Magazin zur Nachhaltigkeit 2007 - Daimler Nachhaltigkeitsbericht ...
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<strong>Daimler</strong>Chrysler AG<br />
Stuttgart, Deutschland<br />
Auburn Hills, MI, USA<br />
www.daimlerchrysler.com<br />
„Wir können die Natur nur dadurch beherrschen, dass wir uns ihren Gesetzen unterwerfen.“<br />
Francis Bacon<br />
Klimaschutz
<strong>Daimler</strong>Chrysler
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Auftakt<br />
Auftakt<br />
360 GRAD Den Begriff der nachhaltigen Entwicklung hat vor 20 Jahren die ehemalige norwegische<br />
Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland geprägt. Sie leitete 1987 die Weltkommission<br />
für Zukunft und Entwicklung. Das Gremium definierte <strong>Nachhaltigkeit</strong> als ein Handeln,<br />
das der heutigen Generation dient, ohne den nachfolgenden Generationen zu schaden. Der<br />
sogenannte „Brundtland-Bericht“ nannte drei Voraussetzungen für diesen Prozess: Umweltschutz,<br />
Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit. <strong>Daimler</strong>Chrysler ist in allen drei<br />
Bereichen aktiv. Mit dem Schwerpunktthema „Klimaschutz“ vertieft der aktuelle Bericht "360<br />
GRAD - MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>" ein Thema, das die Menschen in 2006 besonders<br />
bewegt hat: die ökologische Dimension des nachhaltigen Wirtschaftens. Unsere Autoren und<br />
Fotografen berichten über entsprechende Initiativen und Maßnahmen von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
aus Asien, Europa und Nordamerika.<br />
Stefan Scheytt und Christoph Püschner etwa recherchierten die Markteinführung der<br />
sogenannten BLUETEC-Technologie. Das von <strong>Daimler</strong>Chrysler erstmals angebotene Abgasreinigungssystem<br />
macht den Diesel so sauber wie modernste Ottomotoren – und findet auf dem<br />
amerikanischen Markt immer mehr Käufer. Scheytt fiel bei seinen Recherchen in den USA<br />
ein Stimmungswandel auf: Galten Dieselfahrzeuge dort bislang als schmutzige Vehikel, sind<br />
sie wegen ihres niedrigen Spritverbrauchs, der verminderten Emissionen und ihrem agilen<br />
Drehmoment wieder sehr gefragt (Seite 48).<br />
Wirtschaftliche <strong>Nachhaltigkeit</strong> dokumentierten dagegen Autor Toni Keppeler und Fotograf<br />
Lukas Coch in Brasilien. Im Werk São Bernardo do Campo produziert <strong>Daimler</strong>Chrysler seit<br />
50 Jahren Busse und Lkw. Neben der Hochleistungsproduktion erlebten die Journalisten<br />
brasilianisches Lebensgefühl: Jeden Freitag um Mitternacht gehen die Mitarbeiter nach der<br />
Spätschicht eine Runde kicken. Lukas Coch, der die gleiche Schule besucht hat wie sein<br />
Namensvetter Lukas Podolski, blieb am Ball. Kaum hatte er seine Bilder im Kasten, stand<br />
er selbst auf dem Platz – und zeigte den Brasilianern mit zwei Toren, was ein deutscher<br />
Stürmer ist (Seite 86).<br />
Der Bericht „360 GRAD - MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ erzählt in Reportagen, Interviews<br />
und Features über das Engagement von <strong>Daimler</strong>Chrysler für eine nachhaltige Entwicklung.<br />
Der ergänzende Bericht „360 GRAD – FAKTEN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ und der Onlineauftritt<br />
(www.daimlerchrysler.com/nachhaltigkeit) bieten zudem umfangreiche Daten und<br />
Fakten zu allen drei Dimensionen der <strong>Nachhaltigkeit</strong> und vertiefen den Blick auf das Engagement<br />
zu diesem Themenfeld.<br />
Weiterführende Informationen zum Themenkomplex <strong>Nachhaltigkeit</strong> finden Sie im Internet unter:<br />
www.daimlerchrysler.com/nachhaltigkeit
6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
32<br />
48<br />
78<br />
86<br />
Leichter und raffinierter:<br />
der lange Weg zu sparsameren<br />
Motoren<br />
Sauber und verbrauchsarm:<br />
Neue Dieseltechnologie erobert<br />
den amerikanischen Markt<br />
Fleißig und kompetent: Der<br />
Nachwuchs von heute sind die<br />
Profis von morgen<br />
Effektiv und flexibel: Seit<br />
50 Jahren ist <strong>Daimler</strong>Chrysler in<br />
Brasilien zu Hause
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Inhalt<br />
4<br />
8<br />
12<br />
16<br />
24<br />
26<br />
32<br />
40<br />
44<br />
Inhalt<br />
auftakt<br />
langfristiges engagement<br />
Dieter Zetsche über Klimaschutz, die Maßnahmen des Konzerns und<br />
die Zukunft des Automobils<br />
koordinaten eines weltbürgers<br />
News aus der Welt von <strong>Daimler</strong>Chrysler und seinen internationalen<br />
Aktivitäten<br />
du lieber himmel<br />
Er gehört zu den beliebtesten Fotomotiven: Der Blick zum Himmel<br />
erfüllt uns mit Staunen und Zuversicht<br />
standpunkt<br />
Essay: Ökonom Ottmar Edenhofer über Kosten und Strategien des<br />
globalen Klimaschutzes<br />
die grüne kraft<br />
Biokraftstoffe verringern die Abhängigkeit vom Öl und reduzieren den<br />
CO2 - Ausstoß. <strong>Daimler</strong>Chrysler baut die passenden Fahrzeuge<br />
potenzial unter der haube<br />
Verbrennungsmotoren sind in den vergangenen Jahren immer<br />
sparsamer geworden. Ihr Kraftstoffverbrauch wird weiter sinken<br />
noch nicht alle möglichkeiten ausgereizt<br />
Interview: Forschungsleiter Herbert Kohler über CO2 -Emissionen und<br />
die Zukunft alternativer Antriebe<br />
co2-champion Mit dem smart fortwo baut <strong>Daimler</strong>Chrysler das einzige Drei-Liter-<br />
Auto der Welt<br />
46 news zum umgang mit der umwelt<br />
Technische Innovationen und neue Prozessabläufe verbessern<br />
weltweit die Umweltbilanz<br />
KLIMAschutz - schwerpunktthemen<br />
48<br />
54<br />
58<br />
66<br />
70<br />
76<br />
78<br />
86<br />
98<br />
sauberes comeback<br />
Das neue Abgasreinigungssystem BLUETEC macht Dieselantriebe so<br />
sauber wie Ottomotoren – bei niedrigerem Kraftstoffverbrauch<br />
trip durch tokio<br />
Der sparsamste Kleinlaster der Welt ist in Tokio unterwegs. Der Canter<br />
Eco Hybrid von Mitsubishi Fuso hat sich bewährt<br />
chancen für minderheiten<br />
Zulieferer, die benachteiligten ethnischen Gruppen angehören, bekom-<br />
men bei <strong>Daimler</strong>Chrysler eine besondere Chance – und nutzen sie<br />
coole wettbewerbe<br />
Mondialogo School Contest und Engineering Award begeistern Schüler<br />
und Studenten in aller Welt<br />
die freiwilligen<br />
Sie helfen Behinderten oder trainieren junge Sportler: 360 GRAD stellt<br />
Mitarbeiter und ihr gemeinnütziges Engagement vor<br />
news <strong>zur</strong> sozialen verantwortung<br />
Corporate Citizenship: Das Unternehmen betreibt in zahlreichen<br />
Projekten bürgerschaftliches Engagement<br />
generation zukunft<br />
Ob Studium oder Ausbildung: <strong>Daimler</strong>Chrysler schafft optimale<br />
Bedingungen für den Nachwuchs<br />
motor der wirtschaft<br />
Seit 50 Jahren produziert <strong>Daimler</strong>Chrysler in Brasilien Lkw und Busse.<br />
Das Werk wuchs gemeinsam mit der Wirtschaft des Landes<br />
impressum
Interview<br />
Michael Gleich<br />
Fotografie<br />
Barbara von Woellwarth<br />
49°N/9°E 360 GRAD: Herr Zetsche, im Mai 2006 sagten Sie: „Die<br />
Fusion von <strong>Daimler</strong> und Chrysler wird langfristig unsere Stärke<br />
sein.“ Jetzt scheint die einzige Stärke der starke Verlust beim<br />
Verkauf von Chrysler zu sein. Wie vermitteln Sie den Aktionären,<br />
das sei nachhaltiges Wirtschaften?<br />
Zetsche: Nachhaltig ist, dass wir 19,9 Prozent der Anteile von<br />
Chrysler behalten und damit die Kooperation langfristig fortsetzen.<br />
Deren Vorteile bleiben unverändert. Wir werden beispielsweise<br />
Dieselmotoren von Mercedes in Modelle beider Firmen einbauen,<br />
die Brennstoffzelle und Hybride gemeinsam weiterentwickeln.<br />
Gleichzeitig vermeiden wir Kapitalrisiken, die durch die Integration<br />
von Chrysler auf unsere Firma zugekommen sind. Das ist ökonomisch<br />
eine sehr positive Perspektive.<br />
360 GRAD: <strong>Nachhaltigkeit</strong> hat ja drei Aspekte – Soziales, Ökonomie<br />
und Ökologie. In den vergangenen Jahren hatte man den<br />
Eindruck, die wirtschaftliche Dimension finde mehr Beachtung<br />
bei <strong>Daimler</strong>Chrysler. Beobachten wir derzeit eine Renaissance<br />
ökologischer Themen in Ihrem Hause?<br />
Zetsche: Uns ist es wichtig, nicht im Zickzackkurs alle paar Jahre<br />
eine neue Priorität zu setzen. Umweltbelange sind für uns ein<br />
langfristiges Projekt, das zeigt unser andauerndes Engagement bei<br />
der Entwicklung von Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb.<br />
Richtig ist, dass wir eine Phase hinter uns haben, in der wir große<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
umweltbelange<br />
bedeuten für uns ein<br />
langfristiges Engagement<br />
Rundumblick <strong>Nachhaltigkeit</strong>: Dieter zetsche im Gespräch über Klimaschutz, die Entwicklung<br />
umweltschonender technologien im Automobilbereich sowie die hauseigenen unternehmenswerte<br />
und ethisch verantwortliches Wirtschaften<br />
wirtschaftliche Probleme zu lösen hatten, etwa die Verluste bei<br />
Mercedes. Jetzt, wo die Öffentlichkeit wieder stärker Umweltthemen<br />
diskutiert, richtet sie mehr ökologische Fragen an uns.<br />
Unsere Erfolge auf diesem Gebiet haben wir jedoch über Jahre<br />
hinweg erzielt. So hat die deutsche Automobilindustrie den Verbrauch<br />
ihrer Fahrzeuge in den letzten 15 Jahren um 25 Prozent<br />
gesenkt, <strong>Daimler</strong>Chrysler sogar um 30 Prozent.<br />
„Wir investieren weiter große summen in<br />
besonders umweltschonende technologien,<br />
beispielsweise die Brennstoffzelle.“<br />
360 GRAD: Solche Erfolgszahlen werden gerne zitiert, um sich auf<br />
den Lorbeeren aus<strong>zur</strong>uhen ...<br />
Zetsche: Nein, wir geben uns damit nicht zufrieden. Wir investieren<br />
weiter große Summen in besonders umweltschonende<br />
Technologien, beispielsweise die Brennstoffzelle. Außerdem<br />
werden wir zukünftig kein Fahrzeug mehr entwickeln, in das<br />
nicht auch ein Hybridmodul eingebaut werden kann. Die Benziner<br />
wollen wir noch sparsamer machen, etwa mit einer verbesserten<br />
Direkteinspritzung im Motor. Und den Diesel werden wir noch<br />
deutlich sauberer machen. Mit der BLUETEC-Technologie sind wir<br />
weltweit führend dabei. >
MERcEDEs-bENz MUsEUM UNTERTÜRKHEIM DEUTscHLAND
10 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
s. 9<br />
Dieter Zetsche: „Nachhaltig ist, dass wir 19,9 Prozent der Anteile<br />
von Chrysler behalten und damit die Kooperation langfristig<br />
fortsetzen.“<br />
„Aber ab 2008 werden wir BLuEtEc<br />
zunächst in der E-Klasse anbieten. Das ist<br />
ein großer Fortschritt für die umwelt. Wir<br />
erfüllen damit ziele der Europäischen union,<br />
die eigentlich erst ab herbst 2009 gelten.“<br />
360 GRAD: Wann wird diese saubere Dieseltechnologie, die in<br />
den USA schon verfügbar ist, für Pkw in Europa angeboten?<br />
Zetsche: Leider gibt es schwefelarmen Diesel – eine Voraussetzung<br />
für unsere saubere BLUETEC-Technologie – noch nicht<br />
europaweit. Außerdem muss die Technologie an europäische<br />
Kundenerwartungen angepasst werden – sie muss zum Beispiel<br />
dauerhaft Höchstgeschwindigkeiten auf der Autobahn aushalten.<br />
Aber ab 2008 werden wir BLUETEC zunächst in der E-Klasse<br />
anbieten. Das ist ein großer Fortschritt für die Umwelt. Wir<br />
erfüllen damit Ziele der Europäischen Union, die eigentlich erst<br />
ab Herbst 2009 gelten.<br />
360 GRAD: Welches Argument für verbrauchsarme Autos wiegt<br />
schwerer für Sie – Klimaschutz oder das absehbare Ende des<br />
billigen Erdöls?<br />
Zetsche: Beides sind gute Gründe, und sie schließen einander<br />
nicht aus. Um Kohlendioxid zu reduzieren, halte ich allerdings<br />
nur einen umfassenden Ansatz für sinnvoll, der über die Autoherstellung<br />
hinausgeht. Stellschrauben sind auch das Fahrverhalten,<br />
verbesserte Straßen, neue Biokraftstoffe und die Vermeidung von<br />
Staus. Der sparsame Umgang mit der endlichen Ressource Erdöl<br />
spielt in unseren Strategien für die Zukunft eine wichtige Rolle.<br />
Zwar wissen wir nicht genau, wie lange es noch Erdöl zu heutigen<br />
Preisen gibt. Aber wir müssen auf jeden Fall Antworten für die<br />
Zeit danach finden. Als Ingenieur bin ich zuversichtlich, dass wir<br />
die notwendigen technischen Lösungen entwickeln.<br />
360 GRAD: In der Öffentlichkeit wird heftig über die globale Klimaveränderung<br />
diskutiert. Wie beurteilen Sie die Art und Weise, wie<br />
das geschieht?<br />
Zetsche: Grundsätzlich ist die Diskussion richtig und wichtig. Und<br />
die Überlegung, dass weniger CO 2-Ausstoß auch weniger in das<br />
Klimageschehen eingreift, ist ein guter Ausgangspunkt für unser<br />
Handeln. Allerdings befremdet mich das Stereotyp, wonach die<br />
USA als Energieverschwender und Luftverpester gebrandmarkt<br />
werden. Dabei wird übersehen, welche wichtigen Vorgaben <strong>zur</strong><br />
Luftreinhaltung und technische Innovationen wie der Katalysator<br />
aus Kalifornien kamen. Auch in den USA wurden in den letzten<br />
Jahren durch technologische Innovationen große Effizienzsteigerungen<br />
erzielt. Unstrittig ist für mich aber auch: Für ein globales<br />
Klimaabkommen in der Nachfolge von Kyoto bedarf es der Einbindung<br />
der USA und zumindest der großen Schwellen- und<br />
Entwicklungsländer. Besser als gegenseitige Vorurteile vorzubringen<br />
wäre es, voneinander zu lernen.<br />
360 GRAD: Der smart war lange ein ungeliebtes, weil verlustbringendes<br />
Kind des Konzerns. Mausert er sich nun zu Ihrem<br />
ökologischen Hoffnungsträger?<br />
Zetsche: Wir werden den smart fortwo mit großem Einsatz weiterentwickeln.<br />
Ich bin von der Stimmigkeit des Konzepts eines<br />
kleinen, sparsamen Stadtautos überzeugt. Auch wirtschaftlich<br />
macht der smart mittlerweile Freude: Er wird dieses Jahr eine<br />
„schwarze Null“, in den kommenden Jahren ordentliche Gewinne<br />
erzielen. Und er stößt als CDI nur 88 Gramm Kohlendioxid pro<br />
Kilometer aus, ist somit weltweit der CO 2-Champion. Auch deshalb<br />
sind wir stolz darauf, ihn in unserem Portfolio zu haben.<br />
Doch damit geben wir uns nicht zufrieden. Ein neu entwickelter<br />
Startergenerator wird den Verbrauch des smart mit Benzinmotor<br />
je nach Fahrprofil noch einmal um fünf bis 12 Prozent verringern.<br />
„Wir haben ein ehrgeiziges ziel:<br />
unser unternehmen will führend in sachen<br />
transparenz werden.“<br />
360 GRAD: Was bringen eigentlich schriftlich formulierte Regelwerke,<br />
in denen Unternehmen sich auf Transparenz, Respekt und<br />
Ehrlichkeit festlegen – reicht es nicht, solche Werte vorzuleben?<br />
Zetsche: Natürlich ist es wichtig, dass die Führungsebene ihre<br />
Vorbildfunktion wahrnimmt. In einem Unternehmen unserer<br />
Größe brauchen wir darüber hinaus klare ethische Regeln, die<br />
allen bekannt sind. Und wir benötigen Mitarbeitertrainings,<br />
damit sie jeder richtig versteht. Schließlich bedarf es Kontrollen,<br />
ob der Kodex eingehalten wird. Dafür haben wir eine weltweite<br />
Organisation aufgebaut, die überwacht, ob es zum Beispiel<br />
Verstöße gegen das Verbot der Korruption gibt. Wir haben ein<br />
ehrgeiziges Ziel: Unser Unternehmen will führend in Sachen<br />
Transparenz werden. Konkret heißt das: In unserer Branche<br />
wollen wir die beste Organisation für die Einhaltung und Kontrolle<br />
ethischer Werte einrichten.
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Interview Dieter Zetsche 11<br />
„Wenn Manager Arbeitsplätze abbauen,<br />
kann man das nicht generell als unethisches<br />
Verhalten abstempeln. Gerade<br />
schwierige Entscheidungen belegen<br />
manchmal mehr Verantwortungsgefühl<br />
als das Ausweichen davor.“<br />
360 GRAD: Was ist Ihre Antwort auf das schlechte Image, das<br />
Topmanager nach vielen Unternehmensskandalen mittlerweile<br />
in der Öffentlichkeit haben?<br />
Zetsche: Es gibt bei diesen Skandalen nichts zu beschönigen.<br />
Sie haben dem Ansehen des Berufsstandes geschadet. Aber ich<br />
halte nichts davon, nun pauschal ganze Gruppen von Menschen<br />
zu verteufeln, die meist hart arbeiten und positive Ziele verfolgen.<br />
Manche Kritik beruht auch auf Missverständnissen: Wenn Manager<br />
Arbeitsplätze abbauen, kann man das nicht generell als unethisches<br />
Verhalten abstempeln. Gerade schwierige Entscheidungen<br />
belegen manchmal mehr Verantwortungsgefühl als das Ausweichen<br />
davor.<br />
360 GRAD: Der Arbeitsplatzabbau der jüngsten Vergangenheit<br />
wurde von Ihnen damit begründet, dass man einige Stellen<br />
abbauen muss, um den großen Rest zu retten. Führt aber nicht<br />
allein die Ankündigung von Arbeitsplatzabbau zu einer Art<br />
Angststarre?<br />
Zetsche: Die größte Angst entstand bei unseren Mitarbeitern<br />
dadurch, dass Mercedes Verluste machte. Und der schnell wiederkehrende<br />
Erfolg ist sicher die wichtigste Quelle von Zuversicht<br />
bei der Belegschaft. Sicher, jede Kündigung ist ein schwieriger<br />
Vorgang. Deshalb ist dabei Transparenz das oberste Gebot. Ich<br />
persönlich stelle mich der Diskussion mit den Betroffenen und<br />
erläutere offen die Gründe und Konsequenzen. Wenn ein Arbeitsplatzabbau<br />
unvermeidlich ist, muss dies für den Einzelnen fair<br />
gestaltet werden, etwa mit attraktiven finanziellen Angeboten.<br />
Dass wir die Jobs auf eine faire Weise abgebaut haben, zeigt die<br />
Tatsache, dass es relativ wenig Diskussionen gegeben hat.<br />
360 GRAD: Muss sich ein Unternehmen wie <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
wirklich für soziale und kulturelle Anliegen außerhalb der Firma<br />
engagieren? Oder sollte man sich nicht ehrlicherweise auf das<br />
eigene sozial und ökologisch verantwortliche Wirtschaften<br />
konzentrieren?<br />
Zetsche: Unternehmen sind nun mal Teil der Gesellschaft. Sie<br />
schaffen Arbeitsplätze und zahlen Steuern, das sind wesentliche<br />
Beiträge <strong>zur</strong> gesellschaftlichen Stabilität. Aber auch darüber<br />
hinaus sollten wir uns engagieren, insbesondere in Feldern, die<br />
uns thematisch naheliegen. Da wir höchsten Wert auf die Sicherheit<br />
unserer Autos legen, ist es sinnvoll, uns auch über das<br />
Produkt hinaus für sicheres Fahren zu engagieren, etwa indem<br />
wir für viele Tausend Menschen Trainings anbieten. Da geht es<br />
uns um den höchsten Wert, das menschliche Leben. \
12<br />
Koordinaten eines Weltbürgers<br />
ENGAGEMENT jENsEITs DEs wERKsToREs<br />
Denver – Die Hilfsorganisation „United Way“<br />
zeichnete <strong>Daimler</strong>Chrysler mit zwei „Summit<br />
Awards“ für soziales Engagement aus<br />
39° N /105° w<br />
41° N /83° w<br />
ToLEDo bEMÜHT sIcH UM sTANDoRT<br />
Toledo – Mit einer ungewöhnlichen Initiative<br />
sicherte die Stadt Toledo im US-Bundesstaat<br />
Ohio ihr <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk in der Kommune
49° N /9° E<br />
52° N /13° E<br />
30° N /31° E<br />
Ob Krankentransporte in Ägypten oder Verkehrserziehung in Indien: <strong>Daimler</strong>Chrysler und seine<br />
Mitarbeiter engagieren sich weltweit erfolgreich für soziale Projekte und den Umweltschutz<br />
UMwELTzERTIfIKAT fÜR c-KLAssE<br />
Sindelfingen – Niedriger Spritverbrauch<br />
und weniger Schadstoffemissionen bringen<br />
der neuen C-Klasse eine besondere Auszeichnung<br />
ein<br />
voRbILDLIcHE UMwELTKoMMUNIKATIoN<br />
Berlin – Für ihre vorbildliche Umweltkommunikation<br />
erhielt die <strong>Daimler</strong>Chrysler Vertriebsorganisation<br />
Deutschland den „EMAS-Award 2006“ der EU<br />
NEUE TEcHNIK fÜR wENIGER UNfäLLE<br />
Stuttgart – <strong>Daimler</strong>Chrysler entwickelte neue<br />
Sicherheitssysteme für Lkw, Omnibus und Transporter<br />
HILfE fÜR KLEINE KREbspATIENTEN<br />
Kairo – Mithilfe von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Ägypten baut die Kinderhilfsorganisation<br />
„Star Care Egypt“ in Kairo einen Fahrdienst<br />
für krebskranke Kinder auf<br />
28° N /77° E<br />
MEHR sIcHERHEIT fÜR KINDER<br />
Delhi – Im Rahmen seiner Initiative<br />
„MobileKids“ machte <strong>Daimler</strong>Chrysler 1.000<br />
Kinder in der indischen Metropole Delhi fit für<br />
den Verkehr<br />
13
1 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
39°N/105°w<br />
Engagement jenseits<br />
des Werkstores<br />
Denver – <strong>Daimler</strong>Chrysler versteht<br />
sich als „Corporate Citizen“,<br />
nimmt seine soziale Verantwortung<br />
wahr und engagiert<br />
sich nicht nur als Arbeitgeber<br />
und Steuerzahler, sondern weit<br />
über die eigentliche Geschäftstätigkeit<br />
hinaus. Die Firma<br />
hat im Jahr 2006 gleich zwei<br />
„Summit Awards“ der amerikanischen<br />
Hilfsorganisation „United<br />
Way“ erhalten, die damit<br />
den vielfältigen Einsatz des<br />
Konzerns und seiner Mitarbeiter,<br />
etwa nach dem Hurrikan<br />
Katrina in New Orleans, würdigt.<br />
Auch an anderer Stelle<br />
wird geholfen: In Payagala auf<br />
Sri Lanka konnte im Januar<br />
<strong>2007</strong> die „<strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
School of Hope“ eröffnet werden.<br />
Mitarbeiter des Unternehmens<br />
und der Verein<br />
„<strong>Daimler</strong>Chrysler hilft e.V.“<br />
hatten nach dem verheerenden<br />
Tsunami in Südostasien Geld für<br />
den Wiederaufbau der zerstörten<br />
Grundschule St. Joseph’s<br />
Girls School gesammelt.<br />
41°N/83°w<br />
toledo bemüht sich<br />
um standort<br />
Toledo – Auszeichnung für die<br />
Stadt Toledo im US-Bundesstaat<br />
Ohio: Für ihre Bemühungen,<br />
das mehr Platz benötigende<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk in<br />
der Kommune zu halten, wurde<br />
die Stadtverwaltung auf der<br />
„National Brownfields Conference“,<br />
der wichtigsten USamerikanischen<br />
Kommission für<br />
Industriebrachen und Altlasten,<br />
von der Environmental Protection<br />
Agency (EPA) mit einem<br />
„Phoenix Award“ ausgezeichnet.<br />
Das von der Stadtverwaltung,<br />
dem Staat Ohio und vielen<br />
privaten und öffentlichen Partnern<br />
betriebene Projekt beinhaltete<br />
die Sanierung von etwa<br />
70 Hektar Gelände, das früher<br />
unter anderem der Verhüttung<br />
von Aluminium diente. Nach<br />
einer Umweltprüfung für das<br />
Gelände und der Entfernung<br />
von etwa 150.000 Kubikmetern<br />
verschmutzter Erde konnte das<br />
Areal von den Zulieferern der<br />
Chrysler Group genutzt werden.<br />
Die „Phoenix Awards“ gelten als<br />
die wichtigste US-amerikanische<br />
Auszeichnung für Erfolge<br />
im Bereich der Altlastensanierung<br />
und Stadtplanung.<br />
49°N/9°E<br />
umweltzertifikat<br />
für c - Klasse<br />
Sindelfingen – Das Serienmodell<br />
der neuen Mercedes-Benz<br />
C-Klasse ist umweltfreundlicher<br />
als das Vorgängermodell aus<br />
dem Jahr 2000. Über den<br />
Lebenszyklus der neuen Limousine<br />
verringern sich die<br />
Kohlendioxidemissionen um<br />
15 Prozent. Der Gesamtenergiebedarf<br />
liegt um 125 Gigajoule<br />
niedriger – das entspricht rund<br />
3.800 Litern Kraftstoff. Die<br />
Stickoxidemissionen sinken um<br />
20 Prozent, Kohlenwasserstoffemissionen<br />
um zwölf Prozent.<br />
Dank des Partikelfilters hat sich<br />
der Feinstaubausstoß bei den<br />
Dieselmodellen um über<br />
90 Prozent vermindert. Diese<br />
Entwicklung der Limousine wird<br />
durch ein Umweltzertifikat bestätigt,<br />
das 2005 erstmals die<br />
Mercedes-Benz S-Klasse erhielt<br />
und das jetzt auch für die neue<br />
C-Klasse vorliegt. Mercedes-<br />
Benz ist weltweit die einzige<br />
Automobilmarke mit einem solchen<br />
Zertifikat.
