an</strong>twortung für Betriebsmittel<br />
Zulagen für erhöhte Belastungen:<br />
80 5<br />
Einstiegsgehalt: 1.570 5 /Monat Lohn: 1.725 5 /Monat<br />
An diesem Beispiel ist direkt in mehrfacher<br />
Hinsicht eine Diskriminierung nachweisbar.<br />
Anh<strong>an</strong>d dieses Beispiels wird besonders<br />
deutlich, worauf bei Paarvergleichen zu ach-<br />
ten ist.<br />
Paarvergleiche, sind eine Möglichkeit, Ge-<br />
schlechterdiskriminierungen sichtbar zu<br />
machen. Ergeben sich keine signifik<strong>an</strong>ten<br />
Unterschiede, ist <strong>an</strong>zunehmen, das diskrimi-<br />
nierungsfrei bewertet wird.<br />
Typische Arbeitsaufgaben und Paarvergleiche
Formular für Paarvergleiche<br />
Fragen<br />
Welche Entgeltgruppe ?<br />
Frauen- bzw. Männer<strong>an</strong>teil<br />
<strong>an</strong> diesem Arbeitsplatz ?<br />
Einstiegsentgelt ?<br />
Endstufe in der Entgeltgruppe ?<br />
Nach wieviel Jahren erreicht ?<br />
Höhergruppierung vorgesehen ?<br />
Bewertungskriterien ?<br />
Zulagen ?<br />
Sonstige Besonderheiten ?<br />
38<br />
Arbeitsplatz 1<br />
------------------------------------------------<br />
Typische Arbeitsaufgaben und Paarvergleiche<br />
Arbeitsplatz 2<br />
------------------------------------------------
4.3. Gleich und gleich gesellt sich gern: Richt- und Niveaubeispiele<br />
a. Was sind Richt- und Niveaubeispiele und wo liegen ihre<br />
Diskriminierungsgefahren?<br />
Zunächst ein Hinweis auf die Wortwahl: Mit<br />
Richt- bzw. Niveaubeispielen ist zunächst<br />
einmal – von außen betrachtet – etwas ähn-<br />
liches gemeint. In den Tarifbezirken werden<br />
die Bezeichnungen jedoch unterschiedlich<br />
verwendet:<br />
Niveaubeispiel:<br />
Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen<br />
Richtbeispiel:<br />
Niedersachsen<br />
tarifliches Niveaubeispiel, betriebliches<br />
Richtbeispiel:<br />
Thüringen<br />
Richt- oder Niveaubeispiele sind Beschrei-<br />
bungen und Eingruppierungen ausgewählter<br />
Arbeitsplätze, die für eine große Zahl von<br />
Arbeitsplätzen als typisch <strong>an</strong>gesehen werden.<br />
Sie werden auf tariflicher Ebene zwischen<br />
der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> und den Arbeitgeberverbänden<br />
vereinbart und können auch nur von ihnen<br />
wieder verändert werden. Sie bieten Orien-<br />
tierung bei der Eingruppierung, aber ihre<br />
Verbindlichkeit unterscheidet sich von Bezirk<br />
zu Bezirk bzw. von Tarifgebiet zu Tarifgebiet.<br />
Während die Niveaubeispiele in Baden-<br />
Württemberg zu einem festen und verbindli-<br />
chen Best<strong>an</strong>dteil des Systems der Bewertung<br />
und Einstufung werden [§ 5 (2.2 )], dienen<br />
sie in Nordrhein-Westfalen lediglich als Ori-<br />
39<br />
entierungshilfe und sind nicht verbindlich<br />
<strong>an</strong>zuwenden. In der Regel können Richt- und<br />
Niveaubeispiele nicht die g<strong>an</strong>ze vielschichti-<br />
ge betriebliche Wirklichkeit abbilden. Es gibt<br />
unzählig viele Tätigkeiten in der <strong>Metall</strong>- und<br />
Elektroindustrie, die sich außerdem bestän-<br />
dig verändern. Durch die Beispiele wird aber<br />
deutlich, welches ( Entgelt- ) Niveau sich die<br />
Tarifvertragsparteien für welche Arbeitsauf-<br />
gaben bzw. Tätigkeiten vorgestellt haben.<br />
Die Regelungen zu Richt- und Niveaubei-<br />
spielen sind in den Tarifbezirken also nicht<br />
einheitlich (► Abschnitt c ). So benötigen<br />
beispielsweise <strong>an</strong>alytische Arbeitsbewer-<br />
tungsverfahren systembedingt eine größere<br />
Anzahl von Niveaubeispielen. Damit erklärt<br />
sich, warum beispielsweise im Bezirk Baden-<br />
Württemberg 122 Niveaubeispiele vereinbart<br />
wurden, aber in Niedersachsen nur zehn<br />
Richtbeispiele. Im Bezirk Küste gibt es gar<br />
keine Richtbeispiele, sondern ausschließlich<br />
betriebliche Regelungen.<br />
Die Diskriminierungsgefahren bei der For-<br />
mulierung von Richt- und Niveaubeispielen<br />
liegen natürlich zunächst überall dort, wo bei<br />
der Arbeitsbeschreibung und der Anwendung<br />
des Arbeitsbewertungsverfahrens Arbeit von<br />
Frauen unterbewertet werden k<strong>an</strong>n. Insofern<br />
gelten die Hinweise aus Kapitel 4.1 und 4.4<br />
für Richt- und Niveaubeispiele ebenfalls.<br />
Richt- und Niveaubeispiele<br />
Richt- und Niveau-<br />
beispiele werden in<br />
den Tarifbezirken<br />
unterschiedlich ge-<br />
h<strong>an</strong>dhabt.
Aber darüber hinaus besitzt die Vereinba-<br />
rung von Richt- und Niveaubeispielen auch<br />
eine nur ihr eigene Diskriminierungsgefahr:<br />
Wenn die Richt- oder Niveaubeispiele die An-<br />
teile und die Eigenschaften von sogen<strong>an</strong>nten<br />
typischen Frauen- und Männerarbeitsplätzen<br />
nicht <strong>an</strong>gemessen repräsentieren, können<br />
Frauen- und Männerarbeitsplätze nicht <strong>an</strong>ge-<br />
messen eingruppiert werden. Wenn also z. B.<br />
unter den Richtarbeitsplätzen überwiegend<br />
Männerarbeitsplätze vertreten sind, d<strong>an</strong>n<br />
k<strong>an</strong>n für einen typischen Frauenarbeitsplatz<br />
nur schwer ein Beispiel gefunden werden,<br />
das diesem Arbeitsplatz ähnlich und gleich<br />
zu bewerten ist.<br />
Ähnlich ungünstig wäre es, wenn die B<strong>an</strong>d-<br />
breite der überwiegend von Frauen besetz-<br />
ten Arbeitsplätze mit den Richt- und Niveau-<br />
beispielen nicht abgedeckt wäre. Auch d<strong>an</strong>n<br />
würde z. B. für die höherwertigen Arbeits-<br />
plätze von Frauen eine Entsprechung im Ka-<br />
talog der Richt- und Niveaubeispiel fehlen.<br />
Die Formulierungen der Richt- und Niveau-<br />
beispiele müssen geschlechtsneutral sein,<br />
dürfen also keinen Hinweis darauf geben, ob<br />
dieser Arbeitsplatz überwiegend von Frauen<br />
oder von Männern ausgeübt wird. Damit soll<br />
verhindert werden, dass Vorurteile und dis-<br />
kriminierende Vorstellungen über den gerin-<br />
geren Wert von typischen Frauenarbeitsplät-<br />
zen ( mehr oder weniger bewusst ) die Be-<br />
wertung und Eingruppierung der Richt- und<br />
Niveaubeispiele beeinflussen.<br />
40<br />
Tarifliche Kataloge von Richt- oder Ni-<br />
veaubeispielen können – wie weiter oben<br />
erwähnt – die betrieblichen Notwendigkei-<br />
ten und auch die Voraussetzung eines ge-<br />
schlechtsspezifisch ausgewogenen Katalogs<br />
von Beispielen nie g<strong>an</strong>z erfüllen. Deshalb<br />
wird in den meisten Tarifverträgen die Mög-<br />
lichkeit zur Ergänzung durch betriebliche<br />
Richt- oder Niveaubeispiele gegeben, um die<br />
Verhältnisse »vor Ort« ausreichend berück-<br />
sichtigen zu können. Wenn also die tarifli-<br />
chen Richt- oder Niveaubeispiele die im Be-<br />
trieb vorh<strong>an</strong>denen Frauenarbeitsplätze nicht<br />
ausreichend oder nicht in der ausreichenden<br />
B<strong>an</strong>dbreite abdecken ( können ), d<strong>an</strong>n müs-<br />
sen auf betrieblicher Ebene entsprechende<br />
Richt- und Niveaubeispiele vereinbart wer-<br />
den, um diese Lücke zu füllen.<br />
Um die Diskriminierungsfreiheit des Kata-<br />
logs von Richt- und Niveaubeispielen korrekt<br />
beurteilen zu können, werden ausführliche<br />
Informationen zum Anteil von Frauen und<br />
Männern <strong>an</strong> der Besetzung von Arbeitsplät-<br />
zen oder Arbeitsplatzgruppen im Betrieb<br />
bzw. im Tarifbezirk benötigt. Wenn und so-<br />
l<strong>an</strong>ge dieses Datenmaterial nicht vorliegt,<br />
muss der Katalog <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von Erfahrungs-<br />
wissen überprüft werden.<br />
Grundsätzlich gilt überall: Entscheidend für<br />
die Eingruppierung sind die Entgeltgrup-<br />
pentexte, die in den <strong>ERA</strong>s vereinbart wur-<br />
den und die konkrete Arbeitsaufgabe oder<br />
Tätigkeit.<br />
Richt- und Niveaubeispiele<br />
Tarifliche und<br />
betriebliche Richt-<br />
und Niveaubeispiele<br />
Auch auf Diskriminie-<br />
rungsfreiheit von<br />
Richt- und Niveaubei-<br />
spielen achten !
Deswegen sollte die Beschreibung der<br />
Tätigkeiten, die eine Person <strong>an</strong> ihrem Ar-<br />
beitsplatzbeschreibung können muss, auch<br />
möglichst vollständig sein (►Kapitel 4.1 ). Es<br />
ist wichtig, dass die Arbeitsbeschreibungen<br />
möglichst ohne Kenntnis oder zumindest<br />
ohne Bezug auf die tariflichen und auch<br />
betrieblichen Beispiele erstellt werden.<br />
Ansonsten besteht die Gefahr, dass die<br />
Aufschreibung durch die vorh<strong>an</strong>denen Bei-<br />
spiele gelenkt wird und dadurch traditionelle<br />
Vorstellungen über den geringeren Wert von<br />
Frauenarbeitsplätzen erneut ( bewusst oder<br />
41<br />
unbewusst ) Einfluss nehmen können oder<br />
auch Anforderungen, die <strong>an</strong> den konkreten<br />
Arbeitsplatz gestellt werden, einfach verges-<br />
sen werden. Erst nachdem die abgeforderten<br />
Anforderungen wirklich vollständig erfasst<br />
wurden, sollte eine Übertragung auf die ta-<br />
rifvertraglichen Vereinbarungen stattfinden.<br />
Auch für diese Übertragung können vorh<strong>an</strong>-<br />
dene Richt- und Niveaubeispiele hilfreich<br />
sein.<br />
Folgende Grundsätze gelten also bei der<br />
Auswahl von Richt- und Niveaubeispielen:<br />
Richt- und Niveaubeispiele<br />
Die Arbeitsbeschrei-<br />
bung muss unabhän-<br />
gig von den Richt-<br />
und Niveaubeispielen<br />
erfolgen.
42<br />
Grundsätze für die geschlechtsneutrale Auswahl<br />
von Richt- und Niveaubeispielen<br />
1) Der Katalog der Richt- und Niveaubeispiele muss sowohl Arbeitsplät-<br />
ze enthalten, die überwiegend von Männern besetzt werden, als auch<br />
solche, die überwiegend von Frauen besetzt sind. Außerdem sollten<br />
Arbeitsplätze berücksichtigt werden, die zu gleichen Anteilen von<br />
Frauen und Männern besetzt werden.<br />
2) Der Anteil der überwiegend von Frauen, überwiegend von Männern<br />
und gemischt besetzten Arbeitsplätze muss dem jeweiligen Anteil in<br />
der betrieblichen Realität entsprechen.<br />
3) Die B<strong>an</strong>dbreite der Wertigkeit der Arbeitsplätze bzw. der Entgeltgrup-<br />
pen muss ebenfalls der in der betrieblichen Realität entsprechen.<br />
4) Die Formulierungen der Richt- und Niveaubeispiele müssen ge-<br />
schlechtsneutral sein.<br />
5) Gemäß den Bestimmungen des Tarifvertrages müssen betriebliche<br />
Richt- und Niveaubeispiele den tariflichen Katalog so ergänzen, dass<br />
die gen<strong>an</strong>nten Grundsätze erfüllt werden.<br />
6) Die Formulierung von Richt- und Niveaubeispielen einerseits und Ar-<br />
beitsplatzbeschreibungen <strong>an</strong>dererseits muss unabhängig vonein<strong>an</strong>-<br />
der erfolgen, um eventuelle Diskriminierungen nicht zu übertragen.<br />
Im Idealfall sind die Richt- und Niveaubeispiele denjenigen, die die<br />
Arbeitsplatzbeschreibungen formulieren, noch nicht bek<strong>an</strong>nt.<br />
Richt- und Niveaubeispiele
43<br />
►b. Was ist zu tun ?<br />
►<br />
►<br />
►<br />
Zuerst muss geprüft werden, ob unter<br />
den tariflichen Richt- oder Niveaubei-<br />
spielen Arbeitsplätze sind, die im Betrieb<br />
überwiegend von Frauen besetzt werden.<br />
Ihr Anteil und ihre Zusammensetzung<br />
sollten die Beschäftigung von Frauen im<br />
Betrieb widerspiegeln !<br />
Außerdem muss geprüft werden, ob auch<br />
die höherwertigen Frauenarbeitsplätze<br />
des Betriebes <strong>an</strong>gemessen unter den<br />
Richt- oder Niveaubeispielen vertreten<br />
sind ! Am besten werden für jede Entgelt-<br />
gruppe jeweils mindestens ein Beispiel<br />
für einen sogen<strong>an</strong>nten »Frauen-« und ei-<br />
nen sogen<strong>an</strong>nten »Männerarbeitsplatz«<br />
aufgenommen !<br />
Wenn festgestellt wird, dass wichtige Ar-<br />
beitsfelder von Frauen in den Katalogen<br />
der Richt- und Niveaubeispielen nicht<br />
enthalten sind, müssen die Möglichkei-<br />
ten des jeweils geltenden <strong>ERA</strong> zur Erar-<br />
beitung ergänzender betrieblicher Richt-<br />
oder Niveaubeispiele genutzt werden !<br />
Richt- und Niveaubeispiele
c. Was regeln die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s zu Richt- und Niveaubeispielen ?<br />
In den Tarifbezirken Baden-Württemberg,<br />
Küste, Niedersachsen und Thüringen ist die<br />
Vereinbarung betrieblicher Ergänzungsbei-<br />
spiele möglich. Im Bezirk Nordrhein-West-<br />
falen ist dies gemäß <strong>ERA</strong> nicht vorgesehen,<br />
da die von den Tarifparteien gemeinsam<br />
bewerteten und eingruppierten Niveaubei-<br />
spiele nur als Orientierungshilfe dienen und<br />
für die Eingruppierung der Beschäftigten<br />
ihre konkrete Arbeitsaufgabe maßgeblich<br />
ist.<br />
Für die Erarbeitung der Ergänzungsbeispiele<br />
sind in Baden-Württemberg und Nieder-<br />
44<br />
sachsen die Paritätischen Kommissionen zu-<br />
ständig, in Thüringen die Betriebsparteien.<br />
Wichtig sind auch die Regelungen zur Über-<br />
arbeitung und Aktualisierung der Richt- und<br />
Niveaubeispiele. In Baden-Württemberg<br />
wird eine Überprüfung aufgrund der techni-<br />
schen und org<strong>an</strong>isatorischen Entwicklung<br />
stattfinden und die Niveaubeispiele sollen<br />
»möglichst unverzüglich« ergänzt werden.<br />
In Niedersachsen und Thüringen soll eine<br />
Überprüfung bei Bedarf, mindestens aber<br />
alle fünf Jahre sowie bei einer Neuordnung<br />
von Berufsbildern erfolgen.<br />
4.4. Was wird eigentlich bewertet? Anforderungsarten in den <strong>ERA</strong>s<br />
a. Wie müssen Anforderungsarten ausgewählt, beschrieben und gewichtet<br />
werden, damit sie diskriminierungsfrei sind ?<br />
Die Auswahl der Anforderungsarten ist ein<br />
zentrales Element jedes Arbeitsbewertungs-<br />
verfahrens. Mit dieser Auswahl wird ent-<br />
schieden, welche Anforderungen überhaupt<br />
vergütet werden und welcher Anforderung<br />
wie viel Bedeutung, sprich: wie viel Geld<br />
zukommt.<br />
Hierin drückt sich die Vorstellung der Gestal-<br />
terInnen des Arbeitsbewertungsverfahrens<br />
darüber aus, was als <strong>an</strong>forderungsgerechtes<br />
Entgelt zu verstehen ist: Welchen Einfluss<br />
auf die Entgelthöhe soll die Anforderung <strong>an</strong><br />
die erforderliche Ausbildung haben ? Ist die<br />
Ver<strong>an</strong>twortung für Menschen eine Anforde-<br />
rung, die bezahlt werden soll ? Wie werden<br />
Anforderungen <strong>an</strong> die Kommunikations- und<br />
Kooperationsfähigkeit vergütet ? Wie wirkt<br />
sich die Übernahme von Führungsaufgaben<br />
auf die Entgelthöhe aus ? Über solche Fragen<br />
muss bei der Gestaltung eines Arbeitsbewer-<br />
tungsverfahrens entschieden werden.<br />
Für die Be<strong>an</strong>twortung dieser Fragen, also<br />
für die Auswahl und für die Gewichtung von<br />
Anforderungsarten, gibt es allerdings keine<br />
wissenschaftliche Regel, keinen objektiv<br />
und immer richtigen Katalog. Sondern das,<br />
was als Anforderungskriterium ausgewählt<br />
und wie es gewichtet wird, ist abhängig von<br />
Anforderungsarten<br />
Was regeln die <strong>neue</strong>n<br />
<strong>ERA</strong>s zu Richt- und<br />
Niveaubeispielen ?<br />
Was ist als ( <strong>an</strong>forde-<br />
rungs- ) gerechte Ver-<br />
gütung <strong>an</strong>zusehen ?<br />
Für die Auswahl der<br />
Anforderungsarten<br />
gibt es keine objekti-<br />
ven Regeln.
