2012-40_Melkroboter schliesst Weidegang nicht aus.pdf
2012-40_Melkroboter schliesst Weidegang nicht aus.pdf
2012-40_Melkroboter schliesst Weidegang nicht aus.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Landpost <strong>40</strong>/<strong>2012</strong><br />
<strong>Melkroboter</strong> schließt <strong>Weidegang</strong><br />
<strong>nicht</strong> <strong>aus</strong><br />
Die Technik dem Tier anpassen<br />
Jeder weiss, dass die Kuh<br />
von Natur <strong>aus</strong> ein Weidetier<br />
ist. Doch lässt sich<br />
<strong>Weidegang</strong> mit dem Melken am<br />
<strong>Melkroboter</strong> verbinden? Zwei<br />
Landwirte in der Schweiz zeigen,<br />
dass es gehen kann.<br />
Er sieht imposant <strong>aus</strong>, der neue<br />
Laufstall in Mauren im Kanton<br />
Thurgau <strong>aus</strong> dem Jahre 2010.<br />
Hansruedi Häberli und Werner<br />
Streckeisen halten darin ihre<br />
Kühe gemeinsam in Form einer<br />
Betriebszweiggemeinschaft<br />
(BZG), während sie den Obstbau<br />
jeder separat führen. Alles befindet<br />
sich unter einem grossen,<br />
breiten Dach: Liegehalle, Fressplatz,<br />
Futterabladeraum und<br />
Heulager. Die Melkeinrichtung<br />
Ziele der BZG<br />
Hans Hansruedi sagt: „Wir<br />
wollen mehr Zeit für die<br />
Familie haben“ Die Ziele der<br />
BZG sind mehr Lebensqualität,<br />
Ablösung am Wochenende,<br />
Ferien und die Möglichkeit,<br />
einem Nebenerwerb nachzugehen.<br />
Mit der BZG geht es<br />
„einfacher und leichter“. Jeder<br />
macht alles, aber je zur Hälfte.<br />
Vor<strong>aus</strong>setzung für eine gute<br />
Zusammenarbeit ist, dass man<br />
miteinander redet und plant.<br />
Automatisches Melken am <strong>Melkroboter</strong>.<br />
Der imposante Stall: Liegehalle, Fressplatz, Futterabladeraum und Heulager<br />
befi nden sich alle unter einem Dach. Direkt an den Stall <strong>schliesst</strong><br />
die Weide an. Fotos: Götz<br />
mit dem Warteraum der Kühe<br />
ist an der vorderen Stirnseite<br />
des Stalles platziert. Dort fallen<br />
<strong>Melkroboter</strong> und Warteraum<br />
kaum auf und nehmen nur wenig<br />
Platz ein. Geht man jedoch<br />
durch das Milchzimmer in Richtung<br />
Stall, ist der <strong>Melkroboter</strong><br />
<strong>nicht</strong> zu übersehen: Ein grosser<br />
Metallkasten mit Bildschirm<br />
und grossem Melkarm versperrt<br />
den Blick in den Stall. Unten<br />
sind die Beine und das Euter der<br />
Kuh sichtbar, welche der <strong>Melkroboter</strong><br />
gerade anrüstet.<br />
Während der Planung hätten<br />
sie zuerst nur Betriebe mit<br />
Melkständen angesehen, erzählt<br />
Ferdinand Häberli, der Vater<br />
eines der Partner. Schliesslich<br />
hätten sie bei einem Verwandten<br />
auch noch einen Stall mit<br />
<strong>Melkroboter</strong> angeschaut. „Es<br />
gibt keinen besseren Melker als<br />
den <strong>Melkroboter</strong>“, war die Ansicht<br />
des Landwirtes, der schon<br />
zehn Jahre mit dem automatischen<br />
Melksystem AMS melkt.<br />