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Koordinaten eines Weltbürgers 1<br />
49°N/9°E<br />
Neue technik<br />
für weniger unfälle<br />
Stuttgart – <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
setzt neue Sicherheitsstandards<br />
bei Lkw, Omnibus und Transporter.<br />
Mercedes-Benz Safety<br />
Truck, Mercedes-Benz Safety<br />
Coach und Mercedes-Benz<br />
Safety Van vereinigen alle <strong>zur</strong>zeit<br />
lieferbaren Assistenz- und<br />
Sicherheitssysteme, ergänzt<br />
um neue Techniken wie Active<br />
Brake Assist (Notbremsassistent)<br />
beim Lkw, Spurassistent<br />
beim Reisebus und adaptives<br />
ESP ® beim Transporter. Die<br />
modernen Sicherheitstechniken<br />
können Unfallzahlen senken<br />
und Unfallfolgen verringern.<br />
„Beim Lkw mit dem<br />
Sicherheitspaket zeigt die Bilanz<br />
nur halb so viele Unfälle<br />
wie bei herkömmlich ausgestatteten<br />
Zugmaschinen. Im<br />
Falle eines Unfalls waren die<br />
Schadenssummen um 90 Prozent<br />
niedriger“, sagt Andreas<br />
Renschler, im Vorstand von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler für die Truck<br />
Group und Busse zuständig.<br />
52°N/13°E<br />
Vorbildliche umweltkommunikation<br />
Berlin – Die <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Vertriebsorganisation Deutschland<br />
(DCVD) ist als Landessieger<br />
in der Kategorie „große<br />
Unternehmen“ mit dem EMAS-<br />
Award 2006 ausgezeichnet<br />
worden. Der vom Umweltdirektorat<br />
der Europäischen Union<br />
verliehene Preis würdigt die<br />
beste interne und externe<br />
Kommunikation zum Thema<br />
Umweltmanagement. Die nachhaltigen<br />
Aktivitäten <strong>zur</strong> Umweltkommunikation,<br />
die aktuelle<br />
Umwelterklärung der DCVD und<br />
die Vernetzung der Kommunikationsmaßnahmen<br />
mit dem Um-<br />
weltbericht und einem Internet-<br />
portal überzeugten die Jury.<br />
Sie würdigte die Maßnahmen<br />
als vorbildliches Beispiel der<br />
Berichterstattung über die<br />
ständigen Verbesserungen im<br />
Umweltschutz. EMAS, das Öko-<br />
Audit der Europäischen Union,<br />
ist ein Instrument für Unternehmen<br />
<strong>zur</strong> Verbesserung ihrer<br />
Umweltleistung.<br />
30°N/31°E<br />
hilfe für kleine<br />
Krebspatienten<br />
Kairo – Kein eigenes Auto und<br />
kein Geld für ein Taxi: Viele<br />
Eltern in Kairo haben Mühe,<br />
ihre kranken Kinder regelmäßig<br />
quer durch den legendär chaotischen<br />
Verkehr der Metropole<br />
zu Behandlungen ins Krankenhaus<br />
zu bringen. Das soll sich<br />
ändern: Der Verein „Star Care<br />
Egypt“ will Geld sammeln, um<br />
dem Children’s Cancer Hospital<br />
in Kairo eine Mercedes-Benz<br />
A-Klasse <strong>zur</strong> Verfügung stellen<br />
zu können. Ein Jahr lang sollen<br />
auch die Gehälter des Fahrers<br />
und einer Krankenschwester<br />
finanziert werden. So können<br />
bald viele junge Patienten<br />
sicher ins Krankenhaus und<br />
wieder nach Hause gebracht<br />
werden. Hinter dem Verein<br />
„Star Care Egypt“ stehen<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler Ägypten und<br />
lokale Partner. Die Kinderhilfsorganisation<br />
„Star Care“ hat<br />
ihre Wurzeln in Deutschland<br />
– nun wird die Idee auf den afrikanischen<br />
Kontinent exportiert.<br />
28°N/77°E<br />
Mehr sicherheit für<br />
Kinder<br />
Delhi – Wie überquert man<br />
die Straße richtig? Wie macht<br />
man Autofahrer auf sich aufmerksam?<br />
Wie genau funktionieren<br />
die Vorfahrtsregeln?<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler engagiert sich<br />
mit der Initiative „MobileKids“<br />
für die schwächsten aller Verkehrsteilnehmer:<br />
die Kinder. In<br />
der indischen Metropole Delhi<br />
nahmen im Jahr 2006 rund<br />
1.000 Jungen und Mädchen<br />
verschiedener Schulen an dem<br />
Projekt teil. Sie machten sich<br />
mit einem eigens konzipierten<br />
Bilderbuch und einer Schulung<br />
durch die Verkehrspolizei, bei<br />
Malwettbewerben und einem<br />
Quiz zum Thema Verkehrssicherheit<br />
schlau. Der Gewinner<br />
des Wettbewerbs wurde einen<br />
Tag lang von einem Chauffeur<br />
durch die Stadt gefahren. Die<br />
weltweite Initiative „MobileKids“<br />
startete 2001 und wird in verschiedenen<br />
europäischen und<br />
asiatischen Ländern durch nationale<br />
Kampagnen ergänzt.
16<br />
Du lieber himmel<br />
Autor<br />
Michael Gleich<br />
Der Blick nach oben ist die einfachste Möglichkeit des Menschen, unfassbares zu erleben.<br />
Manchmal scheinen tief hängende Wolken zum Greifen nah zu sein. Dann wieder ahnen wir<br />
hinter dem tiefblau die unbegreifliche Weite des Weltraums. Wir staunen mit nie erlahmender<br />
Faszination, was man schon daran erkennt, dass der himmel zu den meistfotografierten „Landschaften“<br />
gehört. Kein Wunder, dass dieses Etwas über uns <strong>zur</strong> Projektionsfläche für Mythen<br />
aller Art wurde. Im himmel wohnen die Götter. Die unendlichkeit von horizont zu horizont drängt<br />
sich als sinnbild für das ewige Leben auf. Eine mögliche herkunft des Wortes himmel aus dem<br />
Indogermanischen lautet „hülle, Decke“. Wir werden beschützt und gewärmt, und alles Gute<br />
kommt von oben: Du lieber himmel! ><br />
56°N /85°E / ToMsK / RUssLAND
50°N /4°w/ sAINT AUsTELL / GRossbRITANNIEN<br />
54°N /24°E / KAUNAs / LITAUEN<br />
36°N / 118°E / boHAI-bUcHT / cHINA<br />
54°N /9°E / KoLLUND / DäNEMARK
26°N /119°E / fUzHoU / pRovINz fUjIAN / cHINA<br />
67°s /140°E / DUMoNT D' URvILLE / ANTARKTIs<br />
43°N /7°E /ARMA DI TAGGIA / ITALIEN<br />
19°N /88°w/ cHUNHUás / MExIKo<br />
35°N /138°E / HAMAMATsU / jApAN
36°N /112°w/ GRAND cANyoN / coLoRADo/UsA<br />
46°s /170°E / DUNEDIN / NEUsEELAND<br />
70°N /19°E / TRoMsø / NoRwEGEN
66°N /26°E / RovANIEMI / fINNLAND<br />
45°N/5°E / MoNTELIMAR / fRANKREIcH<br />
Irgendwann fing der Mensch an, Fabriken zu bauen und darauf schornsteine, aus denen er seine<br />
Wolke selbst gen himmel pustete. sie war grau, schwarz oder schweflig-gelb. sie färbte das<br />
Firmament mit dunkler Firnis. Das nannten sie industrielle Revolution. später tauchten die ersten<br />
zweifel auf, ob die Geduld des himmels unendlich sei. Das nannten sie umweltbewusstsein. Die<br />
bange Frage lautete: Wird das Blau allen Dreck schlucken, den wir nach oben schicken? ><br />
48°N/12°E /pRIEN / cHIEMsEE / DEUTscHLAND
46°s/170°E / DUNEDIN / NEUsEELAND<br />
45°N/12°E / vENEDIG / ITALIEN<br />
6°s /155°E / boUGAINvILLE / soLoMoN IsLANDs
47°N/39°E / TAGANRoG / RUssLAND<br />
33°N/106°w/ sAN ANToNIo / NEw MExIco / UsA<br />
49°N/10°E / DILLINGEN / DEUTscHLAND<br />
7°s /108°E / cIREboN / jAvA<br />
22°N/81°w / cIENfUEGos / KUbA
34°N/84°w/ GEoRGIA / UsA<br />
heutzutage drohen noch unheimlichere Gefahren. zwar ist der himmel wieder blau, aber treibhausgase<br />
erzeugen in der Atmosphäre einen unsichtbaren schild, der die Erde aufheizt. Der<br />
größte teil dieses treibhauseffektes hat natürliche ursachen und ist hochwillkommen – er macht<br />
die Erde erst bewohnbar. Die zusätzlich vom Menschen verursachten Emissionen beherrschen<br />
als „Klimakatastrophe“ die schlagzeilen, was blanker unsinn ist, weil Katastrophen unvorhersehbar<br />
kommen. Die Begrifflichkeit spielt mit religiösen Vorstellungen: Der himmel zürnt! Gegen das<br />
schicksal sind wir machtlos! so produzieren die Alarmrufe der Panik-Päpste das Gegenteil von<br />
dem, was sie erreichen wollen. sie motivieren nicht zum handeln, sondern fördern Resignation.<br />
Das vernebelt tatsächliche Möglichkeitsräume. Denn wir verfügen über technologien, um den<br />
Ausstoß von Kohlendioxid zu vermindern. Wie wäre es mit einem Blick nach oben in zuversicht? \<br />
23
2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Autor<br />
Ottmar Edenhofer<br />
52° N /13° E Zyniker seien Menschen, die von allem den Preis<br />
und von nichts den Wert kennen, hat Oscar Wilde einmal gesagt.<br />
Vielen Klimaschützern galten Ökonomen als Zyniker, weil sie dem<br />
Klimaschutz bislang ablehnend gegenüberstanden: Die Schäden<br />
selbst eines ungebremsten Klimawandels seien relativ gering,<br />
die Kosten der Verminderung von Emissionen vor allem in den<br />
Industriestaaten hoch. Eine ambitionierte Klimapolitik, die auf<br />
drastische Verminderungen der Treibhausgasemissionen setzt,<br />
schien daher nicht angeraten zu sein. Dieses Bild ist von der<br />
Realität eingeholt worden. Der frühere Chefökonom der Weltbank<br />
Sir Nicholas Stern weist in seinem Bericht nach, dass die Schäden<br />
eines ungebremsten Klimawandels höher sind als bisher vermutet.<br />
Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Kosten der Verminderung<br />
von Emissionen wesentlich geringer eingeschätzt werden müssen,<br />
als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war.<br />
Kosten geringer als befürchtet<br />
Vor allem amerikanische Ökonomen haben gezeigt, dass der<br />
Klimawandel in ökonomisch entwickelten Regionen (USA, Europa)<br />
höhere Schäden verursacht als bisher angenommen. Darüber<br />
hinaus konnten in den vergangenen Jahren Schwellenwerte im<br />
Erdsystem identifiziert werden, deren Überschreiten zu dramatischen<br />
Folgen führt: Die Versauerung der Ozeane und das Austrocknen<br />
des Regenwaldes infolge des Klimawandels können die<br />
Erderwärmung noch weiter beschleunigen. Darum raten viele<br />
Wissenschaftler zum Vorsichtsprinzip. Der Anstieg der globalen<br />
Mitteltemperatur gegenüber dem vorindustriellen Niveau solle auf<br />
zwei Grad Celsius begrenzt werden, um diese Risiken auszuschließen.<br />
Auch Ökonomen könnten sich mit dem Vorsichtsprinzip<br />
anfreunden, wenn gezeigt werden kann, dass die Begrenzung des<br />
Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad Celsius zu<br />
akzeptablen Kosten machbar ist.
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Standpunkt 2<br />
Kosten und strategien des<br />
globalen Klimaschutzes<br />
Ottmar Edenhofer ist chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und<br />
spezialist für die Auswirkungen des technischen Wandels auf den Klimaschutz<br />
Die Kosten einer drastischen Verminderung von Treibhausgasemissionen<br />
sind geringer als bisher befürchtet: Neuere Untersuchungen<br />
des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, die<br />
der Stern-Bericht zustimmend zitiert und die im Vierten Sachstandsbericht<br />
des IPCC ausführlich diskutiert werden, zeigen,<br />
dass die Kosten des Klimaschutzes beträchtlich nach unten<br />
korrigiert werden müssen. Mit weniger als einem Prozent des<br />
weltweiten Wirtschaftswachstums lässt sich das Zwei-Grad-<br />
Celsius-Ziel erreichen, was darauf hinausliefe, dass sich das<br />
Wirtschaftswachstum im 21. Jahrhundert lediglich um wenige<br />
Monate verzögerte. Dies ist dann der Fall, wenn die Klimapolitik<br />
in ausreichendem Maße Innovationen mobilisieren kann. Die<br />
Frage der Ökonomen, ob sich Klimaschutz lohnt, ist damit beantwortet:<br />
Ambitionierter Klimaschutz ist notwendig und finanzier-<br />
bar, wenn Klimapolitik in ausreichendem Maße technologische<br />
Innovationen motivieren kann.<br />
Krise der Klimapolitik?<br />
Wenn Klimaschutz <strong>zur</strong> Vermeidung gefährlichen Klimawandels<br />
nicht nur notwendig, sondern auch wirtschaftlich lohnend ist,<br />
warum steckt dann die internationale Klimadiplomatie in einer<br />
Krise? Die Antwort ist einfach. Bei einer Klimapolitik müssten<br />
zumindest grundsätzlich alle Länder mitmachen. Wenn aber alle<br />
verantwortlich sind, ist keiner verantwortlich. Jeder Staat, jedes<br />
Unternehmen steht immer in der Versuchung, auszuscheren und<br />
die Arbeit die anderen machen zu lassen. Genau hier liegt das<br />
moralische Problem der Klimapolitik. Die Klimaverhandlungen<br />
haben daher bislang keine wesentlichen Fortschritte gebracht –<br />
weder wurden weitere Schritte zu einer Verminderung der Treibhausgasemissionen<br />
vereinbart, noch wurden Verhandlungen mit<br />
den Staaten aufgenommen, die bislang noch keine Verpflichtung<br />
<strong>zur</strong> Verminderung der Treibhausgasemissionen übernommen<br />
haben, wie die USA, China oder Indien, die aber zu den Hauptemittenten<br />
gehören oder gehören werden. Ohne das Bewusst-<br />
sein, dass die Menschheit gemeinschaftlich für die Gefahren des<br />
Klimawandels haften muss, werden keine internationalen Vereinbarungen<br />
zum Klimaschutz zustande kommen.<br />
Was wir tun müssen<br />
Die heutige Menschheit haftet aber auch für die kommenden Generationen.<br />
Auch sie haben ein Anrecht auf wirtschaftliches Wachstum<br />
und auf Überwindung der Armut. Die heute wohlhabenden<br />
Länder haben für ihre Industrialisierung die Atmosphäre bereits<br />
ausgiebig genutzt. Wer künftig Treibhausgase emittieren will, muss<br />
dafür zahlen. Die Atmosphäre kann heute kostenlos genutzt<br />
werden, da CO 2 keinen Preis hat. Es kann daher nicht überraschen,<br />
dass sich bislang kaum Innovationen im Energiesektor durchsetzen<br />
konnten, die die CO 2-Emissionen verringern. Durch die Ausgabe<br />
von Emissionsrechten wird eine Obergrenze für Emissionen politisch<br />
festgelegt, die nicht überschritten werden darf. Da die Emissionsrechte<br />
handelbar sind, kann sich auf dem Markt ein Preis bilden,<br />
der den volkswirtschaftlichen Kosten der Emissionen entspricht.<br />
Innovatoren des Klimaschutzes, die über billige Verfahren der Verminderung<br />
von Emissionen verfügen, können ihre Rechte am Markt<br />
verkaufen und damit Gewinne einfahren. Je höher das Innovationspotenzial<br />
der Wirtschaft ist, umso weniger muss der Preis für die<br />
Emissionen steigen. So zeigen die Berechnungen des Potsdam-<br />
Instituts für Klimafolgenforschung, dass der erfolgreiche Umbau zu<br />
einem emissionsfreien Energiesystem den CO 2-Preis langfristig<br />
wieder sinken lässt. Dies ist aber nur möglich, wenn nach Möglichkeit<br />
alle Sektoren und alle Regionen in diesen globalen Emissionsmarkt<br />
mit einbezogen sind: Erst ein globaler Markt für Emissionsrechte<br />
wird die Such- und Lernprozesse auslösen, die für eine<br />
dritte industrielle Revolution notwendig sind.\
26 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Die<br />
grüne<br />
Kraft<br />
Biokraftstoffe verringern die Abhängigkeit vom Öl und reduzieren den cO 2-Ausstoß.<br />
Experten sehen vor allem in der Gewinnung von synthetischem sprit aus Biomasse große<br />
Potenziale. <strong>Daimler</strong>chrysler unterstützt die Entwicklung durch Forschungsprojekte in aller<br />
Welt und baut die passenden Fahrzeuge
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Die grüne Kraft 2<br />
zUcKERRoHR<br />
Lat.<br />
Saccharum officinarum<br />
zum Beispiel Brasilien<br />
Ethanol<br />
1 Liter Ethanol = 0,66 Liter Benzin<br />
CO 2 circa 70 Prozent Einsparung
2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Lat.<br />
Zea mays L. subsp. Mays<br />
zum Beispiel USA<br />
Ethanol<br />
1 Liter Ethanol = 0,66 Liter Benzin<br />
CO 2 circa 30 Prozent Einsparung<br />
MAIs
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Die grüne Kraft 2<br />
Lat.<br />
Brassica napus<br />
zum Beispiel Deutschland<br />
Biodiesel<br />
RAps<br />
1 Liter Biodiesel = 0,91 Liter Diesel<br />
CO 2 50 bis 70 Prozent Einsparung<br />
Autor<br />
Stefan Scheytt<br />
42° N /83° w Loren Beard hat eine Vision.<br />
Es ist die Vision von der Revitalisierung<br />
seiner Heimat im nördlichen Michigan,<br />
wo er als Kind mit seinem Vater angeln<br />
ging, wo die Kühe auf den Wiesen grasten<br />
und die Farmer von deren Milch gut<br />
lebten. Es ist die Vision, Sonnenblumen<br />
könnten auf den heute oft brachliegenden<br />
Flächen wachsen und den Farmern und<br />
vielen anderen wieder eine Perspektive<br />
geben. Es ist die Vision, aus den Sonnenblumen<br />
würde vor Ort Biodiesel produziert<br />
– umweltfreundlicher Treibstoff für die<br />
Frachter, die dort anlanden und ihre<br />
Ladungen über die Great Lakes tragen,<br />
das größte Süßwasserbecken der Erde.<br />
„Eine Havarie wäre keine Bedrohung mehr<br />
für das Trinkwasser, die Fische und die<br />
Küste. Es liefe kein schwerer Diesel mehr<br />
aus, sondern Biodiesel, der nach wenigen<br />
Tagen abgebaut ist“, sagt Beard.<br />
Loren Beard ist Abteilungsleiter für Energie-<br />
und Umweltangelegenheiten am US-<br />
Sitz von <strong>Daimler</strong>Chrysler in Auburn Hills,<br />
Michigan. Beard ist als Chemiker eine Art<br />
Handlungsreisender in Sachen Biokraftstoffe.<br />
Er eilt von einem „Ethanol-Gipfel“<br />
zum nächsten „Biodiesel-Symposium“.<br />
Was die Wissenschaftler, Vertreter von<br />
Mineralölkonzernen, Automobilherstel-<br />
lern und Umweltbehörden aus aller Welt<br />
dort diskutieren, ist im Kern nichts anderes<br />
als Beards Vision von den Sonnenblumenfeldern<br />
in Nord-Michigan, nur<br />
im globalen Maßstab: Wie können die<br />
endlichen fossilen Brennstoffe durch<br />
solche aus erneuerbarer klimafreundlicher<br />
Biomasse ersetzt werden?<br />
Mächtigen Schub hat das Thema zuletzt<br />
durch Präsident Bushs „20 in10“-<br />
Programm erhalten. In seiner Regierungserklärung<br />
hatte er Anfang <strong>2007</strong><br />
angekündigt, er wolle den Verbrauch<br />
herkömmlichen Erdöls innerhalb von 10<br />
Jahren um 20 Prozent reduzieren, zum<br />
Teil durch einen niedrigeren Verbrauch<br />
der Automobilflotten, vor allem aber >
30 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Lat.<br />
Salix<br />
weltweit, nördliche Hemisphäre<br />
Biomass-to-Liquid<br />
1 Liter BTL= 0,97 Liter Benzin<br />
CO 2 bis zu 95 Prozent Einsparung<br />
wEIDE<br />
durch einen drastischen Anstieg des Spritangebots<br />
aus erneuerbaren Rohstoffen.<br />
Während die EU in einem Aktionsplan<br />
das Ziel ausgegeben hat, den Anteil von<br />
Biokraftstoff bis 2010 auf 5,75 Prozent<br />
zu erhöhen und dabei vor allem den bedrohlichen<br />
Klimawandel im Blick hat, sind<br />
die USA viel stärker vom Motiv geleitet,<br />
sich unabhängig von Erdölimporten zu<br />
machen. Schon heute sind sie neben<br />
Brasilien der größte Produzent von Bioethanol,<br />
das durch Vergärung von Pflanzenzucker<br />
in Mais (USA) und Zuckerrohr<br />
(Brasilien) gewonnen wird. Ein Fünftel<br />
der US-amerikanischen Maisernte wird<br />
bereits für die Produktion von Bioethanol<br />
verwendet. Mit dem größten Teil davon<br />
wird ein Kraftstoff produziert, der zu zehn<br />
Prozent aus Ethanol und zu 90 Prozent aus<br />
herkömmlichem Kraftstoff besteht, was<br />
jeder Ottomotor problemlos verträgt. So<br />
genannte Flex-Fuel-Vehicles (FFV) lassen<br />
sich sogar mit jedem Mix mit Bioethanol<br />
bis E85 betreiben.<br />
Biodiesel-Weltmeister Deutschland<br />
Die Chrysler Group wird deshalb <strong>2007</strong> und<br />
2008 etwa 750.000 FFV an ihre Kunden<br />
ausliefern, bis 2012 soll sogar die Hälfte<br />
der gesamten Produktion E85-tauglich<br />
sein – vorausgesetzt, die entsprechende<br />
Infrastruktur existiert. „Die Zahl der Tank-<br />
stellen mit E85 ist noch klein, etwa 1.000,<br />
aber sie wächst rasant“, weiß Loren Beard.<br />
„Und mit immer mehr E85-Autos steigt<br />
auch der Anreiz für die Mineralölindustrie,<br />
weitere Zapfsäulen um<strong>zur</strong>üsten. Es kommt<br />
jetzt darauf an, dass wir eine kritische<br />
Masse erreichen.“<br />
Noch ganz am Anfang steht in den USA<br />
dagegen Biodiesel, der dort aus der<br />
ölhaltigen Sojapflanze gewonnen wird.<br />
Konventioneller Diesel mit einem fünfprozentigen<br />
Biodiesel-Anteil (B5), wie er<br />
schon aus vielen Tankschläuchen fließt,<br />
ist für <strong>Daimler</strong>Chrysler-Pkw kein Problem;<br />
einige Modelle von Jeep ® und Dodge<br />
verlassen das Werk sogar mit einer B5-<br />
Mischung mit Sojadiesel im Tank – als<br />
Signal an die Kunden, dass der Biosprit<br />
Vertrauen verdient. Viele Tausend Fahrzeuge<br />
von <strong>Daimler</strong>Chrysler sind sogar<br />
mit B20-Diesel problemlos unterwegs,<br />
allerdings nur dort, wo sie unter der Kontrolle<br />
von Fuhrparkprofis in Behörden und<br />
Unternehmen stehen, die über eigene<br />
Zapfsäulen verfügen. Für Normalkunden<br />
wird B20 aber auch in Zukunft keine Option<br />
sein, da mit steigendem Biodiesel-Anteil<br />
