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Magazin zur Nachhaltigkeit 2007 - Daimler Nachhaltigkeitsbericht ...

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<strong>Daimler</strong>Chrysler AG<br />

Stuttgart, Deutschland<br />

Auburn Hills, MI, USA<br />

www.daimlerchrysler.com<br />

„Wir können die Natur nur dadurch beherrschen, dass wir uns ihren Gesetzen unterwerfen.“<br />

Francis Bacon<br />

Klimaschutz


<strong>Daimler</strong>Chrysler


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Auftakt<br />

Auftakt<br />

360 GRAD Den Begriff der nachhaltigen Entwicklung hat vor 20 Jahren die ehemalige norwegische<br />

Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland geprägt. Sie leitete 1987 die Weltkommission<br />

für Zukunft und Entwicklung. Das Gremium definierte <strong>Nachhaltigkeit</strong> als ein Handeln,<br />

das der heutigen Generation dient, ohne den nachfolgenden Generationen zu schaden. Der<br />

sogenannte „Brundtland-Bericht“ nannte drei Voraussetzungen für diesen Prozess: Umweltschutz,<br />

Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit. <strong>Daimler</strong>Chrysler ist in allen drei<br />

Bereichen aktiv. Mit dem Schwerpunktthema „Klimaschutz“ vertieft der aktuelle Bericht "360<br />

GRAD - MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>" ein Thema, das die Menschen in 2006 besonders<br />

bewegt hat: die ökologische Dimension des nachhaltigen Wirtschaftens. Unsere Autoren und<br />

Fotografen berichten über entsprechende Initiativen und Maßnahmen von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

aus Asien, Europa und Nordamerika.<br />

Stefan Scheytt und Christoph Püschner etwa recherchierten die Markteinführung der<br />

sogenannten BLUETEC-Technologie. Das von <strong>Daimler</strong>Chrysler erstmals angebotene Abgasreinigungssystem<br />

macht den Diesel so sauber wie modernste Ottomotoren – und findet auf dem<br />

amerikanischen Markt immer mehr Käufer. Scheytt fiel bei seinen Recherchen in den USA<br />

ein Stimmungswandel auf: Galten Dieselfahrzeuge dort bislang als schmutzige Vehikel, sind<br />

sie wegen ihres niedrigen Spritverbrauchs, der verminderten Emissionen und ihrem agilen<br />

Drehmoment wieder sehr gefragt (Seite 48).<br />

Wirtschaftliche <strong>Nachhaltigkeit</strong> dokumentierten dagegen Autor Toni Keppeler und Fotograf<br />

Lukas Coch in Brasilien. Im Werk São Bernardo do Campo produziert <strong>Daimler</strong>Chrysler seit<br />

50 Jahren Busse und Lkw. Neben der Hochleistungsproduktion erlebten die Journalisten<br />

brasilianisches Lebensgefühl: Jeden Freitag um Mitternacht gehen die Mitarbeiter nach der<br />

Spätschicht eine Runde kicken. Lukas Coch, der die gleiche Schule besucht hat wie sein<br />

Namensvetter Lukas Podolski, blieb am Ball. Kaum hatte er seine Bilder im Kasten, stand<br />

er selbst auf dem Platz – und zeigte den Brasilianern mit zwei Toren, was ein deutscher<br />

Stürmer ist (Seite 86).<br />

Der Bericht „360 GRAD - MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ erzählt in Reportagen, Interviews<br />

und Features über das Engagement von <strong>Daimler</strong>Chrysler für eine nachhaltige Entwicklung.<br />

Der ergänzende Bericht „360 GRAD – FAKTEN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ und der Onlineauftritt<br />

(www.daimlerchrysler.com/nachhaltigkeit) bieten zudem umfangreiche Daten und<br />

Fakten zu allen drei Dimensionen der <strong>Nachhaltigkeit</strong> und vertiefen den Blick auf das Engagement<br />

zu diesem Themenfeld.<br />

Weiterführende Informationen zum Themenkomplex <strong>Nachhaltigkeit</strong> finden Sie im Internet unter:<br />

www.daimlerchrysler.com/nachhaltigkeit


6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

32<br />

48<br />

78<br />

86<br />

Leichter und raffinierter:<br />

der lange Weg zu sparsameren<br />

Motoren<br />

Sauber und verbrauchsarm:<br />

Neue Dieseltechnologie erobert<br />

den amerikanischen Markt<br />

Fleißig und kompetent: Der<br />

Nachwuchs von heute sind die<br />

Profis von morgen<br />

Effektiv und flexibel: Seit<br />

50 Jahren ist <strong>Daimler</strong>Chrysler in<br />

Brasilien zu Hause


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Inhalt<br />

4<br />

8<br />

12<br />

16<br />

24<br />

26<br />

32<br />

40<br />

44<br />

Inhalt<br />

auftakt<br />

langfristiges engagement<br />

Dieter Zetsche über Klimaschutz, die Maßnahmen des Konzerns und<br />

die Zukunft des Automobils<br />

koordinaten eines weltbürgers<br />

News aus der Welt von <strong>Daimler</strong>Chrysler und seinen internationalen<br />

Aktivitäten<br />

du lieber himmel<br />

Er gehört zu den beliebtesten Fotomotiven: Der Blick zum Himmel<br />

erfüllt uns mit Staunen und Zuversicht<br />

standpunkt<br />

Essay: Ökonom Ottmar Edenhofer über Kosten und Strategien des<br />

globalen Klimaschutzes<br />

die grüne kraft<br />

Biokraftstoffe verringern die Abhängigkeit vom Öl und reduzieren den<br />

CO2 - Ausstoß. <strong>Daimler</strong>Chrysler baut die passenden Fahrzeuge<br />

potenzial unter der haube<br />

Verbrennungsmotoren sind in den vergangenen Jahren immer<br />

sparsamer geworden. Ihr Kraftstoffverbrauch wird weiter sinken<br />

noch nicht alle möglichkeiten ausgereizt<br />

Interview: Forschungsleiter Herbert Kohler über CO2 -Emissionen und<br />

die Zukunft alternativer Antriebe<br />

co2-champion Mit dem smart fortwo baut <strong>Daimler</strong>Chrysler das einzige Drei-Liter-<br />

Auto der Welt<br />

46 news zum umgang mit der umwelt<br />

Technische Innovationen und neue Prozessabläufe verbessern<br />

weltweit die Umweltbilanz<br />

KLIMAschutz - schwerpunktthemen<br />

48<br />

54<br />

58<br />

66<br />

70<br />

76<br />

78<br />

86<br />

98<br />

sauberes comeback<br />

Das neue Abgasreinigungssystem BLUETEC macht Dieselantriebe so<br />

sauber wie Ottomotoren – bei niedrigerem Kraftstoffverbrauch<br />

trip durch tokio<br />

Der sparsamste Kleinlaster der Welt ist in Tokio unterwegs. Der Canter<br />

Eco Hybrid von Mitsubishi Fuso hat sich bewährt<br />

chancen für minderheiten<br />

Zulieferer, die benachteiligten ethnischen Gruppen angehören, bekom-<br />

men bei <strong>Daimler</strong>Chrysler eine besondere Chance – und nutzen sie<br />

coole wettbewerbe<br />

Mondialogo School Contest und Engineering Award begeistern Schüler<br />

und Studenten in aller Welt<br />

die freiwilligen<br />

Sie helfen Behinderten oder trainieren junge Sportler: 360 GRAD stellt<br />

Mitarbeiter und ihr gemeinnütziges Engagement vor<br />

news <strong>zur</strong> sozialen verantwortung<br />

Corporate Citizenship: Das Unternehmen betreibt in zahlreichen<br />

Projekten bürgerschaftliches Engagement<br />

generation zukunft<br />

Ob Studium oder Ausbildung: <strong>Daimler</strong>Chrysler schafft optimale<br />

Bedingungen für den Nachwuchs<br />

motor der wirtschaft<br />

Seit 50 Jahren produziert <strong>Daimler</strong>Chrysler in Brasilien Lkw und Busse.<br />

Das Werk wuchs gemeinsam mit der Wirtschaft des Landes<br />

impressum


Interview<br />

Michael Gleich<br />

Fotografie<br />

Barbara von Woellwarth<br />

49°N/9°E 360 GRAD: Herr Zetsche, im Mai 2006 sagten Sie: „Die<br />

Fusion von <strong>Daimler</strong> und Chrysler wird langfristig unsere Stärke<br />

sein.“ Jetzt scheint die einzige Stärke der starke Verlust beim<br />

Verkauf von Chrysler zu sein. Wie vermitteln Sie den Aktionären,<br />

das sei nachhaltiges Wirtschaften?<br />

Zetsche: Nachhaltig ist, dass wir 19,9 Prozent der Anteile von<br />

Chrysler behalten und damit die Kooperation langfristig fortsetzen.<br />

Deren Vorteile bleiben unverändert. Wir werden beispielsweise<br />

Dieselmotoren von Mercedes in Modelle beider Firmen einbauen,<br />

die Brennstoffzelle und Hybride gemeinsam weiterentwickeln.<br />

Gleichzeitig vermeiden wir Kapitalrisiken, die durch die Integration<br />

von Chrysler auf unsere Firma zugekommen sind. Das ist ökonomisch<br />

eine sehr positive Perspektive.<br />

360 GRAD: <strong>Nachhaltigkeit</strong> hat ja drei Aspekte – Soziales, Ökonomie<br />

und Ökologie. In den vergangenen Jahren hatte man den<br />

Eindruck, die wirtschaftliche Dimension finde mehr Beachtung<br />

bei <strong>Daimler</strong>Chrysler. Beobachten wir derzeit eine Renaissance<br />

ökologischer Themen in Ihrem Hause?<br />

Zetsche: Uns ist es wichtig, nicht im Zickzackkurs alle paar Jahre<br />

eine neue Priorität zu setzen. Umweltbelange sind für uns ein<br />

langfristiges Projekt, das zeigt unser andauerndes Engagement bei<br />

der Entwicklung von Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb.<br />

Richtig ist, dass wir eine Phase hinter uns haben, in der wir große<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

umweltbelange<br />

bedeuten für uns ein<br />

langfristiges Engagement<br />

Rundumblick <strong>Nachhaltigkeit</strong>: Dieter zetsche im Gespräch über Klimaschutz, die Entwicklung<br />

umweltschonender technologien im Automobilbereich sowie die hauseigenen unternehmenswerte<br />