Anfangs habe es noch technische<br />
Probleme gegeben, aber<br />
heute sei die Technik <strong>aus</strong>gereift.<br />
Seine positiven Erfahrungen gaben<br />
schliesslich den Ausschlag,<br />
dass sich die Landwirte für einen<br />
<strong>Melkroboter</strong> entschlossen.<br />
„Wir gäben ihn <strong>nicht</strong> mehr her“,<br />
sagt heute Hansruedi Häberli.<br />
Die Kühe kämen gerne zum<br />
Melken und für sie selbst stelle<br />
er eine grosse Arbeitserleichterung<br />
dar.<br />
Weidefl ächen müssen<br />
stallnah sein<br />
Das Besondere im Stall ist allerdings<br />
<strong>nicht</strong> allein der <strong>Melkroboter</strong>,<br />
sondern, dass die Kühe dabei<br />
weiterhin auf die Weide dürfen,<br />
zwar <strong>nicht</strong> mehr ganztags<br />
wie früher, aber wenigstens am<br />
Vormittag. „Die Kühe sollen Bewegung<br />
haben“, sagt Hansruedi<br />
Häberli. Der <strong>Weidegang</strong> sei<br />
<strong>nicht</strong> nur gesund für die Klauen,<br />
sondern auch die günstigste Art<br />
der Fütterung, und <strong>nicht</strong> zuletzt<br />
Tierhaltung<br />
15<br />
könne der Betrieb auch am Förderprogramm<br />
des Bundes „Regelmässiger<br />
Auslauf ins Freie“,<br />
dem so genannten „RAUS“-<br />
Programm teilnehmen. Es funktioniere<br />
deswegen, da sich die<br />
4.5 ha grosse Weide direkt an<br />
den Stall an<strong>schliesst</strong> und die<br />
Kühe jederzeit zur Melkstation<br />
können. Insbesondere Kühe, die<br />
viel Milch gäben, kämen auch<br />
von der Weide zum Melken, beobachtet<br />
Werner Streckeisen. Es<br />
gäbe nach dem <strong>Weidegang</strong> zwar<br />
einen „Stau“ vor dem <strong>Melkroboter</strong>,<br />
der aber zu keinen<br />
Problemen führe. Als sie weniger<br />
als 50 Kühe am Roboter<br />
hatten, war es sogar möglich,<br />
die Tiere für kurze Zeit auf einer<br />
entfernteren Weide zu halten.<br />
Offensichtlich <strong>schliesst</strong> ein<br />
<strong>Melkroboter</strong> einen <strong>Weidegang</strong><br />
<strong>nicht</strong> <strong>aus</strong>, aber schränkt ihn ein.<br />
Die geringere durchschnittliche<br />
Anzahl Melkungen pro Kuh<br />
und Tag von 2,4 im Sommer<br />
gegenüber 2,8 bis 3,0 im Winter<br />
dürfte auf die Weide zurückzuführen<br />
sein.<br />
Maispellets locken die<br />
Kühe zum Melken<br />
Zurzeit melkt der Roboter<br />
54 Kühe. Zwischen 16 und<br />
20 Uhr habe der Roboter Hochkonjunktur,<br />
erklärt Hansruedi<br />
Häberli. Während dieser Zeit<br />
erhalten die Tiere Gras von der<br />
Wiese, seien besonders aktiv und<br />
suchten auch den Roboter häufiger<br />
auf. Nach der Erfahrung<br />
der Landwirte ist es <strong>nicht</strong> allein<br />
der Milchdruck im Euter, der die<br />
Kühe veranlasst, zur Melkstation<br />
zu gehen, sondern das Kraftfutter<br />
in Form von Maispellets,<br />
welches ihnen dort der Fütterungscomputer<br />
entsprechend ih-<br />
Der <strong>Melkroboter</strong> befi ndet sich an der Stirnseite des Stalles.