die Gefahr von Schmierölverdünnung und<br />
damit von Motorschäden stark ansteigt.<br />
Genau umgekehrt sind die Verhältnisse<br />
in Europa und vor allem in Deutschland:<br />
Während Bioethanol – erlaubt sind<br />
Beimischungen zu Normalbenzin bis zu<br />
fünf Prozent (E5) – nur eine kleine Rolle<br />
spielt, ist Biodiesel aus Rapsöl sehr gut<br />
etabliert. Mit einem Biodiesel-Anteil von<br />
knapp unter fünf Prozent am gesamten<br />
Kraftstoffmarkt gilt Deutschland sogar als<br />
Biodiesel-Weltmeister, Europa kommt auf<br />
1,5 Prozent. Als reiner Biosprit (B100) ist<br />
der Kraftstoff an etwa 2.000 Tankstellen in<br />
Deutschland erhältlich und wird vor allem<br />
für Lkw gezapft; sämtliche Nutzfahrzeuge<br />
von Mercedes-Benz sind übrigens B100tauglich.<br />
In der „Magdeburger Erklärung“<br />
von 2005 hat sich <strong>Daimler</strong>Chrysler
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Die grüne Kraft 31<br />
verpflichtet, seine Dieselmodelle auf<br />
eine Beimischung von 10 Prozent Bioanteil<br />
vorzubereiten.<br />
Jatropha: hohe Erträge auf kargen Böden<br />
„Es ist nicht so, wie manche behaupten:<br />
dass Dieseltechnologie und Biokraftstoffe<br />
nicht zusammenpassen“, sagt Dr. Stefan<br />
Keppeler, Leiter Alternative Kraftstoffe bei<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler in Untertürkheim. „Richtig<br />
ist nur, dass die Partikelfiltertechnologie<br />
von heute und der im Moment verfügbare<br />
Biodiesel sich nur begrenzt vertragen. Wir<br />
arbeiten aber an Kraftstoffalternativen<br />
und sind guter Hoffnung, dass wir das in<br />
naher Zukunft beherrschen.“ Das Engagement<br />
des Konzerns für Biosprit reicht aber<br />
noch weiter. Auf zwei Versuchsplantagen<br />
in Indien wird mit Unterstützung von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler seit etwa vier Jahren die<br />
Wildpflanze Jatropha angebaut. Erste<br />
Ergebnisse zeigen, dass sich aus den ölhaltigen<br />
Nüssen des Strauchs ein Ertrag<br />
von 1.000 Litern Öl pro Hektar erzielen<br />
lässt. Es lässt sich wie das Öl von Raps<br />
oder Palmen zu hochwertigem Biodiesel<br />
verestern. Biodiesel-Produzenten aus Indien,<br />
China und Mexiko haben bereits Interesse<br />
an dem Forschungsprojekt gezeigt, das<br />
auch von der Deutschen Investitions- und<br />
Entwicklungsgesellschaft (DEG) und der<br />
Universität Hohenheim unterstützt wird.<br />
Stehen Palmölproduzenten aus Indonesien<br />
und Malaysia unter dem Verdacht, für den<br />
Spritdurst des Westens wertvolle Urwälder<br />
abzuholzen, gedeiht Jatropha auf extrem<br />
kargen, wüstenähnlichen Böden, die sonst<br />
nicht genutzt werden können. Kleinbauern<br />
könnte der Anbau von Jatropha somit völlig<br />
neue Erwerbsquellen erschließen. „Wir<br />
wollen damit zeigen, dass es keinen grundsätzlichen<br />
Widerspruch geben muss zwischen<br />
der Produktion von Biokraftstoff in<br />
der Dritten Welt oder in Schwellenländern<br />
und dem Gebot der <strong>Nachhaltigkeit</strong>“, sagt<br />
Projektleiter Dr. Stefan Keppeler. In diese<br />
Richtung zielt auch ein von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
zum Jahreswechsel 2005/2006 gemeinsam<br />
mit dem United Nations Environmental<br />
Programme (UNEP), dem Ministerium für<br />
Ernährung und ländlichen Raum Baden-<br />
Württemberg und dem World Wide Fund<br />
For Nature (WWF) gestartetes Projekt <strong>zur</strong><br />
Definition von Mindeststandards für den<br />
Anbau von Biomasse für Biokraftstoffe.<br />
Die größten Hoffnungen von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler richten sich auf synthetischen<br />
Sprit aus Biomasse, auch als<br />
BTL bekannt. BTL steht für „Biomass-to-<br />
Liquid“ und bezeichnet ein Verfahren <strong>zur</strong><br />
Vergasung – mit anschließendem Syntheseschnitt<br />
– fast jeglichen pflanzlichen<br />
Rohstoffs in flüssige Energie. Verwendet<br />
werden nicht mehr nur Früchte oder<br />
Knollen, sondern die ganze Pflanze, aber<br />
auch Stroh, Restholz oder schnell<br />
wachsende Hölzer wie Weiden. Dadurch<br />
steigt die Energieausbeute pro Hektar<br />
deutlich. Für diese sogenannte „Zweite<br />
Generation“ der Biokraftstoffe sprechen<br />
noch weitere Argumente: Sie sind weitgehend<br />
CO 2-neutral, weil bei ihrer<br />
Verbrennung nur so viel Kohlendioxid in<br />
die Atmosphäre entlassen wird, wie zuvor<br />
beim Wachstum der Pflanze gebunden<br />
wurde. Und sie lassen sich für die Anforderungen<br />
moderner Motoren chemisch<br />
maßschneidern: Der farb- und geruchlose<br />
Sprit enthält weder Schwefel noch Aromaten,<br />
die Schadstoffemissionen sind im<br />
Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 30<br />
bis 50 Prozent geringer. Der Einsatz von<br />
BTL würde selbst bei älteren Fahrzeugen<br />
spürbare Emissionsvorteile bewirken.<br />
Seit 2002 ist <strong>Daimler</strong>Chrysler gemeinsam<br />
mit Volkswagen Partner der Firma Choren<br />
Industries in Sachsen, an der seit zwei<br />
Jahren auch der Mineralölkonzern Shell<br />
beteiligt ist. Noch <strong>2007</strong> will Choren die<br />
erste kommerziell arbeitende BTL-Anlage<br />
der Welt in Betrieb nehmen; 2010 soll die<br />
erste großtechnische Anlage den Biosprit<br />
mit dem Namen SunDiesel produzieren.<br />
fLEx-fUEL-fAHRzEUGE<br />
In diesem und im nächsten Jahr wird<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler rund 750.000 Flex-Fuel-<br />
Fahrzeuge (FFV) mit Ottomotor bauen. Sie<br />
fahren mit herkömmlichem Otto-Kraftstoff,<br />
vertragen aber auch jeden Mix mit dem<br />
Biosprit Ethanol bis zu einem Anteil von<br />
85 Prozent (E85). <strong>2007</strong> werden folgende<br />
Modelle als FFV angeboten:<br />
• Mercedes-Benz C-Klasse (V6-Motoren)<br />
• Jeep® Grand Cherokee, Jeep® Commander,<br />
Dodge Durango und Chrysler Aspen<br />
SUVs (4,7-Liter-Motor)<br />
• Dodge Ram und Dodge Dakota Pickups<br />
(4,7-Liter-Motor)<br />
• Chrysler Sebring und Dodge Avenger<br />
Sedans (2,7-Liter-Motor)<br />
• Dodge Caravan, Dodge Grand Caravan<br />
und Chrysler Town Country Minivans<br />
(3,3-Liter-Motor)<br />
Mehrere Versuchsfahrzeuge von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler sind längst im Probeeinsatz<br />
mit dem Kraftstoff. Ihm wird<br />
zugetraut, in den nächsten zwanzig<br />
Jahren ein Fünftel bis ein Viertel<br />
des gesamten Kraftstoffbedarfs in<br />
Deutschland abzudecken.<br />
Zweite Generation Biokraftstoffe<br />
„<strong>Daimler</strong>Chrysler verfolgt eine Mehr-<br />
fachstrategie“, erklärt Dr. Stefan Keppeler:<br />
„Wir setzen ganz stark auf die ,Zweite<br />
Generation‘ der Biokraftstoffe, aber bis<br />
die ihren Beitrag leisten können, müssen<br />
wir auch die ,Erste Generation‘ weiterentwickeln.“<br />
Schon deshalb sollte die<br />
Vision Loren Beards von den Sonnenblumenfeldern<br />
in Michigan keine Vision<br />
bleiben, sondern Wirklichkeit werden. \
32 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Potenzial<br />
unter der<br />
haube<br />
Ihr Ruf ist nicht der beste – dabei sind Verbrennungsmotoren in den vergangenen Jahren<br />
immer sparsamer und sauberer geworden. Weil Benziner und Diesel bis <strong>zur</strong> serienreife<br />
des emissionsfreien und verbrauchseffizienteren Brennstoffzellenmotors die wichtigsten<br />
automobilen Antriebe bleiben werden, muss ihr Kraftstoffverbrauch weiter sinken. Bei<br />
<strong>Daimler</strong>chrysler wird viel dafür getan
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 33<br />
49°N/9°E Der dunkelgrüne Mercedes CLS rauscht durch die<br />
Steilkurve. Peter Lückert aber doziert am Steuer so ruhig über<br />
Motorentechnik und Benzinverbrauch, als würde er den Wagen<br />
über eine Landstraße im Schwäbischen lenken. Tatsächlich<br />
geht die Fahrt über die Teststrecke im <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk<br />
Untertürkheim, auf der sonst Prototypen mit längst nicht<br />
spruch- und marktreifen Technologien an Bord ihre Runden<br />
drehen. Dazu gehört das Modell, das Peter Lückert jetzt am Ende<br />
einer langen Geraden zum Halten gebracht hat, allerdings nicht.<br />
Der CLS 350 CGI ist bereits seit Sommer 2006 im Handel, darf<br />
aber heute noch einmal zu Demonstrationszwecken <strong>zur</strong>ück auf<br />
die Teststrecke. Denn unter seiner Haube sitzt ein Motor, der<br />
für <strong>Daimler</strong>Chrysler als Meilenstein in Sachen Kraftstofferspar-<br />
nis gilt – und den Peter Lückert als Leiter Entwicklung Pkw<br />
Ottomotoren maßgeblich mit aus der Taufe gehoben hat.<br />
„Entscheidend ist heute vor allem, was ein<br />
neuer Motor an Kraftstoff spart.“<br />
Peter Lückert, Leiter Entwicklung Pkw Ottomotoren<br />
Das Kürzel CGI steht für eine Technik, die man bei<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler als „nachhaltiges Motorenmanagement“ bezeichnet.<br />
Die „Stratified Charged Gasoline Injection“, so der vollständige<br />
Name, ist eine strahlgeführte Direkteinspritzung von Kraftstoff<br />
in den Kolben, in dem das Benzin in einem hochsensiblen Prozess<br />
<strong>zur</strong> Entzündung gebracht wird. Ein neu entwickelter Piezo-Injektor<br />
platziert den Kraftstoff in präzisen Dosierungen und auf den Bruchteil<br />
einer Sekunde genau in die unmittelbare Nähe der Zündkerze,<br />
wo er dann ohne nennenswerten Energieverlust verbrennt.<br />
Der 3,5 Liter große Sechszylinder verbraucht so zehn Prozent<br />
weniger Treibstoff als sein Vorgänger, bei dem das Einspritzventil<br />
außerhalb des Brennraums im Saugrohr gelagert ist. Dennoch<br />
bringt der Motor jetzt sogar 20 PS mehr Leistung bei einem<br />
Drehmoment von 365 Nm, was ihn „im Antritt spürbar agiler“<br />
macht, wie Testpilot Lückert bemerkt. Doch das Plus an Power<br />
sei eher ein schöner Nebeneffekt. „Entscheidend ist heute vor<br />
allem, was ein neuer Motor an Kraftstoff spart“, so Lückert. Die<br />
Direkteinspritzung als ein effizienteres Verbrennungsverfahren<br />
gilt deshalb für große Autohersteller wie <strong>Daimler</strong>Chrysler als<br />
Technik der unmittelbaren Zukunft.<br />
Obwohl in vielen Richtungen nach alternativen Antrieben gesucht<br />
wird und viel Geld in die Forschung rund um umweltschonende<br />
Gas-, Wasserstoff- und Elektromotoren oder neue Biokraftstoffe<br />
investiert wird, sind die meisten Techniken heute noch weit von<br />
einer Serienreife entfernt.<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler zum Beispiel hat bislang rund 1,5 Milliarden Euro<br />
in die Brennstoffzellentechnologie investiert und mit mehr als<br />
100 Brennstoffzellenfahrzeugen die weltweit größte Testflotte<br />
im Einsatz. Prototypen wie die Mercedes-Benz A-Klasse F-Cell<br />
und der F 600 gelten als Technologievorreiter. Wasserstoff gilt<br />
für die meisten Autohersteller als ultimativer Kraftstoff der<br />
Zukunft. Doch der Brennstoffzellenantrieb ist heute auch wegen<br />
seiner hohen Produktionskosten und einer fehlenden Wasserstoff-<br />
Infrastruktur noch keine serientaugliche Lösung – außerdem kann<br />
Wasserstoff noch nicht in genügender Menge regenerativ gewonnen<br />
werden. Die Hybridtechnik ist eine weitere Möglichkeit,<br />
Verbrennungsmotoren effizienter zu nutzen. Bislang allerdings<br />
kommt die Zwitterlösung aus Elektro- und Verbrennungsmotor<br />
nur im Stadtverkehr als wirkliche Alternative infrage, auf längeren<br />
Fahrten zeigt sie noch keine entscheidenden Verbrauchsvorteile.<br />
Die technologische Herausforderung ist daher, auch im<br />
Überlandverkehr zusätzliches Verbrauchspotenzial zu erschließen.<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler setzt die Hybridtechnik bislang dort ein, wo<br />
sie am effektivsten ist: bei Bussen im Stadtverkehr. Im Pkw-<br />
Bereich arbeitet man an einem Baukasten mit flexibel einsetzbaren<br />
Hybridmodulen. Für die Zukunft gilt bei <strong>Daimler</strong>Chrysler:<br />
Es sollen keine neuen Fahrzeuge entwickelt werden, die nicht<br />
auch eine Hybridoption erlauben.<br />
Konventionelle Antriebe müssen sparsamer werden<br />
Bis auf Weiteres also sind Verbrennungsmotoren nicht aus dem<br />
automobilen Alltag wegzudenken. Eine McKinsey-Studie mit dem<br />
Titel „Drive“ besagt, dass auch im Jahr 2020 Benzin- und<br />
Dieselaggregate die bestimmenden Antriebe sein werden. Bis zu<br />
30 Prozent Einsparpotenzial sollen bei künftigen Ottomotoren<br />
möglich sein, bei Dieselmotoren sind es 20 Prozent. Und das ist<br />
auch dringend nötig. Laut Greenpeace stoßen derzeit weltweit<br />
900 Millionen Fahrzeuge jedes Jahr rund vier Milliarden Tonnen<br />
CO 2 aus, pro Liter Benzin werden 2,3 Kilogramm CO 2 freigesetzt,<br />
eine enorme Belastung für die Umwelt. Da künftig immer mehr<br />
Autos unterwegs sind, im Jahr 2030 werden es mehr als zwei<br />
Milliarden sein, müssen die Antriebe deutlich sparsamer werden.<br />
Um eine Marke zu setzen, hatten sich die europäischen Automobilhersteller<br />
verpflichtet, die CO 2-Emissionen ihrer Fahrzeuge<br />
von 1995 bis 2008 um rund 25 Prozent auf einen Durchschnittswert<br />
von 140 Gramm CO 2 pro Kilometer zu senken. Um diesen<br />
Wert zu erreichen, hatten die Automobilhersteller aufgrund ihrer<br />
unterschiedlichen Produktportfolios auch verschiedene Zielwerte.<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler konnte die CO 2-Emissionen seiner europä-<br />
ischen Mercedes-Fahrzeugflotte seit 1995 immerhin um 20<br />
Prozent senken, den Verbrauch in Deutschland seit 1990 um >>
3 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
ENERGIEMANAGEMENT<br />
– Optimierung von Heiz- und Kühlaggregaten<br />
– Optimierung Energieverbrauch Nebenaggregate<br />
MoToR<br />
– Sparsame Dieseltechnologie: optimierter Dieselantrieb mit<br />
BLUETEC-Abgasreinigungstechnologie<br />
– Strahlgeführte Benzin-Direkteinspritzung (CGI-Technologie) der<br />
zweiten Generation<br />
– Verkleinerung der Motoren (Downsizing) bei gleichzeitiger<br />
Aufladung<br />
– Reduzierung der Reibungsverluste im Motor<br />
– Gewichtsoptimierung in der Motorkonstruktion (Veränderung von<br />
Wandstärken, Einsatz neuer Werkstoffe)<br />
ALTERNATIvE ANTRIEbsTEcHNoLoGIE<br />
– Hybridisierung: Einführung von unterschiedlichen Hybridmodulen<br />
– Erdgas: bivalente Verbrennungsmotoren für Erdgas und/oder Benzin<br />
oder monovalente Erdgasmotoren<br />
– Emissionsfreier Brennstoffzellenantrieb als Langfristziel<br />
GETRIEbE UND NEbENAGGREGATE<br />
– Optimierung der Schaltung von Automatikgetrieben<br />
– Einführung der Start-Stopp-Automatik<br />
MATERIALIEN<br />
– Leichtbau: Gewichtsreduzierung durch Einsatz<br />
leichter, hochfester Stähle und Kunststoffe<br />
DEsIGN<br />
– Verminderung der Fahrwiderstände durch verbesserte<br />
Aerodynamik und Reifentechnologie
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 3<br />
Rund 5,3 Milliarden Euro investierte <strong>Daimler</strong>Chrysler im letzten Jahr in Forschung und Entwicklung – ein Viertel davon in umwelt-<br />
freundliche Technologien. Ob Motor, Getriebe oder Form des Autos: Die Forscher setzen an vielen verschiedenen Stellen an, um<br />
Verbrauch und Kohlendioxidemission (CO 2) zu senken<br />
stellschrauben der c0 2 - Reduktion
36 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Die sogenannte „Stratified Charged Gasoline Injection“ gilt als Schlüsseltechnologie für die strahlgeführte Direkteinspritzung. Sie<br />
bringt den Kraftstoff präzise dosiert in die unmittelbare Nähe der Zündkerze. Die Verbrennung erfolgt ohne Energieverlust. Die<br />
Folge: rund zehn Prozent weniger Verbrauch<br />
bENzINMoToR MIT pIEzo-DIREKTEINspRITzUNG<br />
UND sTRAHLGEfÜHRTEM bRENNvERfAHREN<br />
Bei jedem Arbeitstakt werden die Brennräume<br />
binnen Sekundenbruchteilen mehrmals hintereinander<br />
mit Kraftstoff versorgt, um auf diese<br />
Weise Gemischbildung, Verbrennung und Verbrauch<br />
deutlich zu verbessern<br />
Direkteinspritzung der 2. Generation
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 3<br />
30 Prozent. Der Durchschnittsverbrauch von Mercedes-Benz liegt<br />
heute rund drei Liter unter dem von 1990. Verbrannten im Motor<br />
einer S-Klasse damals 14,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer, liegt<br />
der Verbrauch eines leistungsmäßig vergleichbaren S 320 CDI<br />
heute bei 8,5 l/100 km. Das ist einerseits eine Reduktion um<br />
fast 45 Prozent, andererseits natürlich auch deutlich mehr als<br />
ein Kleinwagen wie der smart, der mit drei Liter Sprit über die<br />
Runden kommt.<br />
Verbrauchsreduktion ist daher für Premiumfahrzeuge und insbesondere<br />
für die geländegängigen Sport Utility Vehicles eine<br />
besondere Herausforderung, der sich ein Automobilunternehmen<br />
wie <strong>Daimler</strong>Chrysler stellen muss. 38 Prozent aller in Europa<br />
verkauften Mercedes-Benz Neuwagen verbrauchen heute weniger<br />
als 6,5 Liter auf 100 Kilometer – ein Schritt in die richtige<br />
Richtung, aber angesichts der globalen Herausforderungen noch<br />
nicht ausreichend.<br />
„Downsizing“ heißt der Trend: Durch immer intelligentere Einspritztechniken,<br />
Turbolader und Kompressoren wird aus Motoren mit<br />
weniger Hubraum mehr Leistung gewonnen, diese werden<br />
dadurch häufiger in Teillast betrieben, bei geringerem Verbrauch<br />
und weniger Emissionen. Motoren schöpfen heute gut<br />
50 Prozent mehr Leistung aus der gleichen Spritmenge wie<br />
1990. Vor allem Dieselaggregate sind in den vergangenen<br />
Jahren dank Common-Rail-Einspritzsystemen mit hochpräzisen<br />
Piezo-Injektoren leistungskräftiger, leiser und bescheidener<br />
geworden. Die neue Generation der Diesel-Vierzylinder von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler, die kommendes Jahr anrollt, verbraucht etwa<br />
einen halben Liter weniger als die aktuelle Dieselmotoren-<br />
Kollektion. Vor allem aber sind Dieselmotoren heute sauberer:<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler hat 2006 auf der North American International<br />
Auto Show in Detroit mit dem Mercedes-Benz E 320 BLUETEC<br />
und dem Vision GL 320 BLUETEC die saubersten Diesel der<br />
Welt präsentiert.<br />
Zukunftsmusik: Der Diesel wird zum Vorbild<br />
für Ottomotoren<br />
Jetzt wird der Diesel zum Vorbild für den Ottomotor – denn<br />
Diesel konsumieren rund ein Viertel weniger Treibstoff. Bei<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler entwickelt man deshalb ein Antriebskonzept mit<br />
dem Arbeitstitel „DiesOtto“- Motor: ein Benzinaggregat, das gute<br />
Leistung bei geringen Emissionen und einem deutlich niedrigeren<br />
Verbrauch bringen soll. Die Zukunft des Ottomotors liegt im<br />
Werk Untertürkheim im Gebäude 143. Hier forschen die Ingenieure<br />
an den Benzinmotoren von morgen und übermorgen.<br />
Einer von ihnen ist Günter Karl, Abteilungsleiter Vorentwicklung ><br />
ETAppEN DER EMIssIoNs- UND vERbRAUcHsREDUKTIoN<br />
200<br />
2006<br />
200<br />
2003<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1 3<br />
1 6<br />
Die vierte Generation der C-Klasse ist das weltweit<br />
einzige Auto seines Marktsegments mit Umweltzertifikat<br />
des TÜV<br />
Kooperation mit GM und BMW für die Serienentwicklung<br />
eines neuen Hybridmoduls für Premiumfahrzeuge<br />
Einführung des E 320 BLUETEC in den USA<br />
Einführung der zweiten Generation der strahlgeführten<br />
Direkteinspritzung im 3,5 l V6 CGI<br />
Im Hybrid-Entwicklungszentrum Troy beginnen Projektteams<br />
von <strong>Daimler</strong>Chrysler, General Motors und BMW<br />
mit ihrer Arbeit an unterschiedlichen Hybridsystemen<br />
wie dem Two-Mode-Hybrid<br />
Vorstellung des Brennstoffzellen-Pkw „F-600“ auf der<br />
Tokio Motor Show<br />
Die neu eingeführte Mercedes-Benz S-Klasse ist das<br />
weltweit erste Auto mit Umweltzertifikat<br />
Dieseloffensive mit neuer Generation des Drei-Liter-<br />
Sechszylinders<br />
Weltweit erster Anbieter von Dieselfahrzeugen mit<br />
Euro 4 und geregeltem Partikelfilter<br />
Präsentation von SunDiesel, des weltweit ersten aus<br />
Biomasse synthetisch hergestellten Dieselkraftstoffs<br />
Vorstellung der Hybridstudie „F 500 Mind“, die einen<br />
Elektromotor mit einem Achtzylinderdiesel vereint<br />
Erstes Serienfahrzeug mit Common-Rail-Technik (CDI),<br />