den Vorstellungen, Meinungen und Überzeu-<br />
gungen derjenigen, die das Arbeitsbewer-<br />
tungsverfahren gestalten – in unserem Fall<br />
also die Tarifparteien. Diese Vorstellungen,<br />
Meinungen und Überzeugungen wiederum<br />
sind abhängig von der Kultur und der Gesell-<br />
schaft, in der wir leben: von gesellschaftli-<br />
chen Werten und Normen. Gesellschaftliche<br />
Werte und Normen verändern sich im Laufe<br />
der Zeit und damit verändern sich auch die<br />
Vorstellungen darüber, was als ( <strong>an</strong>forde-<br />
rungs- ) gerechte Vergütung <strong>an</strong>zusehen ist.<br />
War m<strong>an</strong> z. B. noch in den fünfziger Jahren<br />
weitgehend davon überzeugt, dass körper-<br />
lich schwere Arbeit durch die Be<strong>an</strong>spru-<br />
chung der Muskeln gegeben ist ( sogen<strong>an</strong>nte<br />
»harte Männerarbeit« also ), setzte sich im<br />
Zuge der sogen<strong>an</strong>nten Leichtlohnklagen der<br />
siebziger und achtziger Jahre die Vorstellung<br />
durch, dass alle Umstände, die den mensch-<br />
lichen Org<strong>an</strong>ismus belasten, zu körperlich<br />
schwerer Arbeit führen können ( also z. B.<br />
auch die Arbeit der Montagearbeiterin ). Dies<br />
war ein wichtiger Erfolg für eine gerechtere<br />
Bewertung und Bezahlung von Frauenar-<br />
beitsplätzen. Dass es nun – mit den <strong>neue</strong>n<br />
<strong>ERA</strong>s – gelungen ist, die Belastungen aus<br />
der Findung der Grundentgelte vollständig<br />
herauszunehmen, ist ein weiterer wichtiger<br />
Schritt zur Vermeidung von Frauendiskimi-<br />
nierung.<br />
45<br />
Da es keine objektiv richtige Auswahl und<br />
Gewichtung von Anforderungsarten gibt,<br />
sondern nur eine gesellschaftlich beein-<br />
flusste, können traditionelle Vorstellungen<br />
über den Wert von Frauen- und Männerarbeit<br />
Eing<strong>an</strong>g in das Bewertungssystem finden.<br />
Eben diese traditionellen Vorstellungen<br />
führen, wie viele Untersuchungen nachge-<br />
wiesen haben, zu einer Unterbewertung von<br />
Frauenarbeit, und damit zu einer indirekten<br />
Entgeltdiskriminierung von Frauen. In der<br />
Fachliteratur werden bisher folgende Ein-<br />
fallstore für Entgeltdiskriminierung von Frau-<br />
en beschrieben: 8<br />
1. Anforderungen, die <strong>an</strong> männerdominier-<br />
ten Arbeitsplätzen häufiger vorkommen,<br />
werden unter verschiedenen Bezeichnun-<br />
gen doppelt oder gar mehrfach erfasst,<br />
z. B. erforderliche Kenntnisse, erforderli-<br />
che Ausbildung und Denk<strong>an</strong>forderungen.<br />
2. Es werden Anforderungen bewertet, die<br />
Frauen und Männer aus gesellschaftli-<br />
chen oder physischen Gründen unter-<br />
schiedlich leicht erfüllen können. Z. B.<br />
können Frauen die Anforderung »zeitli-<br />
che Flexibilität« aus gesellschaftlichen<br />
Gründen schlechter erfüllen als Männer.<br />
Denn aufgrund der immer noch weit ver-<br />
breiteten Rollenverteilung in der Familie<br />
benötigen sie pl<strong>an</strong>bare Arbeitszeiten, um<br />
8 in Anlehnung <strong>an</strong>: DGB ( Hrsg. ): Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit – H<strong>an</strong>dreichung zur Anwendung des<br />
Gleichbeh<strong>an</strong>dlungsgebotes in Tarifverträgen, Berlin 2003, S. 17<br />
Anforderungsarten<br />
Auswahl und Definiti-<br />
on von Anforderungs-<br />
arten verändern sich<br />
mit gesellschaftlichen<br />
Vorstellungen<br />
Welche »Diskriminie-<br />
rungsfallen« wurden<br />
bisher beschrieben ?
ihren familiären Pflichten nachkommen<br />
zu können.<br />
3. Anforderungen werden einseitig und<br />
eingeschränkt ausgelegt, z. B. Ver<strong>an</strong>t-<br />
wortung wird nur als Ver<strong>an</strong>twortung für<br />
Fin<strong>an</strong>zen oder Maschinen, nicht aber als<br />
Ver<strong>an</strong>twortung für Menschen verst<strong>an</strong>den,<br />
was aber <strong>an</strong> frauendominierten Arbeits-<br />
plätzen häufig vorkommt.<br />
4. Es werden vage Formulierungen verwen-<br />
det, so dass tradierte Vorstellungen über<br />
den geringeren Wert von Frauenarbeit in<br />
die Bewertung einfließen können.<br />
5. Anforderungen, die vor allem auf männer-<br />
dominierte Tätigkeiten zutreffen, werden<br />
besonders stark gewichtet, z. B. Ver<strong>an</strong>twor-<br />
tung für Maschinen und Material oder Auf-<br />
gaben mit hohem Entscheidungsspielraum.<br />
6. Bestimmte Anforderungen, die <strong>an</strong> frauen-<br />
dominierten Arbeitsplätzen auftreten,<br />
werden dort nicht berücksichtigt und da-<br />
mit auch nicht bezahlt, <strong>an</strong> männerdomi-<br />
nierten Arbeitsplätzen jedoch schon ( z. B.<br />
Ver<strong>an</strong>twortung ). Dies ist insbesondere<br />
d<strong>an</strong>n möglich, wenn unterschiedliche<br />
Arbeitsbewertungsverfahren und Anfor-<br />
derungsarten verwendet werden, z. B. für<br />
Angestellte und für ArbeiterInnen, wobei<br />
das Verfahren, das für die meisten Frauen<br />
gilt, die Anforderungen <strong>an</strong> deren Arbeits-<br />
plätzen nicht berücksichtigt.<br />
46<br />
7. Bestimmte Anforderungen, die <strong>an</strong> frau-<br />
endominierten Arbeitsplätzen häufig<br />
vorkommen, werden erst d<strong>an</strong>n bewer-<br />
tet, wenn <strong>an</strong>dere Anforderungen auch<br />
erfüllt sind. Einzelne Anforderungen<br />
werden dadurch <strong>an</strong>ein<strong>an</strong>der gebunden.<br />
Z. B. wird Ver<strong>an</strong>twortung nur <strong>an</strong> den Ar-<br />
beitsplätzen bewertet, <strong>an</strong> denen hohe<br />
Kenntnisse und mehrjährige Erfahrung<br />
erforderlich sind.<br />
8. Anforderungen <strong>an</strong> frauendominierten<br />
Arbeitsplätzen werden erst d<strong>an</strong>n bewer-<br />
tet, wenn sie einen bestimmten Zeit<strong>an</strong>teil<br />
erreichen.<br />
M<strong>an</strong>che dieser Diskriminierungsfallen wur-<br />
den mit den <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s ausgeschlossen.<br />
Vor allem sind durch den gemeinsamen<br />
Rahmentarifvertrag für ArbeiterInnen und<br />
Angestellte die Diskriminierungsgefahren<br />
geb<strong>an</strong>nt worden, die in unterschiedlichen Ta-<br />
rifverträgen liegen ( Ziffer 6 der Aufstellung ).<br />
Andere Gefahren treten in den <strong>ERA</strong>s gar nicht<br />
erst auf, da entsprechende Vorschriften nicht<br />
vorkommen: so z. B. das Anein<strong>an</strong>der-Binden<br />
von Anforderungsarten, wie es in Ziffer 7<br />
der Aufstellung beschrieben wird oder das<br />
Voraussetzen eines bestimmten Zeit<strong>an</strong>teils<br />
( Ziffer 8 der Aufstellung ).<br />
Um <strong>an</strong>dere mögliche Diskriminierungsgefah-<br />
ren <strong>an</strong>zugehen, gilt es die H<strong>an</strong>dlungsspiel-<br />
räume, die die <strong>ERA</strong>s bieten auszuschöpfen.<br />
Anforderungsarten<br />
M<strong>an</strong>che Diskriminie-<br />
rungsgefahren sind in<br />
den <strong>ERA</strong>s von vorn-<br />
hereinausgeschlos- sen, …<br />
… auf m<strong>an</strong>che muss<br />
bei der betrieblichen<br />
Umsetzung geachtet<br />
werden.
. Welche <strong>neue</strong>n Spielräume eröffnen die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s?<br />
Mit dem Abschluss der <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s wurden<br />
wichtige Erfolge erzielt und im Vergleich zu<br />
den alten Rahmentarifverträgen Spielräume<br />
geschaffen, die es nun zu nutzen gilt, um<br />
eine Unterbewertung von Frauenarbeitsplät-<br />
zen zu vermeiden.<br />
Vor allem unter drei Aspekten ergeben sich<br />
<strong>neue</strong> Ch<strong>an</strong>cen für eine gerechtere Eingrup-<br />
pierung von Frauen:<br />
Höhere Durchlässigkeit der Entgeltgruppen<br />
<strong>Eine</strong> höhere Durchlässigkeit der Entgelt-<br />
gruppen ist dadurch gegeben, dass es<br />
<strong>an</strong> einigen Stellen möglich geworden ist,<br />
Beispiel Erfahrung:<br />
Die Anforderungsart »Erfahrung« k<strong>an</strong>n sich<br />
nachteilig für Frauen auswirken, wenn sie<br />
ausschließlich als tatsächliche Verweildau-<br />
er auf dem Arbeitsplatz verst<strong>an</strong>den wurde.<br />
Denn Frauen können aufgrund ihrer häufige-<br />
ren In<strong>an</strong>spruchnahme von Elternzeit dieses<br />
Kriterium im Durchschnitt schlechter erfüllen<br />
47<br />
• durch die höhere Durchlässigkeit der<br />
Entgeltgruppen,<br />
• die Möglichkeit der In<strong>an</strong>spruchnahme<br />
der Zusatzstufen und<br />
• eine g<strong>an</strong>zheitlichere Definition der Anfor-<br />
derungsarten.<br />
die geforderte Anforderungsart durch das<br />
Erfüllen eines <strong>an</strong>deren Kriteriums zu erset-<br />
zen.<br />
als Männer. <strong>Eine</strong> gerechtere Bewertung<br />
der Anforderungen eines Arbeitsplatzes ist<br />
d<strong>an</strong>n möglich, wenn Erfahrung als die Zeit<br />
verst<strong>an</strong>den wird, die für die Beherrschung<br />
der Arbeitsaufgabe erforderlich ist. Diese<br />
alternative Definition k<strong>an</strong>n in den <strong>ERA</strong>s <strong>an</strong>-<br />
gewendet werden.<br />
Anforderungsarten<br />
Erfahrung ist die Zeit,<br />
die für die Berherr-<br />
schung der Arbeits-<br />
aufgabe erforderlich<br />
ist, nicht allein die<br />
Zeit, in der eine Per-<br />
son eine bestimmte<br />
Arbeitsaufgabe er-<br />
ledigt.
