2012-46_Der Getreideschwarzrost kehrt zurueck.pdf - Dr. Neinhaus ...
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10<br />
Pfl anzenschutz<br />
<strong>Der</strong> <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
<strong>kehrt</strong> zurück<br />
Die mutierte Variante Ug99 — gefährlicher denn je!<br />
<strong>Der</strong> <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
(Puccinia graminis) ist<br />
nach über 50 Jahren<br />
zurückge<strong>kehrt</strong> und hinterlässt<br />
eine Spur der Verwüstung wo<br />
immer er Getreidekulturen befällt.<br />
Wegen seiner besonders<br />
ausgeklügelten Virulenz ist<br />
der <strong>Getreideschwarzrost</strong> eine<br />
der weltweit gefährlichsten<br />
Getreideerkrankung und wird<br />
bereits seit der Antike als Ursache<br />
für Missernten und Hungersnöte<br />
gefürchtet. Archäologische<br />
Funde in Israel haben<br />
sogar bestätigt, dass <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
schon in der Bronzezeit<br />
Ertragsverluste verursachte.<br />
Diese Krankheit ist deshalb<br />
so gefährlich, weil sie nur<br />
wenige Wochen vor der Ernte,<br />
in einer gesunden Getreidekultur,<br />
Ertragsverlusten von über<br />
70 Prozent verursachen kann.<br />
Dabei treten zunächst rostfarbene<br />
Verfärbungen auf, bevor<br />
sich die befallenen Stellen<br />
schwarz verfärben. Landwirte<br />
können nur sehr wenig dagegen<br />
tun außer ernten, was<br />
übrig bleibt und das ist nicht<br />
viel. Erschwerend kommt hinzu,<br />
dass <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
ebenfalls verschiedene Berberitzenarten<br />
als Zwischenwirt<br />
nutzt, so dass bereits im<br />
16. Jahrhundert Berberitzengehölze<br />
gerodet wurden, um die<br />
Getreideernte nicht zu gefährden.<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
ist sehr mobil<br />
Wie alle Krankheiten, die durch<br />
Pilzsporen übertragen werden<br />
ist auch <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
höchst mobil, denn die Sporen<br />
können schnell über große<br />
Entfernungen durch Wind,<br />
Tiere oder Menschen übertragen<br />
werden. So reicht häufig<br />
ein einzelner Hektar infizierten<br />
Weizens aus, um über 10 Mrd.<br />
Sporen freizusetzen, von denen<br />
jede einzelne eine Epidemie<br />
auslösen kann. Wenn<br />
das passierte, droht ein Wirtschaftsschaden<br />
in Milliardenhöhe<br />
und ein Laib Brot könnte<br />
schnell zum teuren Luxusgut<br />
werden.<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong> wird häufig<br />
mit der Kinderlähmung<br />
verglichen. Eine gefährliche,<br />
aber bereits in Vergessenheit<br />
geratene Krankheit, denn<br />
schon seit den 1960-er Jahren<br />
wird am „Maiz und Weizen<br />
Veredlungszentrum“ (CIM-<br />
Bereits seit der Antike ist der <strong>Getreideschwarzrost</strong> als Ursache für Missernten und Hungersnöte bekannt. Doch im<br />