die Sprit spart und mehr Leistung bringt<br />
Markteinführung der ersten Generation der Direkteinspritzung<br />
im E 290 Turbodiesel<br />
Präsentation von NECAR 1, dem ersten Auto mit Brennstoffzellenantrieb<br />
Erfolgreiche Tests mit einem Parallel-Hybridantrieb in<br />
einer C-Klasse<br />
Geregelter Katalysator serienmäßig für alle Pkw von<br />
Mercedes-Benz
3 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Ottomotoren. Er ist überzeugt, „dass wir mit dem ‚DiesOtto‘<br />
deutliche Verbrauchseinsparungen und ein sehr geringes CO 2-<br />
Emissionsniveau erreichen können“. Karl steht in einem kleinen<br />
Raum, in dem man vor lauter Technik kaum einen Schritt tun<br />
kann. Doch auf diesen knapp 20 Quadratmetern werden hochgeheime<br />
Technologien erprobt, die vielleicht schon in ein paar<br />
Jahren die Autos von morgen antreiben.<br />
Wichtigstes Forschungsmittel ist ein mächtiges Aggregat im<br />
Zentrum des Labors, ein Einzylinder, mit dessen Hilfe neu entwickelte<br />
Bauteile getestet werden. Spezialkameras filmen dabei<br />
das Geschehen im Zylinder, wenn das Kraftstoff-Luft-Gemisch <strong>zur</strong><br />
Entzündung gebracht wird – hier wurde zum Beispiel auch die<br />
strahlgeführte Direkteinspritzung aus der Wiege gehoben. Woran<br />
man derzeit forscht, dazu will Günter Karl naturgemäß nicht viel<br />
sagen. Alles, was hinter den unscheinbaren, aber gut gesicherten<br />
Mauern geschieht, ist topsecret. Allerdings verrät Karl, dass hier<br />
an einem neuen Antriebskonzept gearbeitet wird, das einen<br />
Ottomotor so sparsam wie einen Dieselmotor machen soll.<br />
Deshalb wird dieses Antriebskonzept auch „DiesOtto“ genannt.<br />
Der Ottomotor solle Schritt für Schritt mit Technologien verändert<br />
werden, die bisher hauptsächlich von Dieselantrieben bekannt<br />
waren. Damit würde der Ottomotor zum Selbstzünder, der den<br />
Kraftstoff wesentlich besser ausnutzen könnte. Erste Technologiebausteine<br />
sind die Direkteinspritzung und die Turboaufladung.<br />
Der Motor könnte so deutlich wirtschaftlicher arbeiten.<br />
Start-Stopp-Technik soll Kraftstoffverbrauch<br />
weiter senken<br />
Nicht nur mit dem Motor lässt sich Sprit sparen. Auch in der Aerodynamik<br />
und beim Energiemanagement, etwa bei der Klimatisierung,<br />
„liegen weitere Potenziale“, sagt Thomas Hellmuth,<br />
Leiter Gesamtfahrzeug-Vorentwicklung und Technologiestrategie<br />
der Mercedes Car Group. Laut ADAC verbraucht zum Beispiel<br />
allein die Klimaanlage bis zu 0,7 Liter Sprit auf 100 Kilometer.<br />
Und so lassen sich nach Einschätzung von Thomas Hellmuth auch<br />
mit Verbesserungen in der Steuerung von Energieflüssen im<br />
Antriebsstrang und im Bordnetz, bei der Aerodynamik und bei<br />
Nebenaggregaten, zum Beispiel der Motorölpumpe, zusammen<br />
bis zu einem halben Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer einsparen.<br />
Beginnend mit dem smart sollen ab Ende <strong>2007</strong> verschiedene<br />
Fahrzeuge der Mercedes Car Group mit der Start-Stopp-Technik<br />
ausgerüstet werden, die den Motor beim Warten an einer Ampel<br />
ausschaltet und beim Loslassen der Bremse automatisch wieder<br />
startet. Das soll den Kraftstoffverbrauch weiter senken. „Es gibt<br />
viele Details, die sich optimieren lassen und die zusammen gerech-<br />
net einen beachtlichen Beitrag zu einem geringeren Treibstoffverbrauch<br />
leisten können“, so Hellmuth.<br />
Am meisten aber ist über neue Motorentechnologien zu gewinnen.<br />
So spart die neue Generation von Sechszylindermotoren<br />
von Mercedes-Benz bis zu einem Liter Benzin auf 100 Kilometer,<br />
wobei das aber nicht unbedingt bei jedem Tempo in der Steilkurve<br />
gilt. Deshalb hat Ottomotoren-Entwickler Peter Lückert<br />
den dunkelgrünen Mercedes CLS mit dem CGI-Motor nach einer<br />
Demonstrationsrunde auf der Teststrecke auch wieder in die<br />
Tiefgarage bei seinem Büro gesteuert.<br />
Er schaltet den Motor aus, das neueste Modell eines mehr als<br />
100 Jahre alten Antriebkonzepts, dem erst einmal die unmittelbare<br />
Zukunft gehören wird. Das Herzstück der weltweiten Mobilität<br />
muss in den Forschungsabteilungen der Automobilhersteller<br />
immer weiter auf Effizienz getrimmt werden, bis irgendwann eine<br />
alternative Technik im automobilen Alltag Einzug hält, die den<br />
Verbrennungsmotor dann letztlich zu einem Anachronismus<br />
machen wird. \
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 3<br />
Ein Antriebskonzept mit dem Arbeitstitel „DiesOtto“: Forscher von <strong>Daimler</strong>Chrysler tüfteln an einem Benzinaggregat, das die<br />
Vorteile von Benzin- und Dieselantrieb vereint. Die Neuentwicklung soll gute Leistungen bei deutlich niedrigerem Verbrauch und<br />
entsprechend geringen Kohlendioxidemissionen bringen<br />
MöGLIcHE „DIEsoTTo“- opTIoNEN<br />
Option Einspritzinjektor im Zylinderkopf:<br />
Die Direkteinspritzung ermöglicht eine<br />
Verbrauchsreduzierung<br />
Option Turbolader am Auspuffkrümmer:<br />
Der turbolader sorgt für ein gutes Ansprechen<br />
des Motors aus niedrigen<br />
Drehzahlen, einen drehmomentstarken<br />
Durchzug sowie hohe spitzenleistungen<br />
Kombination aus Otto - und Dieselantrieb
0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Es sind noch längst<br />
nicht alle Möglichkeiten<br />
ausgereizt<br />
herbert Kohler, Forschungsleiter und umweltbevollmächtigter von <strong>Daimler</strong>chrysler,<br />
über cO 2 - Emissionen, hybridantriebe und die zukunft der Brennstoffzellenmobilität<br />
Interview<br />
Philip Wesselhöft<br />
Fotografie<br />
Frank Schultze<br />
49°N/9°E 360 GRAD: Herr Professor Kohler, das Thema Klimawandel<br />
ist aktuell wie nie, auch der CO 2 -Ausstoß von Autos, der<br />
Kraftstoffverbrauch und alternative Antriebe sind viel diskutierte<br />
Themen. <strong>Daimler</strong>Chrysler zum Beispiel punktet auf der einen<br />
Seite mit einem Drei-Liter-smart, auf der anderen Seite bieten<br />
Sie einen 500 PS starken AMG-Geländewagen mit über 15 Litern<br />
Kraftstoffverbrauch an. Wie rechtfertigen Sie dies in heutigen<br />
Zeiten?<br />
Kohler: Entscheidend ist doch, welchen Verbrauchsdurchschnitt<br />
die Gesamtflotte aufweist. Natürlich gibt es Exoten, die wir in<br />
kleinen Stückzahlen für besondere Anforderungen und Emotionen<br />
anbieten. Das ist deshalb vertretbar, weil ihr Einfluss auf den<br />
durchschnittlichen Verbrauch unserer Flotte relativ gering ist. Viel<br />
wichtiger ist, dass wir in den Volumenmodellen, und dazu gehört<br />
auch der smart, geringere Verbrauchszahlen mit großer Wirkung<br />
auf das Gesamtergebnis haben.<br />
360 GRAD: Die europäischen Hersteller hatten sich 1998 verpflichtet,<br />
bis 2008 den CO 2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotte von<br />
damals (1995) durchschnittlich 185 Gramm um rund 25 Prozent<br />
auf einen Durchschnittswert von 140 Gramm pro Kilometer zu<br />
senken. Das kann kaum ein großer Hersteller vorweisen. Wurde<br />
das Ziel verfehlt?<br />
Kohler: So ist die Betrachtung nicht richtig, denn dieser Wert<br />
von 140 Gramm CO 2- Emissionen pro Kilometer ist als ein Durchschnittswert<br />
aller in Europa produzierender Autohersteller<br />
formuliert. Das heißt, nicht jeder Fahrzeughersteller muss diese<br />
140 Gramm bis 2008 bringen. Es gibt im Rahmen der Vereinbarung<br />
unterschiedliche Ziele, nach denen die Hersteller von<br />
Premiumfahrzeugen etwas darüber liegen dürfen und die Her-<br />
steller von vorwiegend Klein- und Mittelklassefahrzeugen sogar<br />
weniger erreichen sollen.<br />
„Der Verbrauch der Mercedes-Benz<br />
Fahrzeuge ist seit 1995 um 20 Prozent<br />
gesunken. Kein anderer europäischer<br />
hersteller hat so viel geschafft.“<br />
Und es ist ja so, dass der Verbrauch der Mercedes-Benz Fahrzeuge<br />
seit 1995 um 20 Prozent gesunken ist. Kein anderer europäischer<br />
Hersteller hat so viel geschafft. Außerdem wissen wir heute<br />
noch nicht präzise, welche Fahrzeuge wir 2008 verkaufen werden.<br />
Es sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgereizt. Wir werden<br />
bis dahin sicherlich einige Dinge, die jetzt in der Entwicklung<br />
sind, am Markt platzieren. Ich möchte nicht drum herumreden,<br />
und ich weiß, dass es sehr knapp wird, das Ziel zu erreichen. Aber<br />
lassen Sie uns Ende 2008 Bilanz ziehen. >
MERcEDEs-bENz MUsEUM UNTERTÜRKHEIM<br />
DEUTscHLAND<br />
1
2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
s. 41<br />
Herbert Kohler in der Ausstellung „Forschungsfahrzeuge“ im<br />
Mercedes-Benz Museum in Untertürkheim<br />
360 GRAD: Wurmt es Sie denn nicht, wenn Sie als Hersteller<br />
mit Premiumanspruch ausgerechnet in den öffentlichkeitswirksamen<br />
Statistiken zum CO 2-Ausstoß plötzlich weiter hinten<br />
zu finden sind?<br />
Kohler: Ein Wettbewerber, der hauptsächlich eine Klein- und<br />
Mittelwagenflotte hat, wird zwangsläufig weiter vorn liegen als<br />
ein Hersteller, der vor allem im Premiumsegment zu Hause ist.<br />
Aber wir diskutieren ja auch nicht darüber, warum eine 50-<br />
Quadratmeter-Wohnung weniger Heizenergie benötigt als eine<br />
150-Quadratmeter-Wohnung. Wir sollten uns vor solchen<br />
Vergleichen hüten. Es ist doch klar, dass ein schweres Auto mehr<br />
Kraftstoff verbraucht als ein leichtes, man muss einfach mehr<br />
Masse bewegen. Wir müssen eben auch berücksichtigen, dass<br />
mit größeren Wagen unter Umständen bis zu sieben Personen<br />
befördert werden und in dem Kleinwagen vielleicht nur zwei<br />
Passagiere sitzen. Außerdem muss man sehen, dass bedeutende<br />
technologische Innovationen, gerade auch <strong>zur</strong> Verbrauchsminderung,<br />
meistens über den Einsatz in größeren Autos den<br />
Weg ins breitere Kleinwagensegment finden, das ist eine Frage,<br />
welches Produkt welche Entwicklungskosten tragen kann. Aber<br />
ich will gar nichts beschönigen, ganz klar muss immer der Anspruch<br />
gelten, auch in den angesprochenen Statistiken das<br />
Bestmögliche zu erreichen, immer aber im Rahmen eines fairen<br />
Vergleichs. Unser Ziel ist, best in class zu sein, auch bei den<br />
CO 2- Emissionen. Dafür tun wir sehr viel.<br />
360 GRAD: <strong>Daimler</strong>Chrysler hat viel Geld in die Entwicklung der<br />
Brennstoffzellentechnologie gesteckt. Ist das der Antrieb der<br />
Zukunft? Es gibt ja mit Hybridantrieben oder Elektroautos noch<br />
andere mögliche Alternativen.<br />
Kohler: Der Brennstoffzellenantrieb ist die einzige Technologie,<br />
die zumindest lokal mit null Emissionen fährt. Es gibt außerdem<br />
kein anderes System, das so energieeffizient ist wie die<br />
Brennstoffzelle. Sie ist etwa doppelt so effizient wie ein moderner<br />
Dieselmotor. Und daran wird sich auch nichts ändern.<br />
„Wir sehen in der Brennstoffzelle das größte<br />
Potenzial.“<br />
Beim Elektroauto ist die Batterie <strong>zur</strong>zeit das größte Problem,<br />
wir sehen nicht, dass man absehbar das Problem der Reichweite<br />
lösen kann, und selbst dann muss man erst wieder zeitintensiv<br />
Strom tanken. Nein, wir sehen in der Brennstoffzelle das größte<br />
Potenzial. Unser Ziel ist, zwischen 2012 und 2015 mit einem<br />
Brennstoffzellenantrieb wettbewerbsfähig und serienreif zu sein.<br />
Und wir sind auf einem guten Weg: Bereits heute betreiben wir<br />
mit über 100 Fahrzeugen die weltweit größte Brennstoffzellen-<br />
flotte: Konzeptfahrzeuge, Pkw, Transporter und Citaro-Stadtbusse<br />
gehören dazu. Mit mehr als drei Millionen emissionsfrei <strong>zur</strong>ückgelegten<br />
Kilometern verfügen wir über mehr Daten, Know-how<br />
und Erfahrungen als jeder andere Hersteller.<br />
360 GRAD: Derzeit ist das Thema Hybrid in aller Munde. George<br />
Clooney fährt medienwirksam mit einem Hybridauto bei der<br />
Oscar-Verleihung vor, und deutsche Politiker rufen dazu auf,<br />
Hybridmodelle zu kaufen. Wie beurteilen Sie diese Diskussion?<br />
Kohler: Sie ist zum Teil sehr emotional geführt. Untersuchungen<br />
haben ergeben, dass in den meisten Fällen ein Dieselfahrzeug<br />
in der vergleichbaren Größe zum aktuellen Hybridmodell des<br />
Wettbewerbers im realen Fahrbetrieb genauso gute Verbrauchswerte<br />
aufweist, oftmals sogar bessere. Dieselfahrzeuge haben,<br />
gerade auch in ihrer großen Verbreitung, einen wesentlich nachhaltigeren<br />
Effekt als die relativ kleine Flotte von 350.000 weltweit<br />
verkauften Hybridfahrzeugen. Wenn wir heute, bezogen auf<br />
Deutschland, bei <strong>Daimler</strong>Chrysler von über 30 Prozent weniger<br />
Verbrauch seit 1990 reden, dann ist das vor allem den neuen<br />
Generationen von Dieselmotoren zu verdanken. Man muss also<br />
die Kirche im Dorf lassen.<br />
„Dieselfahrzeuge haben, gerade auch in<br />
ihrer großen Verbreitung, einen wesentlich<br />
nachhaltigeren Effekt als die relativ kleine<br />
Flotte von 350.000 weltweit verkauften<br />
hybridfahrzeugen.“<br />
360 GRAD: Welche Bedeutung räumt <strong>Daimler</strong>Chrysler denn<br />
Hybridmodellen ein?<br />
Kohler: Verstehen Sie mich richtig, Hybrid ist ein wichtiges<br />
Thema. Wir fahren die Strategie, unseren Kunden künftig beides<br />
anzubieten, modernste Dieselfahrzeuge und Hybridlösungen.<br />
Dafür arbeiten wir gemeinsam mit General Motors und BMW in<br />
unserem Hybrid-Entwicklungszentrum in Michigan zusammen.<br />
Entwicklungsschwerpunkt ist dort das sogenannte Two-Mode<br />
Hybridsystem, das anders als heutige Hybridsysteme nicht nur<br />
Verbrauchsvorteile im Stadtzkylus hat. Darüber hinaus produ-<br />
zieren wir bereits heute mit Mitsubishi Fuso den sparsamsten<br />
Leicht-Lkw der Welt, den Canter Eco Hybrid. Vor allem im<br />
öffentlichen Nahverkehr sind wir absoluter Marktführer: Die
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Interview Herbert Kohler 3<br />
Hybridbusse der <strong>Daimler</strong>Chrysler-Stadtbusmarke Orion sind ein<br />
Verkaufsschlager in Nordamerika. Bereits 1.500 Bestellungen<br />
sind eingegangen, die meisten davon aus New York City. Einige<br />
Hundert davon sind bereits in nordamerikanischen Metropolen im<br />
täglichen Einsatz. Die modernen Busse ermöglichen eine erhebliche<br />
Treibstoffeinsparung und stoßen darüber hinaus deutlich<br />
geringere Emissionen aus.<br />
360 GRAD: <strong>Daimler</strong>Chrysler entwickelt derzeit gemeinsam mit<br />
BMW einen Hybridantrieb für ein Premiumfahrzeug. Da kooperieren<br />
plötzlich die schärfsten Konkurrenten. Schafft der Kostendruck<br />
bei Zukunftstechnologien neue Freundschaften?<br />
Kohler: Man muss Ressourcen bündeln, das ist das Gebot der<br />
Stunde. Wir haben gelernt, dass solche Kooperationen große<br />
Vorteile mit sich bringen. Die große Furcht, seine Identität im<br />
Produkt zu verlieren, ist praktisch unbegründet. Sie können eine<br />
Basisentwicklung gemeinsam machen und dann die Ausprägung<br />
und Integration im Fahrzeug völlig unterschiedlich gestalten,<br />
sodass sich ein Mercedes-Benz immer noch deutlich von einem<br />
BMW unterscheidet. Wir haben zum Beispiel mit Ford eine<br />
Kooperation bei der Entwicklung der Brennstoffzelle. Und der Ford<br />
Focus mit Brennstoffzelle fährt sich vollkommen anders als ein<br />
Fahrzeug von <strong>Daimler</strong>Chrysler. In solchen Allianzen liegt noch viel<br />
Potenzial.<br />
360 GRAD: Dann hat sich die Werksspionage wohl erübrigt, wenn<br />
sowieso bald alle Hersteller gemeinsame Entwicklungen betreiben?<br />
Kohler: Nein, Wettbewerbsanalyse ist unverzichtbar. Denn<br />
genau die Frage „Was macht der andere aus der gemeinsamen<br />
Basisentwicklung?“ ist wichtig. Wie wird die Brennstoffzelle oder<br />
der Hybridantrieb im Fahrzeug integriert, zu welchen Kosten und<br />
zu welchen Terminen, mit welcher Justierung im Detail, das ist<br />
das Know-how, das interessant ist. Von daher würde ich sagen:<br />
Wettbewerbsanalyse bleibt auch weiterhin spannend (lacht). \
spANIEN<br />
MADRID<br />
AvENIDA DE AMÈRIcA<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> CO ² –Champion<br />
cO -champion<br />
2<br />
Fotografie<br />
Dirk Weyhenmeyer<br />
Mit dem smart fortwo hat <strong>Daimler</strong>Chrysler offenbar den Nerv<br />
der Zeit getroffen. Rund 770.000 Exemplare kurven mittlerweile<br />
durch die europäischen Metropolen. In New York steht der<br />
kuriose Kleine im Museum of Modern Art. Das deutsche<br />
Institut für Umweltforschung „Öko-Trend“ bescheinigte ihm<br />
jüngst besondere Umweltverträglichkeit. So viel Lob beflügelt.<br />
In einem äußerst schwierigen Marktumfeld setzte sich der smart<br />
fortwo durch und ist in der CDI-Variante das derzeit einzige<br />
Drei-Liter-Auto der Welt. Jetzt kommt das Nachfolgemodell des<br />
smart fortwo auf den Markt. Es ist 20 Zentimeter länger, noch<br />
sparsamer im Verbrauch und attraktiver als sein Vorgänger.<br />
Die Ingenieure des neuen smart fortwo setzten konsequent<br />
auf Komfort, Agilität, Sicherheit und zugleich klimafreundliches<br />
Fahren. Mit Erfolg: Die Dieselversion CDI, ebenso wie die<br />
drei Benziner mit einem neu entwickelten Fünfgang-Getriebe<br />
gekoppelt, punktet mit einem Normverbrauch von nur<br />
3,3 Litern. Mit 88 Gramm pro Kilometer schafft das weltweit<br />
einzige Drei-Liter-Auto zudem den niedrigsten CO 2- Ausstoß aller<br />
Fahrzeugtypen. Obwohl die neu entwickelten Benzinmotoren<br />
deutlich mehr leisten, schlucken sie nach Norm zwischen<br />
4,7 und 4,9 Liter. Sie stoßen beim stärksten Antrieb gerade<br />
mal 116 Gramm CO 2 pro Kilometer aus. Zum Vergleich: Die<br />
EU-Kommission hat eine Strategie vorgelegt, nach der die<br />
durchschnittlichen CO 2-Emissionen von in der EU verkauften<br />
Neuwagen bis 2012 das Ziel von 120 Gramm erfüllen müssen.<br />
Verbesserungen bei der Fahrzeugtechnologie sollen die<br />
durchschnittlichen Emissionen auf 130 Gramm pro Kilometer<br />
senken. Mit zusätzlichen Maßnahmen soll eine Reduzierung<br />
um weitere10 Gramm pro Kilometer erreicht werden.<br />
Darüber hinaus kommt ab Ende <strong>2007</strong> die 52-kW-Variante mit<br />
Startergenerator auf den Markt. Sie wird den Verbrauch im<br />
Stadtverkehr noch einmal um 13 Prozent reduzieren.<br />
Die Maxime der Ressourcenschonung gilt auch für Ausstattung<br />
und Bauart. In der Instrumententafel steckt die Naturfaser<br />
Flachs. Die Karosserie ist pulverlackiert. Bei diesem blei- und<br />
cadmiumfreien Verfahren werden weder Lösemittel emittiert<br />
noch entstehen Sonderabfälle. Die flexiblen Kunststoffteile der<br />
Außenhaut sind extrem leicht und vollständig wiederverwertbar.<br />
Gerade im dichten Stadtverkehr beruhigend: Kleine Parkbeulen<br />
überstehen sie unbeschadet. Kunststoff rostet zudem nicht. Das<br />
Auto dürfte den Amerikanern gefallen. In den USA kommt der<br />
Kleine im Jahr 2008 auf den Markt. \
6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
news<br />
zum umgang mit der umwelt<br />
16° N / 92° w<br />
zertifikat für Werk<br />
in Mexiko<br />
Santiago – Im Freightliner-Werk im mexikanischen<br />
Santiago de Tianguistenco führten<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Umweltexperten 2002<br />
erstmals eine Umweltrisikoanalyse durch.<br />
Das Management wurde davon überzeugt,<br />
dass organisatorische und technische<br />
Maßnahmen unumgänglich waren, um<br />
den Standort auf den von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
weltweit geforderten Umweltstandard<br />
hin zu entwickeln. Investitionen für die<br />
Umsetzung eines herausfordernden<br />
Maßnahmenkataloges wurden daraufhin<br />
freigegeben. 2004 beteiligte sich das Werk<br />
zusätzlich an einem Umweltprogramm<br />
der mexikani-schen Regierung. Unter<br />
Einbeziehung der Umweltbehörden wurden<br />
Abläufe und Technik nochmals analysiert<br />
und weitere Verbesserungsmaßnahmen<br />
festgelegt. So wurden unter anderem ein<br />
Gewässerschutzprogramm aufgesetzt,<br />
separate Abfall- und Gefahrstofflager nach<br />
dem Stand der Technik errichtet sowie alle<br />
Mitarbeiter über Umweltrisiken aufgeklärt.<br />
Die Anstrengungen für eine saubere<br />
Umwelt haben Wirkung gezeigt. Der Staat<br />
Mexiko zeichnete das <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />
Werk Santiago jetzt mit dem Gütesiegel<br />
„Certificado Industria Limpia“ als besonders<br />
umweltfreundlich aus.
