Fallstudie Witikohof - SalzburgerLand Netoffice
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-,<br />
Freizeit- und Wellnesshaus der<br />
Wolfsteiner Werkstätten<br />
Wellness als Erfolgsfaktor des barrierefreien Tourismus<br />
<strong>Fallstudie</strong> zur Barrierefreiheit in Tourismus und Freizeit<br />
Nr. 6<br />
Elisabeth Häusler, Mark Markus | Februar 2010<br />
IKT-Kompetenzzentrum für die<br />
Tourismus-, Sport- und Freizeitindustrie<br />
<strong>Witikohof</strong><br />
Gefördert aus Mitteln des BMWFJ, BMVIT und des Landes Salzburg.
<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Das Hotel <strong>Witikohof</strong> liegt in Bischofsreut (Deutschland) auf 1000 m Seehöhe im bayrischen Wald. Integration<br />
ist seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2000 das oberste Ziel von Hermann Müller, Leiter des<br />
Tagungs-, Freizeit und Wellnesshauses. Im <strong>Witikohof</strong>, dessen Eigentümer der Caritasverband der Diözese<br />
Passau ist, sind Menschen mit Behinderungen als MitarbeiterInnen und als Gäste gleichermaßen willkommen.<br />
Die Gestaltung eines barrierefreien Wellnessbereichs für alle Gäste erhöhte die Nachfrage und ermöglichte<br />
die Rentabilität des Betriebs. Unterkunftsbetriebe sollten über eine Attraktivierung der bestehenden<br />
Wellnessangebote nachdenken, indem sie diese für alle Menschen zugänglich machen.<br />
Wellness als Erfolgsfaktor des barrierefreien Tourismus<br />
Entstehung des<br />
<strong>Witikohof</strong>s<br />
Name <strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus der Wolfsteiner Werkstätten<br />
Adresse Schwarzenthaler Straße 64, D-94145 Bischofsreut<br />
Telefon: +49 (0) 85 50 96 19 0, Email: witikohof@t-online.de<br />
MitarbeiterInnen 26 MitarbeiterInnen, davon 10 mit Behinderung<br />
Gründungsjahr 2000<br />
Geschäftsfokus Urlaubsangebote für Menschen mit und ohne Behinderungen<br />
Zielgruppe Überwiegend Gästegruppen aus gemeinnützigen Organisationen (Caritas, Lebenshilfe,<br />
Werkstätten) und aus Organisationen für Familien mit körperlich beeinträchtigten<br />
Kindern; Gäste mit und ohne Behinderungen<br />
Zielmärkte Deutschland (90%), Österreich (10%)<br />
Organisationsform Gemeinnütziger Betrieb, Anzahl der Betten: 58<br />
(davon 5 rollstuhlgerechte Doppelzimmer nach DIN-Norm)<br />
Kontaktperson Hermann Müller<br />
URL http://www.witikohof.de<br />
Motivation und Ziele<br />
Seit Oktober 2000 heißt das auf 1000 m ⁄ im bayrischen Wald gelegene Hotel <strong>Witikohof</strong><br />
Menschen mit Behinderungen genauso willkommen wie jeden anderen Gast. Die Leitlinie<br />
des <strong>Witikohof</strong>s ist die Integration von allen Menschen, d.h. von Menschen mit und<br />
ohne Behinderungen, ob als MitarbeiterIn oder als Urlaubsgast.<br />
Das im Eigentum des Caritasverbands für die Diözese Passau sich befindende Haus war<br />
ursprünglich ein Schwestern-, Aussiedler- und Kinderheim, das als solches wirtschaftlich<br />
kostendeckend nicht geführt werden konnte. 1996 wurde das Haus auf die Initiative<br />
der Wolfsteiner Werkstätten (Caritas Werkstätten) bzw. von Hubert Weinberger zum<br />
Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus umgebaut. Damit konnte der Abriss des Gebäudes<br />
verhindert werden. Nach vierjähriger Planungs- und Bauphase entstand der <strong>Witikohof</strong> in<br />
der heutigen Form.<br />
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Mitgliedschaft im Verbund<br />
der Embrace-Hotels<br />
Verbund der Embrace-Hotels<br />
Zielgruppe<br />
Der <strong>Witikohof</strong> ist Mitbegründer der so genannten Embrace-Kooperation (Embrace<br />
kommt vom Französischen und heißt Umarmung). Die Philosophie und Richtlinien von<br />