Aus den <strong>ERA</strong>s:<br />
Für den Bezirk Baden-Württemberg<br />
ist dies in Anlage 1, Punkt 1.2.2 aus-<br />
drücklich so beschrieben. Im <strong>ERA</strong> für<br />
Nordrhein-Westfalen findet sich eine<br />
entsprechende Formulierung in der<br />
Anlage 1a unter Punkt 1.<br />
Im Bezirk Küste wird Berufserfahrung<br />
ab Entgeltgruppe E5 zum Eingrup-<br />
pierungskriterium. Allerdings k<strong>an</strong>n<br />
Berufserfahrung in jeder Entgeltgruppe<br />
auch ‚auf einem <strong>an</strong>deren Wege erwor-<br />
ben‘ sein. Hierzu sagt § 3 ( 2 ): „Kennt-<br />
nisse und Fertigkeiten gelten als auf<br />
<strong>an</strong>derem Wege erworben im Sinne der<br />
Entgeltgruppen 4 – 11, wenn der Be-<br />
schäftigte die Anforderungen der je-<br />
weiligen Entgeltgruppe erfüllt.“ Diese<br />
Formulierung bietet die Möglichkeit,<br />
den Nachteil von Frauen beim Kriteri-<br />
um »Berufserfahrung« auszugleichen.<br />
48<br />
Auch im Bezirk Niedersachsen ist es<br />
ab Entgeltgruppe 5 möglich, die gefor-<br />
derten Kenntnisse und /oder Fertigkei-<br />
ten ‚auf <strong>an</strong>derem Wege erworben‘ zu<br />
haben und somit die Berufserfahrung<br />
auf dem speziellen Arbeitsplatz zu<br />
ersetzen. In Entgeltgruppe 4 wird ‚Er-<br />
fahrung im ausgeübten Tätigkeitsfeld‘<br />
gefordert, so dass auch hier keine un-<br />
unterbrochene Beschäftigung auf dem<br />
Arbeitsplatz nötig ist.<br />
Für den Bezirk Thüringen ist in<br />
§ 3 (5) ebenfalls geregelt, dass für die<br />
Eingruppierung allein die Tätigkeit,<br />
nicht aber die Ausbildung des /der Be-<br />
schäftigten maßgeblich ist und dass die<br />
erforderlichen Qualifikationen auch auf<br />
<strong>an</strong>derem Weg erworben sein können.<br />
Anforderungsarten<br />
Ba-Wü, Niedersachsen<br />
NRW<br />
Küste<br />
Thüringen<br />
Notwendige Fähig-<br />
keiten, die für die<br />
Erledigung einer<br />
Arbeitsaufgabe benö-<br />
tigt werden, können<br />
auch außerhalb des<br />
Betriebes erworben<br />
werden
Beispiel Anlernzeiten:<br />
In den unteren Entgeltgruppen ist es bei den<br />
meisten <strong>ERA</strong>s für die Eingruppierung ent-<br />
scheidend, wie l<strong>an</strong>ge die Unterweisung oder<br />
das Anlernen dauern muss, um den Arbeits-<br />
platz beherrschen zu können. Die erforder-<br />
liche Dauer der Anlernzeit ist allerdings ein<br />
Wert, der auf Schätzungen und Erfahrung<br />
beruht und nicht objektiv gemessen oder<br />
festgestellt werden k<strong>an</strong>n. Für Frauen ergibt<br />
sich d<strong>an</strong>n ein Nachteil, wenn bei der Berech-<br />
nung der Anlernzeiten bestimmte Kennt-<br />
nisse und Fertigkeiten nicht berücksichtigt<br />
werden, die sie aufgrund ihrer Erziehung<br />
und traditionellen Rollenzuschreibung mit-<br />
bringen. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten,<br />
die Frauen scheinbar »von Hause aus« mit-<br />
bringen, sind beruflich verwertete Qualifika-<br />
tionen: Sie verkürzen die tatsächlich erfor-<br />
derliche Anlernzeit im Betrieb. Dies darf aber<br />
nicht zu einer geringeren Eingruppierung<br />
des Arbeitsplatzes führen, sondern muss als<br />
Qualifikation bei der Bewertung des Arbeits-<br />
platzes und der Eingruppierung <strong>an</strong>gemessen<br />
bewertet werden.<br />
Dieses Argument trifft besonders dort zu,<br />
wo Frauen <strong>an</strong> Arbeitsplätzen arbeiten, die<br />
49<br />
mit der Haus- oder Familienarbeit verw<strong>an</strong>dt<br />
sind. Denn hier bringen Frauen oftmals<br />
Kenntnisse und Erfahrungen mit, die sie<br />
durch ihre Familienarbeit erworben haben.<br />
Um die erforderliche Dauer der Anlernzeit<br />
gerecht einschätzen zu können, ist stets<br />
zu fragen: „Wie l<strong>an</strong>ge wäre die Anlernzeit,<br />
wenn die Frauen dieses oder jenes erst ler-<br />
nen müssten ? “ „Wie l<strong>an</strong>ge würde jem<strong>an</strong>d<br />
<strong>an</strong>gelernt werden müssen, der diese Kennt-<br />
nisse und Erfahrungen nicht hat ? “ Erst wenn<br />
diese Qualifikationen auch berücksichtigt<br />
werden, k<strong>an</strong>n der Arbeitsplatz gerecht be-<br />
wertet werden.<br />
Im <strong>ERA</strong> des Bezirks Thüringen wird hierzu<br />
in § 3 (1) ausdrücklich erwähnt, dass bei der<br />
Bemessung der in den Entgeltgruppen E1<br />
bis E3 notwendigen Zeiten für Einarbeitung,<br />
Übung und Anlernen „von einem Niveau<br />
ohne jegliche berufliche Kenntnisse und<br />
Fertigkeiten ausgeg<strong>an</strong>gen“ wurde. In den<br />
übrigen <strong>ERA</strong>s wird dies nicht ausdrücklich<br />
erwähnt. Trotzdem k<strong>an</strong>n das Argument bei<br />
der <strong>neue</strong>n Bewertung und Eingruppierung<br />
von Arbeitsplätzen genutzt werden. Der<br />
Spielraum dazu ist vorh<strong>an</strong>den.<br />
Anforderungsarten<br />
Anlernzeit k<strong>an</strong>n nicht<br />
objektiv gemessen<br />
werden. Kenntnisse<br />
und Fertigkeiten, die<br />
Frauen »von Hause<br />
aus« mitbringen,<br />
verkürzen zwar die<br />
tatsächliche Anlern-<br />
zeit, dürfen aber nicht<br />
zu einer geringeren<br />
Eingruppierung füh-<br />
ren.<br />
Thüringen
Beispiel berufliche Weiterbildung:<br />
In den meisten <strong>ERA</strong>s k<strong>an</strong>n eine erforderliche<br />
Weiterbildung zu einer höheren Eingruppie-<br />
rung des Arbeitsplatzes führen.<br />
Aus den <strong>ERA</strong>s:<br />
Im Bezirk Küste gilt dies ab Entgelt-<br />
gruppe 6, in der unter <strong>an</strong>derem eine<br />
»zusätzliche spezielle Weiterbildung«<br />
erforderlich ist.<br />
Im Bezirk Niedersachsen ist ab Ent-<br />
geltgruppe 7 eine »auf den Betrieb<br />
bezogene Weiterbildung«, ab Entgelt-<br />
gruppe 8 eine »zusätzliche berufliche<br />
Weiterbildung« erforderlich.<br />
In den Bezirken mit <strong>an</strong>alytischen<br />
Arbeitsbewertungsverfahren, also in<br />
Baden-Württemberg und Nordrhein-<br />
Westfalen, finden sich die Anforde-<br />
rungen <strong>an</strong> berufliche Weiterbildung in<br />
den Bewertungen des Anforderungs-<br />
50<br />
merkmals »Können« bzw. »Wissen und<br />
Können«. Hier führt die Anforderung<br />
einer ein- oder zweijährigen Fachaus-<br />
bildung jeweils zu höheren Punkten für<br />
dieses Anforderungsmerkmal.<br />
Für eine diskriminierungsfreie Bewertung<br />
und Eingruppierung von Frauenarbeitsplät-<br />
zen ist es hier wichtig, dass auch Weiterbil-<br />
dungsmaßnahmen berücksichtigt werden,<br />
<strong>an</strong> denen Frauen häufig teilnehmen. Also<br />
z. B. nicht nur der/die MeisterIn oder Tech-<br />
nikerIn, sondern auch der/die Bil<strong>an</strong>zbuch-<br />
halterIn, der/die PersonalfachwirtIn, der/die<br />
Fachkaufm<strong>an</strong>n/-frau für Materialwirtschaft.<br />
Der <strong>ERA</strong> des Bezirks Niedersachsen fördert<br />
dies z. B. dadurch, dass die gen<strong>an</strong>nten Bei-<br />
spiele geschlechtsneutral formuliert wurden<br />
und auch die Assistentin-IHK, die Fachbera-<br />
terin-IHK und die Fachwirtin einschließen.<br />
Anforderungsarten<br />
Bei Eingruppierung<br />
auch Weiterbil-<br />
dungsmaßnahmen<br />
berücksichtigen, <strong>an</strong><br />
denen häufig Frauen<br />
teilnehmen.<br />
Küste<br />
Ba-Wü, NRW<br />
Niedersachsen
Möglichkeit der In<strong>an</strong>spruchnahme von Zusatzstufen<br />
Durch die Einrichtung von Zusatzstufen in<br />
den einzelnen Entgeltgruppen ist es in den<br />
meisten Tarifbezirken möglich geworden,<br />
Anforderungen zu berücksichtigen, die zwar<br />
zu den übertragenen Arbeitsaufgaben ge-<br />
hören, aber für sich alleine nicht zu einer<br />
höheren Eingruppierung führen würden.<br />
Insbesondere für Arbeitsplätze von Frauen<br />
ergibt sich hier eine Ch<strong>an</strong>ce zur Honorierung<br />
bisl<strong>an</strong>g unberücksichtigt gebliebener Anfor-<br />
derungen.<br />
Aus den <strong>ERA</strong>s:<br />
Im Bezirk Baden-Württemberg kön-<br />
nen gemäß § 11 auf Verl<strong>an</strong>gen einer<br />
Betriebspartei Eing<strong>an</strong>gs- und Zusatz-<br />
stufen für die Entgeltgruppen 7 – 17<br />
verabredet werden. Kriterien für das<br />
Erreichen der Zusatzstufe sind spezi-<br />
elle betriebliche Anforderungen <strong>an</strong> das<br />
Wissen und Können, wie z. B. ausge-<br />
prägte betriebliche Spezialkenntnisse<br />
und /oder ausgeprägte aufgabenbezoge-<br />
ne Qualifikationen.<br />
Für den Bezirk Küste regelt § 5, dass<br />
die Voraussetzungen für die Zusatzstu-<br />
fen erfüllt sind, wenn die übertragene<br />
Aufgabe zusätzlich Anforderungen<br />
<strong>an</strong> die Flexibilität, die Ver<strong>an</strong>twortung<br />
und /oder die Kooperation der Beschäf-<br />
tigten stellt. Unter Flexibilität wird die<br />
Anforderung verst<strong>an</strong>den, verschiedene /<br />
verschiedenartige, aber der Wertigkeit<br />
51<br />
der Entgeltgruppe entsprechende Tä-<br />
tigkeiten im Wechsel auszuführen. Ver-<br />
<strong>an</strong>twortung ist hier die Anforderung,<br />
Aufgaben mit Entscheidungsspielraum<br />
zu erledigen. Unter Kooperation wird<br />
die Anforderung wiederkehrender<br />
Abstimmung mit <strong>an</strong>deren verst<strong>an</strong>den.<br />
Je nach Entgeltgruppe und Vorliegen<br />
eines oder mehrerer Kriterien können<br />
zwischen einer und drei Zusatzstufen<br />
erreicht werden. ( siehe auch nächsten<br />
Abschnitt )<br />
Der <strong>ERA</strong> des Bezirks Niedersachsen<br />
bestimmt in § 4 jeweils 3 Entgeltstufen<br />
für die Entgeltgruppen 2 – 13. Da-<br />
bei ist Entgeltstufe A für die Zeit bis<br />
zur selbständigen Arbeitsausführung<br />
vorgesehen. Entgeltstufe B gilt nach<br />
der Einarbeitungszeit, wenn die Tä-<br />
tigkeit selbständig ausgeführt wird.<br />
Darüber hinaus wird ein Arbeitsplatz<br />
in Entgeltstufe C eingestuft, wenn die<br />
übertragene Gesamttätigkeit über das<br />
Anforderungsniveau der Entgeltgruppe<br />
hinausgeht, eine höhere Entgeltgruppe<br />
jedoch nicht rechtfertigt.<br />
· Im <strong>ERA</strong> des Bezirks Thüringen<br />
wird in § 4 für jede Entgeltgruppe<br />
( E1 – E12 ) eine Zusatzstufe ( Z1 – Z12 )<br />
definiert. Die jeweilige Zusatzstufe<br />
wird z. B. d<strong>an</strong>n erreicht, wenn zusätz-<br />
lich tätigkeitsübergreifende Qualifi-<br />
Anforderungsarten<br />
Zusatzstufen nutzen !<br />
Niedersachsen<br />
Ba-Wü<br />
Küste<br />
Thüringen
kationen gefordert werden ( Z1 – Z3 )<br />
oder dispositive Aufgaben und /oder<br />
Aufgaben der Anleitung und Füh-<br />
rung oder zusätzliche Tätigkeiten mit<br />
zusätzlicher Qualifikation dauerhaft<br />
übertragen werden ( ab Z4 ). Ab Z10 ist<br />
G<strong>an</strong>zheitlichere Definition der Anforderungsarten<br />
Durch ein allzu enges Verständnis der An-<br />
forderungsarten besteht die Gefahr, dass<br />
bestimmte Aspekte von Anforderungen<br />
ausgeschlossen – also nicht bewertet – wer-<br />
den, die typischerweise <strong>an</strong> Arbeitsplätzen<br />
52<br />
die dauerhafte ver<strong>an</strong>twortliche Anlei-<br />
tung und Führung von Beschäftigten<br />
einschließlich der Weisungsbefugnis<br />
Voraussetzung für das Erreichen der<br />
jeweiligen Zusatzstufe ( siehe auch<br />
nächsten Abschnitt ).<br />
vorkommen, <strong>an</strong> denen hauptsächlich Frauen<br />
arbeiten. Die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s bieten hier Spiel-<br />
räume, die für eine diskriminierungsfreiere<br />
Bewertung von Frauenarbeitsplätzen genutzt<br />
werden können.<br />
Beispiel »ausdrückliche Erwähnung bestimmter Anforderungsarten«:<br />
Es ist wichtig darauf zu achten, wie die<br />
Anforderungsarten im <strong>ERA</strong> beschrieben,<br />
erläutert und definiert sind. M<strong>an</strong>che Be-<br />
schreibungen ermöglichen die Berücksich-<br />
tigung typischer Anforderungsarten <strong>an</strong><br />
Frauenarbeitsplätzen oder erwähnen sie<br />
sogar ausdrücklich. Diese Möglichkeiten<br />
müssen genutzt werden ! Dabei sollte auch<br />
<strong>an</strong> Routineaufgaben gedacht werden, deren<br />
Anforderungen durch die »Selbstverständ-<br />
lichkeit« der Tätigkeiten oft übersehen<br />
werden.<br />
Anforderungsarten<br />
Anforderungsarten<br />
g<strong>an</strong>zheitlich betrach-<br />
ten und weit ausle-<br />
gen !
