Für jeden den passenden Filzhut - Dr. Neinhaus Verlag AG
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Landpost 23/2011 Aktuell 31<br />
Die Schafe und ihre frisch geschorenen<br />
Wollmäntelchen.<br />
Er träumte: „Man müsste doch<br />
ebenso Hüte filzen können“,<br />
machte <strong>den</strong> ersten Versuch, der<br />
„zu keinem so tollen Ergebnis<br />
führte, aber unsere kleine Tochter<br />
Johanna umso mehr erfreute,<br />
weil daraus eine winzige Mütze<br />
für ihre Puppe entstand“.<br />
Große Nachfrage<br />
Da Übung bekanntlich <strong>den</strong><br />
Meister macht, entstan<strong>den</strong> „zur<br />
Probe“ sieben Filzhüte für <strong>den</strong><br />
nächsten Markttag. „Sie fan<strong>den</strong><br />
reißen<strong>den</strong> Absatz und machten<br />
uns superstolz“, stellt Greber<br />
zufrie<strong>den</strong> fest. Dem Echo der<br />
Käufer und der Nachfrage entnahm<br />
er, dass es sich lohnt, „bo<strong>den</strong>ständige<br />
Produkte wie diese<br />
‚Nutzhüte' herzustellen, die man<br />
brauchen und die sich vom Preis<br />
her jeder leisten kann“. Nun war<br />
der Weg geebnet, für alle interessierten<br />
Menschen auch Lehrgänge<br />
im Filzen anzubieten,<br />
zumal „keinesfalls Künstler, die<br />
sich verwirklichen wollen, daran<br />
teilnehmen“.<br />
Run<strong>den</strong> und spitzen Filzhüten<br />
in vielen Farben begegnet man<br />
auf dem Schafhof, wobei „jeder<br />
seinen Hut als Gebrauchsgegenstand<br />
noch nachformen<br />
kann, ganz nach eigenem Geschmack;<br />
auf diese Weise bekommt<br />
jeder Hut seine Handschrift“,<br />
wie Franz betont. Lust<br />
an der Arbeit, Freude am Hut,<br />
Ausdauer, Geschick — und wie<br />
er schmunzelnd hinzufügt: „eine<br />
fleißige Frau!“ —, erleichtern<br />
die „Knochenarbeit am Wasch-<br />
brett“. Und damit ist der Besucher<br />
schon mittendrin in der<br />
„<strong>Filzhut</strong>geburt“.<br />
Grebers Eltern waren einfache<br />
Bauern mit einer Filzwerkstatt.<br />
Der kleine Franz eignete sich<br />
nicht nur die Fertigkeit an, wie<br />
man die lieben Schäfchen von<br />
ihren „Wollemäntelchen“ befreit,<br />
sondern auch die Verarbeitung<br />
des Rohstoffes. Eine<br />
über 100 Jahre alte Kardiermaschine<br />
kämmt noch immer<br />
die gewaschene Wolle aus dem<br />
umfangreichen Lager. Vlies,<br />
auch „Band“ genannt, ist das<br />
Ergebnis dieser Prozedur. Jeweils<br />
zwei dieser Vliesbänder<br />
wer<strong>den</strong> nebeneinander flach<br />
auf <strong>den</strong> Tisch gelegt, mit warmem<br />
Wasser befeuchtet und in<br />
mühseliger Arbeit „verwurstelt<br />
und verknetet“. Mit Schmierseife<br />
machen die Grebers <strong>den</strong> entstan<strong>den</strong>en<br />
Fla<strong>den</strong> rutschig, wodurch<br />
die unter dem Mikroskop<br />
Tannenzapfen mit Schuppen<br />
ähneln<strong>den</strong> Wollefasern aufquellen<br />
und immer fester zum geschmeidigen<br />
Filzklumpen miteinander<br />
verwirkt und zusammenpresst<br />
wer<strong>den</strong>. Der Filz wird<br />
in zwei fluffige Hälften geteilt,<br />