49° N /8° E<br />
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> News zum Umgang mit der Umwelt<br />
Mehr Effizienz in<br />
Lackierereien<br />
Rastatt – Etwa die Hälfte des Energieverbrauchs<br />
in Montagewerken entfällt auf<br />
Lackierereien. In einem Benchmarking-<br />
Projekt von <strong>Daimler</strong>Chrysler wurden<br />
deshalb sieben Pkw-Lackierereien in<br />
Deutschland und den USA untersucht.<br />
Ein Team bewertete deren Energieeffizienz<br />
und erarbeitete Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen.<br />
Während das Design<br />
der Anlagen nur bei Neu- oder größeren<br />
Umbauten verändert werden kann, lässt<br />
sich die Betriebsweise häufig kurzfristig<br />
und mit geringen Investitionen optimieren.<br />
Stellschrauben sind die Temperatur und<br />
Feuchtigkeit der Kabinenzuluft, die Sinkgeschwindigkeit<br />
der Luft in der Kabine und<br />
die Betriebsweise der Anlagen am Wochenende.<br />
In verschiedenen Werken werden<br />
jetzt entsprechende Umsetzungsprogramme<br />
gestartet.<br />
49° N /8° E<br />
sonnen-strom<br />
in Gaggenau<br />
Gaggenau – Umweltfreundlicher Strom<br />
mithilfe der Sonne: Seit Dezember 2006 ist<br />
auf einem Dach des Getriebewerks Rastatt<br />
– einer Außenstelle des Werks Gaggenau<br />
in Deutschland – die größte Fotovoltaikanlage<br />
des gesamten <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />
Konzern installiert. Auf 21.600 Quadratmeter<br />
Dachfläche sind 2.380 Solarmodule<br />
mit einer Modulfläche von 3.950 Quadratmetern<br />
optimal auf die Sonne ausgerichtet.<br />
Sie erzeugen im Jahr durchschnittlich<br />
490.000 Kilowattstunden Solarstrom.<br />
Das entspricht dem jährlichen Bedarf von<br />
125 Vier-Personen-Haushalten. Damit<br />
lassen sich 453 Tonnen Kohlendioxid pro<br />
Jahr einsparen. <strong>Daimler</strong>Chrysler hat das<br />
Dach <strong>zur</strong> Verfügung gestellt, die neu<br />
gegründete Betreibergesellschaft Solarpark<br />
Rastatt GmbH ist für die Technik und die<br />
Instand-haltung verantwortlich. Beide<br />
Unternehmen leisten mit der Solaranlage<br />
einen Beitrag <strong>zur</strong> Reduzierung des<br />
Treibhauseffektes.<br />
35° N /140° E<br />
Weniger Emissionen<br />
in Japan<br />
Kawasaki – Investition in Lackqualität<br />
und Umweltschutz: Im Mai 2006 hat die<br />
Mitsubishi Fuso Truck & Bus Corporation<br />
(MFTBC) in ihrem Werk in Kawasaki/<br />
Japan eine Hightech-Lackiererei für Nutzfahrzeuge<br />
eröffnet. Die Investition von acht<br />
Milliarden Yen (etwa 50 Millionen Euro)<br />
bringt viele Umweltvorteile mit sich:<br />
Der Ausstoß von flüchtigen organischen<br />
Gasen (VOCs) und Gerüchen wird durch<br />
eine moderne Abluftregelung deutlich<br />
reduziert. Eine bessere Isolierung sorgt für<br />
eine niedrigere Lärmbelastung. Dank einer<br />
ausgefeilten Wärmerückgewinnung und der<br />
Nutzung eines Trockenofens sowie einer<br />
Lackkabine mit geringerem Wärmeverlust<br />
konnte der Energieverbrauch um 30 Prozent<br />
reduziert werden.
UsA<br />
sILvER spRING<br />
THAyER AvENUE
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Sauberes Comeback<br />
Die BLUETEC-Technologie macht den Diesel<br />
so emissionsarm wie nie zuvor<br />
sauberes<br />
comeback<br />
Lange war der Diesel in den usA verpönt. Jetzt ist er wegen seines geringen Kraftstoffverbrauchs<br />
und einer neuen Abgastechnologie wieder gefragt
0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Autor<br />
Donna Kerr am Steuer ihres Mercedes-Benz E 320 BLUETEC<br />
Stefan Scheytt<br />
Fotografie<br />
Christoph Püschner<br />
39°N/77°w Im Leben von Donna Kerr<br />
hat es schon viele Autos der Marke<br />
Mercedes-Benz gegeben. Derzeit besitzt<br />
die Grundstücksmaklerin aus Silver Spring<br />
bei Washington D.C. zwei Modelle mit dem<br />
Stern. Das eine ist ein Grand 600, Baujahr<br />
1970; die „Stretch Limo“ soll einmal eine<br />
wichtige Rolle in Kerrs Konzept für ein<br />
Edelrestaurant spielen und wird nun von<br />
einem Restaurator zu einem Preis auf<br />
Touren gebracht, für den man sich leicht<br />
drei C-Klasse-Fahrzeuge leisten könnte.<br />
Daneben besitzt Donna Kerr seit Kurzem<br />
einen Mercedes-Benz E 320 BLUETEC.<br />
Es ist das sauberste Dieselfahrzeug der<br />
Welt und obendrein in seinem Durst<br />
nach Sprit äußerst genügsam. Für die<br />
Geschäftsfrau Donna Kerr war das ein<br />
entscheidendes Argument: „Ich gehe sehr<br />
ungern tanken.“<br />
Imagewandel für Diesel<br />
In der Geschichte der Autofahrernation USA<br />
hat es einmal sehr viele Dieselfahrzeuge<br />
gegeben. Das war in den Jahren nach der<br />
Ölkrise 1973, als mit den Spritpreisen auch<br />
die Beliebtheit des Diesel stieg und bis zu<br />
90 Prozent aller in den USA verkauften<br />
Mercedes-Benz Modelle Selbstzünder<br />
waren. Das Fehlen von schwefelarmem<br />
Dieselkraftstoff ließ die Diesel-Pkw<br />
fast wieder völlig von den Straßen<br />
verschwinden. Was blieb, war das Image<br />
eines verbrauchsgünstigen, aber lahmen,<br />
lauten und schmutzigen Selbstzünders.<br />
An diesem Urteil hielten viele fest und<br />
verpassten interessante Entwicklungen.<br />
Sie versäumten, wie die Common-Rail-<br />
Direkteinspritzung (CDI) dem Diesel<br />
heute zu Drehmomenten verhilft, die jene<br />
von Benzinern meist übertreffen. Sie<br />
versäumten, wie die wartungsfreien<br />
Partikelfilter das Rußproblem lösten. Und<br />
sie versäumten, wie Mercedes-Benz die<br />
Stickoxidemissionen innerhalb von 15 Jahren<br />
um rund 75 Prozent reduzierte. Den<br />
neuesten Technologiesprung allerdings wird<br />
kaum jemand so leicht verpassen können.<br />
Denn BLUETEC verringert die Stickoxide<br />
nochmals drastisch und erreicht das Niveau<br />
des Ottomotors – bei bis zu 35 Prozent<br />
geringerem Dieselverbrauch. Der<br />
Imagewandel zeichnet sich bereits ab: Das<br />
US-amerikanische Wissenschaftsmagazin<br />
„Scientific American“ wählte BLUETEC zu<br />
den wegweisenden Innovationen in<br />
Wissenschaft und Technik des Jahres 2006.<br />
Die traditionsreiche Zeitschrift „Popular<br />
Science“ setzte BLUETEC auf die Liste<br />
„Best of What’s New“ der besten Produktinnovationen.<br />
Auf der International Auto<br />
Show in New York im April <strong>2007</strong> wählten<br />
Automobiljournalisten aus 22 Ländern den<br />
E 320 BLUETEC zum „<strong>2007</strong> World Green<br />
„Diesel-Pkw leisten einen<br />
wichtigen Beitrag, um<br />
Kraftstoffbedarf und<br />
Kohlendioxidemissionen<br />
zu senken.“<br />
Margo Oge, Leiterin des Office of transportation & Air<br />
der EPA Quality<br />
Car“. Durch weiter sinkende Emissionsgrenzen<br />
und steigende Kraftstoffpreise<br />
dürfte der Diesel in den USA ein sauberes<br />
Comeback erleben: Marktforscher rechnen<br />
mit einem Anstieg des Marktanteils von<br />
3,4 auf 15 Prozent bis zum Jahr 2015. Und<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler als Erfinder und maßgeblicher<br />
Treiber der Dieseltechnologie<br />
dürfte daran einen großen Anteil haben,<br />
zumal die Modellpalette an klassischen<br />
Dieselfahrzeugen und BLUETEC-Versionen<br />
stark vergrößert werden soll.<br />
Innovation durch Abgasreinigung<br />
Erzielt werden die umweltfreundlichen<br />
Emmissionswerte durch ein modulares<br />
System <strong>zur</strong> Abgasreinigung. Es besteht<br />
aus einem Oxidationskatalysator, der vor<br />
allem den Ausstoß an Kohlenmonoxid<br />
senkt, und einem Partikelfilter, der die<br />
Menge der Rußteilchen um bis zu<br />
98 Prozent auf ein kaum nachweisbares<br />
Niveau reduziert. Dritter Baustein ist die<br />
Kombination aus zwei weiteren Elementen:<br />
dem NOx -Speicherkatalysator, der<br />
Stickoxide sammelt und im sogenannten<br />
Fettbetrieb in harmlosen Stickstoff<br />
verwandelt, und dem SCR-Katalysator<br />
(Selective Catalytic Reduction), der wei-<br />
tere Stickoxide abbaut. „Die eigentliche<br />
Innovation von BLUETEC besteht in der<br />
Kombination dieser Module zu einem
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Sauberes Comeback 1<br />
Diesel findet an amerikanischen Tankstellen immer mehr Abnehmer ...und ist ideal für lange Strecken<br />
System, das alle relevanten Schadstoffe<br />
im Abgasstrang vermindert“, erklärt der<br />
Chemiker Bernd Krutzsch, Abteilungsleiter<br />
Abgasnachbehandlung. Für seinen Beitrag<br />
zu BLUETEC erhielt er den <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />
Forschungspreis 2005.<br />
„Bei der Entwicklung dieser Fettphasen<br />
im Motor, auf die das Fahrzeug norma-<br />
lerweise mit Ruckeln und Rußwolken<br />
reagiert, hatten wir einige Rückschläge<br />
zu verkraften“, erinnert sich Motorenentwickler<br />
Bernd Lindemann, der als<br />
BLUETEC-Entwickler für die neue Technologie<br />
ebenfalls mit dem Forschungspreis<br />
ausgezeichnet wurde. „Wenn wir den<br />
Fettsprung initiierten, gab es zunächst<br />
ein Geräusch, als würden die Kolben<br />
rausfliegen.“ Viele Versuche später muss-<br />
te für Demonstrationszwecke eigens ein<br />
akustisches Signal eingebaut werden, um<br />
den Fettsprung überhaupt noch wahrzunehmen.<br />
Mit anderen Worten: Der<br />
Autofahrer bekommt von der Betriebsstrategie<br />
des Motors nichts mit – und so<br />
soll es auch sein.<br />
Eine andere Variante, die Stickoxide<br />
abzubauen, ist BLUETEC mit AdBlue. Sie<br />
bewährt sich bereits seit zwei Jahren in<br />
rund 60.000 Lkw und Bussen von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler. Das Prinzip: Die wäss-<br />
rige Harnstofflösung AdBlue wird in den<br />
vorgereinigten Abgasstrom eingespritzt.<br />
Das dabei freigesetzte Ammoniak wandelt<br />
im nachgeschalteten SCR-Katalysator bis<br />
zu 80 Prozent der Stickoxide in unschädlichen<br />
Stickstoff und Wasser um. Von 2008<br />
an soll BLUETEC mit AdBlue auch für Pkw-<br />
Modelle erhältlich sein.<br />
Weniger Schwefel im Diesel<br />
Das ist ganz im Sinne von Margo Oge,<br />
Leiterin des Office of Transportation & Air<br />
bei der mächtigen US-Umweltbehörde<br />
EPA. Legendär ist ihre Aussage, die USA<br />
könnten täglich 1,4 Millionen Barrel Rohöl<br />
sparen – das entspricht dem täglichen<br />
Import aus Saudi-Arabien – wenn nur ein<br />
Drittel der Vans, Pickups und SUV (Light-<br />
Duty-Fahrzeuge) mit Dieselmotoren betrieben<br />
würden. Jahrelang hat die engagierte<br />
Umweltpolitikerin deshalb für einen<br />
geringeren Schwefelgehalt im Dieselkraftstoff<br />
gestritten - eine entscheidende Voraussetzung<br />
für moderne und verbrauchs-<br />
arme Fahrzeuge.<br />
Margo Oge setzte sich durch: Seit Oktober<br />
2006 fließt der „Ultra low sulfur diesel“ an<br />
fast allen Tankstellen mit Dieselzapfsäule<br />
aus dem Hahn. „Jetzt können Diesel-Pkw<br />
einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass<br />
wir unseren Kraftstoffbedarf und damit die<br />
Kohlendioxidemissionen senken“, sagt<br />
Oge und fügt hinzu: „Leider haben manche<br />
Amerikaner noch das alte negative Bild<br />
vom Diesel vor Augen. Wir müssen sie<br />
darüber aufklären, dass die Technologien<br />
von heute diesem Bild in keiner Weise<br />
mehr entsprechen.“<br />
Im Fall von Donna Kerr ist Aufklärung<br />
freilich nicht mehr nötig. Noch ist ihr<br />
E 320 BLUETEC zu neu, als dass sie eigene<br />
Verbrauchsrechnungen angestellt hätte.<br />
Aus den „Fuel Economy Information“ der<br />
EPA weiß sie jedoch, dass ihrem neuen<br />
Mercedes-Benz in der Stadt 9 Liter auf<br />
100 Kilometer genügen, auf dem Highway<br />
nur 6,4 Liter (37 mpg). „Wir haben ein<br />
Ferienhäuschen in Maine, knapp 800<br />
Meilen (gut 1.200 km) entfernt. Wenn wir<br />
Glück haben, reicht uns dafür eine<br />
Tankfüllung.“ \
2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
usA<br />
„Öko-Allianz“ titelte die Presse, als Mercedes-Benz, Jeep ® , Audi und Volkswagen Ende 2006 in<br />
Los Angeles die umweltfreundliche Dieseltechnologie BLUETEC für den amerikanischen Markt<br />
präsentierten. <strong>Daimler</strong>Chrysler hat bereits den Mercedes-Benz E 320 BLUETEC auf dem amerikanischen<br />
Markt eingeführt. Mit der gemeinsamen Verwendung des Namens wollen die Automobilhersteller<br />
dem Dieselantrieb einen zusätzlichen Schub für den bislang <strong>zur</strong>ückhaltenden<br />
US-Markt geben.<br />
Los Angeles<br />
1 Oxidations-<br />
Katalysator<br />
3 De NOx-<br />
Katalysator<br />
2 Partikelfilter<br />
BLUETEC-Komponenten beim E 320 cdi<br />
Oxidations-Katalysator, DeNOx-Katalysator,<br />
Partikelfilter und SCR-Katalysator- BLUETEC ist<br />
eine Kombination aus mehreren Komponenten,<br />
die unterschiedlich kombiniert werden:<br />
Oxidations-Katalysator (1) und Partikelfilter (2)<br />
senken den Ausstoß an Kohlenmonoxid und<br />
Rußpartikeln. Ein neu entwickelter NOx-Spei-<br />
cherkatalysator (3) sammelt die Stickoxide und<br />
verwandelt sie in harmlosen Stickstoff. Der<br />
SCR-Katalysator ( ) (Selective Catalytic Reduction)<br />
baut weitere Stickoxide ab.<br />
SCR-<br />
Katalysator<br />
Niedriger Verbrauch<br />
Der mit einem 224 PS starken V6-Motor ausgestattete<br />
Mercedes-Benz E 320 BLUETEC verbraucht nur 6,7<br />
Liter je 100 Kilometer und ist mit einer Tankfüllung bis<br />
zu 1.200 Kilometer unterwegs.<br />
Sauberster Diesel-Pkw<br />
Autojournalisten aus 22 Ländern haben den<br />
Mercedes-Benz E 320 BLUETEC wegen seiner<br />
niedrigen Emissionen zum „<strong>2007</strong> World Green<br />
Car“ gewählt. Als einziger Diesel-Pkw entspricht<br />
er der strengen US-Abgasnorm BIN 8 – bei ge-<br />
ringem Verbrauch durch seinen Dieselantrieb.<br />
New York
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Sauberes Comeback 3<br />
Europa<br />
In Deutschland könnten BLUETEC-Modelle von Mercedes-Benz<br />
schon heute unterwegs sein – schwefelfreier Dieselkraftstoff<br />
kann überall getankt werden. Jedoch nicht in allen europäischen<br />
Staaten ist dieser Kraftstoff flächendeckend verfügbar. Erst von<br />
2008 an soll schwefelfreier Dieselsprit in allen 15 EU-Staaten<br />
verfügbar sein. Der Schwefel im Kraftstoff würde den NOx-<br />
Speicherkatalysator regelrecht vergiften. Die Markteinführung<br />
von BLUETEC in Europa wird in 2008 mit<br />
der Mercedes-Benz E-Klasse beginnen.<br />
BLUETEC für Lkw<br />
In Europa fahren rund 60.000 Lkw und Busse mit einer weiteren Komponente von BLUETEC, der<br />
Harnstofflösung AdBlue. Das Prinzip: Freigesetztes Ammoniak wandelt im SCR-Katalysator<br />
bis zu 80 Prozent der Stickoxide in die ungiftigen Substanzen Stickstoff und Wasser um. Die<br />
AdBlue-Lösung wird wie Dieselkraftstoff an einer Zapfsäule getankt. Von 2008 an soll BLUETEC<br />
mit AdBlue auch für Pkw-Modelle erhältlich sein.<br />
Abgase<br />
Oxidations-<br />
Katalysator<br />
AdBlue<br />
Alles über das neue Abgasreinigungssystem für Dieselmotoren<br />
Hydrolyse-<br />
Katalysator<br />
SCR-<br />
Katalysator<br />
Oxidations-<br />
Katalysator
trip durch tokio<br />
Einer der sparsamsten Kleinlaster der Welt ist in Japan unterwegs. Der canter Eco hybrid von<br />
Mitsubishi Fuso verfügt über einen hybridantrieb mit kombiniertem Elektro- und Dieselmotor. Er<br />
reduziert den stickoxid- und Feinstaubausstoß um mehr als 40 Prozent – und rechnet sich auch<br />
ökonomisch. zu diesem Ergebnis kommt das Logistikunternehmen DhL, das den Wagen in tokio<br />
testet. 360 GRAD ging mit auf tour und lässt das umweltauto selbst berichten<br />
Text und Fotos<br />
Kilian Kirchgeßner<br />
jApAN<br />
ToKIo<br />
HIGAsHI sHINAGAwA<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Trip durch Tokio<br />
10:55<br />
10:55 Uhr, Shinagawa-Viertel. Stand: 8.204 Km<br />
10:57<br />
43°N/142°E Herrlicher Sonnenschein, und ich stehe immer noch in der Garage. Ich will raus!<br />
Alle anderen Autos durften schon los, dabei sind die blanker Durchschnitt. Ich dagegen bin etwas<br />
Besonderes: ein Hybridkleinlaster, der einzige in ganz Japan. Aaaah, da kommt er ja endlich: Tetsuya<br />
Kuroda, mein Fahrer vom Logistikunternehmen DHL. Hat wohl Spätschicht heute. Jetzt<br />
aber los, Junge!<br />
11:50 Uhr, Nishi-Kojiya-Viertel. Stand: 8.235 Km<br />
Schöne Gegend, nicht so blitzblank wie die Innenstadt<br />
vorhin. Hier sind die Straßen schmaler, die<br />
Leute sind auf Fahrrädern unterwegs, und es<br />
gibt Kinderspielplätze. Gut, dass ich den Kleinen<br />
nicht die Luft verpeste. Hoppla, die Ampel wird<br />
grün, fast lautlos fahre ich an. Das muss mir erst<br />
mal einer nachmachen. Der Elektromotor schiebt<br />
sachte an, und der Diesel schaltet sich erst ein,<br />
wenn ich ein bisschen schneller rolle.<br />
11:08 Uhr, Shinagawa-Viertel. Stand: 8.207 Km<br />
Berufsverkehr in der 30-Millionen-Einwohner-<br />
Stadt Tokio: Einfach fantastisch, diese Rushhour.<br />
Ich liebe das Gedränge! Im Stop-and-go-Verkehr<br />
kann ich meine Fähigkeiten voll ausfahren:<br />
Wenn Tetsuya mir auf die Bremse tritt, speist ein<br />
Generator die Bremsenergie als Strom in eine<br />
Batterie ein. Da geht kein Saft verloren.<br />
11:08<br />
11:57 11:50
6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
12:15 12:16<br />
12:18<br />
12:15 Uhr, Gotanda-Viertel. Stand: 8.250 Km<br />
Vierspurige Straße, überall Geschäfte und Büros. Ein bisschen feiner, die Gegend. Ausgerechnet in<br />
diesem Getümmel sucht mein Fahrer einen Parkplatz. Er muss hier wohl ein Paket abgeben. Na ja,<br />
ich kann ja so lange gemütlich parken. Nur Tetsuya, der Arme, muss rennen, damit er schnell zum<br />
nächsten Kunden kommt. Dabei ist er ja auch nicht mehr der Jüngste, im Vergleich zu mir, meine<br />
ich ...<br />
12:26<br />
12:27 Uhr, auf dem Weg nach Daikoku Futo.<br />
Stand: 8.258 Km<br />
So eine Frechheit! Der Lastwagen vor uns<br />
hat uns ausgebremst. Wie gut, dass Tetsuya<br />
Kuroda so ein besonnener Fahrer ist, sonst<br />
hätte es jetzt gekracht. Aber ich lasse mich<br />
nicht <strong>zur</strong>ückfallen. Wir überholen! Für die<br />
Beschleunigung schalte ich den Elektroantrieb<br />
zu, jetzt müssen alle 125 PS ran. Ich staune<br />
selbst immer wieder, wie schnell und sicher<br />
ich abzische, wenn beide Motoren gleichzeitig<br />
arbeiten und wir locker an den anderen<br />
vorbeiziehen.<br />
13:20<br />
12:25<br />
12:27<br />
13:20 Uhr, Higashi-Shinagawa-Viertel.<br />
Stand: 8.292 Km<br />
Ich liebe diese Tankstellen! Da schwillt mir jedes Mal<br />
der Kühler vor Stolz. Nur der Tankwart ärgert sich<br />
immer, wenn er mich sieht: Wenn jeder Laster so<br />
sparsam wäre, hat er mir neulich zugeraunt, könnte<br />
er gleich dichtmachen. Kann ihn ja verstehen. Ich<br />
verbrauche zwischen 10 und 20 Prozent weniger<br />
Diesel als die konventionellen Fahrzeuge.<br />
12:25 Uhr, auf dem Weg nach Daikoku Futo.<br />
Stand: 8.255 Km<br />
Auf der Stadtautobahn kann ich zeigen, was in<br />
mir steckt! Die anderen Autos werden richtig<br />
neidisch. Der Elektromotor macht Pause, weil<br />
der Diesel bei dem Tempo einfach sparsamer<br />
ist. Das Umschalten zwischen den Motoren geht<br />
übrigens automatisch. Der Bordcomputer erkennt<br />
die Fahrsituation und wählt zwischen Diesel- und<br />
Elektroantrieb.