und ethisch verantwortliches Wirtschaften<br />

wirtschaftliche Probleme zu lösen hatten, etwa die Verluste bei<br />

Mercedes. Jetzt, wo die Öffentlichkeit wieder stärker Umweltthemen<br />

diskutiert, richtet sie mehr ökologische Fragen an uns.<br />

Unsere Erfolge auf diesem Gebiet haben wir jedoch über Jahre<br />

hinweg erzielt. So hat die deutsche Automobilindustrie den Verbrauch<br />

ihrer Fahrzeuge in den letzten 15 Jahren um 25 Prozent<br />

gesenkt, <strong>Daimler</strong>Chrysler sogar um 30 Prozent.<br />

„Wir investieren weiter große summen in<br />

besonders umweltschonende technologien,<br />

beispielsweise die Brennstoffzelle.“<br />

360 GRAD: Solche Erfolgszahlen werden gerne zitiert, um sich auf<br />

den Lorbeeren aus<strong>zur</strong>uhen ...<br />

Zetsche: Nein, wir geben uns damit nicht zufrieden. Wir investieren<br />

weiter große Summen in besonders umweltschonende<br />

Technologien, beispielsweise die Brennstoffzelle. Außerdem<br />

werden wir zukünftig kein Fahrzeug mehr entwickeln, in das<br />

nicht auch ein Hybridmodul eingebaut werden kann. Die Benziner<br />

wollen wir noch sparsamer machen, etwa mit einer verbesserten<br />

Direkteinspritzung im Motor. Und den Diesel werden wir noch<br />

deutlich sauberer machen. Mit der BLUETEC-Technologie sind wir<br />

weltweit führend dabei. >


MERcEDEs-bENz MUsEUM UNTERTÜRKHEIM DEUTscHLAND


10 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

s. 9<br />

Dieter Zetsche: „Nachhaltig ist, dass wir 19,9 Prozent der Anteile<br />

von Chrysler behalten und damit die Kooperation langfristig<br />

fortsetzen.“<br />

„Aber ab 2008 werden wir BLuEtEc<br />

zunächst in der E-Klasse anbieten. Das ist<br />

ein großer Fortschritt für die umwelt. Wir<br />

erfüllen damit ziele der Europäischen union,<br />

die eigentlich erst ab herbst 2009 gelten.“<br />

360 GRAD: Wann wird diese saubere Dieseltechnologie, die in<br />

den USA schon verfügbar ist, für Pkw in Europa angeboten?<br />

Zetsche: Leider gibt es schwefelarmen Diesel – eine Voraussetzung<br />

für unsere saubere BLUETEC-Technologie – noch nicht<br />

europaweit. Außerdem muss die Technologie an europäische<br />

Kundenerwartungen angepasst werden – sie muss zum Beispiel<br />

dauerhaft Höchstgeschwindigkeiten auf der Autobahn aushalten.<br />

Aber ab 2008 werden wir BLUETEC zunächst in der E-Klasse<br />

anbieten. Das ist ein großer Fortschritt für die Umwelt. Wir<br />

erfüllen damit Ziele der Europäischen Union, die eigentlich erst<br />

ab Herbst 2009 gelten.<br />

360 GRAD: Welches Argument für verbrauchsarme Autos wiegt<br />

schwerer für Sie – Klimaschutz oder das absehbare Ende des<br />

billigen Erdöls?<br />

Zetsche: Beides sind gute Gründe, und sie schließen einander<br />

nicht aus. Um Kohlendioxid zu reduzieren, halte ich allerdings<br />

nur einen umfassenden Ansatz für sinnvoll, der über die Autoherstellung<br />

hinausgeht. Stellschrauben sind auch das Fahrverhalten,<br />

verbesserte Straßen, neue Biokraftstoffe und die Vermeidung von<br />

Staus. Der sparsame Umgang mit der endlichen Ressource Erdöl<br />

spielt in unseren Strategien für die Zukunft eine wichtige Rolle.<br />

Zwar wissen wir nicht genau, wie lange es noch Erdöl zu heutigen<br />

Preisen gibt. Aber wir müssen auf jeden Fall Antworten für die<br />

Zeit danach finden. Als Ingenieur bin ich zuversichtlich, dass wir<br />

die notwendigen technischen Lösungen entwickeln.<br />

360 GRAD: In der Öffentlichkeit wird heftig über die globale Klimaveränderung<br />

diskutiert. Wie beurteilen Sie die Art und Weise, wie<br />

das geschieht?<br />

Zetsche: Grundsätzlich ist die Diskussion richtig und wichtig. Und<br />

die Überlegung, dass weniger CO 2-Ausstoß auch weniger in das<br />

Klimageschehen eingreift, ist ein guter Ausgangspunkt für unser<br />

Handeln. Allerdings befremdet mich das Stereotyp, wonach die<br />

USA als Energieverschwender und Luftverpester gebrandmarkt<br />

werden. Dabei wird übersehen, welche wichtigen Vorgaben <strong>zur</strong><br />

Luftreinhaltung und technische Innovationen wie der Katalysator<br />

aus Kalifornien kamen. Auch in den USA wurden in den letzten<br />

Jahren durch technologische Innovationen große Effizienzsteigerungen<br />

erzielt. Unstrittig ist für mich aber auch: Für ein globales<br />

Klimaabkommen in der Nachfolge von Kyoto bedarf es der Einbindung<br />

der USA und zumindest der großen Schwellen- und<br />

Entwicklungsländer. Besser als gegenseitige Vorurteile vorzubringen<br />

wäre es, voneinander zu lernen.<br />

360 GRAD: Der smart war lange ein ungeliebtes, weil verlustbringendes<br />

Kind des Konzerns. Mausert er sich nun zu Ihrem<br />

ökologischen Hoffnungsträger?<br />

Zetsche: Wir werden den smart fortwo mit großem Einsatz weiterentwickeln.<br />

Ich bin von der Stimmigkeit des Konzepts eines<br />

kleinen, sparsamen Stadtautos überzeugt. Auch wirtschaftlich<br />

macht der smart mittlerweile Freude: Er wird dieses Jahr eine<br />

„schwarze Null“, in den kommenden Jahren ordentliche Gewinne<br />

erzielen. Und er stößt als CDI nur 88 Gramm Kohlendioxid pro<br />

Kilometer aus, ist somit weltweit der CO 2-Champion. Auch deshalb<br />

sind wir stolz darauf, ihn in unserem Portfolio zu haben.<br />

Doch damit geben wir uns nicht zufrieden. Ein neu entwickelter<br />

Startergenerator wird den Verbrauch des smart mit Benzinmotor<br />

je nach Fahrprofil noch einmal um fünf bis 12 Prozent verringern.<br />

„Wir haben ein ehrgeiziges ziel:<br />

unser unternehmen will führend in sachen<br />

transparenz werden.“<br />

360 GRAD: Was bringen eigentlich schriftlich formulierte Regelwerke,<br />

in denen Unternehmen sich auf Transparenz, Respekt und<br />

Ehrlichkeit festlegen – reicht es nicht, solche Werte vorzuleben?<br />

Zetsche: Natürlich ist es wichtig, dass die Führungsebene ihre<br />

Vorbildfunktion wahrnimmt. In einem Unternehmen unserer<br />

Größe brauchen wir darüber hinaus klare ethische Regeln, die<br />

allen bekannt sind. Und wir benötigen Mitarbeitertrainings,<br />

damit sie jeder richtig versteht. Schließlich bedarf es Kontrollen,<br />

ob der Kodex eingehalten wird. Dafür haben wir eine weltweite<br />

Organisation aufgebaut, die überwacht, ob es zum Beispiel<br />

Verstöße gegen das Verbot der Korruption gibt. Wir haben ein<br />

ehrgeiziges Ziel: Unser Unternehmen will führend in Sachen<br />

Transparenz werden. Konkret heißt das: In unserer Branche<br />

wollen wir die beste Organisation für die Einhaltung und Kontrolle<br />

ethischer Werte einrichten.


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Interview Dieter Zetsche 11<br />

„Wenn Manager Arbeitsplätze abbauen,<br />

kann man das nicht generell als unethisches<br />

Verhalten abstempeln. Gerade<br />

schwierige Entscheidungen belegen<br />

manchmal mehr Verantwortungsgefühl<br />

als das Ausweichen davor.“<br />

360 GRAD: Was ist Ihre Antwort auf das schlechte Image, das<br />

Topmanager nach vielen Unternehmensskandalen mittlerweile<br />

in der Öffentlichkeit haben?<br />

Zetsche: Es gibt bei diesen Skandalen nichts zu beschönigen.<br />

Sie haben dem Ansehen des Berufsstandes geschadet. Aber ich<br />

halte nichts davon, nun pauschal ganze Gruppen von Menschen<br />

zu verteufeln, die meist hart arbeiten und positive Ziele verfolgen.<br />

Manche Kritik beruht auch auf Missverständnissen: Wenn Manager<br />

Arbeitsplätze abbauen, kann man das nicht generell als unethisches<br />

Verhalten abstempeln. Gerade schwierige Entscheidungen<br />

belegen manchmal mehr Verantwortungsgefühl als das Ausweichen<br />

davor.<br />

360 GRAD: Der Arbeitsplatzabbau der jüngsten Vergangenheit<br />

wurde von Ihnen damit begründet, dass man einige Stellen<br />

abbauen muss, um den großen Rest zu retten. Führt aber nicht<br />

allein die Ankündigung von Arbeitsplatzabbau zu einer Art<br />

Angststarre?<br />

Zetsche: Die größte Angst entstand bei unseren Mitarbeitern<br />

dadurch, dass Mercedes Verluste machte. Und der schnell wiederkehrende<br />

Erfolg ist sicher die wichtigste Quelle von Zuversicht<br />

bei der Belegschaft. Sicher, jede Kündigung ist ein schwieriger<br />

Vorgang. Deshalb ist dabei Transparenz das oberste Gebot. Ich<br />

persönlich stelle mich der Diskussion mit den Betroffenen und<br />

erläutere offen die Gründe und Konsequenzen. Wenn ein Arbeitsplatzabbau<br />

unvermeidlich ist, muss dies für den Einzelnen fair<br />

gestaltet werden, etwa mit attraktiven finanziellen Angeboten.<br />

Dass wir die Jobs auf eine faire Weise abgebaut haben, zeigt die<br />

Tatsache, dass es relativ wenig Diskussionen gegeben hat.<br />

360 GRAD: Muss sich ein Unternehmen wie <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

wirklich für soziale und kulturelle Anliegen außerhalb der Firma<br />

engagieren? Oder sollte man sich nicht ehrlicherweise auf das<br />

eigene sozial und ökologisch verantwortliche Wirtschaften<br />

konzentrieren?<br />

Zetsche: Unternehmen sind nun mal Teil der Gesellschaft. Sie<br />

schaffen Arbeitsplätze und zahlen Steuern, das sind wesentliche<br />

Beiträge <strong>zur</strong> gesellschaftlichen Stabilität. Aber auch darüber<br />

hinaus sollten wir uns engagieren, insbesondere in Feldern, die<br />

uns thematisch naheliegen. Da wir höchsten Wert auf die Sicherheit<br />

unserer Autos legen, ist es sinnvoll, uns auch über das<br />

Produkt hinaus für sicheres Fahren zu engagieren, etwa indem<br />

wir für viele Tausend Menschen Trainings anbieten. Da geht es<br />

uns um den höchsten Wert, das menschliche Leben. \


12<br />

Koordinaten eines Weltbürgers<br />

ENGAGEMENT jENsEITs DEs wERKsToREs<br />

Denver – Die Hilfsorganisation „United Way“<br />

zeichnete <strong>Daimler</strong>Chrysler mit zwei „Summit<br />

Awards“ für soziales Engagement aus<br />

39° N /105° w<br />

41° N /83° w<br />

ToLEDo bEMÜHT sIcH UM sTANDoRT<br />

Toledo – Mit einer ungewöhnlichen Initiative<br />

sicherte die Stadt Toledo im US-Bundesstaat<br />

Ohio ihr <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk in der Kommune


49° N /9° E<br />

52° N /13° E<br />

30° N /31° E<br />

Ob Krankentransporte in Ägypten oder Verkehrserziehung in Indien: <strong>Daimler</strong>Chrysler und seine<br />

Mitarbeiter engagieren sich weltweit erfolgreich für soziale Projekte und den Umweltschutz<br />

UMwELTzERTIfIKAT fÜR c-KLAssE<br />

Sindelfingen – Niedriger Spritverbrauch<br />

und weniger Schadstoffemissionen bringen<br />

der neuen C-Klasse eine besondere Auszeichnung<br />

ein<br />

voRbILDLIcHE UMwELTKoMMUNIKATIoN<br />

Berlin – Für ihre vorbildliche Umweltkommunikation<br />

erhielt die <strong>Daimler</strong>Chrysler Vertriebsorganisation<br />

Deutschland den „EMAS-Award 2006“ der EU<br />

NEUE TEcHNIK fÜR wENIGER UNfäLLE<br />

Stuttgart – <strong>Daimler</strong>Chrysler entwickelte neue<br />

Sicherheitssysteme für Lkw, Omnibus und Transporter<br />

HILfE fÜR KLEINE KREbspATIENTEN<br />

Kairo – Mithilfe von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Ägypten baut die Kinderhilfsorganisation<br />

„Star Care Egypt“ in Kairo einen Fahrdienst<br />

für krebskranke Kinder auf<br />

28° N /77° E<br />

MEHR sIcHERHEIT fÜR KINDER<br />

Delhi – Im Rahmen seiner Initiative<br />

„MobileKids“ machte <strong>Daimler</strong>Chrysler 1.000<br />

Kinder in der indischen Metropole Delhi fit für<br />

den Verkehr<br />

13


1 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

39°N/105°w<br />

Engagement jenseits<br />

des Werkstores<br />

Denver – <strong>Daimler</strong>Chrysler versteht<br />

sich als „Corporate Citizen“,<br />

nimmt seine soziale Verantwortung<br />

wahr und engagiert<br />

sich nicht nur als Arbeitgeber<br />

und Steuerzahler, sondern weit<br />

über die eigentliche Geschäftstätigkeit<br />

hinaus. Die Firma<br />

hat im Jahr 2006 gleich zwei<br />

„Summit Awards“ der amerikanischen<br />

Hilfsorganisation „United<br />

Way“ erhalten, die damit<br />

den vielfältigen Einsatz des<br />

Konzerns und seiner Mitarbeiter,<br />

etwa nach dem Hurrikan<br />

Katrina in New Orleans, würdigt.<br />

Auch an anderer Stelle<br />

wird geholfen: In Payagala auf<br />

Sri Lanka konnte im Januar<br />

<strong>2007</strong> die „<strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

