2012-46_Der Getreideschwarzrost kehrt zurueck.pdf - Dr. Neinhaus ...
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Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong> Pfl anzenschutz 11<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong> hat bereits<br />
in der Vergangenheit große<br />
Hungersnöte verursacht. In<br />
Nord-Amerika kam es bereits<br />
infolge von <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
1903 und 1905 sowie von<br />
1950 bis 1954 zu enormen Ertragsausfällen.<br />
1954 vernichtete<br />
der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
allerdings zum letzten Mal<br />
40 Prozent der Ernteerträge in<br />
Nordamerika. Deshalb wurden<br />
schon ab den späten 1950er<br />
Jahren, im Rahmen der „Grünen<br />
Revolution“, Hochleistungs-Weizensorten<br />
gezüchtet,<br />
die widerstandsfähig gegen<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong> und andere<br />
Krankheiten waren. Diese<br />
verbesserten Sorten ermöglichten<br />
nicht nur den Landwirten<br />
auf der ganzen Welt den <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
für über 50<br />
Jahre in Schach zu halten, sondern<br />
garantierten auch höhere<br />
und zuverlässigere Ernteerträge.<br />
Allerdings sind die 1998 in<br />
Uganda entdeckten neuen<br />
Stämme des <strong>Getreideschwarzrost</strong>,<br />
Ug99, benannt nach dem<br />
Ort und dem Jahr der Entdeckung<br />
(eigentlich 1998) beziehungsweise<br />
dem Jahr der offiziellen<br />
Bestätigung (1999) oder<br />
TTKSK nach wissenschaftlicher<br />
Nomenklatur, sehr viel gefährlich<br />
als die, die vor 60 Jahren<br />
bis zu 40 Prozent der amerikanischen<br />
Weizenernte zerstörten.<br />
Ernteerträge Europas<br />
seit 2008 bedroht<br />
Anfänglich von der Politik<br />
ignoriert breitet sich Ug99 gegenwärtig<br />
mit circa 800 km pro<br />
Jahr von Ostafrika aus nach<br />
Norden in den Sudan (2006)<br />
und nach Süden über Tansania<br />
(2009) und Zimbabwe (2009)<br />
nach Südafrika (2009) aus und<br />
hat bereits 2006 die arabische<br />
Halbinsel sowie 2008 den Orient<br />
erreicht. Schon 2006 wurde<br />
Ug99 von Ostafrika (Kenia<br />
2001, Äthiopien 2003) aus, wo<br />
es bis zu 80 Prozent Ertragsausfälle<br />
verursachte, in den<br />
Jemen und von dort aus weiter<br />
in den Iran (2008) verbreitet<br />
und bedroht seitdem die Ernteerträge<br />
Europas und Asiens.<br />
Mittlerweile ist der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
Ug99 in mindesten<br />
12 Ländern aufgetreten und<br />
hat sich ostwärts bis nach Indien,<br />
Bangladesch und sogar<br />
Abbildung oben und Seite 12: Schön anzusehen ist die herbstbunte Berberize, doch als Schwarzrostzwischenwirt<br />
trägt sie im erheblichen Maße zur Verbreitung des pfl anzenpathogenen Pilzes bei. Die Gefahr, die von<br />
der Berberize ausgeht ist aber noch viel größer als angenommen. <strong>Der</strong> Schwarzrost nutzt die Blätter seines<br />
Zwischenwirts zur sexuellen Reproduktion und erhöht dadurch seine genetische Variabilität. Dadurch kann er<br />
sich besser an die resistenten Getreidesorten und Fungizide anpassen. Und genau diese Anpassungsfähigkeit<br />
macht Ug99 zu einer tödlichen Bedrohung. Deshalb wurden bereits in der Vergangenheit Berberitzen großfl<br />
ächig gerodet um einer Ausbreitung des Pilzes entgegenzuwirken.<br />
bis nach Nepal ausgedehnt.<br />
Entgegen früheren Annahmen,<br />
dass Ug99, aufgrund seiner<br />
Frostempfindlichkeit, Europa<br />
weniger bedroht als wärmere<br />
Getreideanbauregionen, ist damit<br />
zu rechnen, dass auch das<br />
Klima Europas keine Barriere<br />
für Ug99 darstellen wird, vor<br />
allem, weil <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
in Form von schwarzen, zweizelligen<br />
Teleutospore großflächig<br />
an Getreidehalmen überwintert.<br />
Weitere 25 Länder<br />
als bedroht eingestuft<br />
Zwischenzeitlich wurden über<br />
25 weitere Länder von der<br />
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation<br />
der Vereinten<br />
Nationen als bedroht eingestuft.<br />
Die größte Bedrohung<br />
in den kommenden Jahren ist<br />
eine flächendeckende Ausbreitung<br />
über ganz Asien. Dabei<br />
werden weltweit führende Weizenproduzenten<br />
wie Pakistan,<br />
Indien und China im besonderen<br />
Maße betroffen sein. Des-<br />
halb stehen auch Kenia, Äthiopien,<br />
Ägypten, Afghanistan,<br />
Pakistan, Indien, Bangladesh,<br />
und Nepal an vorderster Stelle<br />
für die Bereitstellung Ug99resistenter<br />
Sorten. So ist es bereits<br />
in Kenia durch den Einsatz<br />
resistenter Sorten gelungen<br />
Ug99 weitgehend unter Kontrolle<br />
zu bringen. Dagegen wird<br />
jedoch Äthiopien weiterhin<br />
von dramatischen Ertragsverluste<br />
bedroht, vor allem, weil<br />
Landwirte und Saatgutvermehrer<br />
weiterhin an der Ug99anfälligen<br />
Hochertragssorte<br />
Attila festhalten. Aber nicht<br />
nur die unmittelbar benachbarten<br />
Länder in Afrika und<br />
Asien, sondern auch Australien<br />
und Amerika sind bedroht. Von<br />
Südafrika aus können die Sporen<br />
des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
Ug99 durch den Wind in zwei<br />
Richtungen verbreitet werden.<br />
Zum einen können die Ug99-<br />
Sporen durch Luftbewegungen,<br />
die bereits in der Vergangenheit<br />
Krankheiten weiter getragen<br />
haben, über den Indischen Oze-<br />
an direkt nach Australien verfrachtet<br />
werden. Zum anderen<br />
wird die westliche Hemisphäre<br />
ebenfalls durch günstige Windverhältnisse<br />
bedroht, wie erst<br />
kürzlich von Wissenschaftler in<br />
Modellstudien nachgewiesen<br />
werden konnte. Bereits 1978 ist<br />
auf diesem Wege ein Pilz, der<br />
Zuckerrohr befällt, von Kamerun<br />
nach Florida gelangt. Aber<br />
auch der zunehmende Luftverkehr<br />
wie auch der Tourismus<br />
fördern eine Verbreitung von<br />
Ug99-Sporen. So gelangte beispielsweise<br />
1979 der Gelbrost<br />
auf diesem Wege nach Australien<br />
und erreichte bereits im<br />
folgenden Jahr Neuseeland.<br />
Somit ist es nur noch eine Frage<br />
der Zeit, bis Ug99-Sporen<br />
ihren Weg über den Atlantik<br />
nach Brasilien und weiter nach<br />
Nordamerika finden werden.<br />
Deshalb ist auch im Rahmen<br />
der weltweiten Schwarzrost-<br />
Überwachungsinitiative die<br />
Einrichtung eines Schwarzrost-<br />
Überwachungssystems in Brasilien<br />
geplant.