Aus den <strong>ERA</strong>s:<br />
Im Bezirk Baden-Württemberg<br />
werden z.B. in Anlage 1, Punkt 1 zu<br />
der Anforderungsart »Wissen und<br />
Können« ausdrücklich auch Geschick-<br />
lichkeit, sensomotorische Fähigkeiten,<br />
Konflikt-, Moderations- und Präsenta-<br />
tionstechniken gezählt. Dies sind An-<br />
forderungsarten, die <strong>an</strong> vielen Arbeits-<br />
plätzen vorkommen, <strong>an</strong> denen Frauen<br />
arbeiten. Ihre Berücksichtigung wird<br />
zu einer gerechteren Bewertung und<br />
Eingruppierung dieser Arbeitsplätze<br />
führen.<br />
Im Bezirk Nordrhein-Westfalen geht<br />
das Anforderungsmerkmal Kooperati-<br />
on mit maximal 20 von insgesamt 170<br />
möglichen Punkten in die Bewertung<br />
ein. Mit diesem Merkmal wird die An-<br />
forderung beschrieben, „zur Erfüllung<br />
der Arbeitsaufgabe mit <strong>an</strong>deren sach-<br />
gerecht zu kommunizieren, zusammen-<br />
zuarbeiten und /oder in vorgegebenem<br />
Rahmen die Arbeit mit der Arbeit <strong>an</strong>de-<br />
rer abzustimmen“. Diese Anforderung<br />
dürfte <strong>an</strong> vielen Arbeitsplätzen vorlie-<br />
gen, die von Frauen ausgeübt werden.<br />
Im Bezirk Küste müssen für die Errei-<br />
chung einer der Zusatzstufen <strong>an</strong> dem<br />
Arbeitsplatz die Kriterien Flexibilität,<br />
53<br />
Ver<strong>an</strong>twortung und /oder Kooperation<br />
erfüllt sein. Die Anforderungsart liegt<br />
hier vor <strong>an</strong> Arbeitsplätzen, „deren<br />
Erledigung wiederkehrend die Abstim-<br />
mung mit <strong>an</strong>deren notwendig macht“.<br />
Auch Flexibilität, definiert als „die<br />
Anforderung, verschiedene/ verschie-<br />
denartige, aber der Wertigkeit der<br />
Entgeltgruppe entsprechende Arbeiten<br />
im Wechsel auszuführen“, ist <strong>an</strong> vielen<br />
Frauenarbeitsplätzen erforderlich und<br />
k<strong>an</strong>n nun zur Eingruppierung in eine<br />
der Zusatzstufen führen.<br />
Für das Erreichen einer Zusatzstufe<br />
im <strong>ERA</strong> des Bezirks Thüringen wird<br />
die Notwendigkeit einer „tätigkeitsü-<br />
bergreifenden Qualifikation“ gefordert<br />
bzw. die Übertragung von zusätzlichen<br />
Tätigkeiten, die wesentlich über die<br />
Anforderungen der jeweils vor<strong>an</strong>ge-<br />
g<strong>an</strong>genen Entgeltgruppen „hinaus-<br />
gehen und deshalb eine zusätzliche<br />
Qualifikation erfordern“. Was tätig-<br />
keitsübergreifende oder zusätzliche<br />
Qualifikationen im einzelnen sind, wird<br />
nicht näher definiert. Fähigkeiten der<br />
Kommunikation oder Kooperation und<br />
Abstimmung könnten bei entsprechen-<br />
der betrieblicher Verh<strong>an</strong>dlung zu Bei-<br />
spielen dafür werden.<br />
Anforderungsarten<br />
Ba-Wü<br />
NRW<br />
Thüringen<br />
Küste
Beispiel »vage Formulierungen«:<br />
In allen <strong>ERA</strong>s werden bei der Beschreibung<br />
der Entgeltgruppen oder der Anforde-<br />
rungsarten auch solche Formulierungen<br />
verwendet, die als Kompromiss in den Tarif-<br />
verh<strong>an</strong>dlungen entst<strong>an</strong>den sind und nicht<br />
eindeutig definiert und verständlich sind,<br />
sondern Interpretationsspielräume lassen.<br />
Solche eher ungenauen Formulierungen<br />
Aus den <strong>ERA</strong>s:<br />
Im <strong>ERA</strong> des Bezirks Baden-Württem-<br />
berg wird z. B. die Anforderungsart<br />
»H<strong>an</strong>dlungsspielraum« in Anlage 1<br />
Punkt 3 durch die Komplexität und den<br />
Umf<strong>an</strong>g des Aufgabengebietes beschrie-<br />
ben. Für die Steigerungen zwischen den<br />
einzelnen Stufen werden Formulierungen<br />
verwendet wie<br />
„geringer H<strong>an</strong>dlungsspielraum – H<strong>an</strong>d-<br />
lungsspielraum – erweiterter H<strong>an</strong>dlungs-<br />
spielraum“<br />
oder auch<br />
„Arbeitsverrichtung – Teilaufgabe – Ar-<br />
beitsaufgabe – Aufgabengebiet – kom-<br />
plexes Aufgabengebiet – umf<strong>an</strong>greiches<br />
Aufgabengebiet“.<br />
Diese Formulierungen lassen Interpre-<br />
tationsspielräume offen. Denn es ist<br />
nicht eindeutig zu unterscheiden, was<br />
ein „geringer H<strong>an</strong>dlungsspielraum“ im<br />
Vergleich zu „H<strong>an</strong>dlungsspielraum“ ist<br />
54<br />
dürfen nicht zu Ungunsten von Frauen inter-<br />
pretiert werden. Sondern sie müssen unbe-<br />
dingt als Spielräume genutzt werden, um<br />
den Wert von frauendominierten Arbeits-<br />
plätzen zu verdeutlichen und bei der Ein-<br />
gruppierung zu berücksichtigen. Das Motto<br />
heißt hier: Keine falsche Bescheidenheit <strong>an</strong><br />
dieser Stelle!<br />
und w<strong>an</strong>n von „erweitertem H<strong>an</strong>dlungs-<br />
spielraum“ gesprochen werden k<strong>an</strong>n.<br />
Ebenso wenig ist eine Arbeitsaufgabe<br />
eindeutig von einem Aufgabengebiet zu<br />
unterscheiden. Und w<strong>an</strong>n ein komplexes<br />
Aufgabengebiet zu einem umf<strong>an</strong>greichen<br />
Aufgabengebiet wird, muss auch im Ein-<br />
zelfall entschieden werden.<br />
Bei der Bewertung der einzelnen Arbeits-<br />
plätze muss deshalb darauf geachtet wer-<br />
den, dass durch die notwendige Interpre-<br />
tation dieser Formulierungen nicht unbe-<br />
merkt ( und auch unbeabsichtigt ) traditi-<br />
onelle Vorstellungen über den geringeren<br />
Wert von Frauenarbeitsplätzen Einfluss<br />
gewinnen und Arbeitsplätzen von Frauen<br />
nicht »automatisch« das komplexe oder<br />
umf<strong>an</strong>greiche Aufgabengebiet und der<br />
erweiterte H<strong>an</strong>dlungsspielraum abgespro-<br />
chen werden. Stattdessen muss es in den<br />
Köpfen und in den Vorstellungen der Be-<br />
werterInnen selbstverständlich werden,<br />
Anforderungsarten<br />
Interpretationsspiel-<br />
räume nutzen !<br />
Ba-Wü
dass auch <strong>an</strong> Frauenarbeitsplätzen höhere<br />
Anforderungen vorliegen.<br />
Ein ähnliches Argument trifft auch für<br />
die Beschreibung der Bewertungsstufen<br />
des Anforderungsmerkmals „H<strong>an</strong>d-<br />
lungs- und Entscheidungsspielraum“ im<br />
Bezirk Nordrhein-Westfalen zu. Hier<br />
wird unterschieden, ob die Erfüllung der<br />
Arbeitsaufgabe im Einzelnen, weitge-<br />
hend oder teilweise vorgegeben ist bzw.<br />
ob die Erfüllung der Arbeitsaufgabe<br />
überwiegend ohne Vorgaben weitgehend<br />
selbständig oder weitgehend ohne Vor-<br />
gaben selbständig erfolgt. Diese Formu-<br />
lierungen lassen bei der Bewertung der<br />
einzelnen Arbeitsplätze einen Spielraum<br />
offen, der nicht in eine Unterbewertung<br />
von Frauenarbeitsplätzen münden darf.<br />
Die Beschreibungen der Bewertungsstu-<br />
fen des Anforderungsmerkmals Koope-<br />
ration ermöglichen ebenfalls Spielräu-<br />
me.<br />
Im <strong>ERA</strong> des Bezirks Küste werden die<br />
Unterschiede zwischen den Entgeltgrup-<br />
pen unter <strong>an</strong>derem durch folgende Be-<br />
griffe beschrieben:<br />
„Tätigkeiten – sachbearbeitende Aufga-<br />
ben und /oder Facharbeiten – schwierige<br />
sachbearbeitende Aufgaben und /oder<br />
schwierige Facharbeiten – umfassende<br />
sachbearbeitende Aufgaben und /oder<br />
umfassende Fachaufgaben – fachgebiets-<br />
übergreifende Aufgabengebiete – komple-<br />
55<br />
xe Aufgabengebiete – Aufgabenbereiche<br />
– komplexe Aufgabenbereiche.“<br />
Auch hier sind die Unterschiede zwi-<br />
schen den einzelnen Begriffen nicht ein-<br />
deutig festgelegt, sondern interpretierbar.<br />
Dabei muss darauf geachtet werden,<br />
dass <strong>an</strong> Frauenarbeitsplätzen nicht von<br />
vornherein ausschließlich „Tätigkeiten“<br />
verrichtet (dies wäre Entgeltgruppe 2<br />
bis 4 ) oder „sachbearbeitende Aufgaben<br />
und /oder Facharbeiten“ erledigt werden<br />
( Entgeltgruppe E5 ), sondern dass <strong>an</strong><br />
Frauenarbeitsplätzen auch „schwierige“<br />
oder „umfassende“ Aufgaben <strong>an</strong>stehen<br />
( Entgeltgruppen E6 und E7 ) bzw. Aufga-<br />
bengebiete oder Aufgabenbereiche bear-<br />
beitet werden können ( Entgeltgruppen 8<br />
bis 11 ).<br />
<strong>Eine</strong> ähnliche Begriffsreihe wird im <strong>ERA</strong><br />
des Bezirks Thüringen verwendet, so<br />
dass hier dasselbe Argument gilt.<br />
Der <strong>ERA</strong> des Bezirks Niedersachsen<br />
verwendet in allen Entgeltgruppen<br />
den Begriff „Tätigkeiten“ und lässt<br />
somit <strong>an</strong> dieser Stelle keine Interpre-<br />
tationsspielräume offen, die zu einer<br />
Unterbewertung von frauendominierten<br />
Arbeitsplätzen führen könnten.<br />
Allerdings werden hier die Begriffe<br />
„mehrjährige Erfahrung“ bzw. „mehr-<br />
jährige Berufserfahrung“ sowie „erwei-<br />
terte berufliche Fertigkeiten“ verwen-<br />
det, um zwischen den Entgeltgruppen<br />
Anforderungsarten<br />
NRW<br />
Thüringen<br />
Niedersachsen<br />
Küste
zu differenzieren. Wie viele Jahre einer<br />
„mehrjährigen Erfahrung“ entspre-<br />
chen, wird nicht definiert. Auch nicht,<br />
w<strong>an</strong>n genau ein Arbeitsplatz „erweiterte<br />
berufliche Fertigkeiten“ erfordert. Wäh-<br />
rend des Bewertungsverfahrens muss<br />
56<br />
deshalb Wert darauf gelegt werden,<br />
dass jene erhöhten Anforderungen auch<br />
<strong>an</strong> Frauenarbeitsplätzen erk<strong>an</strong>nt und<br />
berücksichtigt werden. Entsprechende<br />
Hinweise und Argumente liefern auch<br />
hier die Arbeitsbeschreibungen.<br />
Anforderungsarten
4.5. Wenn etwas nicht stimmt: Reklamationsverfahren<br />
Für eine gerechtere Eingruppierung von<br />
Frauen sind die Reklamationsverfahren<br />
besonders wichtig und müssen offensiv ge-<br />
nutzt werden, wenn die Vermutung besteht,<br />
dass Anforderungen <strong>an</strong> Arbeitsplätzen von<br />
Frauen nicht berücksichtigt wurden oder auf<br />
<strong>an</strong>dere Weise ihre Arbeitsplätze zu niedrig<br />
eingruppiert wurden. Gerade während der<br />
Einführungsphase der <strong>ERA</strong>s werden wichtige<br />
Weichen für die Zukunft gestellt, die später<br />
nur mit größerer Anstrengung wieder verän-<br />
dert können.<br />
Dies zeigt sich auch am Beispiel der fol-<br />
genden Regelungen für die Bezirke Baden-<br />
Württemberg und Küste: „Ist eine Erstein-<br />
gruppierung wirksam geworden, so k<strong>an</strong>n sie<br />
für einen Zeitraum von drei Jahren d<strong>an</strong>ach<br />
nur mit der Begründung reklamiert werden,<br />
dass <strong>an</strong>dere Arbeitsaufgaben als die bewer-<br />
57<br />
teten ausgeführt werden“ (§ 3 Einführungs-<br />
TV Baden-Württemberg, § 10 Einführungs-TV<br />
Küste)<br />
In allen <strong>ERA</strong>s sind mitbestimmte Reklamati-<br />
onsverfahren geregelt worden, die zum Teil<br />
sogar über die bestehenden Einspruchsmög-<br />
lichkeiten hinaus verbessert werden konn-<br />
ten. Wenn Beschäftigte ihre Eingruppierung<br />
für nicht gerechtfertigt halten, können sie<br />
und /oder der Betriebsrat gegen die Eingrup-<br />
pierung Einspruch einlegen. Die Details der<br />
Reklamationsverfahren unterscheiden sich<br />
in den <strong>ERA</strong>s der einzelnen Tarifbezirke. Auch<br />
gibt es unterschiedliche Regelungen für die<br />
Phase der Ersteingruppierung und die Zeit<br />
d<strong>an</strong>ach.<br />
Deshalb werden die Regelungen zu Rekla-<br />
mationen der Eingruppierung im folgenden<br />
kurz dargestellt.<br />
Reklamationsverfahren<br />
Wichtig:<br />
Reklamationsverfah-<br />
ren nutzen !
Aus den <strong>ERA</strong>s:<br />
Der <strong>ERA</strong> des Bezirks Baden-<br />
Württemberg ermöglicht Beschäftig-<br />
ten wie Betriebsrat eine Reklamation<br />
der vom Arbeitgeber mitgeteilten<br />
Eingruppierung. Der Arbeitgeber<br />
muss die Eingruppierung innerhalb<br />
von zwei Monaten überprüfen und das<br />
Ergebnis dem /der Beschäftigten und<br />
dem Betriebsrat schriftlich mitteilen.<br />
Falls über dieses Ergebnis kein Ein-<br />
verständnis erzielt wird, erfolgt eine<br />
weitere Überprüfung durch die Paritä-<br />
tische Kommission ( § 10 ). Spätestens<br />
hier ist der Arbeitgeber verpflichtet,<br />
eine Aufgabenbeschreibung vorzule-<br />
gen. Kommt es zu keiner Einigung,<br />
wird die weitere Entscheidungsfin-<br />
dung einer erweiterten Paritätischen<br />
Kommission und d<strong>an</strong>n einer Schieds-<br />
stelle übergeben (§ 7 ( 3.3 ) ff).<br />
Für den Bezirk Küste regelt § 2, dass<br />
Beschäftigte gegen ihre Eingruppie-<br />
rung Einspruch einlegen können. Hilft<br />
der Arbeitgeber dem Einspruch nicht<br />
ab, muss er dies mit Hilfe der Arbeits-<br />
beschreibung begründen. Anschließend<br />
sollen Arbeitgeber und Betriebsrat den<br />
Streitfall beh<strong>an</strong>deln. Gelingt auch hier<br />
keine Einigung, steht dem /der Beschäf-<br />
tigten der Rechtsweg offen.<br />
Für die Phase der Ersteingruppierung<br />
werden Streitfälle gemäß § 10 Einfüh-<br />
58<br />
rungs-TV der Paritätischen Kommissi-<br />
on zur Entscheidung vorgelegt. Kommt<br />
keine Einigung zust<strong>an</strong>de, werden zu-<br />
nächst erneut Arbeitgeber und Betriebs-<br />
rat tätig, d<strong>an</strong>n die Tarifvertragsparteien,<br />
d<strong>an</strong>n die Einigungsstelle.<br />
· Im Bezirk Niedersachsen ist bei Ein-<br />
zelstreitigkeiten in Betrieben mit über<br />
200 Beschäftigten eine Paritätische<br />
Entgeltkommission vorgesehen, die<br />
diese Einzelstreitigkeiten beilegt. Ge-<br />
lingt dies nicht, verh<strong>an</strong>deln Arbeitgeber<br />
und Betriebsrat mitein<strong>an</strong>der. In Betrie-<br />
ben mit weniger als 200 Beschäftigten<br />
geschieht dies von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong>. Wenn<br />
keine Einigung erzielt werden k<strong>an</strong>n,<br />
sind die Tarifvertragsparteien hinzu-<br />
zuziehen. Im Falle von Streitigkeiten<br />
über die Anwendung der tariflichen<br />
Entgeltgruppen oder Entgeltstufen steht<br />
<strong>an</strong>schließend der Rechtsweg offen.<br />
In der Phase der Ersteingruppierung<br />
ist für Streitigkeiten hierüber, die nicht<br />
von der Entgeltkommission beigelegt<br />
werden können, eine besondere tarif-<br />
liche Schlichtungsstelle vorgesehen<br />
( § 3 (5) Überleitungs-Tarifvertrag ).<br />
· Für den Bezirk Thüringen regelt<br />
§ 3 (8), dass Beschäftigte gegen ihre<br />
Eingruppierung Einspruch einlegen<br />