School of Hope“ eröffnet werden.<br />

Mitarbeiter des Unternehmens<br />

und der Verein<br />

„<strong>Daimler</strong>Chrysler hilft e.V.“<br />

hatten nach dem verheerenden<br />

Tsunami in Südostasien Geld für<br />

den Wiederaufbau der zerstörten<br />

Grundschule St. Joseph’s<br />

Girls School gesammelt.<br />

41°N/83°w<br />

toledo bemüht sich<br />

um standort<br />

Toledo – Auszeichnung für die<br />

Stadt Toledo im US-Bundesstaat<br />

Ohio: Für ihre Bemühungen,<br />

das mehr Platz benötigende<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk in<br />

der Kommune zu halten, wurde<br />

die Stadtverwaltung auf der<br />

„National Brownfields Conference“,<br />

der wichtigsten USamerikanischen<br />

Kommission für<br />

Industriebrachen und Altlasten,<br />

von der Environmental Protection<br />

Agency (EPA) mit einem<br />

„Phoenix Award“ ausgezeichnet.<br />

Das von der Stadtverwaltung,<br />

dem Staat Ohio und vielen<br />

privaten und öffentlichen Partnern<br />

betriebene Projekt beinhaltete<br />

die Sanierung von etwa<br />

70 Hektar Gelände, das früher<br />

unter anderem der Verhüttung<br />

von Aluminium diente. Nach<br />

einer Umweltprüfung für das<br />

Gelände und der Entfernung<br />

von etwa 150.000 Kubikmetern<br />

verschmutzter Erde konnte das<br />

Areal von den Zulieferern der<br />

Chrysler Group genutzt werden.<br />

Die „Phoenix Awards“ gelten als<br />

die wichtigste US-amerikanische<br />

Auszeichnung für Erfolge<br />

im Bereich der Altlastensanierung<br />

und Stadtplanung.<br />

49°N/9°E<br />

umweltzertifikat<br />

für c - Klasse<br />

Sindelfingen – Das Serienmodell<br />

der neuen Mercedes-Benz<br />

C-Klasse ist umweltfreundlicher<br />

als das Vorgängermodell aus<br />

dem Jahr 2000. Über den<br />

Lebenszyklus der neuen Limousine<br />

verringern sich die<br />

Kohlendioxidemissionen um<br />

15 Prozent. Der Gesamtenergiebedarf<br />

liegt um 125 Gigajoule<br />

niedriger – das entspricht rund<br />

3.800 Litern Kraftstoff. Die<br />

Stickoxidemissionen sinken um<br />

20 Prozent, Kohlenwasserstoffemissionen<br />

um zwölf Prozent.<br />

Dank des Partikelfilters hat sich<br />

der Feinstaubausstoß bei den<br />

Dieselmodellen um über<br />

90 Prozent vermindert. Diese<br />

Entwicklung der Limousine wird<br />

durch ein Umweltzertifikat bestätigt,<br />

das 2005 erstmals die<br />

Mercedes-Benz S-Klasse erhielt<br />

und das jetzt auch für die neue<br />

C-Klasse vorliegt. Mercedes-<br />

Benz ist weltweit die einzige<br />

Automobilmarke mit einem solchen<br />

Zertifikat.


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Koordinaten eines Weltbürgers 1<br />

49°N/9°E<br />

Neue technik<br />

für weniger unfälle<br />

Stuttgart – <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

setzt neue Sicherheitsstandards<br />

bei Lkw, Omnibus und Transporter.<br />

Mercedes-Benz Safety<br />

Truck, Mercedes-Benz Safety<br />

Coach und Mercedes-Benz<br />

Safety Van vereinigen alle <strong>zur</strong>zeit<br />

lieferbaren Assistenz- und<br />

Sicherheitssysteme, ergänzt<br />

um neue Techniken wie Active<br />

Brake Assist (Notbremsassistent)<br />

beim Lkw, Spurassistent<br />

beim Reisebus und adaptives<br />

ESP ® beim Transporter. Die<br />

modernen Sicherheitstechniken<br />

können Unfallzahlen senken<br />

und Unfallfolgen verringern.<br />

„Beim Lkw mit dem<br />

Sicherheitspaket zeigt die Bilanz<br />

nur halb so viele Unfälle<br />

wie bei herkömmlich ausgestatteten<br />

Zugmaschinen. Im<br />

Falle eines Unfalls waren die<br />

Schadenssummen um 90 Prozent<br />

niedriger“, sagt Andreas<br />

Renschler, im Vorstand von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler für die Truck<br />

Group und Busse zuständig.<br />

52°N/13°E<br />

Vorbildliche umweltkommunikation<br />

Berlin – Die <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Vertriebsorganisation Deutschland<br />

(DCVD) ist als Landessieger<br />

in der Kategorie „große<br />

Unternehmen“ mit dem EMAS-<br />

Award 2006 ausgezeichnet<br />

worden. Der vom Umweltdirektorat<br />

der Europäischen Union<br />

verliehene Preis würdigt die<br />

beste interne und externe<br />

Kommunikation zum Thema<br />

Umweltmanagement. Die nachhaltigen<br />

Aktivitäten <strong>zur</strong> Umweltkommunikation,<br />

die aktuelle<br />

Umwelterklärung der DCVD und<br />

die Vernetzung der Kommunikationsmaßnahmen<br />

mit dem Um-<br />

weltbericht und einem Internet-<br />

portal überzeugten die Jury.<br />

Sie würdigte die Maßnahmen<br />

als vorbildliches Beispiel der<br />

Berichterstattung über die<br />

ständigen Verbesserungen im<br />

Umweltschutz. EMAS, das Öko-<br />

Audit der Europäischen Union,<br />

ist ein Instrument für Unternehmen<br />

<strong>zur</strong> Verbesserung ihrer<br />

Umweltleistung.<br />

30°N/31°E<br />

hilfe für kleine<br />

Krebspatienten<br />

Kairo – Kein eigenes Auto und<br />

kein Geld für ein Taxi: Viele<br />

Eltern in Kairo haben Mühe,<br />

ihre kranken Kinder regelmäßig<br />

quer durch den legendär chaotischen<br />

Verkehr der Metropole<br />

zu Behandlungen ins Krankenhaus<br />

zu bringen. Das soll sich<br />

ändern: Der Verein „Star Care<br />

Egypt“ will Geld sammeln, um<br />

dem Children’s Cancer Hospital<br />

in Kairo eine Mercedes-Benz<br />

A-Klasse <strong>zur</strong> Verfügung stellen<br />

zu können. Ein Jahr lang sollen<br />

auch die Gehälter des Fahrers<br />

und einer Krankenschwester<br />

finanziert werden. So können<br />

bald viele junge Patienten<br />

sicher ins Krankenhaus und<br />

wieder nach Hause gebracht<br />

werden. Hinter dem Verein<br />

„Star Care Egypt“ stehen<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler Ägypten und<br />

lokale Partner. Die Kinderhilfsorganisation<br />

„Star Care“ hat<br />

ihre Wurzeln in Deutschland<br />

– nun wird die Idee auf den afrikanischen<br />

Kontinent exportiert.<br />

28°N/77°E<br />

Mehr sicherheit für<br />

Kinder<br />

Delhi – Wie überquert man<br />

die Straße richtig? Wie macht<br />

man Autofahrer auf sich aufmerksam?<br />

Wie genau funktionieren<br />

die Vorfahrtsregeln?<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler engagiert sich<br />

mit der Initiative „MobileKids“<br />

für die schwächsten aller Verkehrsteilnehmer:<br />

die Kinder. In<br />

der indischen Metropole Delhi<br />

nahmen im Jahr 2006 rund<br />

1.000 Jungen und Mädchen<br />

verschiedener Schulen an dem<br />

Projekt teil. Sie machten sich<br />

mit einem eigens konzipierten<br />

Bilderbuch und einer Schulung<br />

durch die Verkehrspolizei, bei<br />

Malwettbewerben und einem<br />

Quiz zum Thema Verkehrssicherheit<br />

schlau. Der Gewinner<br />

des Wettbewerbs wurde einen<br />

Tag lang von einem Chauffeur<br />

durch die Stadt gefahren. Die<br />

weltweite Initiative „MobileKids“<br />

startete 2001 und wird in verschiedenen<br />

europäischen und<br />

asiatischen Ländern durch nationale<br />

Kampagnen ergänzt.


16<br />

Du lieber himmel<br />

Autor<br />

Michael Gleich<br />

Der Blick nach oben ist die einfachste Möglichkeit des Menschen, unfassbares zu erleben.<br />

Manchmal scheinen tief hängende Wolken zum Greifen nah zu sein. Dann wieder ahnen wir<br />

hinter dem tiefblau die unbegreifliche Weite des Weltraums. Wir staunen mit nie erlahmender<br />

Faszination, was man schon daran erkennt, dass der himmel zu den meistfotografierten „Landschaften“<br />

gehört. Kein Wunder, dass dieses Etwas über uns <strong>zur</strong> Projektionsfläche für Mythen<br />

aller Art wurde. Im himmel wohnen die Götter. Die unendlichkeit von horizont zu horizont drängt<br />

sich als sinnbild für das ewige Leben auf. Eine mögliche herkunft des Wortes himmel aus dem<br />

Indogermanischen lautet „hülle, Decke“. Wir werden beschützt und gewärmt, und alles Gute<br />

kommt von oben: Du lieber himmel! ><br />

56°N /85°E / ToMsK / RUssLAND


50°N /4°w/ sAINT AUsTELL / GRossbRITANNIEN<br />

54°N /24°E / KAUNAs / LITAUEN<br />

36°N / 118°E / boHAI-bUcHT / cHINA<br />

54°N /9°E / KoLLUND / DäNEMARK


26°N /119°E / fUzHoU / pRovINz fUjIAN / cHINA<br />

67°s /140°E / DUMoNT D' URvILLE / ANTARKTIs<br />

43°N /7°E /ARMA DI TAGGIA / ITALIEN<br />

19°N /88°w/ cHUNHUás / MExIKo<br />

35°N /138°E / HAMAMATsU / jApAN


36°N /112°w/ GRAND cANyoN / coLoRADo/UsA<br />

46°s /170°E / DUNEDIN / NEUsEELAND<br />

70°N /19°E / TRoMsø / NoRwEGEN


66°N /26°E / RovANIEMI / fINNLAND<br />

45°N/5°E / MoNTELIMAR / fRANKREIcH<br />

Irgendwann fing der Mensch an, Fabriken zu bauen und darauf schornsteine, aus denen er seine<br />

Wolke selbst gen himmel pustete. sie war grau, schwarz oder schweflig-gelb. sie färbte das<br />

Firmament mit dunkler Firnis. Das nannten sie industrielle Revolution. später tauchten die ersten<br />

zweifel auf, ob die Geduld des himmels unendlich sei. Das nannten sie umweltbewusstsein. Die<br />

bange Frage lautete: Wird das Blau allen Dreck schlucken, den wir nach oben schicken? ><br />

48°N/12°E /pRIEN / cHIEMsEE / DEUTscHLAND


46°s/170°E / DUNEDIN / NEUsEELAND<br />

45°N/12°E / vENEDIG / ITALIEN<br />

6°s /155°E / boUGAINvILLE / soLoMoN IsLANDs


47°N/39°E / TAGANRoG / RUssLAND<br />

33°N/106°w/ sAN ANToNIo / NEw MExIco / UsA<br />

49°N/10°E / DILLINGEN / DEUTscHLAND<br />

7°s /108°E / cIREboN / jAvA<br />

22°N/81°w / cIENfUEGos / KUbA


34°N/84°w/ GEoRGIA / UsA<br />

heutzutage drohen noch unheimlichere Gefahren. zwar ist der himmel wieder blau, aber treibhausgase<br />

erzeugen in der Atmosphäre einen unsichtbaren schild, der die Erde aufheizt. Der<br />

größte teil dieses treibhauseffektes hat natürliche ursachen und ist hochwillkommen – er macht<br />

die Erde erst bewohnbar. Die zusätzlich vom Menschen verursachten Emissionen beherrschen<br />

als „Klimakatastrophe“ die schlagzeilen, was blanker unsinn ist, weil Katastrophen unvorhersehbar<br />

kommen. Die Begrifflichkeit spielt mit religiösen Vorstellungen: Der himmel zürnt! Gegen das<br />

schicksal sind wir machtlos! so produzieren die Alarmrufe der Panik-Päpste das Gegenteil von<br />

dem, was sie erreichen wollen. sie motivieren nicht zum handeln, sondern fördern Resignation.<br />