16<br />
Tierhaltung<br />
rer Milchleistung <strong>aus</strong>dosiert. Die<br />
seitliche Hintertüre öffnet sich,<br />
sobald die vordere Kuh die Station<br />
durch die seitliche Vordertüre<br />
verlassen hat. Dann <strong>schliesst</strong> sich<br />
die Hintertüre, die Kuh erhält das<br />
Kraftfutter und kann in Ruhe<br />
fressen. Währenddessen reinigt<br />
eine Bürste nacheinander die<br />
einzelnen Zitzen. Der Roboterarm<br />
erkennt die Zitzen und setzt<br />
die Melkbecher an den richtigen<br />
Stellen an. Der Besucher staunt,<br />
wie die Kühe nacheinander<br />
kommen, ohne dass es Drängeleien<br />
gibt. „Es ist imposant, wie<br />
die Kühe es begreifen“, bestätigt<br />
der Landwirt. Doch ganz ohne<br />
menschliche Hilfe geht es <strong>nicht</strong>.<br />
Erst laktierende Kühe müssen die<br />
Landwirte während den ersten<br />
Tagen in die Melkstation führen.<br />
Auch bei den Kühen, welche<br />
mit der Melkstation vertraut<br />
sind, gäbe es etwa fünf, welche<br />
sie morgens und abends in die<br />
Melkstation treiben müssten.<br />
Es seien eher scheue Kühe oder<br />
solche, welche <strong>nicht</strong> mehr viel<br />
Milch gäben und deswegen auch<br />
wenig Lockfutter erhielten.<br />
Kontakt mit<br />
Tieren suchen<br />
Das Eintreiben der Kühe ist für<br />
die Landwirte <strong>nicht</strong> unbedingt<br />
lästig, so lange es <strong>nicht</strong> zu viele<br />
sind. Die Landwirte können diese<br />
Arbeit während des manuellen<br />
Reinigens der Liegeboxen<br />
<strong>aus</strong>führen. So halten sie sich<br />
im Stall bei den Tieren auf und<br />
können sie beobachten. Auch<br />
um einzelne Tiere <strong>aus</strong> der Herde<br />
zu separieren, müssen sie selber<br />
in die Herde. Auf eine automatische<br />
Separation über eine<br />
extra Bucht und Türe beim <strong>Melkroboter</strong><br />
haben die Landwirte<br />
Im Stall ist es hell, da die Südseite offen ist.<br />
Die beiden Partner der Betriebszweiggemeinschaft, Hansruedi Häberli<br />
und Werner Streckeisen, vor dem <strong>Melkroboter</strong>.<br />
verzichtet. Sie nehmen lieber<br />
etwas Handarbeit in Kauf, um<br />
die Kühe zum Abkalben oder<br />
für eine Behandlung zu separieren.<br />
Das bringt Vorteile für die<br />
Mensch-Tier-Beziehung. Die<br />
Tiere sind die Nähe des Menschen<br />
gewöhnt. Wichtig sei,<br />
dass man mit den Tieren auch<br />
dann Kontakt aufnehme, wenn<br />
man <strong>nicht</strong>s von ihnen wolle,<br />
erklärt Hansruedi Häberli. Das<br />
helfe, ihr Vertrauen zu finden<br />
und sie handzahm zu machen.<br />
Kurze Wege<br />
für Mensch und Tier<br />
Dank der weiten Holzbinderkonstruktion<br />
hat es im Tierbereich<br />
keine Stützen, so dass der<br />
Stall übersichtlich ist. Das sei<br />
<strong>nicht</strong> nur ein Vorteil für sie als<br />
Tierbetreuer, sondern auch für<br />
die Kuh, sagen die Landwirte.<br />
Auch die Kühe sehen, was im<br />
Stall vor sich geht. Das gibt ihnen<br />
Sicherheit und dürfte ihnen<br />
den Zugang zum <strong>Melkroboter</strong><br />
erleichtern. Ein Vorteil für<br />
Mensch und Tier ist auch, dass<br />
der Stall <strong>nicht</strong> zu lange ist, so<br />
müssen beide keine grossen<br />
Wege zurücklegen. Auch die<br />
Kuh <strong>aus</strong> der entferntesten Liegeboxe<br />
hat es <strong>nicht</strong> weit zum<br />
<strong>Melkroboter</strong>. Der Tierbetreuer<br />
muss weniger weit gehen,<br />
wenn er eine Kuh beobachten<br />
oder sie am Fressgitter fixieren<br />
möchte. Für letzteres sind<br />