Embrace sind in allen Häusern ähnlich. Es müssen Menschen mit Behinderungen in allen<br />
Bereichen des Betriebes arbeiten, wie z. B. im Service, in der Küche, im Büro, in der Hauswirtschaft.<br />
Sie müssen zwar über keine spezielle Ausbildung verfügen, jedoch wird zu<br />
Beginn darauf geachtet, ob die Personen für die Arbeit in einem Hotelbetrieb geeignet<br />
sind. Im <strong>Witikohof</strong> gab es noch keinen Fall, wo diese Art der Integration nicht funktionierte.<br />
Embrace agiert international, wobei bis dato noch kein österreichisches Hotel Mitglied<br />
ist (es gab zwar bereits eine Bewerbung, jedoch entsprach der Betrieb nicht vollständig<br />
den Richtlinien). Ein Objekt in Südtirol konnte bereits gewonnen werden. Ziel des Verbunds<br />
ist es, dass die Anzahl der Mitglieder weiter wächst. Hierfür werden zahlreiche<br />
Marketingmaßnahmen wie Messeauftritte, Artikel in der Zeitschrift der deutschen Bahn<br />
sowie Einschaltungen in zahlreichen lokalen Zeitungen gesetzt.<br />
Die Frage, ob durch Embrace-Hotels „Ghettos für Gäste mit Behinderungen“ geschaffen<br />
werden, verneint Herr Müller. Seine Gästestruktur, die zu 60% aus Gästen mit Behinderungen<br />
und zu 40% aus Tagungs- und Urlaubsgästen besteht (ein Großteil der Gäste<br />
sind bereits langjährige Stammgäste), bestätigt, dass durch das Angebot in seinem Haus<br />
nicht ausschließlich Gäste mit Behinderungen angesprochen werden.<br />
Über elf integrative Hotelbetriebe aus Deutschland haben sich im Verbund der<br />
Embrace Hotels zusammengeschlossen. Neben der gemeinsamen und professionellen<br />
Außendarstellung, der Positionierung auf dem Markt und dem regelmäßigen<br />
Erfahrungsaustausch untereinander, stehen die Erhaltung und Schaffung<br />
von neuen Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen in der Hotellerie sowie die Förderung der Begegnung<br />
von Menschen mit und ohne Behinderung im Vordergrund.<br />
Das Leitbild: „Für uns steht die Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung im Vordergrund. Durch<br />
die besondere Idee unserer Betriebe ist Barrierefreiheit im Sinne des Wortes selbstverständlich. Viele unserer Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen sind Menschen mit Behinderung und werden je nach Ihren Fähigkeiten im gesamten<br />
Hotelbetrieb eingesetzt. Wir möchten allen unseren Gästen neben dem Gefühl Willkommen zu sein auch ein<br />
besonderes Gefühl von Menschlichkeit mit nach Hause geben.“<br />
Quelle: http://www.embrace-hotels.de<br />
Angebote und Umsetzung<br />
Die Zielgruppe des <strong>Witikohof</strong>s reicht von Familien mit Kindern bis hin zu älteren Personen,<br />
die in der Natur ihren Urlaub verbringen möchten. Auch Tagungsgäste werden<br />
durch das Angebot des Hotels angesprochen. Grundsätzlich sind Menschen mit allen<br />
Behinderungsformen willkommen, aber das Angebot ist am wenigsten auf blinde Personen<br />
ausgerichtet. Aktuell wird durch Verwendung kontrastreicher Farben und Betonung<br />
der Übergänge die Orientierung für Menschen mit Sehbehinderungen optimiert.<br />
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Eingeschränkte Barrierefreiheit<br />
im ganzen Haus<br />
Rollstuhlgerechtes Doppelzimmer des <strong>Witikohof</strong>s<br />
Es kommt nicht<br />
nur auf die baulichen<br />
Maßnahmen an<br />
Neben 39 Standard-Zimmern verfügt der <strong>Witikohof</strong> über fünf nach DIN-Norm behindertengerecht<br />
ausgestattete Zimmer. Ihre Merkmale sind z. B. breite Türen ohne<br />
Schwellen, geräumige Bäder mit Haltegriffen und behindertengerechten Waschbecken<br />
sowie Lichtschalter in Rollstuhlhöhe. Vier Zimmer verfügen über eingeschränkte Barrierefreiheit<br />