Das vernebelt tatsächliche Möglichkeitsräume. Denn wir verfügen über technologien, um den<br />

Ausstoß von Kohlendioxid zu vermindern. Wie wäre es mit einem Blick nach oben in zuversicht? \<br />

23


2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Autor<br />

Ottmar Edenhofer<br />

52° N /13° E Zyniker seien Menschen, die von allem den Preis<br />

und von nichts den Wert kennen, hat Oscar Wilde einmal gesagt.<br />

Vielen Klimaschützern galten Ökonomen als Zyniker, weil sie dem<br />

Klimaschutz bislang ablehnend gegenüberstanden: Die Schäden<br />

selbst eines ungebremsten Klimawandels seien relativ gering,<br />

die Kosten der Verminderung von Emissionen vor allem in den<br />

Industriestaaten hoch. Eine ambitionierte Klimapolitik, die auf<br />

drastische Verminderungen der Treibhausgasemissionen setzt,<br />

schien daher nicht angeraten zu sein. Dieses Bild ist von der<br />

Realität eingeholt worden. Der frühere Chefökonom der Weltbank<br />

Sir Nicholas Stern weist in seinem Bericht nach, dass die Schäden<br />

eines ungebremsten Klimawandels höher sind als bisher vermutet.<br />

Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Kosten der Verminderung<br />

von Emissionen wesentlich geringer eingeschätzt werden müssen,<br />

als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war.<br />

Kosten geringer als befürchtet<br />

Vor allem amerikanische Ökonomen haben gezeigt, dass der<br />

Klimawandel in ökonomisch entwickelten Regionen (USA, Europa)<br />

höhere Schäden verursacht als bisher angenommen. Darüber<br />

hinaus konnten in den vergangenen Jahren Schwellenwerte im<br />

Erdsystem identifiziert werden, deren Überschreiten zu dramatischen<br />

Folgen führt: Die Versauerung der Ozeane und das Austrocknen<br />

des Regenwaldes infolge des Klimawandels können die<br />

Erderwärmung noch weiter beschleunigen. Darum raten viele<br />

Wissenschaftler zum Vorsichtsprinzip. Der Anstieg der globalen<br />

Mitteltemperatur gegenüber dem vorindustriellen Niveau solle auf<br />

zwei Grad Celsius begrenzt werden, um diese Risiken auszuschließen.<br />

Auch Ökonomen könnten sich mit dem Vorsichtsprinzip<br />

anfreunden, wenn gezeigt werden kann, dass die Begrenzung des<br />

Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad Celsius zu<br />

akzeptablen Kosten machbar ist.


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Standpunkt 2<br />

Kosten und strategien des<br />

globalen Klimaschutzes<br />

Ottmar Edenhofer ist chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und<br />

spezialist für die Auswirkungen des technischen Wandels auf den Klimaschutz<br />

Die Kosten einer drastischen Verminderung von Treibhausgasemissionen<br />

sind geringer als bisher befürchtet: Neuere Untersuchungen<br />

des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, die<br />

der Stern-Bericht zustimmend zitiert und die im Vierten Sachstandsbericht<br />

des IPCC ausführlich diskutiert werden, zeigen,<br />

dass die Kosten des Klimaschutzes beträchtlich nach unten<br />

korrigiert werden müssen. Mit weniger als einem Prozent des<br />

weltweiten Wirtschaftswachstums lässt sich das Zwei-Grad-<br />

Celsius-Ziel erreichen, was darauf hinausliefe, dass sich das<br />

Wirtschaftswachstum im 21. Jahrhundert lediglich um wenige<br />

Monate verzögerte. Dies ist dann der Fall, wenn die Klimapolitik<br />

in ausreichendem Maße Innovationen mobilisieren kann. Die<br />

Frage der Ökonomen, ob sich Klimaschutz lohnt, ist damit beantwortet:<br />

Ambitionierter Klimaschutz ist notwendig und finanzier-<br />

bar, wenn Klimapolitik in ausreichendem Maße technologische<br />

Innovationen motivieren kann.<br />

Krise der Klimapolitik?<br />

Wenn Klimaschutz <strong>zur</strong> Vermeidung gefährlichen Klimawandels<br />

nicht nur notwendig, sondern auch wirtschaftlich lohnend ist,<br />

warum steckt dann die internationale Klimadiplomatie in einer<br />

Krise? Die Antwort ist einfach. Bei einer Klimapolitik müssten<br />

zumindest grundsätzlich alle Länder mitmachen. Wenn aber alle<br />

verantwortlich sind, ist keiner verantwortlich. Jeder Staat, jedes<br />

Unternehmen steht immer in der Versuchung, auszuscheren und<br />

die Arbeit die anderen machen zu lassen. Genau hier liegt das<br />

moralische Problem der Klimapolitik. Die Klimaverhandlungen<br />

haben daher bislang keine wesentlichen Fortschritte gebracht –<br />

weder wurden weitere Schritte zu einer Verminderung der Treibhausgasemissionen<br />

vereinbart, noch wurden Verhandlungen mit<br />

den Staaten aufgenommen, die bislang noch keine Verpflichtung<br />

<strong>zur</strong> Verminderung der Treibhausgasemissionen übernommen<br />

haben, wie die USA, China oder Indien, die aber zu den Hauptemittenten<br />

gehören oder gehören werden. Ohne das Bewusst-<br />

sein, dass die Menschheit gemeinschaftlich für die Gefahren des<br />

Klimawandels haften muss, werden keine internationalen Vereinbarungen<br />

zum Klimaschutz zustande kommen.<br />

Was wir tun müssen<br />

Die heutige Menschheit haftet aber auch für die kommenden Generationen.<br />

Auch sie haben ein Anrecht auf wirtschaftliches Wachstum<br />

und auf Überwindung der Armut. Die heute wohlhabenden<br />

Länder haben für ihre Industrialisierung die Atmosphäre bereits<br />

ausgiebig genutzt. Wer künftig Treibhausgase emittieren will, muss<br />

dafür zahlen. Die Atmosphäre kann heute kostenlos genutzt<br />

werden, da CO 2 keinen Preis hat. Es kann daher nicht überraschen,<br />

dass sich bislang kaum Innovationen im Energiesektor durchsetzen<br />

konnten, die die CO 2-Emissionen verringern. Durch die Ausgabe<br />

von Emissionsrechten wird eine Obergrenze für Emissionen politisch<br />

festgelegt, die nicht überschritten werden darf. Da die Emissionsrechte<br />

handelbar sind, kann sich auf dem Markt ein Preis bilden,<br />

der den volkswirtschaftlichen Kosten der Emissionen entspricht.<br />

Innovatoren des Klimaschutzes, die über billige Verfahren der Verminderung<br />

von Emissionen verfügen, können ihre Rechte am Markt<br />

verkaufen und damit Gewinne einfahren. Je höher das Innovationspotenzial<br />

der Wirtschaft ist, umso weniger muss der Preis für die<br />

Emissionen steigen. So zeigen die Berechnungen des Potsdam-<br />

Instituts für Klimafolgenforschung, dass der erfolgreiche Umbau zu<br />

einem emissionsfreien Energiesystem den CO 2-Preis langfristig<br />

wieder sinken lässt. Dies ist aber nur möglich, wenn nach Möglichkeit<br />

alle Sektoren und alle Regionen in diesen globalen Emissionsmarkt<br />

mit einbezogen sind: Erst ein globaler Markt für Emissionsrechte<br />

wird die Such- und Lernprozesse auslösen, die für eine<br />

dritte industrielle Revolution notwendig sind.\


26 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Die<br />

grüne<br />

Kraft<br />

Biokraftstoffe verringern die Abhängigkeit vom Öl und reduzieren den cO 2-Ausstoß.<br />

Experten sehen vor allem in der Gewinnung von synthetischem sprit aus Biomasse große<br />

Potenziale. <strong>Daimler</strong>chrysler unterstützt die Entwicklung durch Forschungsprojekte in aller<br />