Rahmen der „Grünen Revolution“ ist es Forschern gelungen den <strong>Getreideschwarzrost</strong> unter Kontrolle zu bringen.<br />
Das aus Roggen eingekreuzte Gen Sr31 machte den Weizen nicht nur widerstandsfähig, sondern bescherte auch<br />
höhere Erträge. Was aber niemand wusste: der <strong>Getreideschwarzrost</strong> hat in einer ökologischen Nische in Ostafrika<br />
überlebt und bedroht seitdem als mutierte Variante Ug99 die globale Weizenproduktion. Fotos: Fiedler<br />
Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong><br />
MYT = Centro Internacional de<br />
Mejoramiento de Maíz y Trigo)<br />
in Mexiko an getreideschwarzrostresistentenWeizensorten<br />
geforscht, die das aus<br />
Roggen eingekreuzte Resistenzgen<br />
Sr31 (Sr steht für stem<br />
rust = <strong>Getreideschwarzrost</strong>)<br />
enthalten, das gleichzeitig<br />
auch zur Ertragssteigerung<br />
beiträgt. In den späten 1960er<br />
Jahren ist es schließlich <strong>Dr</strong>.<br />
Norman Borlaug, dem Vater<br />
der „Grünen Revolution“, gelungen,<br />
schwarzrostresistenten<br />
Weizen zu züchten. <strong>Dr</strong>. Norman<br />
Borlaug wurde 1970 für<br />
seine Verdienste um die Landwirtschaft<br />
mit dem Nobelpreis<br />
ausgezeichnet. Seitdem galt<br />
der <strong>Getreideschwarzrost</strong> als<br />
ausgerottet und noch bis 1999<br />
schien der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
durch resistente Sorten kontrolliert<br />
werden zu können.<br />
Doch seit 1999 bedroht eine<br />
erneute <strong>Getreideschwarzrost</strong>-<br />
Epidemie die weltweite Getreideproduktion.<br />
So ist nicht nur<br />
Weizen, ein Getreide, das weltweit<br />
auf über 217 Mio. ha mit<br />
600 Mio. t Ernteerträgen zu<br />
20 Prozent die Welternährung<br />
sicherstellt, bedroht, sondern<br />
auch Gerste, Hafer und Roggen.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Getreideschwarzrost</strong> hat<br />
aber nicht nur in einer abgelegenen<br />
Ecke Afrikas überlebt,<br />
sondern hat sich auch weiterentwickelt,<br />
um die vorhandenen<br />
Resistenzen im Getreide<br />
zu überwinden. Mit neuen<br />
Eigenschaften ausgestattet<br />
macht jetzt der gefährliche<br />
pflanzenpathogene Pilz als<br />
Ug99 auch keinen Halt mehr<br />
vor Weizensorten, die mit dem<br />
Resistenzgen Sr31 ausgestattet<br />
sind, das seit 1980 in den meisten<br />
Weizensorten enthalten ist<br />
und bisher das wichtigste Resistenzgen<br />
im Weizen darstellte.<br />
Warum Sr31 über 30 Jahre<br />
lang dem <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
standhalten konnte ist nicht<br />
bekannt, passen sich doch pathogene<br />
Pilze in wesentlich<br />
kürzeren Zeiträumen an. Nach<br />
Jahrzehnten ohne Infektion ist<br />
nun der größte Teil der weltweiten<br />
Getreidekulturen dem<br />
Schädling wehrlos ausgesetzt.<br />
Weil Pilzsporen durch den<br />
Wind verbreitet werden, kann<br />
sich eine Infektion schnell ausdehnen.
Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong> Pfl anzenschutz 11<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong> hat bereits<br />
in der Vergangenheit große<br />
Hungersnöte verursacht. In<br />
Nord-Amerika kam es bereits<br />
infolge von <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
1903 und 1905 sowie von<br />
1950 bis 1954 zu enormen Ertragsausfällen.<br />
1954 vernichtete<br />
der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
allerdings zum letzten Mal<br />
40 Prozent der Ernteerträge in<br />
Nordamerika. Deshalb wurden<br />
schon ab den späten 1950er<br />
Jahren, im Rahmen der „Grünen<br />
Revolution“, Hochleistungs-Weizensorten<br />
gezüchtet,<br />
die widerstandsfähig gegen<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong> und andere<br />
Krankheiten waren. Diese<br />
verbesserten Sorten ermöglichten<br />
nicht nur den Landwirten<br />
auf der ganzen Welt den <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
für über 50<br />
Jahre in Schach zu halten, sondern<br />
garantierten auch höhere<br />
und zuverlässigere Ernteerträge.<br />
Allerdings sind die 1998 in<br />
Uganda entdeckten neuen<br />
Stämme des <strong>Getreideschwarzrost</strong>,<br />
Ug99, benannt nach dem<br />
Ort und dem Jahr der Entdeckung<br />
(eigentlich 1998) beziehungsweise<br />
dem Jahr der offiziellen<br />
Bestätigung (1999) oder<br />
TTKSK nach wissenschaftlicher<br />
Nomenklatur, sehr viel gefährlich<br />
als die, die vor 60 Jahren<br />
bis zu 40 Prozent der amerikanischen<br />
Weizenernte zerstörten.<br />
Ernteerträge Europas<br />
seit 2008 bedroht<br />
Anfänglich von der Politik<br />
ignoriert breitet sich Ug99 gegenwärtig<br />
mit circa 800 km pro<br />
Jahr von Ostafrika aus nach<br />
Norden in den Sudan (2006)<br />
und nach Süden über Tansania<br />
(2009) und Zimbabwe (2009)<br />
nach Südafrika (2009) aus und<br />
hat bereits 2006 die arabische<br />
Halbinsel sowie 2008 den Orient<br />
erreicht. Schon 2006 wurde<br />
Ug99 von Ostafrika (Kenia<br />
2001, Äthiopien 2003) aus, wo<br />
es bis zu 80 Prozent Ertragsausfälle<br />
verursachte, in den<br />
Jemen und von dort aus weiter<br />
in den Iran (2008) verbreitet<br />
und bedroht seitdem die Ernteerträge<br />
Europas und Asiens.<br />
Mittlerweile ist der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
Ug99 in mindesten<br />
12 Ländern aufgetreten und<br />
hat sich ostwärts bis nach Indien,<br />
Bangladesch und sogar<br />
Abbildung oben und Seite 12: Schön anzusehen ist die herbstbunte Berberize, doch als Schwarzrostzwischenwirt<br />
trägt sie im erheblichen Maße zur Verbreitung des pfl anzenpathogenen Pilzes bei. Die Gefahr, die von<br />
der Berberize ausgeht ist aber noch viel größer als angenommen. <strong>Der</strong> Schwarzrost nutzt die Blätter seines<br />
Zwischenwirts zur sexuellen Reproduktion und erhöht dadurch seine genetische Variabilität. Dadurch kann er<br />
sich besser an die resistenten Getreidesorten und Fungizide anpassen. Und genau diese Anpassungsfähigkeit<br />
macht Ug99 zu einer tödlichen Bedrohung. Deshalb wurden bereits in der Vergangenheit Berberitzen großfl<br />
ächig gerodet um einer Ausbreitung des Pilzes entgegenzuwirken.<br />
bis nach Nepal ausgedehnt.<br />
Entgegen früheren Annahmen,<br />
dass Ug99, aufgrund seiner<br />
Frostempfindlichkeit, Europa<br />
weniger bedroht als wärmere<br />
Getreideanbauregionen, ist damit<br />
zu rechnen, dass auch das<br />
Klima Europas keine Barriere<br />
für Ug99 darstellen wird, vor<br />