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Trip durch Tokio<br />
HybRID-AKTIvITäTEN wELTwEIT<br />
Troy/Michigan, USA: Im Hybrid-Entwicklungszentrum<br />
bauen Projektteams von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler, General Motors und BMW<br />
verschiedene Hybridsysteme. Neuestes<br />
Produkt: Der Two-Mode-Hybrid basiert auf<br />
einem stufenlosem, elektrischen Getriebe,<br />
das zwei Betriebsmodi ermöglicht. Sowohl<br />
im Stadtbetrieb als auch bei höheren<br />
Geschwindigkeiten arbeitet der Antrieb<br />
im günstigen Bereich, sodass erstmals<br />
im gesamten Fahrbetrieb sehr effiziente<br />
Verbrauchswerte erzielt werden.<br />
Portland, USA: Im vergangenen Jahr<br />
präsentierte die nordamerikanische<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Tochter Freightliner<br />
LLC erstmals einen Prototypen des<br />
mittelschweren Lkw „Business Class<br />
M2“<br />
mit Hybridantrieb.<br />
13:30<br />
New York, USA: Die Hybridbusse der<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Stadtbusmarke Orion sind<br />
ein Verkaufsschlager:<br />
1 . 500<br />
Bestellungen sind bereits eingegangen,<br />
die meisten davon aus New York City.<br />
Die modernen Busse ermöglichen eine<br />
deutliche Treibstoffeinsparung und<br />
stoßen weniger Feinstaub aus – in den<br />
Innenstädten trägt die Technologie so<br />
zum guten Klima bei.<br />
Paris, Frankreich: Ein Mercedes-Benz<br />
Sprinter mit Hybridantrieb rollt zu<br />
Testzwecken über die Straßen der<br />
französischen Hauptstadt. Es ist der bislang<br />
einzige Mercedes-Benz Lieferwagen<br />
mit der neuen Technik. Die Batterie ist<br />
platzsparend im Boden des Fahrzeugs<br />
verstaut.<br />
Detroit, USA: Der erste <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />
Hybrid-Pkw geht in Serie:<br />
2008<br />
kommen der Dodge Durango und der<br />
Chrysler Aspen mit dem innovativen<br />
Two-Mode-Hybrid zu den Händlern.<br />
Die Technik stammt aus dem Hybrid-<br />
Entwicklungszentrum in Troy. Der neuartige<br />
Antrieb ist auch für ein Modell<br />
von Mercedes-Benz vorgesehen.<br />
Stuttgart, Deutschland: <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
und die BMW Group erweitern ihre<br />
Zusammenarbeit auf dem Gebiet<br />
der Hybridantriebe und entwickeln als<br />
gleichberechtigte Partner ein innovatives<br />
Hybridmodul für heckgetriebene Pkw<br />
des Premiumsegments. Dabei unterstützt<br />
ein zusätzlicher Elektroantrieb den<br />
Verbrennungsmotor.<br />
13:30 Uhr, Shinagawa-Viertel. Stand: 8.295 Km<br />
He, Jungs, wie lang seid ihr denn schon wieder <strong>zur</strong>ück? Wie, ihr habt schon Feierabend? Ich kann<br />
gleich noch mal raus. Da vorne, die Pakete auf der Palette müssen alle heute noch zu den Kunden.<br />
Im Zweifel schicken sie wohl lieber mich damit los. Bin halt sauberer und sparsamer als ihr. Tja, Jungs,<br />
die Zukunft liegt nun mal in den sauberen Antriebstechnologien. Aber Kopf hoch, bin gleich wieder da,<br />
und dann erzähl ich euch, was ich unterwegs alles so erlebt habe.
chancen<br />
für<br />
Minderheiten<br />
In den usA unterstützt <strong>Daimler</strong>chrysler systematisch zulieferer, deren Eigentümer<br />
benachteiligten ethnischen Gruppen angehören<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler
cHRysLER DRIvE<br />
AUbURN HILLs<br />
UsA
60<br />
Autor<br />
Stefan Scheytt<br />
s. 59<br />
Er öffnet die Türen für Minderheiten: Jethro Joseph<br />
Fotografie<br />
42°N/83°w Wie sie mit ihrem Goldschmuck an Ohren, Hals und<br />
Fingern vor dem wuchtigen Schreibtisch steht, an den Wänden<br />
indianischer Federschmuck neben goldgerahmten Naturgemälden,<br />
ringsum ausladende Sessel und Canapés, könnte man sie für<br />
eine Antiquitätenhändlerin halten. Ihr Geschäft macht Sharon<br />
Cannarsa, die zierliche Frau im schwarzen Samtkostüm, jedoch<br />
mit Nockenwellen, Motorblöcken und Differenzialgehäusen.<br />
Die Eigentümerin und Geschäftsführerin des Autozulieferers<br />
Systrand Manufacturing in Brownstown bei Detroit ist eine<br />
doppelte Ausnahmeerscheinung: als Frau in einer von Männern<br />
dominierten Industrie und als Unternehmerin mit indianischen<br />
Wurzeln. Tochter eines Amerikaners und einer Indianerin vom<br />
Stamm der Mohawk, hatte Sharon Cannarsa mit ihrem Mann in<br />
den 1970er-Jahren zuerst einen kleinen Zulieferbetrieb für die<br />
Ölförderbranche aufgebaut und dann, nach deren Abstieg, einen<br />
zweiten Anlauf mit der Gründung des Automobilzulieferers<br />
Systrand genommen. Mit Erfolg.<br />
Zugang zu <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Erfolgreiche Zulieferin: Sharon Cannarsa<br />
Christoph Püschner<br />
Innerhalb von 25 Jahren hat es Cannarsa zu einem Unternehmen<br />
mit 320 Mitarbeitern, einer Tochterfabrik in Südkorea, einem Joint<br />
Venture mit ThyssenKrupp und einem Jahresumsatz von rund 55<br />
Millionen US-Dollar gebracht.<br />
Solche Erfolgsgeschichten kennt Jethro Joseph viele. Der Leiter<br />
der Abteilung Diversity Supplier Management ist damit betraut,<br />
Zulieferern, deren Eigentümer und Geschäftsführer Minderheiten<br />
angehören, den Zugang zu <strong>Daimler</strong>Chrysler zu verschaffen. Man<br />
könnte Jethro Joseph und seine sieben Mitarbeiter auch als<br />
Kommunikatoren im Sonderauftrag bezeichnen: Sie besuchen<br />
mindestens zwei Dutzend Messen im Jahr, sitzen in den Gremien<br />
zahlreicher Verbände und organisieren „Matchmaker“. Dieses<br />
jährlich stattfindende Forum bietet Firmeneigentümern, die >
ALLEN RoAD bRowNsTowN UsA<br />
61
62 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Qualitätsbewusst:<br />
Einkaufsdirektor Kevin R. Galvin<br />
Minderheiten angehören, die Gelegenheit, sich dem Autobauer<br />
und seinen großen, sogenannten First-Tier-Lieferanten, zu<br />
präsentieren.<br />
NMSDC<br />
Derzeit kauft <strong>Daimler</strong>Chrysler Waren und Dienstleistungen bei<br />
rund 250 solcher Zulieferer in Nordamerika ein. Knapp 40 von<br />
ihnen bietet die Einkaufsabteilung des Konzerns zusätzlich ein<br />
Mentorenprogramm mit Seminaren und Trainingseinheiten in<br />
Qualitätsmanagement und Finanzierungsfragen. „Wir verstehen<br />
uns als Anwalt dieser Firmen und ihrer Mitarbeiter“, sagt Joseph,<br />
„wir möchten nicht, dass sie uns einfach nur ihre Produkte und<br />
Dienste verkaufen; wir möchten, dass sie sich gemeinsam mit uns<br />
kontinuierlich verbessern und mit uns wachsen.“ Schließlich gehe<br />
es darum, dass die vielen Minderheiten im Land ein „Stück vom<br />
Kuchen“ abbekommen.<br />
„Am Ende zählt nur Leistung“ Anthony Cannarsa jr.<br />
Das „Stück vom Kuchen“ hat inzwischen beträchtliche Ausmaße<br />
angenommen. Allein in den vergangenen acht Jahren hat<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler das Einkaufsvolumen bei Unternehmen im<br />
Besitz von Minderheiten auf 3,9 Milliarden Dollar mehr als<br />
verdoppelt. Im Jahr 2006 vergab der Konzern 13,5 Prozent seines<br />
Einkaufsbudgets an die Randgruppen. Insgesamt flossen ihnen seit<br />
Beginn der Initiative im Jahr 1983 mehr als 34 Milliarden Dollar zu.<br />
Etwa15 Millionen Dollar im Jahr gehen davon für Nockenwellen<br />
und andere metallene Motoren- und Getriebeteile zu Systrand in<br />
Brownstown. Erstaunlich an der Partnerschaft der zwei Firmen<br />
ist vor allem, wie rasch sie sich entwickelte: Der erste Kontakt<br />
bei einem „Matchmaker“-Event von <strong>Daimler</strong>Chrysler liegt keine<br />
drei Jahre <strong>zur</strong>ück, heute steht der deutsch-amerikanische Autokonzern<br />
für mehr als ein Viertel der Systrand-Erlöse. „Entscheidend<br />
war, dass wir als relativ kleines Unternehmen überhaupt<br />
MINoRITy bUsINEss<br />
Der National Minority Supplier Development Council (NMSDC)<br />
ist der wichtigste Verband <strong>zur</strong> Förderung von benachteiligten Zulieferern<br />
in den USA. Dazu zählen Firmen, die zu mindestens 51 Prozent im Besitz<br />
eines Angehörigen einer Minderheit sind. Die Eigentümer müssen zudem<br />
das Unternehmen operativ führen.<br />
die Gelegenheit bekamen, gegen viel größere Firmen antreten zu<br />
können“, sagt Firmenchefin Cannarsa.<br />
In der Konkurrenz gegen die ganz Großen der Branche hat<br />
Systrand seine Stärken als überschaubares und schnelles Familienunternehmen<br />
voll ausgespielt. „Wir haben eine motivierte und gut<br />
ausgebildete Mannschaft aufgebaut. Mehrere Großkunden haben<br />
wir dauerhaft an Land gezogen, indem wir kurzfristige Aufträge<br />
annahmen, die andere so nicht leisten konnten oder wollten“,<br />
erzählt Anthony Cannarsa jr., Sohn der Firmenchefin und stellvertretender<br />
Geschäftsführer. 85 Prozent der 200 Mitarbeiter im<br />
Werk in Brownstown sind „Hispanics“. Die Personalchefin kommt<br />
aus Mexiko, die Qualitätsbeauftragte aus China.<br />
Sämtliche Aushänge sind in Spanisch und Englisch verfasst, und<br />
wer die Landessprache besser beherrschen will, bekommt einen<br />
Englischkurs auf Kosten der Firma, die übrigens ihrerseits mehr als<br />
acht Prozent der Einkäufe bei Firmen in Minderheitenbesitz tätigt.<br />
„Aber am Ende“, stellt Anthony Cannarsa jr. klar, „zählt doch, dass<br />
wir Leistung in puncto Qualität, Technologie, Kosten und Logistik<br />
bringen. Wir bekommen von <strong>Daimler</strong>Chrysler nichts geschenkt.“<br />
Zumal die Auftragsvergabe unverändert Sache der Einkäufer ist.<br />
Für sie ist der besondere Einsatz für Minderheiten auch eine Frage<br />
des Marketings. „Unter unseren Kunden sind alle Hautfarben,<br />
Nationalitäten und Ethnien vertreten“, sagt Einkaufsdirektor Kevin<br />
R. Galvin. „Es hilft unserem Image und damit unserem Erfolg am<br />
Markt, wenn auch unsere Zulieferer ein Abbild unserer vielfältigen<br />
Gesellschaft sind.“<br />
Werbung für Minderheiten<br />
Keiner wüsste das besser als Donald A. Coleman. Die multikulturelle<br />
Gesellschaft ist quasi das Geschäftsmodell seiner >
cHRysLER DRIvE AUbURN HILLs UsA<br />
63
6<br />
UsA<br />
soUTHfIELD<br />
TowN cENTER
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Chancen für Minderheiten 6<br />
Werbeagentur Global Hue in Detroit. Coleman, selbst „African<br />
American“, spezialisierte sich auf Werbung für Schwarze und<br />
stieg <strong>zur</strong> Nummer 1 in diesem Segment auf. Später vereinte er<br />
die viertgrößte spanischstämmige und die zweitgrößte von Asiaten<br />
geführte Agentur des Landes unter dem Dach von Global Hue<br />
und schuf damit die größte Werbeschmiede im Besitz von<br />
Minderheiten in den USA.<br />
Coleman ist ein großer, bulliger Typ. Er stand einmal am Beginn<br />
einer Profikarriere im Football, bis ihn eine Verletzung aus der<br />
Bahn warf. Es scheint, als hätte „Don“ Coleman die ganze<br />
Energie seiner Person in das Agenturprojekt umgeleitet. Hoch<br />
über Detroit sitzt er im 16. Stock an seinem Konferenztisch und<br />
sagt: „Meine 150 Mitarbeiter kommen aus vielen Nationen und<br />
unterschiedlichen Kulturen. Sie kennen die Milieus, den Lifestyle<br />
und die Subkulturen in den großen Städten, und sie sprechen die<br />
Sprachen der Minderheiten.“ Dieser Markt, doziert der Vorstandsvorsitzende<br />
von Global Hue weiter, wachse sieben Mal schneller<br />
sozIAL UND wIRTscHAfTLIcH pRäsENT<br />
3 Prozent Minderheiten 1 Prozent Minderheiten<br />
US-Bevölkerung<br />
US-Firmenbesitzer<br />
Sie zählen in den USA zu den Minderheiten: African Americans, Hispanic<br />
Americans, Native Americans, Asian Pacific Americans, Asian Indian Americans<br />
Mit Werbung an die Spitze:<br />
Agenturchef Donald A.Coleman<br />
als der gesamte US-Markt. „Alle Minderheiten zusammen machen<br />
heute 39 Prozent der US-Bevölkerung aus, in 40 Jahren stellen sie<br />
die Mehrheit. Sie sind eine gigantische Einkaufsmacht.“<br />
Sein Wissen über diese gigantische, aber aufgesplittete Zielgruppe<br />
verkauft Global Hue heute an große Unternehmen von Walmart<br />
bis American Airlines. Den Anfang machte 1994 <strong>Daimler</strong>Chrysler.<br />
„Wir waren eine kleine Firma und <strong>Daimler</strong>Chrysler unser erster<br />
großer Kunde. Der Auftrag katapultierte uns in eine andere Dimension“,<br />
sagt Coleman, dessen Mitarbeiter seither für Chrysler, Jeep ®<br />
und Dodge unzählige TV- und Radiospots, Anzeigen, Internetwerbung<br />
und Werbeevents entwickelt haben, immer zugeschnitten<br />
auf die verschiedenen Segmente des Multikulti-Markts. „Bei<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler haben wir als kleine Agentur einen Platz am Tisch<br />
der Entscheider bekommen“, resümiert Coleman, „und das war<br />
nur durch die Unterstützung der Abteilung Diversity Supplier<br />
Development möglich.“<br />
Solches Lob erfahren Jethro Joseph und seine Mitarbeiter oft. Es<br />
ist in Dutzenden von Zeitungsartikeln formuliert, und es steht in<br />
Form von meist gläsernen Trophäen in Josephs Büro im Chrysler-<br />
Gebäude in Auburn Hills, Michigan. Allein vier Mal hat die Abteilung<br />
für <strong>Daimler</strong>Chrysler den nationalen Titel als bester Förderer von<br />
Zulieferern in Minderheitenhand erhalten, im Bundesstaat Michigan<br />
sogar sechs Mal; jüngst kam die Auszeichnung als „Firma des<br />
Jahres“ durch den „Canadian Aboriginal and Minority Supplier<br />
Council“ hinzu. „Ich gehöre seit 36 Jahren <strong>zur</strong> Firma“, sagt Jethro<br />
Joseph, „und was kann man Erfüllenderes erreichen in seinem<br />
Beruf, als anderen helfen zu dürfen?“ Es klingt nicht so, als fühlte<br />
er sich bereits am Ziel. „Minderheiten repräsentieren zwar 39<br />
Prozent der US-Bevölkerung, aber sie besitzen nur 15 Prozent aller<br />
Firmen, auf die nur vier Prozent aller Einkäufe entfallen.“ Jethro<br />
Joseph macht eine Pause. „Es gibt also noch viel zu tun für uns.“ \
Autorin<br />
Sabine Böhne<br />
6°s/107°E Die E-Mail aus Indonesien sorgte für Aufregung in der<br />
13 c. Abiturienten des altehrwürdigen Gymnasiums „Giovanni Prati“<br />
im norditalienischen Trient hatten sich für den Mondialogo School<br />
Contest mit Schülern aus der indonesischen Hauptstadt Jakarta<br />
zusammengetan. Jetzt schlugen die jungen Asiaten ihren Partnern<br />
im fernen Trient vor, gemeinsam ein Unterrichtsgebäude für<br />
Straßenkinder zu bauen. „Wir waren aufgekratzt und haben lange<br />
darüber diskutiert, wie wir vorgehen“, erinnert sich Klassensprecherin<br />
Costanza Pozzo.<br />
Die 18-jährige Italienerin ist eine von mehr als 35.000 Schülern<br />
aus 138 Nationen, die im vergangenen Jahr am Mondialogo School<br />
Contest teilgenommen haben. <strong>Daimler</strong>Chrysler hatte den<br />
Wettbewerb für 14- bis 18-Jährige im Jahr 2003 ins Leben gerufen<br />
und dafür die UNESCO als Partner gewonnen. Jugendliche aus<br />
allen Teilen der Erde treffen sich auf der fünfsprachigen Website<br />
von Mondialogo, bilden transkontinentale Teams und hecken<br />
gemeinsame Projekte aus. Je fremder, desto lieber. Japaner und<br />
Türken entwickeln ein Lernspiel, das sich mit Rettungsplänen bei<br />
Naturkatastrophen befasst. Das Team aus Südafrika und<br />
Australien schafft ein Projekt <strong>zur</strong> Aids-Aufklärung. Schüler aus den<br />
USA und dem Iran überwinden sogar virtuelle Mauern. Obwohl der<br />
Internetkontakt zwischen beiden Ländern blockiert ist, treiben sie<br />
über Vermittler in Pakistan und Bolivien ein Modell <strong>zur</strong><br />
Wasserversorgung voran: praktische Friedensarbeit.
Neben dem Schülerwettbewerb gehört der sogenannte Mondialogo<br />
Engineering Award zum Programm. Er richtet sich an Ingenieurstudenten<br />
aus Industrie- und Entwicklungsländern. Teams aus<br />
beiden Welten müssen innerhalb von sechs Monaten ein Projekt<br />
ausarbeiten. Ob das Wasserversorgungssystem in Tansania oder<br />
die Einrichtung einer telemedizinischen Glasfaserverbindung in<br />
Nepal: Gefragt sind nachhaltige Lösungen aus allen Bereichen der<br />
Ingenieurkunst. Den Besten winken Förderpreise in Höhe von<br />
insgesamt 300.000 Euro.<br />
Die Idee kommt an. „Der Erfolg übertrifft alle Erwartungen“, sagt<br />
Astrid Pietig, Sponsoringleiterin von <strong>Daimler</strong>Chrysler, und meint<br />
damit nicht nur die zahlreichen Preise, die das Unternehmen<br />
gewann.<br />
Pietig und ihre Mitarbeiter erfanden Mondialogo. Im Dialog, so das<br />
Ziel, entwickeln Jugendliche Verständnis und Respekt gegenüber<br />
anderen Kulturkreisen. „Die Attentate vom 11. September<br />
2001 haben uns damals schmerzlich vor Augen geführt, wie<br />
entscheidend die internationale Verständigung für eine friedliche<br />
Zukunft ist“, erinnert sie sich.<br />
Die Idee begeisterte auch Hans d’Orville, Direktor für strategische<br />
Planung bei der UNESCO in Paris. „Das Projekt hat eine Klasse, wie<br />
wir sie bei Sponsorpartnerschaften nur selten finden.“<br />
„Wir suchten ein Engagement, das<br />
unsere Verantwortung als weltweites<br />
unternehmen deutlich macht und die<br />
globale Vernetzung fördert.“<br />
Astrid Pietig, <strong>Daimler</strong>Chrysler-Sponsoringleiterin<br />
Highlight für den Mondialogo School Contest ist in jedem Jahr das<br />
Symposium mit der Siegerehrung, zu dem im vergangenen Jahr<br />
Vertreter der 50 besten Teams nach Rom eingeladen wurden.<br />
Costanza Pozzo und ihr indonesischer Schulpartner Aaron<br />
Pushparatnam belegten mit ihrer Gruppe den ersten Platz.<br />
Unermüdlich hatten sie Geld für den Bau einer Schule für die<br />
Straßenkinder in der indonesischen Hauptstadt gesammelt.<br />
Demnächst wird die „Trento Free School“ in Jakarta eröffnet. \
0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Die<br />
Freiwilligen<br />
Autor<br />
Philip Wesselhöft<br />
Fotografie<br />
Christoph Püschner<br />
Moderne unternehmen sind neben ihrem wirtschaftlichen Auftrag auch für die Lebensbedingungen<br />
in ihrer umgebung aktiv. corporate citizenship heißt das in der Managersprache.<br />
<strong>zur</strong> Philosophie der sozialen Verantwortung zählt die unterstützung engagierter Mitarbeiter.<br />
<strong>Daimler</strong>chrysler fördert ihren Einsatz auf vielfältige Weise. Vier Beispiele zeigen, wie so<br />
etwas aussehen kann
54°N/12°E TRAININGsLAGER fÜR jUNGE spoRTsKANoNEN Da kamen die Kleinen mächtig ins Schwitzen: Zwei Tage trainierten Vertriebsmitarbeiter<br />
der <strong>Daimler</strong>Chrysler Bank Kinder aus dem Leichtathletikclub Mühl Rosin bei Rostock. Die jungen Talente aus der strukturschwachen<br />
Region konnten sich nicht optimal auf eine anstehende Landesmeisterschaft vorbereiten. Im Rahmen der Initiative „Ideen bewegen“ aktivierte daher<br />
Dalibor Rezic, Leasing- und Finanzierungsberater der <strong>Daimler</strong>Chrysler Bank, zwei Vertriebskollegen und ehemalige Profisportler: Holger Schlepps<br />
war 1998 Vizeweltmeister im Turmspringen, Heiko Balz gewann 1992 in Barcelona die olympische Silbermedaille im Ringen. Die Initiative „Ideen<br />
bewegen“ wurde im Sommer 2006 von der <strong>Daimler</strong>Chrysler Bank ins Leben gerufen. Sie unterstützt Mitarbeiter, die sich in ihrer Freizeit in Vereinen,<br />
sozialen Einrichtungen und anderen gemeinnützigen Institutionen engagieren. Rund 20 Projekte konnten bislang realisiert werden. Mit Erfolg: Die<br />
jungen Sportler aus Mühl Rosin gewannen bei der Landesmeisterschaft <strong>2007</strong> je fünf Mal Gold, Silber und Bronze.