Welt und baut die passenden Fahrzeuge


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Die grüne Kraft 2<br />

zUcKERRoHR<br />

Lat.<br />

Saccharum officinarum<br />

zum Beispiel Brasilien<br />

Ethanol<br />

1 Liter Ethanol = 0,66 Liter Benzin<br />

CO 2 circa 70 Prozent Einsparung


2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Lat.<br />

Zea mays L. subsp. Mays<br />

zum Beispiel USA<br />

Ethanol<br />

1 Liter Ethanol = 0,66 Liter Benzin<br />

CO 2 circa 30 Prozent Einsparung<br />

MAIs


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Die grüne Kraft 2<br />

Lat.<br />

Brassica napus<br />

zum Beispiel Deutschland<br />

Biodiesel<br />

RAps<br />

1 Liter Biodiesel = 0,91 Liter Diesel<br />

CO 2 50 bis 70 Prozent Einsparung<br />

Autor<br />

Stefan Scheytt<br />

42° N /83° w Loren Beard hat eine Vision.<br />

Es ist die Vision von der Revitalisierung<br />

seiner Heimat im nördlichen Michigan,<br />

wo er als Kind mit seinem Vater angeln<br />

ging, wo die Kühe auf den Wiesen grasten<br />

und die Farmer von deren Milch gut<br />

lebten. Es ist die Vision, Sonnenblumen<br />

könnten auf den heute oft brachliegenden<br />

Flächen wachsen und den Farmern und<br />

vielen anderen wieder eine Perspektive<br />

geben. Es ist die Vision, aus den Sonnenblumen<br />

würde vor Ort Biodiesel produziert<br />

– umweltfreundlicher Treibstoff für die<br />

Frachter, die dort anlanden und ihre<br />

Ladungen über die Great Lakes tragen,<br />

das größte Süßwasserbecken der Erde.<br />

„Eine Havarie wäre keine Bedrohung mehr<br />

für das Trinkwasser, die Fische und die<br />

Küste. Es liefe kein schwerer Diesel mehr<br />

aus, sondern Biodiesel, der nach wenigen<br />

Tagen abgebaut ist“, sagt Beard.<br />

Loren Beard ist Abteilungsleiter für Energie-<br />

und Umweltangelegenheiten am US-<br />

Sitz von <strong>Daimler</strong>Chrysler in Auburn Hills,<br />

Michigan. Beard ist als Chemiker eine Art<br />

Handlungsreisender in Sachen Biokraftstoffe.<br />

Er eilt von einem „Ethanol-Gipfel“<br />

zum nächsten „Biodiesel-Symposium“.<br />

Was die Wissenschaftler, Vertreter von<br />

Mineralölkonzernen, Automobilherstel-<br />

lern und Umweltbehörden aus aller Welt<br />

dort diskutieren, ist im Kern nichts anderes<br />

als Beards Vision von den Sonnenblumenfeldern<br />

in Nord-Michigan, nur<br />

im globalen Maßstab: Wie können die<br />

endlichen fossilen Brennstoffe durch<br />

solche aus erneuerbarer klimafreundlicher<br />

Biomasse ersetzt werden?<br />

Mächtigen Schub hat das Thema zuletzt<br />

durch Präsident Bushs „20 in10“-<br />

Programm erhalten. In seiner Regierungserklärung<br />

hatte er Anfang <strong>2007</strong><br />

angekündigt, er wolle den Verbrauch<br />

herkömmlichen Erdöls innerhalb von 10<br />

Jahren um 20 Prozent reduzieren, zum<br />

Teil durch einen niedrigeren Verbrauch<br />

der Automobilflotten, vor allem aber >


30 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Lat.<br />

Salix<br />

weltweit, nördliche Hemisphäre<br />

Biomass-to-Liquid<br />

1 Liter BTL= 0,97 Liter Benzin<br />

CO 2 bis zu 95 Prozent Einsparung<br />

wEIDE<br />

durch einen drastischen Anstieg des Spritangebots<br />

aus erneuerbaren Rohstoffen.<br />

Während die EU in einem Aktionsplan<br />

das Ziel ausgegeben hat, den Anteil von<br />

Biokraftstoff bis 2010 auf 5,75 Prozent<br />

zu erhöhen und dabei vor allem den bedrohlichen<br />

Klimawandel im Blick hat, sind<br />

die USA viel stärker vom Motiv geleitet,<br />

sich unabhängig von Erdölimporten zu<br />

machen. Schon heute sind sie neben<br />

Brasilien der größte Produzent von Bioethanol,<br />

das durch Vergärung von Pflanzenzucker<br />

in Mais (USA) und Zuckerrohr<br />

(Brasilien) gewonnen wird. Ein Fünftel<br />

der US-amerikanischen Maisernte wird<br />

bereits für die Produktion von Bioethanol<br />

verwendet. Mit dem größten Teil davon<br />

wird ein Kraftstoff produziert, der zu zehn<br />

Prozent aus Ethanol und zu 90 Prozent aus<br />

herkömmlichem Kraftstoff besteht, was<br />

jeder Ottomotor problemlos verträgt. So<br />

genannte Flex-Fuel-Vehicles (FFV) lassen<br />

sich sogar mit jedem Mix mit Bioethanol<br />

bis E85 betreiben.<br />

Biodiesel-Weltmeister Deutschland<br />

Die Chrysler Group wird deshalb <strong>2007</strong> und<br />

2008 etwa 750.000 FFV an ihre Kunden<br />

ausliefern, bis 2012 soll sogar die Hälfte<br />

der gesamten Produktion E85-tauglich<br />

sein – vorausgesetzt, die entsprechende<br />

Infrastruktur existiert. „Die Zahl der Tank-<br />

stellen mit E85 ist noch klein, etwa 1.000,<br />

aber sie wächst rasant“, weiß Loren Beard.<br />

„Und mit immer mehr E85-Autos steigt<br />

auch der Anreiz für die Mineralölindustrie,<br />

weitere Zapfsäulen um<strong>zur</strong>üsten. Es kommt<br />

jetzt darauf an, dass wir eine kritische<br />

Masse erreichen.“<br />

Noch ganz am Anfang steht in den USA<br />

dagegen Biodiesel, der dort aus der<br />

ölhaltigen Sojapflanze gewonnen wird.<br />

Konventioneller Diesel mit einem fünfprozentigen<br />

Biodiesel-Anteil (B5), wie er<br />

schon aus vielen Tankschläuchen fließt,<br />

ist für <strong>Daimler</strong>Chrysler-Pkw kein Problem;<br />

einige Modelle von Jeep ® und Dodge<br />

verlassen das Werk sogar mit einer B5-<br />

Mischung mit Sojadiesel im Tank – als<br />

Signal an die Kunden, dass der Biosprit<br />

Vertrauen verdient. Viele Tausend Fahrzeuge<br />

von <strong>Daimler</strong>Chrysler sind sogar<br />

mit B20-Diesel problemlos unterwegs,<br />

allerdings nur dort, wo sie unter der Kontrolle<br />

von Fuhrparkprofis in Behörden und<br />

Unternehmen stehen, die über eigene<br />

Zapfsäulen verfügen. Für Normalkunden<br />

wird B20 aber auch in Zukunft keine Option<br />

sein, da mit steigendem Biodiesel-Anteil<br />

die Gefahr von Schmierölverdünnung und<br />

damit von Motorschäden stark ansteigt.<br />

Genau umgekehrt sind die Verhältnisse<br />

in Europa und vor allem in Deutschland:<br />

Während Bioethanol – erlaubt sind<br />

Beimischungen zu Normalbenzin bis zu<br />

fünf Prozent (E5) – nur eine kleine Rolle<br />

spielt, ist Biodiesel aus Rapsöl sehr gut<br />

etabliert. Mit einem Biodiesel-Anteil von<br />

knapp unter fünf Prozent am gesamten<br />

Kraftstoffmarkt gilt Deutschland sogar als<br />

Biodiesel-Weltmeister, Europa kommt auf<br />

1,5 Prozent. Als reiner Biosprit (B100) ist<br />

der Kraftstoff an etwa 2.000 Tankstellen in<br />

Deutschland erhältlich und wird vor allem<br />

für Lkw gezapft; sämtliche Nutzfahrzeuge<br />

von Mercedes-Benz sind übrigens B100tauglich.<br />

In der „Magdeburger Erklärung“<br />

von 2005 hat sich <strong>Daimler</strong>Chrysler


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Die grüne Kraft 31<br />

verpflichtet, seine Dieselmodelle auf<br />

eine Beimischung von 10 Prozent Bioanteil<br />

vorzubereiten.<br />

Jatropha: hohe Erträge auf kargen Böden<br />

„Es ist nicht so, wie manche behaupten:<br />

dass Dieseltechnologie und Biokraftstoffe<br />

nicht zusammenpassen“, sagt Dr. Stefan<br />

Keppeler, Leiter Alternative Kraftstoffe bei<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler in Untertürkheim. „Richtig<br />

ist nur, dass die Partikelfiltertechnologie<br />

von heute und der im Moment verfügbare<br />

Biodiesel sich nur begrenzt vertragen. Wir<br />

arbeiten aber an Kraftstoffalternativen<br />

und sind guter Hoffnung, dass wir das in<br />

naher Zukunft beherrschen.“ Das Engagement<br />

des Konzerns für Biosprit reicht aber<br />

noch weiter. Auf zwei Versuchsplantagen<br />

in Indien wird mit Unterstützung von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler seit etwa vier Jahren die<br />

Wildpflanze Jatropha angebaut. Erste<br />

Ergebnisse zeigen, dass sich aus den ölhaltigen<br />

Nüssen des Strauchs ein Ertrag<br />

von 1.000 Litern Öl pro Hektar erzielen<br />

lässt. Es lässt sich wie das Öl von Raps<br />

oder Palmen zu hochwertigem Biodiesel<br />

verestern. Biodiesel-Produzenten aus Indien,<br />

China und Mexiko haben bereits Interesse<br />

an dem Forschungsprojekt gezeigt, das<br />

auch von der Deutschen Investitions- und<br />

Entwicklungsgesellschaft (DEG) und der<br />

Universität Hohenheim unterstützt wird.<br />

Stehen Palmölproduzenten aus Indonesien<br />

und Malaysia unter dem Verdacht, für den<br />

Spritdurst des Westens wertvolle Urwälder<br />

abzuholzen, gedeiht Jatropha auf extrem<br />

kargen, wüstenähnlichen Böden, die sonst<br />

nicht genutzt werden können. Kleinbauern<br />

könnte der Anbau von Jatropha somit völlig<br />

neue Erwerbsquellen erschließen. „Wir<br />

wollen damit zeigen, dass es keinen grundsätzlichen<br />

Widerspruch geben muss zwischen<br />

der Produktion von Biokraftstoff in<br />

der Dritten Welt oder in Schwellenländern<br />

und dem Gebot der <strong>Nachhaltigkeit</strong>“, sagt<br />

Projektleiter Dr. Stefan Keppeler. In diese<br />

Richtung zielt auch ein von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

zum Jahreswechsel 2005/2006 gemeinsam<br />

mit dem United Nations Environmental<br />

Programme (UNEP), dem Ministerium für<br />

Ernährung und ländlichen Raum Baden-<br />

Württemberg und dem World Wide Fund<br />

For Nature (WWF) gestartetes Projekt <strong>zur</strong><br />

Definition von Mindeststandards für den<br />

Anbau von Biomasse für Biokraftstoffe.<br />

Die größten Hoffnungen von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler richten sich auf synthetischen<br />

Sprit aus Biomasse, auch als<br />

BTL bekannt. BTL steht für „Biomass-to-<br />

Liquid“ und bezeichnet ein Verfahren <strong>zur</strong><br />

Vergasung – mit anschließendem Syntheseschnitt<br />

– fast jeglichen pflanzlichen<br />

Rohstoffs in flüssige Energie. Verwendet<br />

werden nicht mehr nur Früchte oder<br />

Knollen, sondern die ganze Pflanze, aber<br />

auch Stroh, Restholz oder schnell<br />

wachsende Hölzer wie Weiden. Dadurch<br />

steigt die Energieausbeute pro Hektar<br />

deutlich. Für diese sogenannte „Zweite<br />

Generation“ der Biokraftstoffe sprechen<br />

noch weitere Argumente: Sie sind weitgehend<br />

CO 2-neutral, weil bei ihrer<br />

Verbrennung nur so viel Kohlendioxid in<br />

die Atmosphäre entlassen wird, wie zuvor<br />

beim Wachstum der Pflanze gebunden<br />

wurde. Und sie lassen sich für die Anforderungen<br />

moderner Motoren chemisch<br />

maßschneidern: Der farb- und geruchlose<br />

Sprit enthält weder Schwefel noch Aromaten,<br />

die Schadstoffemissionen sind im<br />

Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um 30<br />

bis 50 Prozent geringer. Der Einsatz von<br />

BTL würde selbst bei älteren Fahrzeugen<br />

spürbare Emissionsvorteile bewirken.<br />

Seit 2002 ist <strong>Daimler</strong>Chrysler gemeinsam<br />

mit Volkswagen Partner der Firma Choren<br />

Industries in Sachsen, an der seit zwei<br />

Jahren auch der Mineralölkonzern Shell<br />

beteiligt ist. Noch <strong>2007</strong> will Choren die<br />

erste kommerziell arbeitende BTL-Anlage<br />

der Welt in Betrieb nehmen; 2010 soll die<br />

erste großtechnische Anlage den Biosprit<br />

mit dem Namen SunDiesel produzieren.<br />

fLEx-fUEL-fAHRzEUGE<br />

In diesem und im nächsten Jahr wird<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler rund 750.000 Flex-Fuel-<br />

Fahrzeuge (FFV) mit Ottomotor bauen. Sie<br />

fahren mit herkömmlichem Otto-Kraftstoff,<br />

vertragen aber auch jeden Mix mit dem<br />

Biosprit Ethanol bis zu einem Anteil von<br />

85 Prozent (E85). <strong>2007</strong> werden folgende<br />

Modelle als FFV angeboten:<br />

• Mercedes-Benz C-Klasse (V6-Motoren)<br />

• Jeep® Grand Cherokee, Jeep® Commander,<br />

Dodge Durango und Chrysler Aspen<br />

SUVs (4,7-Liter-Motor)<br />

• Dodge Ram und Dodge Dakota Pickups<br />

(4,7-Liter-Motor)<br />

• Chrysler Sebring und Dodge Avenger<br />

Sedans (2,7-Liter-Motor)<br />

• Dodge Caravan, Dodge Grand Caravan<br />

und Chrysler Town Country Minivans<br />

(3,3-Liter-Motor)<br />

Mehrere Versuchsfahrzeuge von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler sind längst im Probeeinsatz<br />

mit dem Kraftstoff. Ihm wird<br />

zugetraut, in den nächsten zwanzig<br />

Jahren ein Fünftel bis ein Viertel<br />

des gesamten Kraftstoffbedarfs in<br />

Deutschland abzudecken.<br />

Zweite Generation Biokraftstoffe<br />

„<strong>Daimler</strong>Chrysler verfolgt eine Mehr-<br />

fachstrategie“, erklärt Dr. Stefan Keppeler:<br />

„Wir setzen ganz stark auf die ,Zweite<br />

Generation‘ der Biokraftstoffe, aber bis<br />

die ihren Beitrag leisten können, müssen<br />

wir auch die ,Erste Generation‘ weiterentwickeln.“<br />

Schon deshalb sollte die<br />

Vision Loren Beards von den Sonnenblumenfeldern<br />

in Michigan keine Vision<br />

bleiben, sondern Wirklichkeit werden. \


32 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Potenzial<br />

unter der<br />

haube<br />

Ihr Ruf ist nicht der beste – dabei sind Verbrennungsmotoren in den vergangenen Jahren<br />

immer sparsamer und sauberer geworden. Weil Benziner und Diesel bis <strong>zur</strong> serienreife<br />

des emissionsfreien und verbrauchseffizienteren Brennstoffzellenmotors die wichtigsten<br />

automobilen Antriebe bleiben werden, muss ihr Kraftstoffverbrauch weiter sinken. Bei<br />

<strong>Daimler</strong>chrysler wird viel dafür getan


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 33<br />

49°N/9°E Der dunkelgrüne Mercedes CLS rauscht durch die<br />

Steilkurve. Peter Lückert aber doziert am Steuer so ruhig über<br />

Motorentechnik und Benzinverbrauch, als würde er den Wagen<br />

über eine Landstraße im Schwäbischen lenken. Tatsächlich<br />

geht die Fahrt über die Teststrecke im <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk<br />

