2012-46_Der Getreideschwarzrost kehrt zurueck.pdf - Dr. Neinhaus ...
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12<br />
Pfl anzenschutz<br />
<strong>Dr</strong>uck auf<br />
Schädling erhöhen<br />
Mittlerweile findet eine Ug99-<br />
Überwachung in 27 Entwicklungsländern<br />
auf über<br />
42 Mio. ha statt. Somit stellen<br />
die sieben Ug99-Varianten die<br />
Hauptbedrohung der Weltgetreideproduktion<br />
dar. Von<br />
einer globalen Ausbreitung<br />
von Ug99 werden jedoch die<br />
reichen Industrienationen<br />
weitaus weniger gefährdet<br />
als Entwicklungsländer und<br />
Schwellenländer, weil sie es<br />
sich leisten können neue und<br />
vor allem resistente Weizensorten<br />
anzubauen oder Fungizide<br />
einzusetzen. Aber gerade der<br />
weltweite Anbau resistenter<br />
Sorten und der Einsatz von<br />
Fungiziden ist unerlässlich,<br />
um den <strong>Dr</strong>uck auf den Schädling<br />
zu erhöhen und um eine<br />
erneute Einnischung des<br />
pathogenen Pilzes zu verhindern,<br />
damit ihm die Zeit zur<br />
Weiterentwicklung und zur<br />
Evolution von Resistenzen genommen<br />
wird. Eine weitere<br />
Strategie zur Eindämmung von<br />
Ug99 könnte in der Rodung<br />
schwarzrostanfälliger Berberizenarten<br />
bestehen. So ist zum<br />
Beispiel Berberis vulgaris, im<br />
Gegensatz zu Berberis thunbergii,<br />
ein bekannter Zwischenwirt<br />
von Schwarzrost und trägt wesentlich<br />
zur Infektion von Getreidekulturen<br />
bei. Bereits im<br />
20. Jahrhundert haben jedoch<br />
großflächige Rohdungen von<br />
Berberizengehölzen einen wesentlichen<br />
Beitrag zur Ausrottung<br />
des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
geleistet. Diese Möglichkeit<br />
sollte erneut in Betracht gezogen<br />
werden, vor allem unter<br />
dem Gesichtspunkt neuester<br />
Forschungsergebnisse, dass<br />
Ug99 und andere Rostpilze ihre<br />
genetischen Variabilität durch<br />
sexuelle Reproduktion auf den<br />
Blättern von Zwischenwirtpflanzen,<br />
wie zum Beispiel der<br />
Berberitze, erhöhen und dadurch<br />
besser an die resistenten<br />
Getreidesorten und Fungizide<br />
angepasst werden. Und genau<br />
diese Tatsache macht Ug99 zu<br />
einer tödlichen Bedrohung.<br />
Da die Mehrheit der zurzeit<br />
gezüchteten Sorten (über 85<br />
Prozent) anfällig für Ug99 und<br />
seine Varianten ist, müssen<br />
Resistenzen identifiziert und<br />
der Landwirtschaft zugänglich<br />
gemacht werden. Effektive Resistenzen<br />
wurde aber bereits<br />
mittels molekularer Marker entdeckt<br />
und werden der modernen<br />
Pflanzenzüchtung verfügbar<br />
gemacht. Dabei handelt es sich<br />
um zwei Resistenzgene, die direkt<br />
in Brotweizensorten identifiziert<br />
werden konnten und<br />
18 weitere, die in artverwandten<br />
Sorten gefunden wurden.<br />
Mittlerweile befinden sich über<br />
60 resistente Weizensorten in<br />
der Erforschung, wovon bereits<br />
schon über 20 resistente<br />
Weizensorten kommerziell verfügbar<br />
sind. Trotzdem kann<br />
auf den Einsatz von Fungiziden<br />
nicht verzichtet werden,<br />
weil nicht hinreichend Saatgut<br />
zur Verfügung steht, um mindestens<br />
die Befallsregionen<br />
flächendeckend zu versorgen.<br />
Damit jedoch eine dauerhafte<br />
Resistenz zur Eindämmung von<br />
Ug99 und seiner Varianten erreicht<br />
werden kann, müssen<br />
insbesondere mehrere Resistenzgene<br />
kombiniert und in<br />
neue Sorten übertragen werden,<br />
um die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Resistenzentwicklung bei<br />
dem pathogenen Pilz zu minimieren.<br />
Auch die Möglichkeit<br />
einer Übertragung von Resistenzgenen<br />
aus Reis, die den<br />
Zuckerstoffwechsel des pathogenen<br />
Pilzes beeinträchtigen,<br />
darf dabei nicht ausser Acht<br />
gelassen werden.<br />
Verstärkte Zunahme<br />
in Europa<br />
Doch seit über zehn Jahren<br />
wird auch zunehmend in Europa<br />
immer wieder aus einigen<br />