48°N/9°E fAHRRäDER fÜR TscHERNobyL Ein Foto aus Tschernobyl war der Auslöser. Das Bild zeigte krebskranke Jungen und Mädchen in<br />
einem Kinderheim, die sich als einziges Spielzeug ein kaputtes Blechauto teilten. „Als ich das sah, war klar: Wir müssen etwas tun“, sagt Sven Giesler,<br />
Teamleiter Produktions- und Werkstofftechnik und Sprecher des „Arbeitskreis Umwelt MitarbeiterInnen <strong>Daimler</strong>Chrysler AG Stuttgart“. Zusammen<br />
mit seinen rund 20 Mitstreitern organisierte er eine Sammlung gebrauchter Kinderfahrräder. Mit Erfolg: Die Mitarbeiter des Werks in Untertürkheim<br />
sammelten 110 Bikes für ein Kinderheim in der weißrussischen Stadt Gomel. <strong>Daimler</strong>Chrysler stiftete dazu 200 netzwerktaugliche PCs mit Monitoren,<br />
die mit einem Betriebssystem in russischer Sprache aufgerüstet wurden. Im Frühjahr <strong>2007</strong> rollte ein Hilfstransport des Vereins „Hilfe für die<br />
Kinder Tschernobyls“ mit den Fahrrädern und Computern sowie Medikamenten und Milchpulver nach Weißrussland.
48°N/9°E AzUbI-EINsATz fÜR bEHINDERTENpRojEKT Das Haus ist ein Hingucker: Frisch renoviert und bunt gestrichen verwandelte sich<br />
eine frühere Bauhütte zum Blickfang der Dorfgemeinschaft Tennental in Baden-Württemberg. In dem Projekt leben behinderte und nicht behinderte<br />
Menschen zusammen. 40 Auszubildende aus dem <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk Sindelfingen halfen den Tennentalern nun, ein 250 Quadratmeter großes<br />
Holzhaus zum Veranstaltungszentrum aufzumöbeln. Sie installierten Strom- und Wasserleitungen, verlegten neue Böden und strichen Wände. Das<br />
Engagement nützt den behinderten Menschen ebenso wie den Azubis. „Die jungen Leute entwickeln dabei ihre Kommunikationsfähigkeit, ihr Verantwortungsbewusstsein<br />
und ihre Selbstständigkeit weiter“, sagt Werksleiter Eberhard Haller. Jedes Jahr absolvieren die Lehrlinge daher eine Woche<br />
ihrer sozialpädagogischen Ausbildung in Tennental. So entstanden bislang neue Fußwege, ein Teich und eine Heu-Trockenanlage.
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
. Holger Schlepps<br />
. Dalibor Rezic<br />
. Sabine Beutling<br />
. Tobias Vanselow<br />
. Lisa Niemann<br />
. Henning Prüfer<br />
. Heiko Balz<br />
· Pierre-Andre Ahrens<br />
. Clemens Prüfer<br />
. Franzi Hahn<br />
. Louis Simon<br />
. Janilsa Mucauque<br />
. Sophie Bruesehaber<br />
. Sharon-Maree Ahrens<br />
. Johanna Kunath<br />
. Sophie Godemann<br />
. Tom Gröschel<br />
. Jil Moede<br />
. Carl-Charlie Krüger<br />
.<br />
. Martin Bangert<br />
. Birgit Bangert<br />
. Udo Bangert<br />
. Sven Giesler<br />
. Simon Giesler<br />
. Sophie Giesler<br />
. Sebastian Giesler<br />
. Harald Walter<br />
. Bernhard Hindersin<br />
. Sven Haug<br />
. Benno König<br />
. Saioa Migueliz Hausotter<br />
. Migueliz Santiago<br />
. Jürgen Graeff<br />
.<br />
· Helmut Langer<br />
. Marylin Bolay<br />
. Fransiska Baglyas<br />
. Hakan Ciger<br />
. Falko Grüninger<br />
. Pascal Beck<br />
. Lukas Buhl<br />
. Ursula Muth<br />
. Angela Zeitler<br />
. Dorothea Grötzinger<br />
. Patrick Klatt<br />
. Stefan Fetzer<br />
. Holger Hofele<br />
. Ursula Freundl<br />
.<br />
. Tommy Clark<br />
. Robert Hollingsworth<br />
. George Guff<br />
. Richard Owusu<br />
. Marcel Rich<br />
. Kamillee Tynes<br />
. Kimisha Ridley<br />
. Michael Bryers<br />
. Eric Johnson<br />
. Henry Smith<br />
. Vincent Session<br />
. Victor Williams<br />
. Dikea Simmons<br />
. Cathy Parks<br />
. Marcel Younger<br />
. Elena Scott<br />
. Valerie Eley<br />
. Rubin Robinson<br />
. Denice Bradford<br />
. Jamesha Moore<br />
. Teresa Lewis<br />
. Down Day<br />
. Jerron Robinson<br />
. Jamarian Holloway<br />
. Dennis Roy<br />
.<br />
.<br />
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.<br />
.<br />
.
42°N/83°w UNTERsTÜTzUNG fÜR scHÜLER In Detroit gibt es, wie in vielen Ballungsräumen, Kinder mit Schulproblemen. Hier setzt die<br />
Initiative „Communities In Schools“ (CIS) an. Die gemeinnützige Organisation sammelt Spendengelder von Unternehmen und Privatpersonen, um<br />
Programme für mehr als 60 Schulen in Detroit und Umgebung zu entwickeln. Ob Computerkurs oder Hausaufgabenhilfe: Mit zahlreichen Aktivitäten<br />
konnten die Helfer das Freizeit- und Bildungsangebot für Kinder und Jugendliche verbessern. Der <strong>Daimler</strong>Chrysler Corporation Fund und die Werke<br />
Jefferson North Assembly sowie Mack Engine I und II unterstützen Projekte wie das U.S. FIRST Robotics Team (Bild) seit Jahren. Für sein Engagement<br />
für die Bildungsinitiative wurde W. Frank Fountain, Senior Vice President External Affairs and Public Policy, 2006 mit dem „Champion for Children’s<br />
Award“ ausgezeichnet.
6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
news<br />
<strong>zur</strong> sozialen Verantwortung<br />
49° N /9° E<br />
Fußball spielen für<br />
den guten zweck<br />
Sindelfingen – Der <strong>Daimler</strong>Chrysler Junior<br />
Cup ist das weltbeste Hallenfußballturnier<br />
für U19-Juniorenmannschaften: Keine<br />
andere Veranstaltung dieser Art kann auf<br />
ein derart hochkarätiges Teilnehmerfeld<br />
verweisen. 82 Nationalteams aus aller<br />
Welt haben in den vergangenen 16 Jahren<br />
teilgenommen, darunter renommierte<br />
Mannschaften der Fußball-Bundesliga und<br />
europäischer Vereine. Darüber hinaus<br />
sind mehr als 150 Teams aus dem<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Konzern beim Auszubil–<br />
dendenturnier angetreten – vor großer<br />
Kulisse: Der Sindelfinger Glaspalast war<br />
in den vergangenen drei Jahren mit knapp<br />
5.000 Zuschauern pro Spieltag ausverkauft.<br />
Zum Wohl bedürftiger Kinder: Allein im Jahr<br />
2006 kamen durch Torprämien, Aktionen<br />
in der Halle und Einzelspenden der Vereine<br />
27.000 Euro für SOS-Kinderdörfer in<br />
Südafrika und Deutschland zusammen.<br />
Seit seinem Bestehen erbrachte das<br />
Turnier fast 500.000 Euro für Kinderhilfsorganisationen.
46° N /16° E<br />
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> News <strong>zur</strong> sozialen Verantwortung<br />
traumhafter tag für<br />
sOs-Kinderdorf<br />
Zagreb – Ursprünglich planten die Mitarbeiter<br />
der kroatischen Dependance von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler Leasing nur einen Fami-<br />
lientag. Das Treffen für Kinder und ihre<br />
Eltern entwickelte sich jedoch zu einem<br />
unvergesslichen Event mit dem Titel „Day<br />
like a dream“. Der Clou: Die Familien luden<br />
auch 50 Jungen und Mädchen aus dem<br />
SOS-Kinderdorf Lekenik sowie 21 Kinder<br />
aus der Deutschen Schule Zagreb ein. Auf<br />
dem Programm standen Puppentheater,<br />
Sackhüpfen und ein Besuch im Zoo. Die<br />
Sprösslinge der Mitarbeiter genossen die<br />
Veranstaltung ebenso wie ihre weniger<br />
privilegierten Altersgenossen aus dem<br />
Kinderdorf, für die mit dem „Day like a<br />
dream“ ein Traum in Erfüllung ging.<br />
57° N /24° E<br />
unterstützung für<br />
NAtO-Gipfel<br />
Riga – Alle zwei Jahre treffen sich die<br />
Regierungschefs und Staatsoberhäupter<br />
der NATO-Länder – mit Unterstützung von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler. Das deutsch-amerikanische<br />
Unternehmen stellte als sogenannter<br />
Co-Chair und einer von zwei Hauptunterstützern<br />
für den jüngsten Gipfel 2006<br />
im lettischen Riga 300 Mercedes-Benz<br />
Fahrzeuge <strong>zur</strong> Verfügung. „Unsere Rolle als<br />
Co-Chair des NATO Support Committee<br />
unterstreicht unser starkes Bekenntnis <strong>zur</strong><br />
transatlantischen Allianz“, sagt Robert G.<br />
Liberatore, Leiter des Bereichs Politik und<br />
Außenbeziehungen bei <strong>Daimler</strong>Chrysler.<br />
„Mit diesem Engagement unterstützen wir<br />
die NATO in ihrem Bemühen für Frieden<br />
und Stabilität als Grundvoraussetzung für<br />
wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand.<br />
Diese Ziele stehen auch auf der Agenda von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler – im Dialog mit politischen<br />
Entscheidungsträgern.“<br />
10° N /38° E<br />
Bildungsoffensive<br />
in Äthiopien<br />
Degem – Wirtschaftlicher Erfolg und<br />
gesellschaftliche Verantwortung sind keine<br />
Gegensätze. Deshalb engagiert sich die<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler Bank seit dem Jahr 2003<br />
für die Stiftung von Karlheinz Böhm<br />
„Menschen für Menschen“. Sie betreut<br />
langfristig angelegte Hilfsprojekte in<br />
Äthiopien. Die Bank unterstützt die Bildungsoffensive<br />
der Äthiopienhilfe: Sie hat<br />
die Patenschaft für das Harar Agro-<br />
Technical Training College übernommen<br />
und wird in den nächsten zwei Jahren zusammen<br />
mit Mitarbeitern, Kunden und<br />
Partnern den Bau eines Gymnasiums für<br />
2.400 Jugendliche in Degem finanzieren.<br />
Es wird die erste weiterführende Schule in<br />
einer Region mit 110.000 Einwohnern sein.<br />
Seit Beginn der Partnerschaft mit „Menschen<br />
für Menschen“, die mit einer Spendengala<br />
des deutschen Fernsehsenders<br />
ZDF begann, wurden rund 2,7 Millionen<br />
Euro gespendet.
Autor<br />
Die Carl-Benz-School in Karlsruhe bietet einen englischsprachigen Ingenieurstudiengang<br />
Philipp Maußhardt<br />
Fotografie<br />
Uli Reinhardt<br />
49°N/8°E Auf der Terrasse des „Café Multikulti“ im Innenhof der „Carl-Benz-School of<br />
Engineering“ in Karlsruhe sitzt man an einem lauen Sommerabend wie im Kino: Hinter den<br />
Glasfassaden des internationalen Wohnheims lassen sich kreative Menüs erahnen. Im ersten<br />
Stock kochen eine Japanerin und vier Südafrikaner eine Suppe, in der Wohnung gegenüber<br />
schneiden ein Inder und ein Araber Zwiebeln, und in der dritten Küche sitzen vier Studenten<br />
bereits am Tisch und essen. Durch die Glasfronten winkt man sich von Wohnung zu Wohnung<br />
freundlich zu – Feierabend nach einem langen Studientag.<br />
Die 22-jährige Misaki Nakajima hat den ganzen Tag für ihre Abschlussprüfung gelernt: Die<br />
junge Japanerin kam vor vier Jahren aus Yokohama nach Karlsruhe, um ihr Bachelor-Studium<br />
in Mechanical Engineering zu beginnen. Nun steht sie kurz vor der Prüfung. „Am Anfang war<br />
es hart“, sagt sie, „die Sprache, die Kultur, ich kannte niemanden.“ Inzwischen ist die Asiatin<br />
jedoch auf der Zielgeraden und sieht nur noch Vorteile: „Ich habe den Abschluss so gut wie in<br />
der Tasche, ich weiß viel über deutsche Kultur, und ich kann in Japan sofort mit einem tollen<br />
Job rechnen.“ Misaki hat für ihre Ausbildung an der Carl-Benz-School ein Stipendium von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler erhalten, so wie auch Dusty, Vuyo, Gladson und Siphokazi aus Südafrika.<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Talentsucher hatten die Studenten in Südafrika an einer Universität für<br />
Ingenieure ausgewählt und sie von den Vorteilen eines Studiums in Deutschland überzeugt.<br />
Als Gegenleistung für die Kosten der vierjährigen Ausbildung verpflichteten sich die<br />
Südafrikaner, nach ihrer Rückkehr bei <strong>Daimler</strong>Chrysler Südafrika einzusteigen. Ein „Deal“, der<br />
für den 25-jährigen Dusty Jantjies aus Johannesburg „eine Riesenchance“ ist. Ohne ><br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft<br />
Generation<br />
zukunft<br />
Ob studium oder Lehre: Eine fundierte Ausbildung bildet die Basis für den beruflichen<br />
Erfolg. umgekehrt sichern hoch qualifizierte Mitarbeiter die Wettbewerbsfähigkeit des<br />
unternehmens. <strong>Daimler</strong>chrysler ist sich der Verantwortung bewusst
0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Stolze Stipendiaten: Misaki Nakajima aus Japan und ...<br />
das Stipendium hätte er sich die Ausbildung in Deutschland, die ihn in seiner Heimat zu<br />
einer umworbenen Kraft macht, nicht leisten können. Die „Carl-Benz-School of Engineering“<br />
(früher: „International Department“) an der Universität Karlsruhe bietet den einzigen<br />
englischsprachigen Ingenieurstudiengang in Deutschland an.<br />
Internationale Eliten anlocken<br />
Professor Hartmut Weule, ehemals Vorstand für Forschung und Technik der <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
AG, hatte den Studiengang 1999 ins Leben gerufen. Mehrere deutsche Industrieunternehmen<br />
finanzieren die nach Carl Benz benannte Einrichtung, um an den bedeutenden Ingenieur<br />
zu erinnern, der mit seinen Erfindungen den Grundstein für die Automobilindustrie in<br />
Deutschland legte. Die Faszination für deutsche Ingenieurleistungen ist im Ausland nach<br />
wie vor groß. Die Bereitschaft ausländischer Studenten aus Schwellen- und Industrieländern,<br />
in Deutschland Ingenieurwissenschaften zu studieren, ist jedoch gering. Im vergangenen<br />
Jahr waren gerade einmal 29 Japaner an deutschen Universitäten (davon 10 in Karlsruhe)<br />
als Maschinenbaustudenten eingeschrieben, aus den USA nur knapp 60. Mit ihrem<br />
englischsprachigen Angebot, einem breit angelegten Begleitstudium, intensiver Betreuung<br />
und einem großzügigen Campus mit Wohnapartments bietet die „Carl-Benz-School of<br />
Engineering“ internationalen Nachwuchseliten erstmals eine Studienmöglichkeit, die sich<br />
hinter privaten amerikanischen Hochschulen nicht verstecken muss.
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft 1<br />
... Dusty Jantjies aus Südafrika studieren an der „Carl-Benz-School of Engineering“<br />
Im internationalen Wettkampf um die besten Nachwuchskräfte hat <strong>Daimler</strong>Chrysler im<br />
vergangenen Jahr auch auf anderer Ebene einen entscheidenden Vorsprung erzielt: Aus<br />
bislang 30 unterschiedlichen Nachwuchsprogrammen für Akademiker wurden die besten<br />
Ansätze übernommen und in das konzernweite Traineeprogramm für Hochschulabsolventen<br />
„CAReer“ integriert, und zwar für alle Standorte weltweit. Wer eine der 350 CAReer-Stellen<br />
im Jahr <strong>2007</strong> erhält, wird in dem 12 bis 18 Monate dauernden Traineeprogramm auf seinen<br />
künftigen Job optimal vorbereitet. Trainees bekommen darüber hinaus tiefe Einblicke in den<br />
Konzern und haben durch zwei internationale Qualifizierungsreihen die Möglichkeit, sich<br />
fachlich und persönlich weiterzuentwickeln.<br />
„Für mich ist cAReer ideal.“ Tobias Richwien<br />
Tobias Richwien gehört zu den erfolgreichen Bewerbern. Der 27-jährige Wirtschaftsingenieur<br />
hatte sich in seinem Studium auf die Bereiche Qualitätsmanagement und Controlling spezialisiert.<br />
„Als ich im Internet von CAReer erfuhr, hat mich das Konzept sofort überzeugt“,<br />
sagt er. „Einen guten Job hätte ich auch woanders finden können, aber hier bekam ich mehr<br />
geboten: Ich werde auf meine zukünftige Position bestens vorbereitet. Für mich ist CAReer<br />
ideal.“ Dass er kurz nach seinem ersten Arbeitstag im Blaumann am Band stand und zusammen<br />
mit den Arbeitern die Auspuffanlage an einem Lkw montierte, fand der Ingenieur<br />
„einfach super“. „Nur wenn man versteht, was der andere tut, kann man auch seine eigene<br />
Arbeit optimieren.“ Zurzeit arbeitet Tobias Richwien im Lkw-Werk in Wörth am >
2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Auf der Karriereleiter: Trainee Tobias Richwien im Lkw-Werk Wörth<br />
Produktbewährungsprozess mit und unterstützt damit die Verbesserung von Fahrzeugelementen,<br />
um deren Langlebigkeit zu gewährleisten. Noch einen Schritt <strong>zur</strong>ück: Wer sich in<br />
Deutschland nach der Schule für ein Studium entscheidet, kann direkt an eine Hochschule<br />
gehen oder aber sein Studium mit Praxiserfahrung in einem Unternehmen verbinden. Berufsakademien<br />
(BA) bieten in einigen deutschen Bundesländern beides: Studium und Projekteinsätze<br />
im Unternehmen wechseln sich dabei alle drei Monate ab. In Deutschland<br />
entschieden sich 2006 rund fünf Prozent aller Studienanfänger für ein solches duales<br />
Studium an einer Berufsakademie.<br />
Inga Pietruschka ist eine von ihnen. Nach einem Schulpraktikum in einer Reifenwerkstatt<br />
bewarb sich die 19-jährige Abiturientin an der Berufsakademie in Mannheim für das Fach<br />
Maschinenbau. Dazu schloss sie mit <strong>Daimler</strong>Chrysler als betrieblichem Partner einen Ausbil-<br />
dungsvertrag. Im Mannheimer Motorenwerk lernte sie zunächst drehen, fräsen und feilen.<br />
Alle drei Monate wechselt sie seither den Hörsaal gegen die Werkbank – am Ende stehen<br />
ein Bachelor-Abschluss und der große Vorteil, neben der fachlichen Qualifikation auch die<br />
Unternehmenskultur eines weltweit operierenden Industriekonzerns zu kennen. „Neben der<br />
Vermittlung von reinem Fachwissen habe ich bei <strong>Daimler</strong>Chrysler auch viel über kommunikative<br />
und soziale Kompetenzen erfahren, Dinge, die ich in der Schule oder an der Hochschule<br />
so nie vermittelt bekam“, sagt Inga Pietruschka. Insgesamt bietet <strong>Daimler</strong>Chrysler BA-Studiengänge<br />
in elf verschiedenen Fachrichtungen an. >
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft 3<br />
AUsbILDUNG INTERNATIoNAL<br />
41°N /74°w/ NEw yoRK<br />
29°N /47°E / KUwAIT<br />
31°N /35°E /bEIT sAHoUR<br />
23°s /29°E / LIMpopo<br />
16°s /35°E /bLANTyRE<br />
1°s /37°E /NAIRobI<br />
26°s /28°E /joHANNEsbURG<br />
40°N /33°E /ANKARA<br />
35°N /140°E /KAwAsAKI<br />
1.100<br />
Die Chrysler Group fördert die Automotive High School in New York, an der mehr als<br />
1.100 Schüler praxisnah auf den Berufseinstieg in die Automobilbranche vorbereitet werden.<br />
Eine weitere Initiative konzentriert sich auf Lehrer von öffentlichen Elementary-, Middleund<br />
Highschools in Michigan: Der <strong>Daimler</strong>Chrysler Corporation Fund ehrt mit seiner Initiative<br />
„Closing the Technology Gap in Education“ Lehrer für besondere Verdienste in den Fächern<br />
Mathematik, Naturwissenschaften und Technik.<br />
Neben bereits bestehenden Berufsausbildungszentren in Afghanistan und Russland gründete<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler im November 2006 zusammen mit der Kuwait Investment Authority die<br />
„<strong>Daimler</strong>Chrysler Automotive Academy Kuwait“ mit dem Ziel, jungen Menschen in Kuwait<br />
durch eine fundierte Ausbildung im Bereich Automobiltechnik und Management eine gute<br />
Berufsperspektive zu eröffnen.<br />
15<br />
Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)<br />
entstand in den palästinensischen Gebieten eine Lehrwerkstatt. In Beit Sahour lernen bis zu<br />
1 Jugendliche den Umgang mit modernen Kfz-Techniken, um aufgrund dieser Ausbildung<br />
einen adäquaten Arbeitsplatz erhalten und ihre Familien unterstützen zu können.<br />
Im Februar <strong>2007</strong> nahm die <strong>Daimler</strong>Chrysler Automotive Academy Südafrika ihre Tätigkeit<br />
auf. Das Trainingscenter bildet benachteiligte Jugendliche aus der Region Limpopo in einer<br />
einjährigen Ausbildung zum Kfz-Mechaniker aus.<br />
Das jüngste Ausbildungszentrum eröffneten <strong>Daimler</strong>Chrysler und die GTZ im Juni <strong>2007</strong>.<br />
An den beiden Standorten Blantyre/Malawi und Nairobi/Kenia werden junge Afrikaner in<br />
einer zweijährigen Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker geschult. Mit dem überregionalen<br />
Trainingscenter soll die Berufsausbildung von Fahrzeugtechnikern in den Staaten Malawi,<br />
Kenia, Angola, Mosambik, Sambia, Simbabwe, Äthiopien, Tansania und Uganda gefördert<br />
werden.<br />
Im Students Experience Program (STEP) lädt <strong>Daimler</strong>Chrysler gemeinsam mit der Südliches<br />
Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI) seit 2005 jährlich Studenten aus<br />
Südafrika zu einem Praktikum nach Deutschland ein.<br />
60<br />
Eine Kooperation zwischen der Hacettepe University of Ankara, der Fachhochschule Esslingen<br />
und Mercedes-Benz Türkei ermöglicht jährlich 60 türkischen Studenten der Fakultät für<br />
Maschinenbau, sich in Sprach- und Fachkursen fortzubilden.<br />
40<br />
Deutsch-japanischer Schüleraustausch: Durch die Beteiligung von <strong>Daimler</strong>Chrysler und der<br />
Mitsubishi Fuso Truck & Bus Corporation (MFTBC) an einer Initiative <strong>zur</strong> Förderung des<br />
kulturellen Verständnisses zwischen Japan und Deutschland („Takenoko Fund“) wird Schülern<br />
beider Länder ein Austauschprogramm ermöglicht. 2006 besuchten 0 deutsche Schüler<br />
aus weiterführenden Schulen das Montagewerk Kawasaki.