Untertürkheim, auf der sonst Prototypen mit längst nicht<br />

spruch- und marktreifen Technologien an Bord ihre Runden<br />

drehen. Dazu gehört das Modell, das Peter Lückert jetzt am Ende<br />

einer langen Geraden zum Halten gebracht hat, allerdings nicht.<br />

Der CLS 350 CGI ist bereits seit Sommer 2006 im Handel, darf<br />

aber heute noch einmal zu Demonstrationszwecken <strong>zur</strong>ück auf<br />

die Teststrecke. Denn unter seiner Haube sitzt ein Motor, der<br />

für <strong>Daimler</strong>Chrysler als Meilenstein in Sachen Kraftstofferspar-<br />

nis gilt – und den Peter Lückert als Leiter Entwicklung Pkw<br />

Ottomotoren maßgeblich mit aus der Taufe gehoben hat.<br />

„Entscheidend ist heute vor allem, was ein<br />

neuer Motor an Kraftstoff spart.“<br />

Peter Lückert, Leiter Entwicklung Pkw Ottomotoren<br />

Das Kürzel CGI steht für eine Technik, die man bei<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler als „nachhaltiges Motorenmanagement“ bezeichnet.<br />

Die „Stratified Charged Gasoline Injection“, so der vollständige<br />

Name, ist eine strahlgeführte Direkteinspritzung von Kraftstoff<br />

in den Kolben, in dem das Benzin in einem hochsensiblen Prozess<br />

<strong>zur</strong> Entzündung gebracht wird. Ein neu entwickelter Piezo-Injektor<br />

platziert den Kraftstoff in präzisen Dosierungen und auf den Bruchteil<br />

einer Sekunde genau in die unmittelbare Nähe der Zündkerze,<br />

wo er dann ohne nennenswerten Energieverlust verbrennt.<br />

Der 3,5 Liter große Sechszylinder verbraucht so zehn Prozent<br />

weniger Treibstoff als sein Vorgänger, bei dem das Einspritzventil<br />

außerhalb des Brennraums im Saugrohr gelagert ist. Dennoch<br />

bringt der Motor jetzt sogar 20 PS mehr Leistung bei einem<br />

Drehmoment von 365 Nm, was ihn „im Antritt spürbar agiler“<br />

macht, wie Testpilot Lückert bemerkt. Doch das Plus an Power<br />

sei eher ein schöner Nebeneffekt. „Entscheidend ist heute vor<br />

allem, was ein neuer Motor an Kraftstoff spart“, so Lückert. Die<br />

Direkteinspritzung als ein effizienteres Verbrennungsverfahren<br />

gilt deshalb für große Autohersteller wie <strong>Daimler</strong>Chrysler als<br />

Technik der unmittelbaren Zukunft.<br />

Obwohl in vielen Richtungen nach alternativen Antrieben gesucht<br />

wird und viel Geld in die Forschung rund um umweltschonende<br />

Gas-, Wasserstoff- und Elektromotoren oder neue Biokraftstoffe<br />

investiert wird, sind die meisten Techniken heute noch weit von<br />

einer Serienreife entfernt.<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler zum Beispiel hat bislang rund 1,5 Milliarden Euro<br />

in die Brennstoffzellentechnologie investiert und mit mehr als<br />

100 Brennstoffzellenfahrzeugen die weltweit größte Testflotte<br />

im Einsatz. Prototypen wie die Mercedes-Benz A-Klasse F-Cell<br />

und der F 600 gelten als Technologievorreiter. Wasserstoff gilt<br />

für die meisten Autohersteller als ultimativer Kraftstoff der<br />

Zukunft. Doch der Brennstoffzellenantrieb ist heute auch wegen<br />

seiner hohen Produktionskosten und einer fehlenden Wasserstoff-<br />

Infrastruktur noch keine serientaugliche Lösung – außerdem kann<br />

Wasserstoff noch nicht in genügender Menge regenerativ gewonnen<br />

werden. Die Hybridtechnik ist eine weitere Möglichkeit,<br />

Verbrennungsmotoren effizienter zu nutzen. Bislang allerdings<br />

kommt die Zwitterlösung aus Elektro- und Verbrennungsmotor<br />

nur im Stadtverkehr als wirkliche Alternative infrage, auf längeren<br />

Fahrten zeigt sie noch keine entscheidenden Verbrauchsvorteile.<br />

Die technologische Herausforderung ist daher, auch im<br />

Überlandverkehr zusätzliches Verbrauchspotenzial zu erschließen.<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler setzt die Hybridtechnik bislang dort ein, wo<br />

sie am effektivsten ist: bei Bussen im Stadtverkehr. Im Pkw-<br />

Bereich arbeitet man an einem Baukasten mit flexibel einsetzbaren<br />

Hybridmodulen. Für die Zukunft gilt bei <strong>Daimler</strong>Chrysler:<br />

Es sollen keine neuen Fahrzeuge entwickelt werden, die nicht<br />

auch eine Hybridoption erlauben.<br />

Konventionelle Antriebe müssen sparsamer werden<br />

Bis auf Weiteres also sind Verbrennungsmotoren nicht aus dem<br />

automobilen Alltag wegzudenken. Eine McKinsey-Studie mit dem<br />

Titel „Drive“ besagt, dass auch im Jahr 2020 Benzin- und<br />

Dieselaggregate die bestimmenden Antriebe sein werden. Bis zu<br />

30 Prozent Einsparpotenzial sollen bei künftigen Ottomotoren<br />

möglich sein, bei Dieselmotoren sind es 20 Prozent. Und das ist<br />

auch dringend nötig. Laut Greenpeace stoßen derzeit weltweit<br />

900 Millionen Fahrzeuge jedes Jahr rund vier Milliarden Tonnen<br />

CO 2 aus, pro Liter Benzin werden 2,3 Kilogramm CO 2 freigesetzt,<br />

eine enorme Belastung für die Umwelt. Da künftig immer mehr<br />

Autos unterwegs sind, im Jahr 2030 werden es mehr als zwei<br />

Milliarden sein, müssen die Antriebe deutlich sparsamer werden.<br />

Um eine Marke zu setzen, hatten sich die europäischen Automobilhersteller<br />

verpflichtet, die CO 2-Emissionen ihrer Fahrzeuge<br />

von 1995 bis 2008 um rund 25 Prozent auf einen Durchschnittswert<br />

von 140 Gramm CO 2 pro Kilometer zu senken. Um diesen<br />

Wert zu erreichen, hatten die Automobilhersteller aufgrund ihrer<br />

unterschiedlichen Produktportfolios auch verschiedene Zielwerte.<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler konnte die CO 2-Emissionen seiner europä-<br />

ischen Mercedes-Fahrzeugflotte seit 1995 immerhin um 20<br />

Prozent senken, den Verbrauch in Deutschland seit 1990 um >>


3 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

ENERGIEMANAGEMENT<br />

– Optimierung von Heiz- und Kühlaggregaten<br />

– Optimierung Energieverbrauch Nebenaggregate<br />

MoToR<br />

– Sparsame Dieseltechnologie: optimierter Dieselantrieb mit<br />

BLUETEC-Abgasreinigungstechnologie<br />

– Strahlgeführte Benzin-Direkteinspritzung (CGI-Technologie) der<br />

zweiten Generation<br />

– Verkleinerung der Motoren (Downsizing) bei gleichzeitiger<br />

Aufladung<br />

– Reduzierung der Reibungsverluste im Motor<br />

– Gewichtsoptimierung in der Motorkonstruktion (Veränderung von<br />

Wandstärken, Einsatz neuer Werkstoffe)<br />

ALTERNATIvE ANTRIEbsTEcHNoLoGIE<br />

– Hybridisierung: Einführung von unterschiedlichen Hybridmodulen<br />

– Erdgas: bivalente Verbrennungsmotoren für Erdgas und/oder Benzin<br />

oder monovalente Erdgasmotoren<br />

– Emissionsfreier Brennstoffzellenantrieb als Langfristziel<br />

GETRIEbE UND NEbENAGGREGATE<br />

– Optimierung der Schaltung von Automatikgetrieben<br />

– Einführung der Start-Stopp-Automatik<br />

MATERIALIEN<br />

– Leichtbau: Gewichtsreduzierung durch Einsatz<br />

leichter, hochfester Stähle und Kunststoffe<br />

DEsIGN<br />

– Verminderung der Fahrwiderstände durch verbesserte<br />

Aerodynamik und Reifentechnologie


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 3<br />

Rund 5,3 Milliarden Euro investierte <strong>Daimler</strong>Chrysler im letzten Jahr in Forschung und Entwicklung – ein Viertel davon in umwelt-<br />

freundliche Technologien. Ob Motor, Getriebe oder Form des Autos: Die Forscher setzen an vielen verschiedenen Stellen an, um<br />

Verbrauch und Kohlendioxidemission (CO 2) zu senken<br />

stellschrauben der c0 2 - Reduktion


36 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Die sogenannte „Stratified Charged Gasoline Injection“ gilt als Schlüsseltechnologie für die strahlgeführte Direkteinspritzung. Sie<br />

bringt den Kraftstoff präzise dosiert in die unmittelbare Nähe der Zündkerze. Die Verbrennung erfolgt ohne Energieverlust. Die<br />

Folge: rund zehn Prozent weniger Verbrauch<br />

bENzINMoToR MIT pIEzo-DIREKTEINspRITzUNG<br />

UND sTRAHLGEfÜHRTEM bRENNvERfAHREN<br />

Bei jedem Arbeitstakt werden die Brennräume<br />

binnen Sekundenbruchteilen mehrmals hintereinander<br />

mit Kraftstoff versorgt, um auf diese<br />

Weise Gemischbildung, Verbrennung und Verbrauch<br />

deutlich zu verbessern<br />

Direkteinspritzung der 2. Generation


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 3<br />

30 Prozent. Der Durchschnittsverbrauch von Mercedes-Benz liegt<br />

heute rund drei Liter unter dem von 1990. Verbrannten im Motor<br />

einer S-Klasse damals 14,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer, liegt<br />

der Verbrauch eines leistungsmäßig vergleichbaren S 320 CDI<br />

heute bei 8,5 l/100 km. Das ist einerseits eine Reduktion um<br />

fast 45 Prozent, andererseits natürlich auch deutlich mehr als<br />

ein Kleinwagen wie der smart, der mit drei Liter Sprit über die<br />

Runden kommt.<br />

Verbrauchsreduktion ist daher für Premiumfahrzeuge und insbesondere<br />

für die geländegängigen Sport Utility Vehicles eine<br />

besondere Herausforderung, der sich ein Automobilunternehmen<br />

wie <strong>Daimler</strong>Chrysler stellen muss. 38 Prozent aller in Europa<br />

verkauften Mercedes-Benz Neuwagen verbrauchen heute weniger<br />

als 6,5 Liter auf 100 Kilometer – ein Schritt in die richtige<br />

Richtung, aber angesichts der globalen Herausforderungen noch<br />

nicht ausreichend.<br />

„Downsizing“ heißt der Trend: Durch immer intelligentere Einspritztechniken,<br />

Turbolader und Kompressoren wird aus Motoren mit<br />

weniger Hubraum mehr Leistung gewonnen, diese werden<br />

dadurch häufiger in Teillast betrieben, bei geringerem Verbrauch<br />

und weniger Emissionen. Motoren schöpfen heute gut<br />

50 Prozent mehr Leistung aus der gleichen Spritmenge wie<br />

1990. Vor allem Dieselaggregate sind in den vergangenen<br />

Jahren dank Common-Rail-Einspritzsystemen mit hochpräzisen<br />

Piezo-Injektoren leistungskräftiger, leiser und bescheidener<br />

geworden. Die neue Generation der Diesel-Vierzylinder von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler, die kommendes Jahr anrollt, verbraucht etwa<br />

einen halben Liter weniger als die aktuelle Dieselmotoren-<br />

Kollektion. Vor allem aber sind Dieselmotoren heute sauberer:<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler hat 2006 auf der North American International<br />