und sind mit verstellbaren Spiegeln und passenden Toiletten ausgestattet,<br />
die den Alltag behinderter Menschen wesentlich erleichtern. Das Angebot von Zusatzleistungen<br />
für Menschen mit Behinderungen, wie der Koffertransport vom Parkplatz<br />
in das Zimmer oder Flexibilität der Essenszeiten, im Haus ist für Hermann Müller „eine<br />
Selbstverständlichkeit!“<br />
Quelle: <strong>Witikohof</strong>, 2009<br />
Laut Hermann Müller müssen Zimmer nicht immer zentimetergenau nach DIN-Norm<br />
gebaut sein, damit sie genützt werden können. Einfache Dinge, wie kippbare Spiegel<br />
oder eine befahrbare Dusche im Haus (und nicht im Zimmer), die durch kleinere Umbauarbeiten<br />
realisierbar sind, sind oftmals schon ausreichend. Entsprechende bauliche Maßnahmen<br />
sind wichtig und sollen laufend optimiert werden. Aber vielleicht noch wesentlicher<br />
ist die Barrierefreiheit im zwischenmenschlichen Bereich, d.h. Offenheit gegenüber<br />
Gästen mit Behinderungen und eine allgemeine Hilfsbereitschaft.<br />
Barrierefreies Bad<br />
Quelle: <strong>Witikohof</strong>, 2009<br />
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Behindertengerechter<br />
Wellnessbereich als<br />
Differenzierungsmerkmal<br />
Maßgeschneidertes<br />
Angebot<br />
Durch den Ausbau des Wellness-Bereichs für alle hat der <strong>Witikohof</strong> das Angebot wesent-<br />
lich attraktiver gestaltet. Alle Saunen sind mit Rollstuhl einfach befahrbar und im Badebereich<br />
erleichtert ein Lift den Zugang zum Erlebnisbecken und zum Whirlpool. Die<br />
Schwimmbecken sind mit rutschfreien Böden sowie mit Handläufen ausgestattet. Weiters<br />
bietet die „Physikalische Oase“, die Beautyfarm des Hauses, Massagen und andere<br />
Wohlfühlangebote speziell für Gäste mit Behinderungen (u.a. auch für Spastiker) an, die<br />
dies sehr gut annehmen. Gäste können das Angebot weitgehend autonom in Anspruch<br />
nehmen, wobei dies auch vom Grad der Behinderung abhängig ist, d.h. manchmal müssen<br />
Begleitpersonen dabei sein.<br />
Ob ein solch barrierefreier Wellnessbereich für alle Hotels geeignet ist, lässt Herr Müller<br />
offen. Die Betriebe müssen selbst entscheiden, ob ein solches Angebot in ihre Unternehmensstrategie<br />
integrierbar ist und ob sie diese Zielgruppe ansprechen wollen. Bei den<br />
Kosten müsse man auf jeden Fall mit einem Drittel mehr rechnen, als bei herkömmlichen<br />
Wellness-Einrichtungen.<br />
Wellnessbereich des Hotels <strong>Witikohof</strong><br />
Quelle: <strong>Witikohof</strong>, 2009<br />
Bereits bei der Buchung wird mit den Verantwortlichen/Begleitpersonen der Gästegruppen<br />
Kontakt aufgenommen und besprochen, was die Gäste gerne in ihrem Urlaub<br />
unternehmen würden, welche Erwartungen sie haben und von welchen Behinderungen<br />
sie betroffen sind. Je nach Behinderungsgrad ist die Anzahl der Begleitpersonen unterschiedlich,<br />
„wobei sich die Gruppen untereinander sehr helfen und Vieles eine Selbstverständlichkeit<br />
ist.“, so Herr Müller im Interview.<br />
Vom Rezeptionsteam des <strong>Witikohof</strong>s werden zusätzlich zu allgemeinen touristischen<br />
Informationen auch individuelle Ausflugs-Vorschläge, die speziell auf die Bedürfnisse<br />
der Gästegruppe zugeschnitten sind, per Mail oder Post versandt. Bei Anreise der Gäste<br />
sind die gewünschten Ausflüge bereits vorbereitet.<br />
Es ist unerlässlich, dass der Betrieb die Mindestanforderungen der Barrierefreiheit<br />
erfüllt. Aber erst die barrierefreien Zusatzangebote im Outdoor-Bereich machen die<br />
Attraktivität des Angebots aus. Die Gäste kommen nicht in erster Linie wegen dem<br />
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Individuelle Ausflüge im<br />
Sommer, Monoski-, und<br />
Langlaufkurse im Winter<br />
