Autor Toni Keppeler Fotografie Lukas Coch 23°s /46°w Pedro Carlos Sancho ist ein zufriedener Mensch. Er hat einen guten Arbeitsplatz, Sohn Pedro Carlos, 23, und Tochter Daiane, 19, sind in der gleichen Firma untergekommen, und für die siebenjährige Tochter Carolina kann er sich eine Privatschule leisten. Sancho besitzt ein Auto und eine kleine Drei-Zimmer- Wohnung in einem Mittelschichtsviertel in São Bernardo do Campo, einem Vorort der brasilianischen Industriemetropole São Paulo. „Das alles“, sagt er lachend, „verdanke ich Mercedes-Benz.“ Pedro Carlos Sancho arbeitet seit 21 Jahren im Lastwagen- und Buswerk von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien in São Bernardo. Als er mit 27 Jahren in der internen Werkstatt anfing und das Motoröl der Dienstwagen wechselte, wurden in der Fabrik in etwa so viele Nutzfahrzeuge produziert wie heute – allerdings mit doppelt so vielen Arbeitern und Angestellten. In den folgenden Jahren jagte eine Wirtschaftskrise die nächste. Niemand investierte mehr in Busse oder Laster. Viele Arbeiter wurden entlassen. Sancho konnte bleiben und ist heute für ein Band in der Motorenherstellung verantwortlich. Er hat Verständnis für den Schrumpfungsprozess. „Die Alternative war klar: Entweder wir bewegen uns, oder wir sterben.“ „Wir sind geblieben. Das ist vielleicht das Nachhaltigste, was wir in diesem Land geleistet haben.“ Gero Herrmann, Präsident von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien Das Werk in São Bernardo hat sich bewegt. Im vergangenen Jahr feierten die 11.500 Beschäftigten das 50-jährige Bestehen der Fabrik. Sie ist eine der effizientesten im weltweiten Produktionsnetz von <strong>Daimler</strong>Chrysler und mit ihrer schlanken Produktion und dem flexiblen Management ein Vorbild für andere Werke. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde die gesamte Produktpalette erneuert. Selbst Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, einst kämpferischer Arbeiterführer der Metallgewerkschaft, zollt Respekt. „Ich komme seit den 1970er-Jahren an das Werkstor dieser Fabrik“, sagte er bei der 50-Jahr-Feier. „Ich habe hier große Siege erlebt und sehr traurige Momente. Ich habe Schlangen von Arbeitern gesehen, die eingestellt wurden, und ich habe Schlangen von solchen gesehen, die entlassen wurden. All diese Kämpfe haben sich gelohnt.“ Heute spricht Lula ganz familiär von „unserer geliebten Mercedes-Benz Fabrik“. Er verspricht ein gutes Investitionsklima und hofft im Gegenzug, dass <strong>Daimler</strong>Chrysler dem Land weiterhin treu bleibt. Für Gero Herrmann, Präsident von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien, ist die Treue zum Standort eine Frage der Verantwortung. „Andere S. 6/ Die Zentrale von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien damals und heute Familie Sancho arbeitet seit zwei Generationen bei <strong>Daimler</strong>Chrysler: Vater Pedro Carlos mit Tochter Daiane internationale Konzerne haben in den Krisen der vergangenen Jahrzehnte dichtgemacht“, sagt er. „Wir sind geblieben. Das ist vielleicht das Nachhaltigste, was wir in diesem Land geleistet haben.“ Das Werk in São Bernardo wurde am 28. September 1956 vom damaligen Präsidenten Juscelino Kubitschek eröffnet. Seither verließen rund 1,6 Millionen Nutzfahrzeuge die Fabrik. Sie domi- nieren das Straßenbild des südamerikanischen Landes. Fünf von zehn Lastkraftwagen und sieben von zehn Bussen, die über Brasiliens Straßen rollen, tragen den Mercedes-Benz Stern. Die Produktion geht jedoch weit über den nationalen Bedarf hinaus. Ein großer Teil ist für den weltweiten Markt bestimmt. Fahrzeuge, Motoren, Getriebe und Achsen werden in über 50 Länder exportiert. Mercedes-Benz hat <strong>zur</strong> Industrialisierung des einstigen Agrar- staats maßgeblich beigetragen. Die Laster mit dem Stern waren dabei, als das zweitgrößte Fernstraßennetz der Welt entstand und als im Zentrum des Landes die neue Hauptstadt Brasilia gebaut wurde. Sie kamen bei der Konstruktion von Flughäfen, Kraftwerken und Staudämmen zum Einsatz. Das Werk in São Bernardo wuchs gemeinsam mit der Wirtschaft des Landes und setzte dabei neue Maßstäbe. So verhalf Mercedes-Benz dem Dieselmotor in Brasilien zum Durchbruch. Bevor 1956 das erste Exemplar des legendären „Torpedo“-Lasters das Werk verließ, waren gerade zwei Prozent der Nutzfahrzeuge mit diesem wirtschaftlichen Antrieb ausgestattet. Heute fährt in Brasilien kein Transporter mehr ohne Diesel. Durchbruch für Dieselmotoren Die Konkurrenz schlief nicht. Weitere internationale Konzerne drängten nach Brasilien, daneben entwickelte sich die heimische Industrie. Die Zeiten, in denen Busse und Laster von Mercedes- Benz den Markt beherrschten, sind vorbei. Die Nutzfahrzeuge sind heute zwar immer noch Marktführer. Sie müssen jedoch jeden Punkt oberhalb der 50-Prozent-Marke hart erkämpfen. Der Bau fertiger Busse wurde inzwischen eingestellt. Das Werk in São Bernardo ist auf Fahrgestelle spezialisiert. Den Aufbau haben lokale Hersteller übernommen. Etliche Kunden bestehen jedoch darauf, dass Mercedes-Benz die Endabnahme der Busse erledigt. „Sie legen Wert auf die Qualität von <strong>Daimler</strong>Chrysler“, sagt der für die Busproduktion verantwortliche José Carlos das Neves. Das Werk in São Bernardo ist ein Kompetenzzentrum von <strong>Daimler</strong>Chrysler für die Entwicklung und Produktion von Busfahrgestellen. Am Rand des Werksgeländes steht das 1991 eröffnete Zentrum für technologische Entwicklung. Mit 530 > <strong>Daimler</strong>Chrysler
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