können. Hilft der Arbeitgeber dem Ein-<br />
spruch nicht ab, muss er dies schriftlich<br />
Reklamationsverfahren<br />
Ba-Wü<br />
Niedersachsen<br />
Küste<br />
Thüringen
egründen. Anschließend sollen Ar-<br />
beitgeber und Betriebsrat den Streitfall<br />
beh<strong>an</strong>deln. Gelingt auch hier keine<br />
Einigung, steht dem /der Beschäftigten<br />
der Rechtsweg offen.<br />
Für die Phase der Ersteingruppierung<br />
werden Widersprüche der Beschäf-<br />
tigten und Fälle einer Verweigerung<br />
der Zustimmung zur Eingruppierung<br />
durch den Betriebsrat gemäß § 5 Ein-<br />
führungs-TV der Paritätischen Kom-<br />
mission zur Entscheidung vorgelegt.<br />
Kommt keine Einigung zust<strong>an</strong>de, wer-<br />
den die Tarifvertragsparteien hinzuge-<br />
zogen.<br />
Im Bezirk Nordrhein-Westfalen kön-<br />
nen Beschäftigte ihre Eingruppierung<br />
beim Arbeitgeber be<strong>an</strong>st<strong>an</strong>den, der die-<br />
se zu prüfen hat. Ist der /die Beschäf-<br />
tigte mit diesem Ergebnis nicht einver-<br />
st<strong>an</strong>den, wird eine von Arbeitgeber und<br />
Betriebsrat paritätisch besetzte Kom-<br />
mission tätig. Unabhängig davon steht<br />
59<br />
den Beschäftigten der Rechtsweg offen<br />
( § 4 ). Außerdem können Betriebsrat<br />
und Beschäftigte eine Überprüfung der<br />
Eingruppierung schriftlich be<strong>an</strong>tra-<br />
gen, wenn sich die Anforderungen der<br />
Arbeitsaufgabe maßgeblich geändert<br />
haben. Auch hier wird eine paritätisch<br />
besetzte Kommission gebildet, die sich<br />
mit dem Antrag befasst, wenn die An-<br />
tragstellenden mit dem Ergebnis nicht<br />
zufrieden sind.<br />
Für die Phase der betrieblichen Einfüh-<br />
rung des <strong>ERA</strong> können die Betriebspar-<br />
teien ein besonderes Verfahren nach den<br />
Bestimmungen des § 7 Einführungs-TV<br />
vereinbaren. Dieses besondere Verfah-<br />
ren sieht eine Paritätische Kommission<br />
vor, die auf schriftlichen Antrag des<br />
Betriebsrats tätig wird, wenn sich die<br />
Betriebsparteien nicht über die Eingrup-<br />
pierung einigen können. Wird auch hier<br />
keine Einigung erzielt, entscheidet die<br />
tarifliche Einigungsstelle.<br />
Reklamationsverfahren<br />
NRW
5. Die Schwere der Arbeit:<br />
belastende Faktoren und Belastungszulagen<br />
5.1. <strong>Eine</strong> alte Forderung ist umgesetzt: Hohe gesundheitliche Belastungen<br />
beeinflussen nicht mehr die Findung des Grundentgelts<br />
In der Verg<strong>an</strong>genheit saßen Gewerkschafte-<br />
rInnen, BRInnen und auch die Beschäftigten<br />
selbst oft in einer Zwickmühle, wenn es um<br />
die Bezahlung besonders belastender Tätig-<br />
keiten ging: <strong>Eine</strong>rseits sollte es einen fin<strong>an</strong>zi-<br />
ellen Ausgleich für die besonderen Belastun-<br />
gen geben, denen die Beschäftigten ausge-<br />
setzt waren. Andererseits führte die höhere<br />
Bezahlung dazu, dass bei der Einführung von<br />
Maßnahmen zur Hum<strong>an</strong>isierung der Arbeit<br />
Beschäftigte Einkommensverzicht befürchte-<br />
ten und die Arbeitserleichterungen weniger<br />
begeistert aufnahmen als erwartet. Das hö-<br />
here Einkommen hatte kurzfristig einen grö-<br />
ßeren Reiz als die Schonung der Gesundheit.<br />
Aber es konnte doch nicht <strong>an</strong>gehen, dass sich<br />
die Beschäftigten »ihre Gesundheit abkaufen<br />
ließen«, so das häufig gehörte Argument.<br />
5.2. Welche rechtlichen Anforderungen sind <strong>an</strong> eine diskriminierungsfreie<br />
Bemessung von Belastungszulagen zu stellen?<br />
Für Frauen ist mit der Entfernung des Merk-<br />
mals »Belastungen« aus den Eingruppie-<br />
rungskatalogen und Arbeitsbewertungsver-<br />
fahren ein wichtiger Schritt in Richtung auf<br />
Entgeltgerechtigkeit get<strong>an</strong> worden. Denn<br />
das Merkmal »geringe körperliche Belas-<br />
tung« führte in der Verg<strong>an</strong>genheit zu den<br />
sogen<strong>an</strong>nten Leichtlohngruppen, in denen<br />
sich hauptsächlich Frauen wiederf<strong>an</strong>den<br />
( ►auch Kapitel 2.1 ). Sie verrichteten nach<br />
der damals üblichen Definition eben keine<br />
60<br />
Als Ausweg aus dieser verzwickten Lage<br />
wurde die Forderung aufgestellt, dass Be-<br />
lastungen zumindest aus der Bemessung<br />
des Grundentgeltes herausgenommen und<br />
nur noch über Zulagen bezahlt werden soll-<br />
ten.<br />
Dies ist nun in allen <strong>ERA</strong>s umgesetzt!<br />
Mit dem Grundentgelt ist eine »normale«<br />
oder »mittlere« Belastung abgegolten, die<br />
gesundheitlich unschädlich ist. Höhere<br />
Belastungen sollen möglichst vermieden<br />
werden. Nur dort, wo sie unumgänglich sind,<br />
soll eine Zulage einen Ausgleich schaffen.<br />
M<strong>an</strong>che <strong>ERA</strong>s schaffen die Möglichkeit,<br />
diesen Ausgleich durch mehr Freizeit zu ge-<br />
währleisten. Auf jeden Fall sind Belastungen<br />
nun nicht mehr eingruppierungsrelev<strong>an</strong>t.<br />
»körperlich schwere Arbeit«, auch wenn sie<br />
durchaus als belastend empfunden wurde.<br />
<strong>Eine</strong> Reihe von Leichtlohnklagen und Höher-<br />
gruppierungsaktionen in den achtziger Jah-<br />
ren war die Folge. Sie führten zu wichtigen<br />
Gerichtsurteilen, die eine Veränderung des<br />
Verständnisses der körperlichen Schwere<br />
von Arbeit bewirkt und Kriterien zur dis-<br />
kriminierungsfreien Berücksichtigung von<br />
Belastungen aufgestellt haben. Dieses ver-<br />
änderte Verständnis konnte nun endlich mit<br />
Belastungen<br />
Hohe Belastungen<br />
erhöhen nicht mehr<br />
das Grundentgelt.<br />
Bei unumgänglichen<br />
Belastungen werden<br />
Zulagen gezahlt<br />
»<strong>neue</strong>s« Verständnis<br />
der körperlichen<br />
Schwere von Arbeit<br />
ermöglicht gerechtere<br />
Bewertung von<br />
Frauenarbeitsplätzen
den <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s tariflich festgeschrieben<br />
werden.<br />
Die Gerichtsurteile sind dennoch auch<br />
heute von großer Bedeutung. Denn auch<br />
wenn Belastungen die Eingruppierung nun<br />
nicht mehr beeinflussen, ist die Gefahr<br />
der Diskriminierung beim Ausgleich von<br />
Belastungen nicht automatisch geb<strong>an</strong>nt.<br />
Die Kriterien und Anforderungen <strong>an</strong> eine<br />
diskriminierungsfreie Berücksichtigung von<br />
Belastungen müssen auf Belastungszulagen<br />
sinngemäß ebenso <strong>an</strong>gewendet werden wie<br />
auf Grundentgelte.<br />
Das erste Urteil hierzu stammt vom Europä-<br />
ischen Gerichtshof ( EuGH ) aus dem Jahre<br />
1986 ( EuGH vom 01.07.1986 – Rs 237/85 ).<br />
Der EuGH nimmt in diesem Urteil Stellung<br />
zur Verwendung von Kriterien der körperli-<br />
chen Belastung von Arbeit ( muskelmäßige<br />
Be<strong>an</strong>spruchung oder Belastung oder Grad<br />
der Schwere der Arbeit ). Er legt fest, dass<br />
solche Kriterien selbst d<strong>an</strong>n verwendet<br />
werden dürfen, wenn Angehörige eines Ge-<br />
schlechts von ihnen bevorzugt werden.<br />
Allerdings muss d<strong>an</strong>n durch die Verwendung<br />
<strong>an</strong>derer Kriterien, die das <strong>an</strong>dere Geschlecht<br />
bevorzugen, ein Ausgleich hergestellt<br />
werden. Insgesamt darf also das Eingrup-<br />
pierungssystem durch die Auswahl der An-<br />
forderungsarten bzw. Belastungsarten nicht<br />
diskriminieren.<br />
61<br />
Im Zuge der Leichtlohnklagen und Hö-<br />
hergruppierungsaktionen der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong><br />
in den achtziger Jahren entschied das<br />
Bundesarbeitsgericht ( BAG ) in der Sache<br />
der Kabelarbeiterinnen der Firma Kroschu<br />
aus Witten ( »Kroschu-Frauen« ) ( BAG vom<br />
27.04.1988 – 4 AZR 707/97 ). Mit diesem<br />
Urteil wurde der Begriff der körperlichen<br />
Schwere von Arbeiten neu und erweitert<br />
definiert. Körperlich schwer ist eine Arbeit<br />
demnach nicht mehr nur bei hoher Mus-<br />
kelbe<strong>an</strong>spruchung, die hauptsächlich <strong>an</strong><br />
Männerarbeitsplätzen für eine höhere Ein-<br />
gruppierung sorgte. Sondern es müssen<br />
alle Faktoren berücksichtigt werden, die auf<br />
den Menschen belastend einwirken können,<br />
wie z. B. ausschließlich stehende Tätigkeit,<br />
notwendige Körperhaltung, taktgebundene<br />
und /oder repetitive Arbeit, nervliche Belas-<br />
tung und Lärm. Dies sind Belastungsfakto-<br />
ren, die häufig <strong>an</strong> Frauenarbeitsplätzen auf-<br />
treten und nun auch zu einer Eingruppierung<br />
in höhere Entgeltgruppen führten. In der<br />
späteren Diskussion ist diese Liste noch um<br />
psychosoziale Belastungsfaktoren ergänzt<br />
worden, wie z. B. erschwerte Möglichkeiten<br />
der Kommunikation, erschwerte Beeinfluss-<br />
barkeit des zeitlichen Ablaufs oder Konfron-<br />
tation mit ekelerregenden Situationen.<br />
Welche Belastungszulagen die <strong>ERA</strong>s im ein-<br />
zelnen vorsehen, könnt ihr wieder der Tabel-<br />
le im Anh<strong>an</strong>g entnehmen.<br />
Belastungen
5.3. Worauf muss in den Betrieben geachtet werden ?<br />
Was ist zu tun?<br />
Nicht alle Belastungen, die typischerweise<br />
<strong>an</strong> Frauenarbeitsplätzen auftreten, vor allem<br />
die psychosozialen Belastungen, konnten in<br />
den <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s erwähnt und in die Belas-<br />
tungszulagen einbezogen werden. Dennoch<br />
wurde ein großer Erfolg erzielt: Die Anforde-<br />
rungen der Rechtsprechung aus den Jahren<br />
1986 und 1988 <strong>an</strong> die Definition des Begrif-<br />
fes der körperlichen Schwere von Arbeiten<br />
„Der Begriff »körperliche Belastungen« berücksichtigt alle sich aus der<br />
Tätigkeit ergebenden Umstände, die auf den Beschäftigten belastend<br />
einwirken und zu körperlichen Reaktionen führen können.“<br />
„Unter normalen Belastungen und Erschwernissen werden solche ver-<br />
st<strong>an</strong>den, die sich aus der Tätigkeit ergeben und die für den Beschäftigten<br />
auf Dauer nicht zu erhöhten Anstrengungen und zu keinen Gesundheits-<br />
schädigungen führen.“<br />
Es gilt also, in den Betrieben darauf zu<br />
achten, dass die erweiterten tariflichen<br />
Definitionen <strong>an</strong>gewendet werden. Dort, wo<br />
in den <strong>ERA</strong>s keine detaillierten Definitionen<br />
vorgenommen werden, muss in den be-<br />
62<br />
konnten in den <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s nun endlich<br />
umgesetzt werden (►Abschnitt 5.2 ).<br />
Damit setzt sich die sog. »geänderte Ver-<br />
kehrs<strong>an</strong>schauung« des Begriffes der körper-<br />
lichen Belastung nun tariflich und betrieb-<br />
lich durch. Im <strong>ERA</strong> des Bezirks Thüringen<br />
wird die <strong>neue</strong> Definition des Belastungsbe-<br />
griffs in Protokollnotizen zu § 12 ausführlich<br />
zitiert. Es heißt:<br />
trieblichen Verh<strong>an</strong>dlungen darauf geachtet<br />
werden, dass die abzuschließenden Be-<br />
triebsvereinbarungen der geänderten Ver-<br />
kehrs<strong>an</strong>schauung entsprechen und nicht<br />
diskriminieren.<br />
Thüringen<br />
Belastungen<br />
»geänderte Verkehrs-<br />
<strong>an</strong>schauung« setzt<br />
sich endlich auch<br />
tarifvertraglich durch<br />
Auf korrekte betrieb-<br />
liche Umsetzung<br />
achten !
Beispiel Belastung der Muskeln:<br />
In den <strong>ERA</strong>s von Baden-Württemberg, Küste<br />
und Niedersachsen wird Belastung der Mus-<br />
keln definiert als dynamische und statische<br />
bzw. einseitige Muskelbelastung.<br />
Für Baden-Württemberg wird in Anlage 2<br />
genauer definiert, dass die Belastung davon<br />
abhängt,<br />
• welchen Kraftaufw<strong>an</strong>d die zu bewegen-<br />
den Werkstücke, Werkzeuge oder Ar-<br />
beitsmittel erfordern,<br />
• inwieweit die zur Arbeitsverrichtung not-<br />
wendige Haltung des Körpers belastend<br />
wirkt,<br />
63<br />
• ob während der täglichen Arbeitszeit ein<br />
►<br />
Wechsel der Belastung vorliegt,<br />
• ob sie auf die gleichen Muskelgruppen<br />
wirkt oder ob sie verschiedene Muskel-<br />
gruppen abwechselnd be<strong>an</strong>sprucht,<br />
• ob sie stoßartig auftritt.<br />
In den Tarifbezirken Küste und Niedersach-<br />
sen wird Belastung der Muskeln definiert<br />
als durch die bei der Arbeit aufzuwendende<br />
Kraft<strong>an</strong>strengung, durch die wechselnde Be-<br />
lastungsart, durch die Belastungsdauer und<br />
die zeitliche Verteilung der Belastung auf die<br />
tägliche Arbeitszeit.<br />
► Was ist zu tun ?<br />
Alle Beschreibungen müssen genau und<br />
vollständig beachtet werden, damit Frau-<br />
enarbeitsplätze von ihren Belastungen<br />
her gerecht eingeschätzt werden können.<br />
Die alte, engere Definition von Muskelbe-<br />
lastung darf keinen Einfluss mehr haben.<br />
Belastungen<br />
Ba-Wü, Küste,<br />
Niedersachsen
Beispiel Belastung durch Reizarmut:<br />
Diese Belastungsart wird ausschließlich im<br />
<strong>ERA</strong> von Baden-Württemberg geregelt. Sie<br />
liegt d<strong>an</strong>n vor, wenn inhaltlich einförmige,<br />
monotone, sich ständig wiederholende Ar-<br />
64<br />
beiten mit geringer Kraft<strong>an</strong>strengung und<br />
hoher Reizarmut Arbeit geleistet wird und /<br />
oder wenn am Arbeitsplatz die Möglichkeit<br />
zu sozialen Kontakten fehlt.<br />
► Was ist zu tun ?<br />
►<br />
Diese Belastungsart muss besonders<br />
beachtet werden, da sie <strong>an</strong> vielen Frau-<br />
enarbeitsplätzen vorliegen dürfte ( z. B.<br />
Montagearbeiten, Akkordarbeit am<br />
B<strong>an</strong>d ... ).<br />
Ba-Wü<br />
Belastungen
Belastungen durch Umgebungseinflüsse:<br />
In den <strong>ERA</strong>s von Baden-Württemberg, Küs-<br />
te und Niedersachsen werden eine Reihe<br />
von Umgebungseinflüssen als Belastungs-<br />
Baden-Würtemberg Küste Niedersachsen<br />
Lärm Lärm Lärm<br />
Schmutz Verschmutzung Verschmutzung<br />
65<br />
Öl Öl Öl<br />
Fett Fett Fett<br />
Hitze, Kälte Temperatur Temperatur<br />
Zugluft Zugluft<br />
Wasser Nässe Nässe<br />
Säure, Lauge Säure Säure<br />
Gase, Dämpfe Gase und Dämpfe Gase und Dämpfe<br />
Staub Staub Staub<br />
Blendung und Lichtm<strong>an</strong>gel Blendung oder Lichtm<strong>an</strong>gel Blendung oder Lichtm<strong>an</strong>gel<br />