Fördergelder zu träge<br />
und unflexibel<br />
Hotel, sondern wollen – wie alle anderen Gäste – die üblichen Urlaubsangebote in<br />
Anspruch nehmen. Hier ist der <strong>Witikohof</strong> auf die Kooperation mit anderen Anbietern<br />
touristischer Leistungen angewiesen. Nach anfänglicher Skepsis und erheblicher Aufklärungsarbeit<br />
im Ort ist der Betrieb mittlerweile in der Region nicht mehr wegzudenken:<br />
zahlreiche Menschen der Umgebung arbeiten im <strong>Witikohof</strong> und die allgemeine Resonanz<br />
ist sehr positiv.<br />
Auch die Infrastruktur für die Fortbewegung der Gäste mit und ohne Behinderungen<br />
ist in der Region gut ausgebaut. Niederflur-Busse sowie Taxiunternehmen, aber auch<br />
Privattransporte des <strong>Witikohof</strong>s können von den Gästen genutzt werden. Gruppen mit<br />
Gästen mit Behinderungen reisen in der Regel mit eigenen PKWs und Kleinbussen an,<br />
sodass diese meist selbst ihre Ausflugsziele anfahren.<br />
Neben Angeboten zu Wanderungen oder anderen Ausflugsmöglichkeiten im Sommer<br />
bietet der <strong>Witikohof</strong> speziell Langlauf- und Monoskikurse für Gäste mit Behinderungen<br />
an. Eine Skischule vor Ort, die sich auf Monoskikurse spezialisiert hat, holt die Gäste in<br />
der Früh ab und bringt sie am Nachmittag wieder zum Hotel zurück. Die Skikurse dauern<br />
im Schnitt eine Woche.<br />
Sommer- und Winterangebote im Hotel <strong>Witikohof</strong><br />
Marketing und Finanzierung<br />
Quelle: <strong>Witikohof</strong>, 2009<br />
Der Um- und Neubau des Hotel <strong>Witikohof</strong>s im Jahr 1996 wurde mit Rücklagen der Wolfsteiner<br />
Werkstätten sowie mit einem Bankkredit finanziert. Es wurden bewusst keine<br />
EU-Gelder, keine Kirchensteuer oder andere Spendengelder beansprucht, um mehr<br />
Freiheit bei der Baugestaltung haben zu können. Der Grund dafür lag unter anderem<br />
an zeitlichen Faktoren, d.h. die Antragsphase für Fördergelder war nicht vereinbar mit<br />
der geplanten zeitlichen Umsetzung des Projekts. Weiters standen für Herrn Müller die<br />
erforderliche Erfüllung der relevanten Baunormen (DIN-Normen) und der hohe administrative<br />
Aufwand nicht in Relation zu den zu erwartenden finanziellen Förderungen. Sein<br />
Erfolg gibt ihm Recht: Der Betrieb konnte bereits das dritte Mal die Kriterien von DEHO-<br />
GA (Deutsche Hotel und Gaststättenverordnung) erfüllen.<br />
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Preisgefüge ist<br />
entscheidend<br />
Barrierefreiheit deutlich<br />
hervorheben<br />
Verbund Embrace,<br />
Messebesuche, Inserate<br />
und persönliche Kontakte<br />
Hohe Kundentreue<br />
Wellnessbereich<br />
als Zugpferd<br />
Der <strong>Witikohof</strong> arbeitet unter dem Dach der Trägerorganisation der Caritas kostendeckend.<br />
Die Übernachtungskosten inklusive Halbpension liegen im <strong>Witikohof</strong> bei<br />
55 Euro pro Person. „Das Preisgefüge bei der Zielgruppe Menschen mit Behinderungen<br />
ist entscheidend. Oft können sich die Gäste nur aufgrund von zusätzlichen Beihilfen<br />
und Fördergeldern überhaupt einen Urlaub leisten.“, so Herr Müller. Zu hohe Preise<br />
können daher nicht verlangt werden, da dies die finanziellen Möglichkeiten der betroffenen<br />
Familien oder Personen übersteigen würde.<br />
Wenn die Zielgruppe der Menschen mit Behinderungen im Zentrum geschäftlicher<br />
Aktivitäten steht, soll der Aspekt der Barrierefreiheit in allen Informationsmaßnahmen<br />
speziell betont werden. Bereits bei der Anfrage werden potenzielle Gäste darauf hingewiesen,<br />
dass im <strong>Witikohof</strong> Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam arbeiten<br />