13 Selbstfanggitter am Fressplatz<br />
montiert. Da es im Stall<br />
76 Liegeboxen und nur<br />
50 Fressplätze hat, kommen auf<br />
einen Fressplatz 1,5 Kühe. Sie<br />
dürfen deswegen während des<br />
Fressens <strong>nicht</strong> eingesperrt werden.<br />
Da sie das Kraftfutter am<br />
Melkplatz erhalten und es im<br />
Sommer genügend Gras und im<br />
Winter genügend Heu auf dem<br />
Futtertisch gibt, müssen die<br />
Tiere <strong>nicht</strong> alle zur selben Zeit<br />
fressen. Als Fressgitter dienen<br />
Schrägsprossen. Hier müssen<br />
die Kühe den Kopf abwinkeln,<br />
um ihn <strong>aus</strong> dem Gitter zu nehmen<br />
und werfen so kaum Futter<br />
auf den Laufgang vor dem<br />
Futtertisch. Der Fressplatz ist<br />
mit Gummimatten belegt, weil<br />
sich dort die Kühe am meisten<br />
aufhalten. Den Landwirten fällt<br />
auf, dass die Kühe dort lieber<br />
gehen als auf dem betonierten<br />
Laufgang zwischen den Liegeboxen.<br />
Heller, gut<br />
durchlüfteter Stall<br />
Im Stall ist es hell, und die Luft<br />
ist gut. Grund dafür sind die<br />
Firstentlüftung mit Firsthaube<br />
und die auf der ganzen Länge<br />
offene Südseite. Auch im Winter<br />
bleibt diese Seite offen. Die<br />
Landwirte haben festgestellt,<br />
dass die Kühe im Winter lieber<br />
Landpost <strong>40</strong>/<strong>2012</strong><br />
in die äussere Boxenreihe liegen<br />
als im Sommer. Die Kälte macht<br />
ihnen offensichtlich <strong>nicht</strong>s <strong>aus</strong>.<br />
Wichtig ist, dass die Tiere weich<br />
liegen. Die Liegeboxen sind<br />
mit gepolsterten Komfortgummimatten<br />
belegt, welche beim<br />
Darauftreten stark nachgeben<br />
und mit Stroh und Kalk eingestreut<br />
sind. Das Stroh wird<br />
in Grossballen zwischen den<br />
Boxenreihen gelagert.<br />
Sehr praktisch im Stall ist die<br />
Heulagerung und Fütterung der<br />
Tiere. Da die Milch verkäst wird,<br />
erhalten die Kühe kein Silofutter.<br />
Der Heustock parallel zum<br />
Futtertenn bietet Platz für 2‘800<br />
m3 Heu und eine Belüftung.<br />
Obwohl ein Kran vorhanden<br />
ist, beschicken die Landwirte<br />
das längsseitig unterteilte Heulager<br />
mittels zweier Abladegebläse.<br />
So lasse sich das Heu<br />
lockerer verteilen und es gäbe<br />
keine „Klötze“, durch welche<br />
die Luft der Heubelüftung <strong>nicht</strong><br />
durchginge. Der Kran wird vor<br />
allem zur Fütterung benutzt; er<br />
fährt über die ganze Stalllänge<br />
und kann das Heu direkt auf<br />
den Futtertisch legen. Der Arm<br />
des Kranes ist so lange, dass er<br />
auch über das Fressgitter hin<strong>aus</strong><br />
in die Krankenbucht der Kühe<br />
reicht, sogar bis in die zweite<br />
Liegeboxenreihe. „So können<br />
wir auch einmal eine festliegende<br />
Kuh aufstellen“, erklärt<br />
einer der beiden Landwirte.<br />
Drei Schieber reinigen die beiden<br />
Laufgänge und den Laufhof<br />
direkt in die Güllegrube, welche<br />
sich am Ende des Stalles befindet.<br />
Das habe den Vorteil, dass<br />
keine Querkanäle nötig seien,<br />
in welchem die Gülle im Winter<br />
gefrieren könnte.<br />
Michael Götz<br />
Gemeinschaft BZG<br />
Zur BZG gehören Felder<br />
und Stall; die Obstanlagen<br />
sind <strong>aus</strong>geschlossen.<br />
❚ Landwirtschaftliche Nutzfl<br />
äche: 38,9 ha<br />
❚ Tierzahl: 70 Kühe, Rinder in<br />
Vertragsaufzucht<br />
❚ Lieferrechte: 460 t silofreie<br />
Milch, durchschnittliche<br />
❚ Milchleistung: 7 000 kg<br />
❚ Arbeitskräfte: Zwei Betriebsleiter-Ehepaare,Mitarbeit<br />
der beiden Grossväter