Unfallgefahr, Schutzkleidung hinderliche Schutzkleidung<br />
und Unfallgefährdung<br />
faktoren aufgezählt. Die folgende Tabelle<br />
zeigt die Umgebungseinflüsse im einzel-<br />
nen:<br />
hinderliche Schutzkleidung<br />
und Unfallgefährdung<br />
Erkältungsgefahr Erkältungsgefahr<br />
Erschütterung, Vibration Erschütterung<br />
► Was ist zu tun ?<br />
►<br />
Auch bei den Belastungen durch Umge-<br />
bungseinflüsse muss darauf geachtet<br />
werden, dass alle Belastungsarten <strong>an</strong><br />
Frauenarbeitsplätzen geprüft werden.<br />
M<strong>an</strong>che Belastungen könnten <strong>an</strong> Frauen-<br />
arbeitsplätzen häufiger vorkommen und<br />
dürfen deshalb nicht übersehen werden.<br />
Belastungen<br />
Ba-Wü, Küste,<br />
Niedersachsen
Beispiel Belastung der Sinne und Nerven:<br />
Diese Belastungsart kommt in den <strong>ERA</strong>s<br />
von Küste und Niedersachsen vor und<br />
wird dort wie folgt definiert:<br />
Belastungen der Sinne und Nerven entstehen durch aufmerksames Wahr-<br />
nehmen ( Sehen, Hören, Fühlen, Tasten ) und die <strong>an</strong>gesp<strong>an</strong>nte Bereit-<br />
schaft zum notwendigen Eingreifen bei der Beobachtung, Überwachung<br />
und Steuerung von Arbeitsabläufen. Sie können beispielsweise auftreten<br />
bei Arbeiten, bei denen höchste Konzentration oder eine besondere Be-<br />
<strong>an</strong>spruchung der Sehnerven erforderlich ist. Sie werden durch die bei der<br />
Arbeit auftretende Ansp<strong>an</strong>nung, durch die wechselnde oder gleichförmi-<br />
ge Belastungsart, durch die Belastungsdauer und die zeitliche Verteilung<br />
der Belastung auf die tägliche Arbeitszeit bestimmt.<br />
66<br />
► Was ist zu tun ?<br />
►<br />
Belastungen der Sinne und Nerven kom-<br />
men <strong>an</strong> Frauenarbeitsplätzen häufig vor.<br />
Deshalb muss auf eine korrekte Ermitt-<br />
lung dieser Belastungsart besonders<br />
geachtet werden, damit Frauen bei der<br />
Gewährung von Belastungszulagen ge-<br />
recht beh<strong>an</strong>delt werden.<br />
Belastungen<br />
Küste, Niedersachsen
Beispiel vage Formulierungen der Belastungsstufen:<br />
Nur bei der Belastungsart Lärm gibt es<br />
Messwerte, die eine objektive Zuordnung<br />
von Belastungsstufen ermöglichen. Bei<br />
allen <strong>an</strong>deren Belastungsarten gilt, dass<br />
die Beschreibung für die einzelnen Belas-<br />
tungsstufen vage formuliert sind bzw. noch<br />
betrieblich vereinbart werden müssen. So<br />
heißt es z. B. im <strong>ERA</strong> von Baden-Württem-<br />
berg zu den Stufen bei der Belastung der<br />
Muskeln:<br />
Stufe 1: höhere Belastung der Muskeln:<br />
schwere Arbeiten, mittelschwere Arbei-<br />
ten in ungünstiger Körperhaltung ( z. B.<br />
Bücken, Knien, über Kopf )<br />
67<br />
Stufe 2: hohe Belastung der Muskeln: beson-<br />
ders schwere Arbeiten in ungünstiger Kör-<br />
perhaltung ( z. B. Bücken, Knien, über Kopf )<br />
Was eine höhere und was eine hohe Belas-<br />
tung ist, bzw. was schwere, mittelschwere<br />
oder besonders schwere Arbeiten sind, wird<br />
nicht näher beschrieben, sondern liegt in der<br />
subjektiven Einschätzung der betrieblichen<br />
EntscheiderInnen. Bei der Suche nach Defini-<br />
tionen und Begründungen für das Vorliegen<br />
bestimmter Belastungsstufen können Ar-<br />
beitssicherheits- und Arbeitsschutzgesetze<br />
sowie Richtlinien der Berufsgenossenschaf-<br />
ten wertvolle Hinweise liefern.<br />
► Was ist zu tun ?<br />
►<br />
Bei der Formulierung von Belastungsstu-<br />
fen im Betrieb und bei der Auslegung der<br />
entsprechenden tariflichen Regelungen<br />
muss darauf geachtet werden, dass über-<br />
kommene Vorstellungen über körperlich<br />
schwere und belastende Arbeit von Män-<br />
nern und leichte Arbeit von Frauen nicht<br />
wieder Eing<strong>an</strong>g finden.<br />
Ba-Wü<br />
Belastungen
6. Mehr Leistung – mehr Geld:<br />
Tariflich vereinbarte Leistungsentgelte<br />
6.1. Leistungsentgelte in den <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s<br />
Die <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong>s sehen eine Reihe verschie-<br />
dener Modelle zur Leistungsvergütung vor,<br />
die teils im <strong>ERA</strong> geregelt sind, teils betrieb-<br />
lich ausdifferenziert werden können und<br />
müssen:<br />
• Es gibt Regelungen zu Akkordentgelten,<br />
zu Prämien- und Provisionsentgelten.<br />
• In einigen Tarifverträgen werden Kenn-<br />
zahlenvergleiche beschrieben.<br />
• Es werden Zielvereinbarungssysteme<br />
beschrieben.<br />
• Im Zeitentgelt werden Beurteilungsver-<br />
fahren geregelt, die zur Zahlung einer<br />
Leistungszulage führen.<br />
Jedes dieser Systeme hat seine Eigenarten,<br />
seine Anwendungsgebiete und auch seine<br />
Vor- und Nachteile. Darauf k<strong>an</strong>n in dieser<br />
H<strong>an</strong>dlungshilfe nicht im einzelnen einge-<br />
g<strong>an</strong>gen werden. Wer sich dafür interessiert,<br />
sollte sich die bezirklichen Arbeitshilfen zu<br />
diesem Thema besorgen. Was uns hier inte-<br />
ressiert ist, wie Leistungsvergütungssysteme<br />
68<br />
in den noch abzuschließenden Betriebsver-<br />
einbarungen diskriminierungsfrei gestaltet<br />
werden können.<br />
Grundsätzlich gilt, dass auch Leistungszula-<br />
gen und <strong>an</strong>dere leistungsbezogene Entgelt-<br />
best<strong>an</strong>dteile den gesetzlichen Diskriminie-<br />
rungsverboten unterliegen. Artikel 141 des<br />
EG-Vertrages und die Lohngleichheitsricht-<br />
linie der EU beziehen sich ausdrücklich auf<br />
sämtliche Entgeltbest<strong>an</strong>dteile ( vgl. hierzu<br />
Kapitel 2 ). Das Diskriminierungsverbot des<br />
§ 612 BGB in Deutschl<strong>an</strong>d ist also entspre-<br />
chend weit auszulegen.<br />
Allgemein k<strong>an</strong>n gesagt werden, dass Leis-<br />
tungsentgelte desto weniger <strong>an</strong>fällig für<br />
Diskriminierungen sind, je mehr sie auf<br />
objektiven Messungen oder Zählungen der<br />
geleisteten Arbeit beruhen. Aber dies alleine<br />
ist noch keine Gar<strong>an</strong>tie für völlige Diskrimi-<br />
nierungsfreiheit. Im Abschnitt 6.2 werden<br />
deshalb einige Hinweise für eine diskriminie-<br />
rungsfreie Gestaltung von Leistungsvergü-<br />
tungssystemen in Betriebsvereinbarungen<br />
gegeben.<br />
Leistungsentgelte<br />
Auch beim Leistungs-<br />
entgelt darf nicht<br />
diskriminiert werden.<br />
Messen oder Zählen<br />
ist weniger diskri-<br />
minierungs<strong>an</strong>fällig<br />
als Beurteilen oder<br />
Schätzen.
►6.2. Worauf muss in den Betrieben geachtet werden?<br />
Was ist zu tun?<br />
►<br />
►<br />
►<br />
Leistungskriterien müssen von beiden<br />
Geschlechtern gleich gut erfüllbar sein.<br />
Sie dürfen nicht ein Geschlecht begüns-<br />
tigen.<br />
Erläuterung: M<strong>an</strong>che Leistungskriterien<br />
können aufgrund der tradierten Rollen-<br />
und Arbeitsteilung in der Familie von<br />
Frauen schlechter erfüllt werden als von<br />
Männern. Sol<strong>an</strong>ge die Rollenteilung in<br />
unserer Gesellschaft noch so ist, benach-<br />
teiligen diese Kriterien Frauen bei der<br />
Leistungsvergütung.<br />
Leistungskriterien müssen diskriminie-<br />
rungsfrei ausgelegt werden.<br />
Erläuterung: Wenn z. B. das Kriterium<br />
Weiterbildungsbereitschaft so ausgelegt<br />
wird, dass damit Weiterbildung in der<br />
Freizeit gemeint ist, sind Frauen aufgrund<br />
der herkömmlichen Rollenteilung be-<br />
nachteiligt.<br />
Der Maßstab für die Leistung muss glei-<br />
che Verdienstch<strong>an</strong>cen für Frauen und<br />
Männer ermöglichen.<br />
Erläuterung: Wenn Frauen und Männer<br />
unterschiedliche, aber gleichwertige Ar-<br />
beiten verrichten und Leistungsentgelt<br />
69<br />
►<br />
erhalten sollen, d<strong>an</strong>n muss das Leis-<br />
tungsentgeltsystem so gestaltet sein,<br />
dass es Männern und Frauen eine gleich<br />
hohe Gesamtvergütung ermöglicht. So-<br />
wohl Frauen als auch Männer müssen<br />
also bei vergleichbarer Leistung dieselbe<br />
Leistungszulage erhalten können, z. B.<br />
10 Prozent. Dies entschied der EuGH in<br />
einem Urteil von 1995 ( ‚Royal Copenha-<br />
gen‘, EuGH 31.05.1995, Rs C–400 /93 ).<br />
Das System zur Leistungsvergütung muss<br />
allen Beschäftigten offenstehen. Keine<br />
Beschäftigtengruppe darf ausgeschlos-<br />
sen sein, vor allem d<strong>an</strong>n nicht, wenn ihr<br />
mehrheitlich Personen eines Geschlechts<br />
<strong>an</strong>gehören.<br />
Erläuterung: Diese Forderung ergibt sich<br />
aus der Regel, dass alle Beschäftigten<br />
die gleiche Ch<strong>an</strong>ce auf ein gleich hohes<br />
Leistungs- und Gesamtentgelt haben<br />
müssen ( siehe oben. ) Würden bestimmte<br />
Beschäftigtengruppen ausgeschlossen,<br />
hätten ihre Mitglieder keine Möglichkeit<br />
auf ein Leistungsentgelt. Wenn dieser<br />
Beschäftigtengruppe hauptsächlich Frau-<br />
en <strong>an</strong>gehören, z.B. Reinigungskräfte oder<br />
Sekretärinnen, d<strong>an</strong>n liegt mittelbare Dis-<br />
kriminierung vor.<br />
Leistungsentgelte
7. Konfliktpunkte bei der Umsetzung<br />
der tariflichen Eingruppierungsbestimmungen *<br />
70<br />
Unternehmen Betriebsrat – <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong><br />
– ArbeitnehmerInnen<br />
Es wird nur die »offizielle« Arbeitsaufgabe,<br />
z. T. unvollständig beschrieben. Zusätzliche,<br />
qualifizierte Tätigkeiten fallen<br />
damit unter den Tisch<br />
Bei der Bewertung der erforderlichen<br />
Qualifikation werden viele Kenntnisse<br />
und Fertigkeiten nicht erwähnt oder als<br />
»selbstverständlich« vorausgesetzt. Die<br />
betriebliche Grundqualifikation, die durch<br />
l<strong>an</strong>gjährige betriebliche Erfahrungen erworben<br />
wurden, werden bei der Eingruppierung<br />
nicht berücksichtigt.<br />
Bewertet wird jeweils nur der einzelne<br />
Arbeitsplatz ( Arbeitsaufgabe ), obwohl die<br />
Kolleginnen viele Arbeitsplätze ausfüllen<br />
können und vielseitig belastbar sind<br />
( 10 Arbeitsplätze mit Lohngruppe 2 ergeben<br />
d<strong>an</strong>ach Lohngruppe 2 )<br />
Da die Tätigkeiten Maßstab für die Eingruppierung<br />
sind, können die Unternehmer<br />
durch Arbeitsteilung niedrigere Lohngruppen<br />
erreichen ( z. B. Maschinenarbeiter:<br />
Lohngruppe 6, Einrichter: Lohngruppe<br />
8 oder Fließb<strong>an</strong>darbeit: Lohngruppe 2 )<br />
Arbeitsplatzbeschreibung<br />
Qualifikations<strong>an</strong>forderungen<br />
Vielseitigkeit<br />
Arbeitsorg<strong>an</strong>isation<br />
* aus einer Lehreinheit des <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>-Bildungszentrums Sprockhövel<br />
Umfassende, vollständige Arbeitsplatzbeschreibung<br />
mit allen ausführlichen Tätigkeiten<br />
erstellen und als Grundlage für die<br />
Eingruppierung verwenden<br />
Alle erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten,<br />
»Tricks«, Erfahrungen vollständig<br />
<strong>an</strong>führen und entsprechend bewerten.<br />
Alle abgeforderten Qualifikationen müssen<br />
auch bezahlt werden.<br />
Wenn die Kolleginnen vielseitig einsetzbar<br />
sind und nachweislich <strong>an</strong> mehreren<br />
unterschiedlichen Arbeitsplätzen arbeiten,<br />
sollte nicht die Einzelaufgabe, sondern<br />
der Arbeitsbereich als Grundlage für<br />
die Eingruppierung verwendet werden<br />
( 10 Arbeitsplätze mit Lohngruppe 2 sind<br />
höherwertig als Lohngruppe 2 )<br />
G<strong>an</strong>zheitliche, umf<strong>an</strong>greiche Arbeitsinhalte<br />
führen zu höheren Qualifikationen und<br />
Eingruppierungen. Die Gewerkschaften<br />
fordern daher eine Verringerung der Arbeitsteilung<br />
bei entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen.<br />
Konfliktpunkte
Die Entgelt-Säule *<br />
Die Entgelt-Säule<br />
71<br />
Tarifparteien:<br />
• legen durch Gestaltung der Tarifverträge<br />
indirekt fest, was für ÜT übrig bleibt<br />
Unternehmer:<br />
• ob ÜT-Leistungen gezahlt werden<br />
Betriebsparteien:<br />
• wenn ÜT-Leistungen gezahlt werden:<br />
Grundsätze ihrer Ausgestaltung<br />
übertariflich<br />
Ohne tarifliche Absicherung bzw.<br />
jenseits tariflicher Regelungen<br />
( nach Art und Höhe )<br />
Tarifparteien:<br />
• Kriterien für tarifliche Ansprüche<br />
Betriebsparteien:<br />
• Anwendung dieser Kriterien<br />
• teilweise Regulierung der Bedingungen<br />
( z. B. Arbeitszeitgestaltung )<br />
Wie schwer ist die Arbeit ?<br />
( wenn dies nicht bereits bei der Eingruppierung<br />
abgegolten wurde )<br />
Zulagen / Zuschläge<br />
Welche besonderen Bedingungen herrschen ?<br />
( z. B. Nachtarbeit )<br />
* aus einer Lehreinheit des <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>-Bildungszentrums Sprockhövel<br />
Tarifparteien:<br />
• Entgeltgrundsätze ( ggf. inkl. Vari<strong>an</strong>ten )<br />
Betriebsparteien:<br />
• Auswahl<br />
• Anwendung bzw. Ausgestaltung<br />
Wie viel mache ich bzw.<br />
Leistungs<strong>an</strong>teile /<br />
wie schnell arbeite ich ?<br />
Zulagen<br />
Wie gut arbeite ich ?<br />
Tarifparteien:<br />
• Eingruppierung<br />
• Umgruppierung<br />
• Richtbeispiele ( ggf. )<br />
Betriebsparteien:<br />
• Eingruppierungskriterien<br />
• Richtbeispiele ( ggf. )<br />
Grundentgelt-<br />
Was tue ich ?<br />
differenzierung<br />
(Eingruppierung)<br />
Wie schwer ist die Arbeit ?<br />
( bei <strong>ERA</strong> kein Eingruppierungsmerkmal mehr )<br />
Konfliktpunkte
8. Glossar:<br />
Die wichtigsten Fachbegriffe<br />
Analytik<br />
Die Analytik ist eine Methode, um die Ar-<br />
beitsaufgabe von Beschäftigten tariflich zu<br />
bewerten. Das geschieht <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d verschie-<br />
dener Kriterien. Dazu gehören zum Beispiel<br />
die benötigten Arbeits- und Fachkenntnisse<br />
oder die mit der Arbeitsaufgabe verbundene<br />
Ver<strong>an</strong>twortung. Für jedes Kriterium wird je-<br />
weils eine Anzahl von Punkten vergeben. Die<br />
insgesamt erzielte Punktzahl bestimmt die<br />
Einstufung in eine Entgeltgruppe und damit<br />
über die Höhe des Grundentgelts.<br />
Die Analytik wird nur in wenigen Tarifgebie-<br />
ten <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dt. In Nordrhein-Westfalen und<br />
Baden-Württemberg wurde im Rahmen von<br />
<strong>ERA</strong> ein Stufenwertzahlverfahren entwickelt.<br />