und urlauben. „So kommen auch die Gäste mit und ohne Behinderungen gut miteinander<br />
zu Recht, da man als Gast darauf vorbereitet ist“, so Müller. „Es sollte jedoch<br />
eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein und man sollte nicht darauf hinweisen<br />
müssen.“ Zusätzlich werden auf der Webseite die MitarbeiterInnen vorgestellt, um den<br />
integrativen Aspekt klar hervorzuheben. Damit wird die Besonderheit des <strong>Witikohof</strong>s<br />
von Anfang an betont.<br />
Primär vermarktet sich der <strong>Witikohof</strong> über die gemeinsame Marketingleistung des<br />
Embrace-Verbunds. Alle anderen Marketingaktivitäten führt Herr Müller selbstständig<br />
durch. Er besucht Messen, die speziell Menschen mit Behinderungen adressieren.<br />
Weiters hat der Leiter des <strong>Witikohof</strong>s bereits einen großen Kundenkreis aufgebaut, der<br />
über Mundpropaganda den Betrieb bewirbt. Zusätzlich erfolgt Öffentlichkeitsarbeit<br />
über Fernsehberichte und Inserate, die in Apotheken, Krankenhäusern und Arztpraxen<br />
geschaltet werden. Der wichtigste Werbekanal ist die Mundpropaganda. „Gäste kommunizieren<br />
so positiv nach außen, da kann man sich nahezu jede andere Werbung sparen!“,<br />
so Müller. Eine ehrliche Webseite sieht er ebenfalls als essentiell an.<br />
Die Gästegruppen des <strong>Witikohof</strong>s zeichnen sich durch hohe Kundentreue aus: Gäste,<br />
die bereits das Hotel im Rahmen einer Tagung besucht haben, kommen für Freizeiturlaube<br />
immer wieder zurück. Gäste mit Behinderungen sind im <strong>Witikohof</strong> wiederkehrende<br />
Gäste, wobei die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei vier bis fünf Tagen liegt.<br />
Bei Tagungsgästen beträgt die Aufenthaltsdauer im Schnitt drei Tage. Die Auslastung<br />
des <strong>Witikohof</strong>s ist weitgehend unabhängig von touristischen Haupt- und Nebensaisonzeiten.<br />
Wertschöpfung<br />
Seit der Eröffnung im Jahr 2000 bis ins Jahr 2003 stand die Existenz des Hotels auf<br />
unsicheren Beinen, da ein ausreichend große Kundenkreis nicht angesprochen werden<br />
konnte. Erst durch den Ausbau des barrierefreien Wellnessbereichs im Jahr 2004 konnte<br />
der <strong>Witikohof</strong> schwarze Zahlen schreiben und eine Ganzjahresauslastung von 80 Prozent<br />
erreichen. Herr Müller sagt dazu: „Eine Bibliothek und eine Weinstube ist in der<br />
heutigen Zeit nicht mehr genug!“ Der Kunde von heute erwartet sich Infrastruktur im<br />
Haus, vor allem auch bei Schlechtwetter. Er merkt jedoch an, dass das Angebot nicht<br />
überdimensional groß sein muss, „man will in die Sauna gehen und Kinder möchten ein<br />
wenig planschen.“<br />
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Wertschöpfung<br />
in der Region<br />
Hohes<br />
Kundenpotential<br />
Neben zahlreichen Ausflugszielen und der Skischule profitieren auch lokale Hotel- und<br />
Restaurantbetriebe von den Gästen des <strong>Witikohof</strong>s. Bei Überbuchung des Betriebs werden<br />
diese in umliegenden Betrieben untergebracht. Auf Wunsch der Gäste werden die<br />
Verpflegungsleistungen aufgrund der Gruppenzusammengehörigkeit jedoch meist<br />
beim <strong>Witikohof</strong> in Anspruch genommen. Wenn Gäste ausgehen möchten, werden spezielle,<br />
im Vorfeld getestete Lokalitäten im Ort weiterempfohlen, die die entsprechende<br />
Infrastruktur bereitstellen (z.B. rollstuhlgerechte Sitzplätze oder Toiletten).<br />
Herr Müller ist überzeugt, dass Menschen mit Behinderungen als touristische Zielgruppe<br />
in den nächsten zehn Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden, wobei seiner<br />
Meinung nach vor allem RollstuhlfahrerInnen ein besonders hohes Kundenpotential<br />
aufweisen. Seine Einschätzung ist, dass bislang diese Zielgruppe von der Tourismusindustrie<br />