allem, weil <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
in Form von schwarzen, zweizelligen<br />
Teleutospore großflächig<br />
an Getreidehalmen überwintert.<br />
Weitere 25 Länder<br />
als bedroht eingestuft<br />
Zwischenzeitlich wurden über<br />
25 weitere Länder von der<br />
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation<br />
der Vereinten<br />
Nationen als bedroht eingestuft.<br />
Die größte Bedrohung<br />
in den kommenden Jahren ist<br />
eine flächendeckende Ausbreitung<br />
über ganz Asien. Dabei<br />
werden weltweit führende Weizenproduzenten<br />
wie Pakistan,<br />
Indien und China im besonderen<br />
Maße betroffen sein. Des-<br />
halb stehen auch Kenia, Äthiopien,<br />
Ägypten, Afghanistan,<br />
Pakistan, Indien, Bangladesh,<br />
und Nepal an vorderster Stelle<br />
für die Bereitstellung Ug99resistenter<br />
Sorten. So ist es bereits<br />
in Kenia durch den Einsatz<br />
resistenter Sorten gelungen<br />
Ug99 weitgehend unter Kontrolle<br />
zu bringen. Dagegen wird<br />
jedoch Äthiopien weiterhin<br />
von dramatischen Ertragsverluste<br />
bedroht, vor allem, weil<br />
Landwirte und Saatgutvermehrer<br />
weiterhin an der Ug99anfälligen<br />
Hochertragssorte<br />
Attila festhalten. Aber nicht<br />
nur die unmittelbar benachbarten<br />
Länder in Afrika und<br />
Asien, sondern auch Australien<br />
und Amerika sind bedroht. Von<br />
Südafrika aus können die Sporen<br />
des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
Ug99 durch den Wind in zwei<br />
Richtungen verbreitet werden.<br />
Zum einen können die Ug99-<br />
Sporen durch Luftbewegungen,<br />
die bereits in der Vergangenheit<br />
Krankheiten weiter getragen<br />
haben, über den Indischen Oze-<br />
an direkt nach Australien verfrachtet<br />
werden. Zum anderen<br />
wird die westliche Hemisphäre<br />
ebenfalls durch günstige Windverhältnisse<br />
bedroht, wie erst<br />
kürzlich von Wissenschaftler in<br />
Modellstudien nachgewiesen<br />
werden konnte. Bereits 1978 ist<br />
auf diesem Wege ein Pilz, der<br />
Zuckerrohr befällt, von Kamerun<br />
nach Florida gelangt. Aber<br />
auch der zunehmende Luftverkehr<br />
wie auch der Tourismus<br />
fördern eine Verbreitung von<br />
Ug99-Sporen. So gelangte beispielsweise<br />
1979 der Gelbrost<br />
auf diesem Wege nach Australien<br />
und erreichte bereits im<br />
folgenden Jahr Neuseeland.<br />
Somit ist es nur noch eine Frage<br />
der Zeit, bis Ug99-Sporen<br />
ihren Weg über den Atlantik<br />
nach Brasilien und weiter nach<br />
Nordamerika finden werden.<br />
Deshalb ist auch im Rahmen<br />
der weltweiten Schwarzrost-<br />
Überwachungsinitiative die<br />
Einrichtung eines Schwarzrost-<br />
Überwachungssystems in Brasilien<br />
geplant.
12<br />
Pfl anzenschutz<br />
<strong>Dr</strong>uck auf<br />
Schädling erhöhen<br />
Mittlerweile findet eine Ug99-<br />
Überwachung in 27 Entwicklungsländern<br />
auf über<br />
42 Mio. ha statt. Somit stellen<br />
die sieben Ug99-Varianten die<br />
Hauptbedrohung der Weltgetreideproduktion<br />
dar. Von<br />
einer globalen Ausbreitung<br />
von Ug99 werden jedoch die<br />
reichen Industrienationen<br />
weitaus weniger gefährdet<br />
als Entwicklungsländer und<br />
Schwellenländer, weil sie es<br />
sich leisten können neue und<br />
vor allem resistente Weizensorten<br />
anzubauen oder Fungizide<br />
einzusetzen. Aber gerade der<br />
weltweite Anbau resistenter<br />
Sorten und der Einsatz von<br />
Fungiziden ist unerlässlich,<br />