Arbeitsbewertung<br />
Es gibt zwei Methoden der Arbeitsbewer-<br />
tung: die Analytik und die Summarik. Die<br />
Arbeitsbewertung ist Grundlage für die Ein-<br />
gruppierung eines Beschäftigten.<br />
Ausbildungsvergütung<br />
Damit die Auszubildenden <strong>an</strong> der allgemei-<br />
nen Entgeltentwicklung teilhaben, wird im<br />
Rahmen von <strong>ERA</strong> die Ausbildungsvergütung<br />
in die Entgelttabelle mit aufgenommen. In<br />
der baden-württembergischen <strong>Metall</strong>- und<br />
Elektroindustrie waren die Ausbildungsver-<br />
gütungen bereits vor dem <strong>ERA</strong>-Abschluss<br />
prozentual <strong>an</strong> den Ecklohn <strong>an</strong>gekoppelt.<br />
72<br />
Außertariflich Beschäftigte<br />
Außertariflich Beschäftigte fallen durch<br />
ihre Einkommenshöhe, ihren Arbeitsvertrag<br />
und durch höhere Anforderungen als im<br />
Tarifvertrag geregelt aus dem persönlichen<br />
Geltungsbereich des Tarifvertrages heraus.<br />
Dieses höhere Einkommen hat für diese Be-<br />
schäftigten allerdings auch eine Kehrseite:<br />
Sie verlieren den gesamten Schutz des Tarif-<br />
vertrages ( Urlaubs<strong>an</strong>spruch, Mehrarbeitszu-<br />
schläge etc. ).<br />
Belastung<br />
Im <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong> gilt der Grundsatz: „Belas-<br />
tungen sind zu vermeiden“. Die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong><br />
will nicht, dass Gesundheitsschutz durch<br />
Zuschläge abgekauft wird. Deshalb sind Ar-<br />
beitsorg<strong>an</strong>isation und Arbeitsinhalte so zu<br />
gestalten, dass Belastungen vermieden wer-<br />
den. Wenn sich Belastungen nicht vermeiden<br />
lassen, wird eine Belastungszulage gezahlt.<br />
Beteiligungsrechte<br />
Die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> will die betriebliche Mitbe-<br />
stimmung des Betriebsrats ergänzen. Die<br />
individuellen Beteiligungsrechte der Be-<br />
schäftigten bei der Gestaltung ihrer Arbeits-,<br />
Leistungs- und Entgeltbedingungen sollen<br />
durch tarifliche Regelungen gestärkt werden,<br />
zum Beispiel durch Gestaltungs- und Rekla-<br />
mationsrechte.<br />
Weiterführende<br />
Glossar<br />
Informationen auch<br />
im Internet unter:<br />
www.igmetall.de/<br />
tarife/nachrichten/<br />
entgeltrahmen/<br />
lexikon.html
Besitzst<strong>an</strong>dswahrung<br />
Durch <strong>ERA</strong> soll niem<strong>an</strong>d schlechter gestellt<br />
werden als bisher; das bisherige individuelle<br />
Einkommen bleibt in jedem Fall erhalten.<br />
Daher ist im Entgeltrahmenabkommen eine<br />
Besitzst<strong>an</strong>dswahrung vorgesehen, die die<br />
bestehende Entgelthöhe absichert.<br />
Diskriminierung<br />
Mit dem <strong>ERA</strong> ist die indirekte Diskriminie-<br />
rung von Frauen bei der Eingruppierung<br />
beseitigt. Die Anforderungsprofile berück-<br />
sichtigen – <strong>an</strong>ders als früher – gleiche bzw.<br />
gleichwertige Anforderungen <strong>an</strong> Männer<br />
und Frauen und bewerten sie entsprechend<br />
gleich. Deswegen gibt es auch nicht mehr<br />
das Kriterium „körperlich schwere Arbeit“,<br />
das immer mit Muskelkraft verbunden wur-<br />
de.<br />
Eckentgelt<br />
Mit dem sogen<strong>an</strong>nten Eckentgelt ist die Ein-<br />
gruppierung in die Entgeltgruppe gemeint,<br />
die Anforderungen <strong>an</strong> die Tätigkeit beschrei-<br />
ben, die üblicherweise mit einer fachspezifi-<br />
schen Ausbildung erfüllt werden.<br />
Eingruppierung<br />
Bei der betrieblichen Einführung von <strong>ERA</strong><br />
müssen die Beschäftigten neu eingruppiert<br />
werden. Der Arbeitgeber macht dazu einen<br />
Vorschlag. Die Eingruppierung soll durch Ar-<br />
beitnehmer und Betriebsrat reklamierbar sein.<br />
73<br />
<strong>ERA</strong>-Anpassungsfonds<br />
Die Tarifverträge aus dem Jahr 2002 sehen<br />
für die meisten Tarifgebiete vor, das Geld<br />
aus der <strong>ERA</strong>-Strukturkomponente in betrieb-<br />
lichen <strong>ERA</strong>-Anpassungsfonds zu sammeln.<br />
Aus diesen Anpassungsfonds werden d<strong>an</strong>n<br />
die höheren Einkommen für diejenigen fi-<br />
n<strong>an</strong>ziert, die sich aus den <strong>neue</strong>n Entgelten<br />
nach der <strong>ERA</strong>-Einführung ergeben.<br />
<strong>ERA</strong>-Strukturkomponente<br />
Die <strong>ERA</strong>-Strukturkomponente dient dazu, die<br />
<strong>ERA</strong>-Einführung zu fin<strong>an</strong>zieren. Grundged<strong>an</strong>-<br />
ke: Ein Teil des Volumens von Tariferhöhun-<br />
gen wird genutzt, damit die Beschäftigten<br />
mehr Geld erhalten, deren Entgelte durch<br />
<strong>ERA</strong> steigen werden. Da es noch keinen <strong>ERA</strong><br />
gibt, wurde die Strukturkomponente in den<br />
Jahren 2002 und 2003 in vollem Umf<strong>an</strong>g <strong>an</strong><br />
die Beschäftigten weitergegeben.<br />
Tabellenwirksam – also Grundlage für Tarif-<br />
erhöhungen ab 2004 – waren für 2002 und<br />
2003 nur die Erhöhungen ohne die <strong>ERA</strong>-<br />
Strukturkomponente. Das sind 3,1 Prozent<br />
für 2002 und 2,6 Prozent für 2003. Von die-<br />
ser Basis aus werden künftige Tariferhöhun-<br />
gen berechnet.<br />
Der Rest ( also 0,9 Prozent für 2002 und<br />
0,5 Prozent für 2003 ) wird nicht tabellen-<br />
wirksam, sondern wird in den Betrieben in<br />
<strong>ERA</strong>-Anpassungsfonds eingestellt, die später<br />
zur <strong>ERA</strong>-Fin<strong>an</strong>zierung dienen.<br />
Glossar
Im Hintergrund werden in einigen Tarifgebie-<br />
ten Lohn- und Gehaltstabellen mitgeführt,<br />
bei denen die Strukturkomponente berück-<br />
sichtigt ist. Auch aus künftigen Tarifrunden<br />
wird ein Teil für die <strong>ERA</strong>-Strukturkomponen-<br />
te benötigt – bisher aufgebracht sind 1,4 Pro-<br />
zent. <strong>ERA</strong> wird eingeführt, sobald 2,79 Pro-<br />
zent aus den allgemeinen Tariferhöhungen<br />
aufgebracht sind. D<strong>an</strong>n gelten die <strong>neue</strong>n<br />
Entgelt-Tabellen.<br />
In <strong>an</strong>deren Tarifgebieten steht die <strong>neue</strong> Ent-<br />
gelt-Tabelle schon fest. Dort wird das Geld<br />
aus der <strong>ERA</strong>-Strukturkomponente unmittel-<br />
bar zur schrittweisen betrieblichen Einfüh-<br />
rung der <strong>neue</strong>n Entgelt-Tabellen eingesetzt.<br />
Fahrpl<strong>an</strong><br />
Bei den Tarifverh<strong>an</strong>dlungen im Frühjahr 2002<br />
haben sich <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> und <strong>Metall</strong>-Arbeitgeber<br />
auf einen Fahrpl<strong>an</strong> zur <strong>ERA</strong>-Einführung geei-<br />
nigt. Festgelegt sind<br />
• ein Zeitpunkt, zu dem die <strong>ERA</strong>-Verh<strong>an</strong>d-<br />
lungen abgeschlossen sein müssen<br />
• ein Zeitraum, in dem sich die Betriebe auf<br />
die <strong>ERA</strong>-Einführung vorbereiten können<br />
• ein Zeitraum, in dem <strong>ERA</strong> betrieblich ein-<br />
geführt wird<br />
• ein Zeitpunkt, bis zu dem <strong>ERA</strong> betrieblich<br />
eingeführt sein muss.<br />
Die Fahrpläne in den Tarifgebieten unter-<br />
scheiden sich leicht.<br />
74<br />
Gehalt<br />
Als Gehalt wird – bisher – das Entgelt für An-<br />
gestellte bezeichnet. Arbeiter erhalten Lohn.<br />
Durch <strong>ERA</strong> wird die Trennung zwischen Lohn<br />
und Gehalt zugunsten eines gemeinsamen<br />
Entgelts aufgehoben.<br />
Kostenneutralität<br />
Die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> hat sich mit den Arbeitgebern<br />
verständigt, dass die Umstellung auf das<br />
<strong>neue</strong> <strong>ERA</strong>-Entgeltsystem kostenneutral sein<br />
soll. Anh<strong>an</strong>d von Berechnungen in Muster-<br />
betrieben haben <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> und Arbeitgeber<br />
gemeinsam ermittelt, dass diese systembe-<br />
dingten Mehrkosten sich auf 2,79 Prozent<br />
belaufen. Davon sind durch die Tarifab-<br />
schlüsse des Jahres 2002 bereits 1,4 Prozent<br />
abgedeckt; der Rest wird Best<strong>an</strong>dteil künfti-<br />
ger Tarifverträge sein.<br />
Die systembedingten Kosten sind ein Durch-<br />
schnittswert über alle Beschäftigten und alle<br />
Betriebe. In einzelnen Betrieben können die<br />
Kosten darüber oder darunter liegen. Falls<br />
die Kosten darunter liegen, wird das Geld,<br />
das nicht für die <strong>ERA</strong>-Einführung benötigt<br />
wird, <strong>an</strong> die Beschäftigten ausgeschüttet.<br />
Falls die Kosten darüber liegen, sind in den<br />
Tarifverträgen weitere Möglichkeiten zur<br />
Kompensation vereinbart.<br />
Glossar
Lohn<br />
Als Lohn wird – bisher – das Entgelt für Ar-<br />
beiter bezeichnet. Angestellte erhalten Ge-<br />
halt. Durch <strong>ERA</strong> wird die Trennung zwischen<br />
Lohn und Gehalt zugunsten eines gemeinsa-<br />
men Entgelts aufgehoben.<br />
Mitbestimmung<br />
Nach Paragraf 87 des Betriebsverfassungs-<br />
gesetzes ( BetrVG ) hat der Betriebsrat bei der<br />
Entgeltgestaltung Mitbestimmungsrechte,<br />
zum Beispiel bei der Auswahl der Entgelt-<br />
grundsätze und -methoden und bei der Fest-<br />
setzung der leistungsbezogenen Entgelte<br />
( Akkord, Prämie und sonstige vergleichbare<br />
Leistungsentgeltformen ). Einzelheiten der<br />
Mitbestimmung werden durch das Gesetz<br />
aber nicht geregelt.<br />
Paritätische Kommission<br />
So wird ein betrieblicher Ausschuss bezeich-<br />
net, der sich mit einer bestimmten betriebli-<br />
chen Angelegenheit befasst. Die Mitglieder<br />
der Kommission werden – je zur Hälfte – vom<br />
Betriebsrat und vom Arbeitgeber ben<strong>an</strong>nt.<br />
Um eine paritätische Kommission h<strong>an</strong>delt es<br />
sich zum Beispiel beim „Akkordausschuss“<br />
bzw. bei der „Akkordkommission“ nach den<br />
Lohnrahmentarifverträgen. Die Aufgabe<br />
dieser Ausschüsse oder Kommissionen ist<br />
es, strittige ( reklamierte ) Akkorde zu über-<br />
prüfen.<br />
75<br />
Qualifizierung<br />
Qualifizierung wird immer wichtiger, um die<br />
Arbeitsplätze sicherer zu machen. Sie k<strong>an</strong>n<br />
auch dazu beitragen, dass die Beschäftigten<br />
mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Deswegen<br />
fordert die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> einen individuellen<br />
Rechts<strong>an</strong>spruch auf Weiterbildung. In der<br />
baden-württembergischen <strong>Metall</strong>- und Elek-<br />
troindustrie ist im Jahr 2001 bereits ein ent-<br />
sprechender Tarifvertrag zur Qualifizierung<br />
vereinbart worden.<br />
Reklamationen<br />
Die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> will im <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong> Reklamati-<br />
onsrechte der Beschäftigten regeln. Einzelne<br />
Beschäftigte sollen beispielsweise das Recht<br />
haben, ihrer Eingruppierung zu widerspre-<br />
chen, wenn sie der Ansicht sind, falsch ein-<br />
gruppiert zu sein. Außerdem sollen sie einen<br />
Anspruch auf Überprüfung haben, wenn sie<br />
meinen, dass die vereinbarten Leistungs-<br />
bedingungen unzutreffend sind. Auch der<br />
Betriebsrat soll die tarifvertragliche Möglich-<br />
keit haben, Eingruppierung und Leistungs-<br />
bedingungen zu be<strong>an</strong>st<strong>an</strong>den.<br />
<strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>-Mitglieder, die ihre Eingruppierung<br />
reklamieren wollen, erhalten bei der örtli-<br />
chen <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> Ratschläge und Hilfe.<br />
Glossar
Schiedsverfahren<br />
Die Beilegung von Streitigkeiten über die<br />
Auslegung und Anwendung von Tarifverträ-<br />
gen wird häufig über tarifliche Schieds- bzw.<br />
Schlichtungsstellen abgewickelt. Zuständig-<br />
keit, Zusammensetzung und Arbeitsweise<br />
dieser Inst<strong>an</strong>zen sind im <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> Bezirk<br />
Küste im Tarifvertrag über Tarifschiedsge-<br />
richt, Einigungsstelle und Schnellschlichtung<br />
geregelt ( siehe auch Paritätische Kommissi-<br />
on ).<br />
Stufenwertzahlverfahren<br />
In Nordrhein-Westfalen und Baden-<br />
Württemberg wurde im Rahmen von <strong>ERA</strong> ein<br />
Stufenwertzahlverfahren entwickelt. Dabei<br />
gibt es – zum Beispiel in Nordrhein-Westfa-<br />
len – vier Anforderungsmerkmale ( Können,<br />
H<strong>an</strong>dlungs- und Entscheidungsspielraum,<br />
Kooperation und Mitarbeiterführung ). Die<br />
Arbeitsaufgabe jedes Beschäftigten wird<br />
darauf geprüft, welche Anforderungsmerk-<br />
male erfüllt sind. Dafür gibt es d<strong>an</strong>n jeweils<br />
Punkte, die am Ende addiert werden. Aus der<br />
Gesamtpunktzahl ergibt sich die Eingruppie-<br />
rung – und entsprechend die Bezahlung.<br />
76<br />
Summarik<br />
Die Summarik ist eine Methode, um die Ar-<br />
beitsaufgabe von Beschäftigten tariflich zu<br />
bewerten. Das geschieht <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d von weni-<br />
gen Anforderungsmerkmalen, bei denen die<br />
Unterweisungs-, Anlern- oder Ausbildungs-<br />
zeit im Vordergrund steht. D<strong>an</strong>eben spielen<br />
Berufserfahrung oder auch der Grad <strong>an</strong><br />
Selbstständigkeit eine Rolle.<br />
In den meisten Tarifgebieten wird die Sum-<br />
marik <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dt.<br />
Glossar
Zusammenstellung von Definitionen der Begriffe, die in den Tarifverträgen<br />
der <strong>Metall</strong>- und Elektroindustrie des Bezirks Fr<strong>an</strong>kfurt verwendet werden<br />
Anlernen<br />
Ist das systematische Vermitteln von ver-<br />
schiedenen Grundfertigkeiten ( § 3.2 LRTV<br />
Hessen )<br />
Disposition<br />
Pl<strong>an</strong>, Einteilung, Gliederung Anordnung von<br />
gesammeltem Material ( Wahrig, Deutsches<br />
Wörterbuch, S. 351 )<br />
Einführen<br />
Jem<strong>an</strong>den <strong>an</strong>leiten, unterweisen, vertraut<br />
machen mit; in offizieller Form bek<strong>an</strong>nt ma-<br />
chen, vorstellen; zum ersten Mal auftreten<br />
( Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 386 )<br />
Geschäftsvorg<strong>an</strong>g<br />
Im Geschäftsbuch belegtes geschäftliches<br />
Ereignis ( Wahrig, Deutsches Wörterbuch,<br />
S. 550 )<br />
Kenntnisse<br />
Wissen, Erfahrung ( Wahrig, Deutsches Wör-<br />