unterschätzt wird, obwohl diese verstärkt Tourismus- und Sportangebot<br />
wahrnehmen. Vor allem existieren noch sehr wenige Wellnessangebote für Menschen<br />
mit Behinderungen. Das ist zum Teil (aber nicht nur) durch die alte Bausubstanz vieler<br />
Tourismusbetriebe begründet, die entsprechende Umbauarbeiten nur schwer möglich<br />
macht.<br />
Barrierefreiheit als Differenzierungs- und Attraktivierungsmaßnahmen im Wellness-Bereich<br />
Die positiven Erfahrungen des <strong>Witikohof</strong>s legen nahe, dass ein Relaunch von bestehenden Wellnessangeboten mit<br />
Barrierefreiheitsschwerpunkt auch für andere Unterkunftsanbieter von Interesse sein kann. Barrierefreier Wellness<br />
zeigt sich im Fall von <strong>Witikohof</strong> als eine wirkungsvolle Maßnahme, die dieses kostspielige Tourismusangebot<br />
durch entsprechende bauliche Adaptionen attraktiver gestalten kann. Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass<br />
ein alleiniger Fokus auf bauliche Maßnahmen nicht ausreicht, um das Angebot für Kunden attraktiv zu machen.<br />
Der Erfolg setzt vielmehr voraus, dass die gesamte (soziale, architektonische, transporttechnische, usw.) Breite des<br />
zukunftsweisendes Konzepts „Tourismus für alle“ ernst genommen wird.<br />
Suchvolumen in Deutschland<br />
Suchzeit: 2004 bis 02/2010<br />
Suchbegriff: Wellness Urlaub<br />
Die Graphik zeigt, dass zwischen 2004 und heute immer weniger Deutsche den Begriff „Wellness Urlaub“ in<br />
die Suchmaschine Google eingegeben haben. Die Ergebnisse für Österreich und die Schweiz zeigen identische<br />
Kurvenverläufe und weisen damit auf eine abnehmende Bedeutung des Urlaubs mit Wellnessschwerpunkt im<br />
deutschsprachigen Raum hin. International zeigt die Suche nach Wellness hingegen einen stabilen Verlauf . Diese<br />
und andere Ergebnisse legen nahe, dass die deutschsprachige Tourismuswirtschaft die Umsätze von Wellness-<br />
Angeboten bereits maximieren konnte und künftig daher mit einem Rückgang oder bestenfalls mit einer Stagnation<br />
zu rechnen ist. Aktuell existiert in der Tat eine unüberschaubare Vielzahl von konkurrierenden Angeboten, die<br />
die steigende Bedeutung des Zusatznutzens und einer stärkeren Differenzierung dieser Angebote verdeutlicht.<br />
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<strong>Witikohof</strong> – Tagungs-, Freizeit- und Wellnesshaus<br />
Begleitung und Kommunikation<br />
als Erfolgsrezept<br />
im Umgang mit<br />
Menschen mit Behinderungen<br />
Im <strong>Witikohof</strong> werden alle Gäste mit Namen begrüßt. „In diesem Haus ist es hell, es ist<br />
Farbe da, es wird kommuniziert, es nichts gekünstelt! Das Hotel ist nicht wie ein typisches<br />
Hotel, sondern eher wie ein Stück Zuhause“, so ein Gast in einem Fernsehinterview.<br />
Diese Atmosphäre im Haus kommt jedoch nicht von irgendwo, sondern, so Herr<br />
Müller, „jemand muss die Gäste, aber auch MitarbeiterInnen an die Hand nehmen und<br />
führen, sonst funktioniert es nicht. Der Gast, der kommt, der muss wissen, was ihn<br />
erwartet, sonst würde es wahrscheinlich nicht funktionieren!“<br />
Quellen<br />
Die Recherche und Umsetzung der <strong>Fallstudie</strong> führten Elisabeth Häusler und Mark Markus<br />
(e-Motion Kompetenzzentrum, elisabeth.haeusler@salzburgresearch.at, mark.markus@<br />
salzburgresearch.at) durch. Verwendete Quellen:<br />
| Interview mit Hermann Müller am 10. September 2009<br />
| Webseite <strong>Witikohof</strong>, http://www.witikohof.de<br />
| Verbund der Embrace-Hotels: http://www.embrace-hotels.de<br />
Mehr Informationen auf der Website: www.barrierefreiheitscheck.at<br />
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