Auto Show in Detroit mit dem Mercedes-Benz E 320 BLUETEC<br />

und dem Vision GL 320 BLUETEC die saubersten Diesel der<br />

Welt präsentiert.<br />

Zukunftsmusik: Der Diesel wird zum Vorbild<br />

für Ottomotoren<br />

Jetzt wird der Diesel zum Vorbild für den Ottomotor – denn<br />

Diesel konsumieren rund ein Viertel weniger Treibstoff. Bei<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler entwickelt man deshalb ein Antriebskonzept mit<br />

dem Arbeitstitel „DiesOtto“- Motor: ein Benzinaggregat, das gute<br />

Leistung bei geringen Emissionen und einem deutlich niedrigeren<br />

Verbrauch bringen soll. Die Zukunft des Ottomotors liegt im<br />

Werk Untertürkheim im Gebäude 143. Hier forschen die Ingenieure<br />

an den Benzinmotoren von morgen und übermorgen.<br />

Einer von ihnen ist Günter Karl, Abteilungsleiter Vorentwicklung ><br />

ETAppEN DER EMIssIoNs- UND vERbRAUcHsREDUKTIoN<br />

200<br />

2006<br />

200<br />

2003<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1 3<br />

1 6<br />

Die vierte Generation der C-Klasse ist das weltweit<br />

einzige Auto seines Marktsegments mit Umweltzertifikat<br />

des TÜV<br />

Kooperation mit GM und BMW für die Serienentwicklung<br />

eines neuen Hybridmoduls für Premiumfahrzeuge<br />

Einführung des E 320 BLUETEC in den USA<br />

Einführung der zweiten Generation der strahlgeführten<br />

Direkteinspritzung im 3,5 l V6 CGI<br />

Im Hybrid-Entwicklungszentrum Troy beginnen Projektteams<br />

von <strong>Daimler</strong>Chrysler, General Motors und BMW<br />

mit ihrer Arbeit an unterschiedlichen Hybridsystemen<br />

wie dem Two-Mode-Hybrid<br />

Vorstellung des Brennstoffzellen-Pkw „F-600“ auf der<br />

Tokio Motor Show<br />

Die neu eingeführte Mercedes-Benz S-Klasse ist das<br />

weltweit erste Auto mit Umweltzertifikat<br />

Dieseloffensive mit neuer Generation des Drei-Liter-<br />

Sechszylinders<br />

Weltweit erster Anbieter von Dieselfahrzeugen mit<br />

Euro 4 und geregeltem Partikelfilter<br />

Präsentation von SunDiesel, des weltweit ersten aus<br />

Biomasse synthetisch hergestellten Dieselkraftstoffs<br />

Vorstellung der Hybridstudie „F 500 Mind“, die einen<br />

Elektromotor mit einem Achtzylinderdiesel vereint<br />

Erstes Serienfahrzeug mit Common-Rail-Technik (CDI),<br />

die Sprit spart und mehr Leistung bringt<br />

Markteinführung der ersten Generation der Direkteinspritzung<br />

im E 290 Turbodiesel<br />

Präsentation von NECAR 1, dem ersten Auto mit Brennstoffzellenantrieb<br />

Erfolgreiche Tests mit einem Parallel-Hybridantrieb in<br />

einer C-Klasse<br />

Geregelter Katalysator serienmäßig für alle Pkw von<br />

Mercedes-Benz


3 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Ottomotoren. Er ist überzeugt, „dass wir mit dem ‚DiesOtto‘<br />

deutliche Verbrauchseinsparungen und ein sehr geringes CO 2-<br />

Emissionsniveau erreichen können“. Karl steht in einem kleinen<br />

Raum, in dem man vor lauter Technik kaum einen Schritt tun<br />

kann. Doch auf diesen knapp 20 Quadratmetern werden hochgeheime<br />

Technologien erprobt, die vielleicht schon in ein paar<br />

Jahren die Autos von morgen antreiben.<br />

Wichtigstes Forschungsmittel ist ein mächtiges Aggregat im<br />

Zentrum des Labors, ein Einzylinder, mit dessen Hilfe neu entwickelte<br />

Bauteile getestet werden. Spezialkameras filmen dabei<br />

das Geschehen im Zylinder, wenn das Kraftstoff-Luft-Gemisch <strong>zur</strong><br />

Entzündung gebracht wird – hier wurde zum Beispiel auch die<br />

strahlgeführte Direkteinspritzung aus der Wiege gehoben. Woran<br />

man derzeit forscht, dazu will Günter Karl naturgemäß nicht viel<br />

sagen. Alles, was hinter den unscheinbaren, aber gut gesicherten<br />

Mauern geschieht, ist topsecret. Allerdings verrät Karl, dass hier<br />

an einem neuen Antriebskonzept gearbeitet wird, das einen<br />

Ottomotor so sparsam wie einen Dieselmotor machen soll.<br />

Deshalb wird dieses Antriebskonzept auch „DiesOtto“ genannt.<br />

Der Ottomotor solle Schritt für Schritt mit Technologien verändert<br />

werden, die bisher hauptsächlich von Dieselantrieben bekannt<br />

waren. Damit würde der Ottomotor zum Selbstzünder, der den<br />

Kraftstoff wesentlich besser ausnutzen könnte. Erste Technologiebausteine<br />

sind die Direkteinspritzung und die Turboaufladung.<br />

Der Motor könnte so deutlich wirtschaftlicher arbeiten.<br />

Start-Stopp-Technik soll Kraftstoffverbrauch<br />

weiter senken<br />

Nicht nur mit dem Motor lässt sich Sprit sparen. Auch in der Aerodynamik<br />

und beim Energiemanagement, etwa bei der Klimatisierung,<br />

„liegen weitere Potenziale“, sagt Thomas Hellmuth,<br />

Leiter Gesamtfahrzeug-Vorentwicklung und Technologiestrategie<br />

der Mercedes Car Group. Laut ADAC verbraucht zum Beispiel<br />

allein die Klimaanlage bis zu 0,7 Liter Sprit auf 100 Kilometer.<br />

Und so lassen sich nach Einschätzung von Thomas Hellmuth auch<br />

mit Verbesserungen in der Steuerung von Energieflüssen im<br />

Antriebsstrang und im Bordnetz, bei der Aerodynamik und bei<br />

Nebenaggregaten, zum Beispiel der Motorölpumpe, zusammen<br />

bis zu einem halben Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer einsparen.<br />

Beginnend mit dem smart sollen ab Ende <strong>2007</strong> verschiedene<br />

Fahrzeuge der Mercedes Car Group mit der Start-Stopp-Technik<br />

ausgerüstet werden, die den Motor beim Warten an einer Ampel<br />

ausschaltet und beim Loslassen der Bremse automatisch wieder<br />

startet. Das soll den Kraftstoffverbrauch weiter senken. „Es gibt<br />

viele Details, die sich optimieren lassen und die zusammen gerech-<br />

net einen beachtlichen Beitrag zu einem geringeren Treibstoffverbrauch<br />

leisten können“, so Hellmuth.<br />

Am meisten aber ist über neue Motorentechnologien zu gewinnen.<br />

So spart die neue Generation von Sechszylindermotoren<br />

von Mercedes-Benz bis zu einem Liter Benzin auf 100 Kilometer,<br />

wobei das aber nicht unbedingt bei jedem Tempo in der Steilkurve<br />

gilt. Deshalb hat Ottomotoren-Entwickler Peter Lückert<br />

den dunkelgrünen Mercedes CLS mit dem CGI-Motor nach einer<br />

Demonstrationsrunde auf der Teststrecke auch wieder in die<br />

Tiefgarage bei seinem Büro gesteuert.<br />

Er schaltet den Motor aus, das neueste Modell eines mehr als<br />

100 Jahre alten Antriebkonzepts, dem erst einmal die unmittelbare<br />

Zukunft gehören wird. Das Herzstück der weltweiten Mobilität<br />

muss in den Forschungsabteilungen der Automobilhersteller<br />

immer weiter auf Effizienz getrimmt werden, bis irgendwann eine<br />

alternative Technik im automobilen Alltag Einzug hält, die den<br />

Verbrennungsmotor dann letztlich zu einem Anachronismus<br />

machen wird. \


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Potenzial unter der Haube 3<br />

Ein Antriebskonzept mit dem Arbeitstitel „DiesOtto“: Forscher von <strong>Daimler</strong>Chrysler tüfteln an einem Benzinaggregat, das die<br />

Vorteile von Benzin- und Dieselantrieb vereint. Die Neuentwicklung soll gute Leistungen bei deutlich niedrigerem Verbrauch und<br />

entsprechend geringen Kohlendioxidemissionen bringen<br />

MöGLIcHE „DIEsoTTo“- opTIoNEN<br />

Option Einspritzinjektor im Zylinderkopf:<br />

Die Direkteinspritzung ermöglicht eine<br />

Verbrauchsreduzierung<br />

Option Turbolader am Auspuffkrümmer:<br />

Der turbolader sorgt für ein gutes Ansprechen<br />

des Motors aus niedrigen<br />

Drehzahlen, einen drehmomentstarken<br />

Durchzug sowie hohe spitzenleistungen<br />

Kombination aus Otto - und Dieselantrieb


0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Es sind noch längst<br />

nicht alle Möglichkeiten<br />

ausgereizt<br />

herbert Kohler, Forschungsleiter und umweltbevollmächtigter von <strong>Daimler</strong>chrysler,<br />

über cO 2 - Emissionen, hybridantriebe und die zukunft der Brennstoffzellenmobilität<br />

Interview<br />

Philip Wesselhöft<br />

Fotografie<br />

Frank Schultze<br />

49°N/9°E 360 GRAD: Herr Professor Kohler, das Thema Klimawandel<br />

ist aktuell wie nie, auch der CO 2 -Ausstoß von Autos, der<br />

Kraftstoffverbrauch und alternative Antriebe sind viel diskutierte<br />

Themen. <strong>Daimler</strong>Chrysler zum Beispiel punktet auf der einen<br />

Seite mit einem Drei-Liter-smart, auf der anderen Seite bieten<br />

Sie einen 500 PS starken AMG-Geländewagen mit über 15 Litern<br />

Kraftstoffverbrauch an. Wie rechtfertigen Sie dies in heutigen<br />

Zeiten?<br />

Kohler: Entscheidend ist doch, welchen Verbrauchsdurchschnitt<br />

die Gesamtflotte aufweist. Natürlich gibt es Exoten, die wir in<br />

kleinen Stückzahlen für besondere Anforderungen und Emotionen<br />

anbieten. Das ist deshalb vertretbar, weil ihr Einfluss auf den<br />

durchschnittlichen Verbrauch unserer Flotte relativ gering ist. Viel<br />

wichtiger ist, dass wir in den Volumenmodellen, und dazu gehört<br />

auch der smart, geringere Verbrauchszahlen mit großer Wirkung<br />

auf das Gesamtergebnis haben.<br />

360 GRAD: Die europäischen Hersteller hatten sich 1998 verpflichtet,<br />

bis 2008 den CO 2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotte von<br />

damals (1995) durchschnittlich 185 Gramm um rund 25 Prozent<br />

auf einen Durchschnittswert von 140 Gramm pro Kilometer zu<br />

senken. Das kann kaum ein großer Hersteller vorweisen. Wurde<br />

das Ziel verfehlt?<br />

Kohler: So ist die Betrachtung nicht richtig, denn dieser Wert<br />

von 140 Gramm CO 2- Emissionen pro Kilometer ist als ein Durchschnittswert<br />

aller in Europa produzierender Autohersteller<br />

formuliert. Das heißt, nicht jeder Fahrzeughersteller muss diese<br />

140 Gramm bis 2008 bringen. Es gibt im Rahmen der Vereinbarung<br />

unterschiedliche Ziele, nach denen die Hersteller von<br />

Premiumfahrzeugen etwas darüber liegen dürfen und die Her-<br />

steller von vorwiegend Klein- und Mittelklassefahrzeugen sogar<br />

weniger erreichen sollen.<br />

„Der Verbrauch der Mercedes-Benz<br />

Fahrzeuge ist seit 1995 um 20 Prozent<br />

gesunken. Kein anderer europäischer<br />

hersteller hat so viel geschafft.“<br />

Und es ist ja so, dass der Verbrauch der Mercedes-Benz Fahrzeuge<br />

seit 1995 um 20 Prozent gesunken ist. Kein anderer europäischer<br />

Hersteller hat so viel geschafft. Außerdem wissen wir heute<br />

noch nicht präzise, welche Fahrzeuge wir 2008 verkaufen werden.<br />

Es sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgereizt. Wir werden<br />