die mittels einer Schablone unter<br />
großem Kraftaufwand akkurat<br />
auf Waschbrettern gewalkt<br />
wer<strong>den</strong>, bis die Fingerknochen<br />
knacken und unter Verwendung<br />
von Holzrollen beide zusammengepressten<br />
Filzhälften der<br />
Hutform miteinander verbun<strong>den</strong><br />
sind. Diese „Rohform“ muss<br />
man aufschnei<strong>den</strong>,<br />
über bereitstehende<br />
Holzköpfe stülpen<br />
und sorgfältig festdrücken.<br />
„So bekommt<br />
sogar jeder<br />
Holzkopf bei uns<br />
seinen passen<strong>den</strong><br />
Hut“, ulkt Karolina<br />
Greber.<br />
Nur noch die<br />
Krempe ist umzulegen,<br />
der Rand ist<br />
festzudrücken, zu<br />
beschnei<strong>den</strong> und nachzufilzen.<br />
Jeder fertig geformte Hut bedarf<br />
schließlich des Ausspülens<br />
sowie der Trocknung innerhalb<br />
einer Woche. Er trägt dann dazu<br />
bei, dass jeder Besitzer im<br />
wahrsten Sinne des Wortes <strong>den</strong><br />
Schafhof in Gestratz wirklich<br />
„gut behütet“, also „umsorgt“<br />
und auch vor Regen geschützt,<br />
verlässt, selbst wenn er vorher<br />
glaubte, als vermeintlicher<br />
„Holzkopf“ keine schöne, neue<br />
Kopfbedeckung zu benötigen.<br />
Willkommene Besucher<br />
„Unsere Arbeit ist Berufung“,<br />
meint Franz Greber zum Abschied<br />
und ist betrübt, „falls sich<br />
kein Nachfolger fin<strong>den</strong> sollte,<br />
dann stirbt vielleicht ein weiteres<br />
altes Allgäuer Handwerk<br />
unwiederbringlich aus“.<br />
Die Grebers trösten sich aber<br />
ein wenig mit ihrem Glauben<br />
an <strong>den</strong> heiligen Clemens, der als<br />
Schutzpatron der Hüter bekannt<br />
gewor<strong>den</strong> ist. Dieser heilige Pil-<br />
Die 100 Jahre alte Kardiermaschine kämmt die<br />
gewaschenen Wollflocken.<br />
ger wanderte der Legende nach<br />
einst zur Entlastung der Füße<br />
auf seinen langen Wegen in mit<br />
Wolle ausgestopften Schuhen.<br />
Als er die auszog, war eine Filzsohle<br />
daraus gewor<strong>den</strong>.<br />
Eine andere Geschichte hängt<br />
mit der Arche Noah zusammen.<br />
Die Schafe verloren auf<br />
dem Schiff ihre Wolle. Andere<br />
Tiere traten darauf herum,<br />
und es entstand aus <strong>den</strong> Fla<strong>den</strong><br />
brauchbarer Filz.<br />
Diese Überlieferungen bringen<br />
noch immer <strong>den</strong> Filz ins<br />
Gespräch und tragen dazu bei,<br />
möglichst viele Besucher des<br />
Hofes neugierig zu machen auf<br />
die heutige Verarbeitung der<br />
Wolle neben anderem zu Filzhüten,<br />
was Karolina und Franz<br />
nur zu gern vorführen und in<br />
allen Einzelheiten erläutern.<br />
Karl-Heinz Wiedner<br />
Kontakt:<br />
Franz und Karolina Greber in<br />
Gestratz: Telefon: 0 83 83 / 73 84<br />
Familie Greber ist mit Begeisterung bei der Arbeit. Links: Karolina feuchtet das Wollvlies mit warmem Wasser an.<br />
Mitte: Auf einem Waschbrett wird der Filz kräftig gewalkt. Rechts: Franz stülpt <strong>den</strong> Rohling über einen Holzkopf<br />
und bringt ihn in Form.