um den <strong>Dr</strong>uck auf den Schädling<br />
zu erhöhen und um eine<br />
erneute Einnischung des<br />
pathogenen Pilzes zu verhindern,<br />
damit ihm die Zeit zur<br />
Weiterentwicklung und zur<br />
Evolution von Resistenzen genommen<br />
wird. Eine weitere<br />
Strategie zur Eindämmung von<br />
Ug99 könnte in der Rodung<br />
schwarzrostanfälliger Berberizenarten<br />
bestehen. So ist zum<br />
Beispiel Berberis vulgaris, im<br />
Gegensatz zu Berberis thunbergii,<br />
ein bekannter Zwischenwirt<br />
von Schwarzrost und trägt wesentlich<br />
zur Infektion von Getreidekulturen<br />
bei. Bereits im<br />
20. Jahrhundert haben jedoch<br />
großflächige Rohdungen von<br />
Berberizengehölzen einen wesentlichen<br />
Beitrag zur Ausrottung<br />
des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
geleistet. Diese Möglichkeit<br />
sollte erneut in Betracht gezogen<br />
werden, vor allem unter<br />
dem Gesichtspunkt neuester<br />
Forschungsergebnisse, dass<br />
Ug99 und andere Rostpilze ihre<br />
genetischen Variabilität durch<br />
sexuelle Reproduktion auf den<br />
Blättern von Zwischenwirtpflanzen,<br />
wie zum Beispiel der<br />
Berberitze, erhöhen und dadurch<br />
besser an die resistenten<br />
Getreidesorten und Fungizide<br />
angepasst werden. Und genau<br />
diese Tatsache macht Ug99 zu<br />
einer tödlichen Bedrohung.<br />
Da die Mehrheit der zurzeit<br />
gezüchteten Sorten (über 85<br />
Prozent) anfällig für Ug99 und<br />
seine Varianten ist, müssen<br />
Resistenzen identifiziert und<br />
der Landwirtschaft zugänglich<br />
gemacht werden. Effektive Resistenzen<br />
wurde aber bereits<br />
mittels molekularer Marker entdeckt<br />
und werden der modernen<br />
Pflanzenzüchtung verfügbar<br />
gemacht. Dabei handelt es sich<br />
um zwei Resistenzgene, die direkt<br />
in Brotweizensorten identifiziert<br />
werden konnten und<br />
18 weitere, die in artverwandten<br />
Sorten gefunden wurden.<br />
Mittlerweile befinden sich über<br />
60 resistente Weizensorten in<br />
der Erforschung, wovon bereits<br />
schon über 20 resistente<br />
Weizensorten kommerziell verfügbar<br />
sind. Trotzdem kann<br />
auf den Einsatz von Fungiziden<br />
nicht verzichtet werden,<br />
weil nicht hinreichend Saatgut<br />
zur Verfügung steht, um mindestens<br />
die Befallsregionen<br />
flächendeckend zu versorgen.<br />
Damit jedoch eine dauerhafte<br />
Resistenz zur Eindämmung von<br />
Ug99 und seiner Varianten erreicht<br />
werden kann, müssen<br />
insbesondere mehrere Resistenzgene<br />
kombiniert und in<br />
neue Sorten übertragen werden,<br />
um die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Resistenzentwicklung bei<br />
dem pathogenen Pilz zu minimieren.<br />
Auch die Möglichkeit<br />
einer Übertragung von Resistenzgenen<br />
aus Reis, die den<br />
Zuckerstoffwechsel des pathogenen<br />
Pilzes beeinträchtigen,<br />
darf dabei nicht ausser Acht<br />
gelassen werden.<br />
Verstärkte Zunahme<br />
in Europa<br />
Doch seit über zehn Jahren<br />
wird auch zunehmend in Europa<br />
immer wieder aus einigen<br />
Regionen eine verstärkte Infektion<br />
vom Weizenkulturen und<br />
Roggenbeständen mit <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
gemeldet. Glücklicherweise<br />
handelt es sich in diesen<br />
Fällen noch nicht um Ug99.<br />
Die Zunahme der Infektionen<br />
ist aber nicht nur allein auf sich<br />
ändernde klimatische Bedingungen<br />
zurückzuführen, die eine<br />
Entwicklung des aggressiven<br />
Pilzes positiv beeinflussen, sondern<br />