Studium und Ausbildung im Wechsel: Inga Pietruschka studiert an der Berufsakademie<br />
Eine fundierte Aus- und Fortbildung ist die Voraussetzung für den beruflichen Erfolg jedes<br />
Einzelnen und zugleich für die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherung des Unternehmens.<br />
Wer ausbildet, übernimmt daher Verantwortung für die Berufschancen der<br />
nachfolgenden Generationen. Aus diesem Grund stellt <strong>Daimler</strong>Chrysler jedes Jahr weit mehr<br />
Ausbildungsplätze <strong>zur</strong> Verfügung, als das Unternehmen für den eigenen Bedarf benötigt.<br />
Mit rund 8.000 Auszubildenden in Deutschland schafft der Konzern rund 40 Prozent aller<br />
Ausbildungsplätze unter den deutschen Automobilherstellern. Im Jahr 2006 erhöhte<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler mit 1.650 neuen Ausbildungsplätzen trotz rückläufiger Bedarfszahlen sein<br />
Lehrstellenangebot im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent und wird diese Erhöhung auch<br />
<strong>2007</strong> beibehalten.<br />
„Wir wurden extrem unterstützt.“ Jasmin Faltermann<br />
Für Aufsehen in der Branche sorgte 2006 auch Jasmin Faltermann. Die junge Frau wurde<br />
vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag <strong>zur</strong> besten Kraftfahrzeugmechatronikerin<br />
Deutschlands gekürt. Nach dem Abi wollte sie erst einmal etwas „Handfestes“ lernen und<br />
ging schließlich als Auszubildende ins <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk nach Bremen. „Wir wurden<br />
extrem unterstützt“, sagt Jasmin Faltermann, 24, die inzwischen in Hamburg Fahrzeugbau<br />
studiert. „Wir wurden auf internen Lehrgängen immer auf dem neuesten Stand der Technik<br />
geschult. Und unsere Ausbilder haben immer darauf geachtet, dass wir nur bestens vorbereitet<br />
zu den Prüfungen gingen.“ Wie aber erst einmal reinkommen? Für viele Jugendliche<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft<br />
Beste deutsche Kfz-Mechatronikerin: Jasmin Faltermann lernte bei <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
endet der Traum vom Kfz-Mechatroniker oder von der Industriekauffrau schon bei der<br />
Bewerbung. Wer fehlerhafte Anschreiben verschickt oder im Bewerbungsgespräch keinen<br />
Satz herausbringt, muss mit einer Absage rechnen. Michaela Riedel, 21, und Kilian Köhnlein,<br />
24, helfen als Auszubildende bei <strong>Daimler</strong>Chrysler zukünftigen Bewerbern, die gröbsten Fehler<br />
zu vermeiden. Die angehende Industriekauffrau und der Auszubildende zum Informatikkaufmann<br />
gehören zum FEBS-Team, einer Initiative der <strong>Daimler</strong>Chrysler AG. FEBS steht für<br />
„Ferienworkshops, Einzel- und Gruppentraining, Bewerbertraining an Schulen und Service“.<br />
Michaela, Kilian und weitere Auszubildende von <strong>Daimler</strong>Chrysler zeigen jungen Schulabgängern,<br />
worauf sie bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz achten müssen. FEBS<br />
funktioniert dabei wie eine richtige Firma, in der die Auszubildenden vom Marketing über<br />
die Trainingsdurchführung bis <strong>zur</strong> Buchhaltung und dem Controlling alle Bereiche in Eigenverantwortung<br />
abdecken. „Bislang hatten wir das Angebot nur auf die Kinder von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Mitarbeitern beschränkt“, sagt Michaela Riedel. Der Erfolg war jedoch so<br />
groß, dass nun auch andere Jugendliche von dem Know-how ihrer nur wenige Jahre älteren<br />
„Kollegen“ profitieren können. Sie erfahren, wie eine Bewerbungsmappe aussehen soll. In<br />
der Gruppe trainieren sie Auftritt und Präsentation für die eigene Bewerbungsphase. „Wir<br />
sind mit unseren 'Kunden' auf Augenhöhe“, sagt Gründungsmitglied Kilian Köhnlein, „weil<br />
wir selbst ja gerade erst angefangen haben.“ \
6 <strong>Daimler</strong>Chrysler
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Motor der Wirtschaft<br />
Motor der<br />
Wirtschaft<br />
seit 50 Jahren produziert <strong>Daimler</strong>chrysler Nutzfahrzeuge in Brasilien. Der standort<br />
in são Bernardo do campo ist einer der effizientesten im gesamten Konzern
Autor<br />
Toni Keppeler<br />
Fotografie<br />
Lukas Coch<br />
23°s /46°w Pedro Carlos Sancho ist ein zufriedener Mensch. Er<br />
hat einen guten Arbeitsplatz, Sohn Pedro Carlos, 23, und Tochter<br />
Daiane, 19, sind in der gleichen Firma untergekommen, und für<br />
die siebenjährige Tochter Carolina kann er sich eine Privatschule<br />
leisten. Sancho besitzt ein Auto und eine kleine Drei-Zimmer-<br />
Wohnung in einem Mittelschichtsviertel in São Bernardo do<br />
Campo, einem Vorort der brasilianischen Industriemetropole São<br />
Paulo. „Das alles“, sagt er lachend, „verdanke ich Mercedes-Benz.“<br />
Pedro Carlos Sancho arbeitet seit 21 Jahren im Lastwagen- und<br />
Buswerk von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien in São Bernardo. Als er<br />
mit 27 Jahren in der internen Werkstatt anfing und das Motoröl<br />
der Dienstwagen wechselte, wurden in der Fabrik in etwa so viele<br />
Nutzfahrzeuge produziert wie heute – allerdings mit doppelt so<br />
vielen Arbeitern und Angestellten. In den folgenden Jahren jagte<br />
eine Wirtschaftskrise die nächste. Niemand investierte mehr in<br />
Busse oder Laster. Viele Arbeiter wurden entlassen. Sancho konnte<br />
bleiben und ist heute für ein Band in der Motorenherstellung<br />
verantwortlich. Er hat Verständnis für den Schrumpfungsprozess.<br />
„Die Alternative war klar: Entweder wir bewegen uns, oder wir<br />
sterben.“<br />
„Wir sind geblieben. Das ist vielleicht das<br />
Nachhaltigste, was wir in diesem Land<br />
geleistet haben.“<br />
Gero Herrmann, Präsident von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien<br />
Das Werk in São Bernardo hat sich bewegt. Im vergangenen Jahr<br />
feierten die 11.500 Beschäftigten das 50-jährige Bestehen der<br />
Fabrik. Sie ist eine der effizientesten im weltweiten Produktionsnetz<br />
von <strong>Daimler</strong>Chrysler und mit ihrer schlanken Produktion<br />
und dem flexiblen Management ein Vorbild für andere Werke.<br />
Innerhalb von nur zwei Jahren wurde die gesamte Produktpalette<br />
erneuert. Selbst Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva,<br />
einst kämpferischer Arbeiterführer der Metallgewerkschaft, zollt<br />
Respekt. „Ich komme seit den 1970er-Jahren an das Werkstor<br />
dieser Fabrik“, sagte er bei der 50-Jahr-Feier. „Ich habe hier große<br />
Siege erlebt und sehr traurige Momente. Ich habe Schlangen von<br />
Arbeitern gesehen, die eingestellt wurden, und ich habe<br />
Schlangen von solchen gesehen, die entlassen wurden. All diese<br />
Kämpfe haben sich gelohnt.“ Heute spricht Lula ganz familiär von<br />
„unserer geliebten Mercedes-Benz Fabrik“. Er verspricht ein gutes<br />
Investitionsklima und hofft im Gegenzug, dass <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
dem Land weiterhin treu bleibt.<br />
Für Gero Herrmann, Präsident von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien, ist<br />
die Treue zum Standort eine Frage der Verantwortung. „Andere<br />
S. 6/<br />
Die Zentrale von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien damals und heute<br />
Familie Sancho arbeitet seit zwei Generationen bei <strong>Daimler</strong>Chrysler:<br />
Vater Pedro Carlos mit Tochter Daiane<br />
internationale Konzerne haben in den Krisen der vergangenen<br />
Jahrzehnte dichtgemacht“, sagt er. „Wir sind geblieben. Das ist<br />
vielleicht das Nachhaltigste, was wir in diesem Land geleistet<br />
haben.“<br />
Das Werk in São Bernardo wurde am 28. September 1956 vom<br />
damaligen Präsidenten Juscelino Kubitschek eröffnet. Seither<br />
verließen rund 1,6 Millionen Nutzfahrzeuge die Fabrik. Sie domi-<br />
nieren das Straßenbild des südamerikanischen Landes. Fünf<br />
von zehn Lastkraftwagen und sieben von zehn Bussen, die über<br />
Brasiliens Straßen rollen, tragen den Mercedes-Benz Stern. Die<br />
Produktion geht jedoch weit über den nationalen Bedarf hinaus.<br />
Ein großer Teil ist für den weltweiten Markt bestimmt. Fahrzeuge,<br />
Motoren, Getriebe und Achsen werden in über 50 Länder<br />
exportiert.<br />
Mercedes-Benz hat <strong>zur</strong> Industrialisierung des einstigen Agrar-<br />
staats maßgeblich beigetragen. Die Laster mit dem Stern waren<br />
dabei, als das zweitgrößte Fernstraßennetz der Welt entstand<br />
und als im Zentrum des Landes die neue Hauptstadt Brasilia<br />
gebaut wurde. Sie kamen bei der Konstruktion von Flughäfen,<br />
Kraftwerken und Staudämmen zum Einsatz. Das Werk in São<br />
Bernardo wuchs gemeinsam mit der Wirtschaft des Landes und<br />
setzte dabei neue Maßstäbe. So verhalf Mercedes-Benz dem<br />
Dieselmotor in Brasilien zum Durchbruch. Bevor 1956 das erste<br />
Exemplar des legendären „Torpedo“-Lasters das Werk verließ,<br />
waren gerade zwei Prozent der Nutzfahrzeuge mit diesem<br />
wirtschaftlichen Antrieb ausgestattet. Heute fährt in Brasilien<br />
kein Transporter mehr ohne Diesel.<br />
Durchbruch für Dieselmotoren<br />
Die Konkurrenz schlief nicht. Weitere internationale Konzerne<br />
drängten nach Brasilien, daneben entwickelte sich die heimische<br />
Industrie. Die Zeiten, in denen Busse und Laster von Mercedes-<br />
Benz den Markt beherrschten, sind vorbei. Die Nutzfahrzeuge<br />
sind heute zwar immer noch Marktführer. Sie müssen jedoch<br />
jeden Punkt oberhalb der 50-Prozent-Marke hart erkämpfen. Der<br />
Bau fertiger Busse wurde inzwischen eingestellt. Das Werk in São<br />
Bernardo ist auf Fahrgestelle spezialisiert. Den Aufbau haben<br />
lokale Hersteller übernommen. Etliche Kunden bestehen jedoch<br />
darauf, dass Mercedes-Benz die Endabnahme der Busse erledigt.<br />
„Sie legen Wert auf die Qualität von <strong>Daimler</strong>Chrysler“, sagt der<br />
für die Busproduktion verantwortliche José Carlos das Neves.<br />
Das Werk in São Bernardo ist ein Kompetenzzentrum von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler für die Entwicklung und Produktion von<br />
Busfahrgestellen. Am Rand des Werksgeländes steht das 1991<br />
eröffnete Zentrum für technologische Entwicklung. Mit 530 ><br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler
MoToRENfERTIGUNG sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />
bRAsILIEN
0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Ein Mercedes-Benz Bus der ersten Stunde und sein moderner<br />
Nachfolger auf den Straßen von São Bernardo<br />
s. 92 /93<br />
Arbeiter stanzen Karosserieteile an einer großen<br />
Presse<br />
Beschäftigten ist es das größte seiner Art im Konzern außerhalb<br />
von Deutschland. Es ist unter anderem für die Konstruktion und<br />
Entwicklung der leichten Lkw-Baureihe Accelo verantwortlich.<br />
Hauptsächlich aber beschäftigen sich die Ingenieure mit der<br />
Anpassung der Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge an die harten<br />
brasilianischen Verhältnisse. Der größte Teil des Straßennetzes<br />
ist nicht asphaltiert. Die Trucks sind dort ganz anderen Belastungen<br />
ausgesetzt als in Europa oder den USA. „Von unserer<br />
Arbeit profitieren auch die Kollegen in Deutschland“, sagt Decio<br />
Del Debbio, Direktor für Nationalisierung im Entwicklungszentrum.<br />
„Wenn sie Laster nach Afrika exportieren, müssen die ähnlich<br />
robust sein wie unsere brasilianischen.“<br />
Umweltschutz und Armutsbekämpfung<br />
Del Debbio kümmert sich darum, dass möglichst viele der in der<br />
Produktion verwendeten Teile in Brasilien hergestellt werden;<br />
sei es im Werk von São Bernardo oder bei einem der vielen<br />
Zulieferer. „Wir haben inzwischen einen Nationalisierungsgrad von<br />
über 80 Prozent“, sagt er. Das bedeutet weniger Zölle, weniger<br />
logistische Probleme und mehr Arbeitsplätze in Brasilien. Typisch<br />
brasilianische Produkte sind Kokosfasern. Sie kommen aus dem<br />
Norden des Landes, wo das Werk1992 ein Projekt <strong>zur</strong> Verarbeitung<br />
nachwachsender Rohstoffe angestoßen hat. Daraus entstand<br />
die Firma POEMAtec. Sie produziert mit den Fasern Sitze und<br />
Kopfstützen. Allein im Führerhaus vieler Mercedes-Benz Lkw sind<br />
20 Kilo des umweltfreundlichen Materials verarbeitet.<br />
Zum Teil stehen Zollbestimmungen einer umweltverträglichen<br />
Produktion im Weg. So dürfen die Lastermotoren, die das Werk in<br />
Richtung USA verlassen, nach den dortigen Vorschriften kein Öl<br />
enthalten. Das Problem: Die Motoren müssen vor der Ausfuhr<br />
getestet werden. Nach einer halben Stunde Probelauf hat sich<br />
der Schmierstoff in Altöl verwandelt. 2.100 Tonnen dieses Pro-<br />
blemabfalls mussten jährlich aufwendig entsorgt werden. Doch<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler-Ingenieure haben Abhilfe geschaffen. Sie<br />
entwickelten eine Methode, mit der das Motoröl aufbereitet und<br />
bis zu fünf Mal verwendet werden kann. Das spart nicht nur über<br />
eine Million Euro (1,3 Millionen US-Dollar) im Jahr. Gleichzeitig<br />
wurde die jährliche Altölmenge auf 377 Tonnen gesenkt.<br />
Energiepolitisch bedeutender ist die Entwicklung von Motoren,<br />
die einen hohen Anteil an Biodiesel verkraften. „Biodiesel hat<br />
mittel- und langfristig ein großes Potenzial“, sagt Gero Herrmann.<br />
„Brasilien ist darin führend, und die Regierung versucht, diese<br />
Stellung stark auszubauen.“ Demnächst wird die Beimischung<br />
von zwei Prozent Biodiesel Pflicht sein, die Bemühungen des<br />
Unternehmens gehen jedoch weiter. „Wir machen schon Tests >><br />
bRAsILIEN IN zAHLEN<br />
Brasilien<br />
8,5 Mio. km 2<br />
Deutschland<br />
187 Millionen Einwohner<br />
2.400 Euro/Jahr Einkommen<br />
pro Familie<br />
Als Mercedes-Benz 1956 sein<br />
Werk in São Bernardo do Campo<br />
eröffnete, lebten dort nur wenig<br />
mehr als 30.000 Menschen.<br />
Heute zählt die Stadt<br />
723.000 Einwohner.
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Motor der Wirtschaft 1<br />
Mitarbeiter vergnügen sich beim Carromspiel in der Pause Umweltschutz: Paletten werden bei <strong>Daimler</strong>Chrysler in Brasilien<br />
recycelt<br />
Familie Sancho genießt bescheidenen Wohlstand in ihrer Eigentumswohnung<br />
Im Gesundheitszentrum arbeiten Ärzte aller Fachrichtungen
2<br />
bRAsILIEN sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />
pREsswERK
RAsILIEN sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />
LAsTwAGENfERTIGUNG
360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Motor der Wirtschaft<br />
Das Ende der Produktionslinie ist erreicht, die Lkw<br />
sind fahrtauglich<br />
Arbeiter montieren den legendären „Torpedo“-Lkw<br />
s. 96/97<br />
Anpfiff nach der Spätschicht: Um Mitternacht treffen sich<br />
20 Arbeiter zum Fußballspielen<br />
mit höheren Anteilen“, sagt Herrmann. Der nachwachsende Rohstoff<br />
könne „ein entscheidender Faktor für das Land werden“ und<br />
diene – weil er Arbeitsplätze auf dem Land schafft – gleichzeitig<br />
der Armutsbekämpfung.<br />
Die Kombination aus Umweltschutz und Armutsbekämpfung findet<br />
sich selbst im Kleinen: Seit dem Jahr 2000 wird im Werk der<br />
Müll getrennt und die wiederverwertbaren Stoffe an das kleine<br />
Recyclingzentrum der benachbarten Kirchengemeinde geliefert.<br />
Die finanziert mit dem Erlös soziale Projekte und trennt inzwischen<br />
den Müll des ganzen Stadtteils. Auch Pedro Carlos Sancho sortiert<br />
zu Hause den Abfall. „Viele Nachbarn machen schon mit, und<br />
wir diskutieren gerade, ob wir das nicht im gesamten Wohnblock<br />
einführen wollen.“<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler macht es seinen Mitarbeitern und deren Angehörigen<br />
leicht, sich für das Unternehmen zu engagieren. Denn<br />
alle profitieren von den familienfreundlichen Leistungen des<br />
Arbeitgebers. So nehmen nicht nur Sancho und seine beiden<br />
Ältesten, sondern auch seine Frau und seine jüngste Tochter das<br />
Gesundheitssystem von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien in Anspruch.<br />
Es bietet weitaus mehr als die staatliche medizinische Versorgung.<br />
Intensive medizinische Versorgung<br />
Im Gesundheitszentrum auf dem Werksgelände arbeiten Ärzte<br />
aller Fachrichtungen. Sanchos Sohn Pedro Carlos und die Tochter<br />
Daiane haben die in die Fabrik integrierte staatlich regulierte<br />
Berufsschule besucht und sind, wie alle Absolventen, übernommen<br />
worden. Selbst seinen Haushalt hat Sancho „wie in der Produktion<br />
nach dem Prinzip der kürzesten Wege organisiert“. Werden die<br />
brasilianischen <strong>Daimler</strong>Chrysler-Arbeiter am Ende die besseren<br />
Deutschen? „Nein“, sagt Herrmann, es sei die Mischung aus<br />
brasilianischer Flexibilität und deutscher Disziplin, die den Erfolg<br />
ausmache.<br />
Auch Sancho ist in seinem Herzen ein richtiger Brasilianer<br />
geblieben. Jeden Freitag, wenn um Mitternacht die Schicht endet,<br />
geht er mit seinen Kollegen auf einen nahe gelegenen Fußballplatz<br />
und jagt im Schein des Flutlichts drei Stunden lang einem Ball<br />
nach. Welcher deutsche Arbeiter wollte morgens um drei noch<br />
Tore schießen? \<br />
voM ToRpEDo zUM AxoR<br />
1<br />
1 3<br />
1 6<br />
1<br />
1<br />
2000<br />
beginnt der polnische Einwanderer<br />
Alfred Jurzykowski mit dem Import von<br />
Limousinen und Fahrgestellen für Laster<br />
und Busse von Mercedes-Benz<br />
entsteht daraus Mercedes-Benz do<br />
Brasil<br />
nimmt das Werk von São Bernardo do<br />
Campo die Produktion auf<br />
startet in Campinas, ebenfalls im<br />
Bundesstaat São Paulo, ein Werk für<br />
die Busproduktion<br />
eröffnet das Pkw-Werk in Juiz de Fora<br />
im Bundesstaat Minas Gerais. Dort<br />
läuft zunächst die A-Klasse vom Band,<br />
später die C-Klasse und seit Kurzem die<br />
Sportcoupés der C-Klasse, vor allem<br />
für den Export nach Europa<br />
kommt die Busproduktion <strong>zur</strong>ück ins<br />
Stammhaus. Campinas dient heute<br />
als Standort für das Servicezentrum von<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler in Brasilien
6<br />
bRAsILIEN sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />
fUssbALLpLATz
IMpREssUM<br />
Herausgeber<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
70546 Stuttgart, Deutschland<br />
Auburn Hills, MI 48326-2766, USA<br />
Verantwortlich für den Herausgeber<br />
Prof. Dr. Herbert Kohler<br />
Robert G. Liberatore<br />
Hartmut Schick<br />
Gesamtkoordination<br />
Ulrike Becker<br />
Dr. Udo Hartmann<br />
Dr. Norbert Otten<br />
Objektkoordination<br />
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Matthias Steybe<br />
Redaktion<br />
agentur.zs<br />
Gestaltung<br />
design hoch drei<br />
Repro<br />
Eder Repro<br />
Druck<br />
Bechtle Druck<br />
Bildquellen<br />
Seite 16-23: Agentur Focus/Magnum, Corbis,<br />
Gettyimages, laif<br />
Seite 24: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung<br />
Seite 27, 28, 30: akg-images<br />
Seite 29: Courtesy Missouri Botanical Garden<br />
Seite 66-69: <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Ansprechpartner<br />
Dr. Norbert Otten<br />
E-Mail: norbert.otten@daimlerchrysler.com<br />
Vertriebs- und Bestellservice<br />
Uwe Haspel<br />
Tel. +49 (0)- 711-17-5 9185<br />
Fax. +49 (0)- 711-17-790-5 9185<br />
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© <strong>2007</strong> <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />
Der Bericht „360 GRAD – MAGAZIN<br />
<strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ ist auf Papier<br />
gedruckt, das zu 100 Prozent aus Altpapier<br />
hergestellt wurde und mit dem „Blauen<br />
Engel“ zertifiziert ist.<br />
Nachdruck, auch auszugsweise, nur<br />
mit schriftlicher Genehmigung des<br />
Herausgebers und mit dem Bild- und<br />
Textverweis „<strong>Daimler</strong>Chrysler“.<br />
„360 GRAD - FAKTEN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> 200 “<br />
Der ergänzende Bericht „360 GRAD – FAKTEN <strong>zur</strong><br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ bietet zudem faktenorientierte<br />
Informationen zum Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> und<br />
vervollständigt den vorliegenden Bericht. Er orientiert<br />
sich an den Richtlinien der Global Reporting Initiative<br />
(GRI) und erscheint zeitgleich mit dem Bericht<br />
„360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“.<br />
Weiterführende Informationen zum Themenkomplex <strong>Nachhaltigkeit</strong> finden Sie im Internet unter:<br />
www.daimlerchrysler.com/nachhaltigkeit<br />
<strong>Daimler</strong>Chrysler