terbuch, S. 736 )<br />
77<br />
Können<br />
Vermögen, fähig sein, imst<strong>an</strong>de sein, in der<br />
Lage sein; dürfen, berechtigt sein; Grund ha-<br />
ben; gelernt haben, verstehen, beherrschen<br />
( Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 772 )<br />
Selbständig<br />
Unabhängig, nicht fest <strong>an</strong>gestellt; ohne Hil-<br />
fe, allein, ohne Anleitung, Antrieb von außen<br />
( Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 1170 )<br />
Ver<strong>an</strong>twortung<br />
Pflicht, Bereitschaft, für seinen H<strong>an</strong>dlungen<br />
einzustehen, ihre Folgen zu tragen; Rechtfer-<br />
tigung, Verteidigung; Rechenschaft ( Wahrig,<br />
Deutsches Wörterbuch, S. 1351 )<br />
Wissen<br />
Kenntnis von etwas haben ( Wahrig, Deut-<br />
sches Wörterbuch, S. 1440)<br />
Zweckausbildung<br />
Ist die Ausbildung für bestimmte Arbeitsver-<br />
richtungen, die nicht nur nach Anweisung<br />
ausgeführt werden können ( § 3.2 LRTV<br />
Hessen )<br />
Glossar<br />
»Wahrig« ist das <strong>an</strong>-<br />
erk<strong>an</strong>nte Lexikon für<br />
tarifrechtliche Fragen
9. Regelungen zu den Verfahren der Ersteingruppierung:<br />
a) Baden-Würtemberg<br />
Baden-Würtemberg<br />
Werden Schulungen zur Umsetzung<br />
des <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong> erwähnt ?<br />
Welche Widerspruchsfristen und<br />
-formen sind vorgesehen ?<br />
Wird eine Paritätische<br />
Kommission gebildet ?<br />
78<br />
Wie ist sie zusammengesetzt ?<br />
• Ja, für Mitglieder und StellvertreterInnen<br />
der Paritätischen<br />
Kommission ( § 7.1.6 <strong>ERA</strong>-TV )<br />
• Einspruchsfrist 8 Wochen, bei<br />
fehlender Einigung tritt erweiterte<br />
Paritätische Kommission<br />
zusammen, d<strong>an</strong>ach Schiedsstelle<br />
(§ 7.3 <strong>ERA</strong>-TV)<br />
• Jede Seite k<strong>an</strong>n unter Angabe<br />
von Gründen eine Überprüfung<br />
der Arbeitsbeschreibung verl<strong>an</strong>gen<br />
(§ 7.3 <strong>ERA</strong>-TV)<br />
• Ja, in Betrieben ab 500 Beschäftigten<br />
und konzernabhängigen<br />
Betrieben ab 300 Beschäftigten,<br />
in kleineren Betrieben gilt<br />
das vereinfachte Einstufungsverfahren,<br />
in dem eine Paritätische<br />
Kommission erst im Reklamationsverfahren<br />
gebildet ( § 7<br />
und 8 <strong>ERA</strong>-TV ) wird<br />
• 3 Vertreter des AG, 3 Vertreter<br />
der Beschäftigten, davon mind.<br />
1 BR, BR entscheidet über die<br />
Vertreter der Beschäftigten,<br />
jede Seite k<strong>an</strong>n ausgewählte<br />
Berater aus dem Unternehmen<br />
hinzuziehen ( § 7.1 )<br />
• keine <strong>an</strong>ders lautenden Regelungen<br />
für die Einführung des<br />
<strong>ERA</strong>-TV<br />
Ersteingruppierung
9. Regelungen zu den Verfahren der Ersteingruppierung:<br />
b) Küste<br />
Küste<br />
Werden Schulungen<br />
zur Umsetzung des<br />
<strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong> erwähnt ?<br />
Welche Widerspruchsfristen und<br />
-formen sind vorgesehen ?<br />
Wird eine Paritätische<br />
Kommission gebildet ?<br />
Wie ist sie zusammengesetzt<br />
?<br />
79<br />
• Nein. Es gilt also<br />
das BetrVG. Schulungsver<strong>an</strong>staltungen<br />
werden<br />
<strong>an</strong>geboten. Frauen<br />
sollten sich<br />
dar<strong>an</strong> beteiligen.<br />
• Einspruchsfrist 8 Wochen, bei fehlender Einigung tritt<br />
erweiterte Paritätische Kommission zusammen, d<strong>an</strong>ach<br />
Schiedsstelle ( § 7.3 <strong>ERA</strong>-TV )<br />
• Ja, im Rahmen der<br />
Einführung des <strong>ERA</strong><br />
( § 10 Einführungs-TV )<br />
• Jede Seite k<strong>an</strong>n unter Angabe von Gründen eine Überprüfung<br />
der Arbeitsbeschreibung verl<strong>an</strong>gen ( § 7.3<br />
<strong>ERA</strong>-TV )<br />
• 4 – 6 Betriebs<strong>an</strong>gehörige,<br />
davon je die<br />
Hälfte vom AG und<br />
vom BR zu benennen.<br />
• Einspruchsfrist während der Einführung des <strong>ERA</strong><br />
4 Wochen ( § 10 Einführungs-TV ), Entscheidung durch<br />
Paritätische Kommission, d<strong>an</strong>n Einigungsversuch<br />
AG – BR, bei Nichteinigung Hinzuziehen der Tarifparteien,<br />
d<strong>an</strong>n tarifliche Einigungsstelle<br />
• Anschließend gilt<br />
§ 99 BetrVG i.V.m. § 2<br />
Ziff. 4,5<br />
• Einspruch muss schriftlich erfolgen ( § 10 Einführungs-TV )<br />
• Anschließend gelten § 2 ( 4 und 5 ) <strong>ERA</strong>: Einspruchsrecht<br />
des BR innerhalb einer Woche schriftlich, bei Nichteinigung<br />
Rechtsweg; Einspruchsrecht der Beschäftigten,<br />
Ablehnung muss vom AG schriftlich begründet werden,<br />
bei Nichteinigung Verh<strong>an</strong>dlung zwischen AG und BR,<br />
bei erneuter Nichteinigung Rechtsweg<br />
Ersteingruppierung
9. Regelungen zu den Verfahren der Ersteingruppierung:<br />
c) Niedersachsen<br />
Niedersachsen<br />
Werden Schulungen zur Umsetzung<br />
des <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong> erwähnt ?<br />
Welche Widerspruchsfristen und<br />
-formen sind vorgesehen ?<br />
Wird eine Paritätische<br />
Kommission gebildet ?<br />
80<br />
Wie ist sie zusammengesetzt ?<br />
• Nein. Es gilt also das BetrVG.<br />
• Allerdings wird in § 2 Überleitungs-TV<br />
eine Vorbereitungsphase<br />
definiert, in der sich<br />
AG und BR auf die Einführung<br />
vorbereiten. Dies könnte Schulungsmaßnahmeneinschließen.<br />
• Einspruchsfrist für den BR während<br />
der Einführung des <strong>ERA</strong><br />
3 Wochen. Entscheidung durch<br />
Paritätische Entgeltkommission,<br />
bei Nichteinigung Hinzuziehen<br />
der Tarifvertragsparteien,<br />
d<strong>an</strong>n tarifliche Schlichtungsstelle<br />
( § 3 Überleitungs-TV )<br />
• Ja, für Einzelstreitigkeiten. In<br />
Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten<br />
sowohl bei der<br />
Einführung des <strong>ERA</strong> als auch<br />
später. In kleineren Betrieben<br />
verh<strong>an</strong>deln AG und BR ( § 15<br />
<strong>ERA</strong>-TV, sowie § 3 Überleitungs-<br />
TV )<br />
• Nach der Einführung des <strong>ERA</strong><br />
steht nach der Nichteinigung<br />
über die Eingruppierung der Tarifvertragsparteien<br />
der Rechtsweg<br />
offen. ( § 15 ( 5 ) <strong>ERA</strong>-TV )<br />
• Je 2 – 3 sachkundige Beschäftigte,<br />
die jeweils vom AG bzw.<br />
BR ben<strong>an</strong>nt werden ( § 15 <strong>ERA</strong>-<br />
TV )<br />
Ersteingruppierung
9. Regelungen zu den Verfahren der Ersteingruppierung:<br />
d) Nordrhein-Westfalen<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Werden Schulungen zur<br />
Umsetzung des <strong>neue</strong>n<br />
Welche Widerspruchsfristen und<br />
-formen sind vorgesehen ?<br />
Wird eine Paritätische Kommission<br />
gebildet ?<br />
81<br />
<strong>ERA</strong> erwähnt ?<br />
Wie ist sie zusammengesetzt ?<br />
• Nein. Es gilt also das<br />
BetrVG.<br />
• Fall 1: Einspruchsfrist für den BR<br />
während der Einführung des <strong>ERA</strong> 4<br />
Wochen nach Vorlage der vorläufigen.<br />
Eingruppierung durch den AG; d<strong>an</strong>ach<br />
2 Wochen nach Zug<strong>an</strong>g der Eingruppierungsunterlagen<br />
( § 7 ( 6 ) <strong>ERA</strong>-ETV ).<br />
Beratung in der Paritätische Kommission<br />
8 Wochen, d<strong>an</strong>ach entscheidet die<br />
Einigungsstelle ( § 7 ( 4 ) <strong>ERA</strong>-ETV )<br />
• Fall 1: Ja, im Rahmen der Einführung<br />
des <strong>ERA</strong>, wenn betrieblich<br />
freiwillig das besondere Eingruppierungs-<br />
und Reklamationsverfahren<br />
gemäß § 7 <strong>ERA</strong>-ETV<br />
vereinbart wird. Sie wird tätig,<br />
wenn BR und AG sich <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der<br />
Unterlagen über eine Eingruppierung<br />
des Arbeitsplatzes nicht<br />
einigen können.<br />
• Fall 2: Individuelle Reklamation durch<br />
Beschäftigte/n innerhalb von 4 Wochen<br />
nach Mitteilung der beabsichtigten<br />
Eingruppierung ( § 4 ( 1 ) <strong>ERA</strong> ),<br />
d<strong>an</strong>ach: Prüfung durch AG, d<strong>an</strong>n<br />
Paritätische Kommission, Rechtsweg.<br />
Beschäftigte/r und BR können bei Änderung<br />
der Arbeitsaufgabe eine Änderung<br />
der Eingruppierung von sich aus<br />
be<strong>an</strong>tragen. ( § 4 ( 2 ) <strong>ERA</strong> )<br />
• Je 2 von AG und BR bestellte<br />
Betriebs<strong>an</strong>gehörige ( § 7 ( 2 ) <strong>ERA</strong>-<br />
ETV )<br />
• Fall 2: Grundsätzlich gelten die<br />
Mitwirkungsrechte des BR nach<br />
§ 99 BetrVG und § 4 <strong>ERA</strong>. ( § 2 ( 7 )<br />
<strong>ERA</strong> ). Bei Reklamationen wird<br />
auch hier eine paritätische Kommission<br />
gebildet.<br />
Ersteingruppierung
9. Regelungen zu den Verfahren der Ersteingruppierung:<br />
e) Thüringen<br />
Thüringen<br />
Werden Schulungen zur Umsetzung<br />
des <strong>neue</strong>n <strong>ERA</strong> erwähnt ?<br />
Welche Widerspruchsfristen und<br />
-formen sind vorgesehen ?<br />
Wird eine Paritätische<br />
Kommission gebildet ?<br />
82<br />
Wie ist sie zusammengesetzt ?<br />
• Nein. Es gilt also das BetrVG.<br />
• Einspruchsfrist für BR und Beschäftigte<br />
während der Einführung<br />
des <strong>ERA</strong> 3 Wochen ( § 3 ( 3 )<br />
Einführungs-TV )<br />
• Ja, für die Einführung des <strong>ERA</strong><br />
( § 5 Einführungs-TV )<br />
• Allerdings wird in § 2 Überleitungs-TV<br />
eine Vorbereitungsphase<br />
definiert, in der sich<br />
AG und BR auf die Einführung<br />
vorbereiten. Dies könnte Schulungsmaßnahmeneinschließen.<br />
• Je 2 von AG und BR bestellte<br />
Betriebs<strong>an</strong>gehörige ( § 5 ( 2 )<br />
Einführungs-TV )<br />
• Einspruch muss schriftlich erfolgen.<br />
(ebenda)<br />
• Anschließend gilt § 99 BetrVG<br />
• Paritätische Kommission entscheidet<br />
den Widerspruchsfall,<br />
bei Nichteinigung Hinzuziehen<br />
der Tarifvertragsparteien, d<strong>an</strong>ach<br />
Verfahren gemäß § 26<br />
MTV<br />
• Anschließend gilt § 3 ( 8 ) <strong>ERA</strong>:<br />
Einspruchsrecht der Beschäftigten,<br />
Ablehnung muss vom<br />
AG schriftlich begründet<br />
werden, bei Nichteinigung<br />
Verh<strong>an</strong>dlung zwischen AG und<br />
BR, bei erneuter Nichteinigung<br />
Rechtsweg<br />
Ersteingruppierung
10. Regelungen zu Richt- und Niveaubeispielen<br />
Baden-Würtemberg<br />
a) Baden-Würtemberg<br />
Werden die tariflichen Richt- oder<br />
Niveaubeispiele überarbeitet ?<br />
Wie ist die Mitbestimmung bei der<br />
Erarbeitung der Ergänzungsbei-<br />
Sind betriebliche<br />
Ergänzungsbeispiele möglich ?<br />
83<br />
spiele geregelt ?<br />
• § 5 ( 2.3 ): Katalog wird aufgrund<br />
der technischen und org<strong>an</strong>isatorischen<br />
Entwicklung überprüft<br />
und „möglichst unverzüglich“<br />
ergänzt.<br />
• § 6 ( 4.3 ): Ja, einvernehmlich. • § 6 ( 4.3 ): Paritätische Kommission<br />
auf Betriebs- oder Unternehmensebene<br />
Richt- und Niveaubeipiele
10. Regelungen zu Richt- und Niveaubeispielen<br />
Küste<br />
b) Küste<br />
Werden die tariflichen Richt- oder<br />
Niveaubeispiele überarbeitet ?<br />
Wie ist die Mitbestimmung bei der<br />
Erarbeitung der Ergänzungsbei-<br />
Sind betriebliche<br />
Ergänzungsbeispiele möglich ?<br />
84<br />
spiele geregelt ?<br />
• <strong>ERA</strong> sagt nichts dazu aus.<br />
• <strong>ERA</strong> sagt nichts dazu aus, laut<br />
Ziffer 5 des Verh<strong>an</strong>dlungsergebnisses<br />
vom 11.09.03 wird<br />
weiter darüber verh<strong>an</strong>delt<br />
• § 3 ( 9 ): Ja, freiwillig.<br />
• Ab 1.1.08 gemäß § 87 ( 1.10 )<br />
BetrVG<br />
Richt- und Niveaubeipiele
10. Regelungen zu Richt- und Niveaubeispielen<br />
Niedersachsen<br />
c) Niedersachsen<br />
Werden die tariflichen Richt- oder<br />
Niveaubeispiele überarbeitet ?<br />
Wie ist die Mitbestimmung bei der<br />
Erarbeitung der Ergänzungsbei-<br />
Sind betriebliche<br />
Ergänzungsbeispiele möglich ?<br />
85<br />
spiele geregelt ?<br />
• Ziffer 2 des Verh<strong>an</strong>dlungsergebnisses<br />
vom 20.11.03 verpflichtet<br />
zur Vereinbarung von tariflichen<br />
Richtbeispielen für 10 Tätigkeitsfelder<br />
bis 30.06.04.<br />
Bisl<strong>an</strong>g sind erst Richtbeispiele<br />
für ein Tätigkeitsfeld ( Zersp<strong>an</strong>ung<br />
) vereinbart worden. ( Anlage<br />
zu § 3 )<br />
• § 2 ( 3 ): Paritätische Kommission<br />
• § 2 ( 3 ): Ja, freiwillig.<br />
• Ab 2013 d<strong>an</strong>n, wenn <strong>neue</strong><br />
Technologien, Produkte oder<br />
Org<strong>an</strong>isationsformen zu wesentlichen<br />
Änderungen geführt<br />
haben.<br />
• § 2 (2 ): Ja, bei Bedarf<br />
• und mindestens alle 5 Jahre<br />
• § 3 ( 7 ) Überleitungs-TV: Bei<br />
der erstmaligen Eingruppierung<br />
können Betriebsrat und<br />
Arbeitgeber den Abschluss<br />
von ergänzenden betrieblichen<br />
Richtbeispielen verl<strong>an</strong>gen.<br />
• und Aktualisierung der Berufsbezeichnungen<br />
bei Neuordnungen<br />
der Berufsbilder<br />
Richt- und Niveaubeipiele
10. Regelungen zu Richt- und Niveaubeispielen<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
d) Nordrhein-Westfalen<br />
Werden die tariflichen Richt- oder<br />
Niveaubeispiele überarbeitet ?<br />
Wie ist die Mitbestimmung bei der<br />
Erarbeitung der Ergänzungsbeispiele<br />
geregelt ?<br />
Sind betriebliche<br />
Ergänzungsbeispiele möglich ?<br />
86<br />
• Keine Aussage dazu in den<br />
<strong>ERA</strong>s<br />
• Entfällt gemäß der Idee in<br />
§ 3 (4 ) <strong>ERA</strong><br />
• Die Niveaubeispiele sind von<br />
den Tarifvertragsparteien<br />
gemeinsam bewertet und eingruppiert<br />
worden. Sie gelten<br />
als Orientierungshilfe. Maßgebend<br />
für die Eingruppierung<br />
der /des Beschäftigten ist<br />
seine/ihre konkrete Arbeitsaufgabe<br />
Richt- und Niveaubeipiele
10. Regelungen zu Richt- und Niveaubeispielen<br />
Thüringen<br />
e) Thüringen<br />
Werden die tariflichen Richt- oder<br />
Niveaubeispiele überarbeitet ?<br />
Wie ist die Mitbestimmung bei der<br />
Erarbeitung der Ergänzungsbei-<br />
Sind betriebliche<br />
Ergänzungsbeispiele möglich ?<br />
87<br />
spiele geregelt ?<br />
• § 3 ( 7 ): Ja, freiwillig. • § 3 ( 7 ): Betriebsparteien • Ja, gemäß Protokollnotiz zu<br />
§ 3 ( 6 ) bei Bedarf, mindestens<br />
aber alle 5 Jahre und bei Neuordnung<br />
der Berufsbilder<br />
Richt- und Niveaubeipiele