vor allem auch auf unzureichende<br />
Bodenbearbeitung,<br />
bei der Ernterückstände nicht<br />
hinreichend eingearbeitet werden.<br />
Gerade konservierende Bodenbearbeitung<br />
und Direktsaat<br />
ermöglichen so das Überwintern<br />
des Pilzes in Form von Teleutosporen<br />
und schaffen auf diese<br />
Weise die Voraussetzungen für<br />
eine Neuinfektion im folgenden<br />
Jahr. In gleicher Weise können<br />
ebenfalls die Uredosporen überwintern,<br />
so dass der Pilz im Folgejahr<br />
keinen Zwischenwirt benötigt.<br />
Aber auch Flächenstilllegungen<br />
sowie das Bepflanzen<br />
von Windschutzstreifen mit<br />
Berberitzen (Berberis vulgaris)<br />
fördert die Infektionsgefahr, vor<br />
allem weil die Berberitze dem<br />
Schwarzrost als Zwischenwirt<br />
dient. Das stellt ganz besonders<br />
den ökologischen Landbau vor<br />
große Problemen, denn zurzeit<br />
stehen keine schwarzrostresistenten<br />
Roggensorten zur<br />
Verfügung und der Einsatz von<br />
Fungiziden ist nur im konventionellen<br />
Landbau erlaubt. Da der<br />
Schwarzrost jedoch aufgrund<br />
seines Lebenszyklus erst ab<br />
Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong><br />
Juni seinen Wirt befällt empfiehlt<br />
sich, gerade in Befallsregionen,<br />
der Anbau von Wintergetreide<br />
und frühreifer Getreidesorten.<br />
Eine gründliche<br />
Bodenbearbeitung sollte auf<br />
keinen Fall ausbleiben.<br />
Die richtigen<br />
Lehren ziehen<br />
Aus der Rückkehr des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />
müssen unbedingt<br />
die richtigen Lehren gezogen<br />
werden. Für viele Menschen<br />
ist das Wiederaufleben dieser<br />
Krankheit ein warnendes Beispiel<br />
für die Einmischung von<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
in die Landwirtschaft sowie für<br />
die Abhängigkeit der ganzen<br />
Menschheit von nur wenigen<br />
Kulturpflanzen. Hätte sich die<br />
Menschheit nicht in die Hände<br />
eines einzigen Resistenzgens<br />
(Sr31) begeben, so wäre jetzt die<br />
globale Weizenproduktion nicht<br />
gefährdet. Doch die Wahrheit<br />
ist genau das Gegenteil. Ohne<br />
den schwarzrostresistenten<br />
Weizen würden Millionen von<br />
Menschen an Hunger leiden.<br />
Schliesslich war es doch das<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong>-Resistenzgens<br />
Sr31, das über Jahrzehnte<br />
eine sichere Ernte gewährleistete.<br />
Bis heute ist Sr31 sicherlich<br />
eine der segensreichsten Entdeckungen<br />
der Menschheitsgeschichte.<br />
Deshalb sind Wissenschaft<br />
und Forschung nicht die<br />
Ursache für die Rückkehr des<br />
<strong>Getreideschwarzrost</strong> sondern<br />
bieten langfristige Lösungen für<br />
seine nachhaltige Bekämpfung<br />
an. Aus diesen Gründen müssen<br />
Politiker, Landwirte, Wissenschaftler<br />
und Pflanzenzüchter<br />
wirklich jede nur erdenkliche<br />
Möglichkeit, einschließlich<br />
der Pflanzenbiotechnologie,<br />
nutzen, um Ug99 weltweit zu<br />
stoppen. Bisher ist die prophezeite<br />
globale Katastrophe nicht<br />
eingetreten. Die schlimmsten<br />
Befürchtungen blieben glücklicherweise<br />
aus. Aber auch wenn<br />
bis heute die weltweit größten<br />
Weizenproduzenten wie die<br />
USA und Russland nicht betroffen<br />
sind so ist trotzdem Vorsicht<br />
geboten. Die Warnungen müssen<br />
ernst genommen werden<br />
und Massnahmen zur Verhinderung<br />
einer globalen Katastrophe<br />
müssen dringend umgesetzt<br />
werden.<br />
<strong>Dr</strong>. Christian-Robert Fiedler