Regionen eine verstärkte Infektion<br />
vom Weizenkulturen und<br />
Roggenbeständen mit <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
gemeldet. Glücklicherweise<br />
handelt es sich in diesen<br />
Fällen noch nicht um Ug99.<br />
Die Zunahme der Infektionen<br />
ist aber nicht nur allein auf sich<br />
ändernde klimatische Bedingungen<br />
zurückzuführen, die eine<br />
Entwicklung des aggressiven<br />
Pilzes positiv beeinflussen, sondern<br />
vor allem auch auf unzureichende<br />
Bodenbearbeitung,<br />
bei der Ernterückstände nicht<br />
hinreichend eingearbeitet werden.<br />
Gerade konservierende Bodenbearbeitung<br />
und Direktsaat<br />
ermöglichen so das Überwintern<br />
des Pilzes in Form von Teleutosporen<br />
und schaffen auf diese<br />
Weise die Voraussetzungen für<br />
eine Neuinfektion im folgenden<br />
Jahr. In gleicher Weise können<br />
ebenfalls die Uredosporen überwintern,<br />
so dass der Pilz im Folgejahr<br />
keinen Zwischenwirt benötigt.<br />
Aber auch Flächenstilllegungen<br />
sowie das Bepflanzen<br />
von Windschutzstreifen mit<br />
Berberitzen (Berberis vulgaris)<br />
fördert die Infektionsgefahr, vor<br />
allem weil die Berberitze dem<br />
Schwarzrost als Zwischenwirt<br />
dient. Das stellt ganz besonders<br />
den ökologischen Landbau vor<br />
große Problemen, denn zurzeit<br />
stehen keine schwarzrostresistenten<br />
Roggensorten zur<br />
Verfügung und der Einsatz von<br />
Fungiziden ist nur im konventionellen<br />
Landbau erlaubt. Da der<br />
Schwarzrost jedoch aufgrund<br />
seines Lebenszyklus erst ab<br />
Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong><br />
Juni seinen Wirt befällt empfiehlt<br />
sich, gerade in Befallsregionen,<br />
der Anbau von Wintergetreide<br />
und frühreifer Getreidesorten.<br />
Eine gründliche<br />
Bodenbearbeitung sollte auf<br />
keinen Fall ausbleiben.<br />
Die richtigen<br />
Lehren ziehen<br />
Aus der Rückkehr des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
müssen unbedingt<br />
die richtigen Lehren gezogen<br />
werden. Für viele Menschen<br />
ist das Wiederaufleben dieser<br />
Krankheit ein warnendes Beispiel<br />
für die Einmischung von<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
in die Landwirtschaft sowie für<br />
die Abhängigkeit der ganzen<br />
Menschheit von nur wenigen<br />
Kulturpflanzen. Hätte sich die<br />
Menschheit nicht in die Hände<br />
eines einzigen Resistenzgens<br />
(Sr31) begeben, so wäre jetzt die<br />
globale Weizenproduktion nicht<br />
gefährdet. Doch die Wahrheit<br />
ist genau das Gegenteil. Ohne<br />
den schwarzrostresistenten<br />
Weizen würden Millionen von<br />
Menschen an Hunger leiden.<br />
Schliesslich war es doch das<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong>-Resistenzgens<br />
Sr31, das über Jahrzehnte<br />
eine sichere Ernte gewährleistete.<br />
Bis heute ist Sr31 sicherlich<br />
eine der segensreichsten Entdeckungen<br />
der Menschheitsgeschichte.<br />
Deshalb sind Wissenschaft<br />
und Forschung nicht die<br />
Ursache für die Rückkehr des<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong> sondern<br />
bieten langfristige Lösungen für<br />
seine nachhaltige Bekämpfung<br />
an. Aus diesen Gründen müssen<br />
Politiker, Landwirte, Wissenschaftler<br />
und Pflanzenzüchter<br />
wirklich jede nur erdenkliche<br />
Möglichkeit, einschließlich<br />
der Pflanzenbiotechnologie,<br />
nutzen, um Ug99 weltweit zu<br />
stoppen. Bisher ist die prophezeite<br />
globale Katastrophe nicht<br />
eingetreten. Die schlimmsten<br />
Befürchtungen blieben glücklicherweise<br />
aus. Aber auch wenn<br />
bis heute die weltweit größten<br />
Weizenproduzenten wie die<br />
USA und Russland nicht betroffen<br />
sind so ist trotzdem Vorsicht<br />
geboten. Die Warnungen müssen<br />
ernst genommen werden<br />
und Massnahmen zur Verhinderung<br />
einer globalen Katastrophe<br />
müssen dringend umgesetzt<br />
werden.<br />
<strong>Dr</strong>. Christian-Robert Fiedler