bis dahin sicherlich einige Dinge, die jetzt in der Entwicklung<br />

sind, am Markt platzieren. Ich möchte nicht drum herumreden,<br />

und ich weiß, dass es sehr knapp wird, das Ziel zu erreichen. Aber<br />

lassen Sie uns Ende 2008 Bilanz ziehen. >


MERcEDEs-bENz MUsEUM UNTERTÜRKHEIM<br />

DEUTscHLAND<br />

1


2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

s. 41<br />

Herbert Kohler in der Ausstellung „Forschungsfahrzeuge“ im<br />

Mercedes-Benz Museum in Untertürkheim<br />

360 GRAD: Wurmt es Sie denn nicht, wenn Sie als Hersteller<br />

mit Premiumanspruch ausgerechnet in den öffentlichkeitswirksamen<br />

Statistiken zum CO 2-Ausstoß plötzlich weiter hinten<br />

zu finden sind?<br />

Kohler: Ein Wettbewerber, der hauptsächlich eine Klein- und<br />

Mittelwagenflotte hat, wird zwangsläufig weiter vorn liegen als<br />

ein Hersteller, der vor allem im Premiumsegment zu Hause ist.<br />

Aber wir diskutieren ja auch nicht darüber, warum eine 50-<br />

Quadratmeter-Wohnung weniger Heizenergie benötigt als eine<br />

150-Quadratmeter-Wohnung. Wir sollten uns vor solchen<br />

Vergleichen hüten. Es ist doch klar, dass ein schweres Auto mehr<br />

Kraftstoff verbraucht als ein leichtes, man muss einfach mehr<br />

Masse bewegen. Wir müssen eben auch berücksichtigen, dass<br />

mit größeren Wagen unter Umständen bis zu sieben Personen<br />

befördert werden und in dem Kleinwagen vielleicht nur zwei<br />

Passagiere sitzen. Außerdem muss man sehen, dass bedeutende<br />

technologische Innovationen, gerade auch <strong>zur</strong> Verbrauchsminderung,<br />

meistens über den Einsatz in größeren Autos den<br />

Weg ins breitere Kleinwagensegment finden, das ist eine Frage,<br />

welches Produkt welche Entwicklungskosten tragen kann. Aber<br />

ich will gar nichts beschönigen, ganz klar muss immer der Anspruch<br />

gelten, auch in den angesprochenen Statistiken das<br />

Bestmögliche zu erreichen, immer aber im Rahmen eines fairen<br />

Vergleichs. Unser Ziel ist, best in class zu sein, auch bei den<br />

CO 2- Emissionen. Dafür tun wir sehr viel.<br />

360 GRAD: <strong>Daimler</strong>Chrysler hat viel Geld in die Entwicklung der<br />

Brennstoffzellentechnologie gesteckt. Ist das der Antrieb der<br />

Zukunft? Es gibt ja mit Hybridantrieben oder Elektroautos noch<br />

andere mögliche Alternativen.<br />

Kohler: Der Brennstoffzellenantrieb ist die einzige Technologie,<br />

die zumindest lokal mit null Emissionen fährt. Es gibt außerdem<br />

kein anderes System, das so energieeffizient ist wie die<br />

Brennstoffzelle. Sie ist etwa doppelt so effizient wie ein moderner<br />

Dieselmotor. Und daran wird sich auch nichts ändern.<br />

„Wir sehen in der Brennstoffzelle das größte<br />

Potenzial.“<br />

Beim Elektroauto ist die Batterie <strong>zur</strong>zeit das größte Problem,<br />

wir sehen nicht, dass man absehbar das Problem der Reichweite<br />

lösen kann, und selbst dann muss man erst wieder zeitintensiv<br />

Strom tanken. Nein, wir sehen in der Brennstoffzelle das größte<br />

Potenzial. Unser Ziel ist, zwischen 2012 und 2015 mit einem<br />

Brennstoffzellenantrieb wettbewerbsfähig und serienreif zu sein.<br />

Und wir sind auf einem guten Weg: Bereits heute betreiben wir<br />

mit über 100 Fahrzeugen die weltweit größte Brennstoffzellen-<br />

flotte: Konzeptfahrzeuge, Pkw, Transporter und Citaro-Stadtbusse<br />

gehören dazu. Mit mehr als drei Millionen emissionsfrei <strong>zur</strong>ückgelegten<br />

Kilometern verfügen wir über mehr Daten, Know-how<br />

und Erfahrungen als jeder andere Hersteller.<br />

360 GRAD: Derzeit ist das Thema Hybrid in aller Munde. George<br />

Clooney fährt medienwirksam mit einem Hybridauto bei der<br />

Oscar-Verleihung vor, und deutsche Politiker rufen dazu auf,<br />

Hybridmodelle zu kaufen. Wie beurteilen Sie diese Diskussion?<br />

Kohler: Sie ist zum Teil sehr emotional geführt. Untersuchungen<br />

haben ergeben, dass in den meisten Fällen ein Dieselfahrzeug<br />

in der vergleichbaren Größe zum aktuellen Hybridmodell des<br />

Wettbewerbers im realen Fahrbetrieb genauso gute Verbrauchswerte<br />

aufweist, oftmals sogar bessere. Dieselfahrzeuge haben,<br />

gerade auch in ihrer großen Verbreitung, einen wesentlich nachhaltigeren<br />

Effekt als die relativ kleine Flotte von 350.000 weltweit<br />

verkauften Hybridfahrzeugen. Wenn wir heute, bezogen auf<br />

Deutschland, bei <strong>Daimler</strong>Chrysler von über 30 Prozent weniger<br />

Verbrauch seit 1990 reden, dann ist das vor allem den neuen<br />

Generationen von Dieselmotoren zu verdanken. Man muss also<br />

die Kirche im Dorf lassen.<br />

„Dieselfahrzeuge haben, gerade auch in<br />

ihrer großen Verbreitung, einen wesentlich<br />

nachhaltigeren Effekt als die relativ kleine<br />

Flotte von 350.000 weltweit verkauften<br />

hybridfahrzeugen.“<br />

360 GRAD: Welche Bedeutung räumt <strong>Daimler</strong>Chrysler denn<br />

Hybridmodellen ein?<br />

Kohler: Verstehen Sie mich richtig, Hybrid ist ein wichtiges<br />

Thema. Wir fahren die Strategie, unseren Kunden künftig beides<br />

anzubieten, modernste Dieselfahrzeuge und Hybridlösungen.<br />

Dafür arbeiten wir gemeinsam mit General Motors und BMW in<br />

unserem Hybrid-Entwicklungszentrum in Michigan zusammen.<br />

Entwicklungsschwerpunkt ist dort das sogenannte Two-Mode<br />

Hybridsystem, das anders als heutige Hybridsysteme nicht nur<br />

Verbrauchsvorteile im Stadtzkylus hat. Darüber hinaus produ-<br />

zieren wir bereits heute mit Mitsubishi Fuso den sparsamsten<br />

Leicht-Lkw der Welt, den Canter Eco Hybrid. Vor allem im<br />

öffentlichen Nahverkehr sind wir absoluter Marktführer: Die


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Interview Herbert Kohler 3<br />

Hybridbusse der <strong>Daimler</strong>Chrysler-Stadtbusmarke Orion sind ein<br />

Verkaufsschlager in Nordamerika. Bereits 1.500 Bestellungen<br />

sind eingegangen, die meisten davon aus New York City. Einige<br />

Hundert davon sind bereits in nordamerikanischen Metropolen im<br />

täglichen Einsatz. Die modernen Busse ermöglichen eine erhebliche<br />

Treibstoffeinsparung und stoßen darüber hinaus deutlich<br />

geringere Emissionen aus.<br />

360 GRAD: <strong>Daimler</strong>Chrysler entwickelt derzeit gemeinsam mit<br />

BMW einen Hybridantrieb für ein Premiumfahrzeug. Da kooperieren<br />

plötzlich die schärfsten Konkurrenten. Schafft der Kostendruck<br />

bei Zukunftstechnologien neue Freundschaften?<br />

Kohler: Man muss Ressourcen bündeln, das ist das Gebot der<br />

Stunde. Wir haben gelernt, dass solche Kooperationen große<br />

Vorteile mit sich bringen. Die große Furcht, seine Identität im<br />

Produkt zu verlieren, ist praktisch unbegründet. Sie können eine<br />

Basisentwicklung gemeinsam machen und dann die Ausprägung<br />

und Integration im Fahrzeug völlig unterschiedlich gestalten,<br />

sodass sich ein Mercedes-Benz immer noch deutlich von einem<br />

BMW unterscheidet. Wir haben zum Beispiel mit Ford eine<br />

Kooperation bei der Entwicklung der Brennstoffzelle. Und der Ford<br />

Focus mit Brennstoffzelle fährt sich vollkommen anders als ein<br />

Fahrzeug von <strong>Daimler</strong>Chrysler. In solchen Allianzen liegt noch viel<br />

Potenzial.<br />

360 GRAD: Dann hat sich die Werksspionage wohl erübrigt, wenn<br />

sowieso bald alle Hersteller gemeinsame Entwicklungen betreiben?<br />

Kohler: Nein, Wettbewerbsanalyse ist unverzichtbar. Denn<br />

genau die Frage „Was macht der andere aus der gemeinsamen<br />

Basisentwicklung?“ ist wichtig. Wie wird die Brennstoffzelle oder<br />

der Hybridantrieb im Fahrzeug integriert, zu welchen Kosten und<br />

zu welchen Terminen, mit welcher Justierung im Detail, das ist<br />

das Know-how, das interessant ist. Von daher würde ich sagen:<br />

Wettbewerbsanalyse bleibt auch weiterhin spannend (lacht). \


spANIEN<br />

MADRID<br />

AvENIDA DE AMÈRIcA<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> CO ² –Champion<br />

cO -champion<br />

2<br />

Fotografie<br />

Dirk Weyhenmeyer<br />

Mit dem smart fortwo hat <strong>Daimler</strong>Chrysler offenbar den Nerv<br />

der Zeit getroffen. Rund 770.000 Exemplare kurven mittlerweile<br />

durch die europäischen Metropolen. In New York steht der<br />

kuriose Kleine im Museum of Modern Art. Das deutsche<br />

Institut für Umweltforschung „Öko-Trend“ bescheinigte ihm<br />

jüngst besondere Umweltverträglichkeit. So viel Lob beflügelt.<br />

In einem äußerst schwierigen Marktumfeld setzte sich der smart<br />

fortwo durch und ist in der CDI-Variante das derzeit einzige<br />

Drei-Liter-Auto der Welt. Jetzt kommt das Nachfolgemodell des<br />

smart fortwo auf den Markt. Es ist 20 Zentimeter länger, noch<br />

sparsamer im Verbrauch und attraktiver als sein Vorgänger.<br />

Die Ingenieure des neuen smart fortwo setzten konsequent<br />

auf Komfort, Agilität, Sicherheit und zugleich klimafreundliches<br />

Fahren. Mit Erfolg: Die Dieselversion CDI, ebenso wie die<br />

drei Benziner mit einem neu entwickelten Fünfgang-Getriebe<br />

gekoppelt, punktet mit einem Normverbrauch von nur<br />

3,3 Litern. Mit 88 Gramm pro Kilometer schafft das weltweit<br />

einzige Drei-Liter-Auto zudem den niedrigsten CO 2- Ausstoß aller<br />

Fahrzeugtypen. Obwohl die neu entwickelten Benzinmotoren<br />

deutlich mehr leisten, schlucken sie nach Norm zwischen<br />

4,7 und 4,9 Liter. Sie stoßen beim stärksten Antrieb gerade<br />

mal 116 Gramm CO 2 pro Kilometer aus. Zum Vergleich: Die<br />

EU-Kommission hat eine Strategie vorgelegt, nach der die<br />

durchschnittlichen CO 2-Emissionen von in der EU verkauften<br />

Neuwagen bis 2012 das Ziel von 120 Gramm erfüllen müssen.<br />

Verbesserungen bei der Fahrzeugtechnologie sollen die<br />

durchschnittlichen Emissionen auf 130 Gramm pro Kilometer<br />

senken. Mit zusätzlichen Maßnahmen soll eine Reduzierung<br />

um weitere10 Gramm pro Kilometer erreicht werden.<br />

Darüber hinaus kommt ab Ende <strong>2007</strong> die 52-kW-Variante mit<br />

Startergenerator auf den Markt. Sie wird den Verbrauch im<br />

Stadtverkehr noch einmal um 13 Prozent reduzieren.<br />

Die Maxime der Ressourcenschonung gilt auch für Ausstattung<br />

und Bauart. In der Instrumententafel steckt die Naturfaser<br />

Flachs. Die Karosserie ist pulverlackiert. Bei diesem blei- und<br />

cadmiumfreien Verfahren werden weder Lösemittel emittiert<br />

noch entstehen Sonderabfälle. Die flexiblen Kunststoffteile der<br />

Außenhaut sind extrem leicht und vollständig wiederverwertbar.<br />

Gerade im dichten Stadtverkehr beruhigend: Kleine Parkbeulen<br />

überstehen sie unbeschadet. Kunststoff rostet zudem nicht. Das<br />

Auto dürfte den Amerikanern gefallen. In den USA kommt der<br />

Kleine im Jahr 2008 auf den Markt. \


6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

news<br />

zum umgang mit der umwelt<br />

16° N / 92° w<br />

zertifikat für Werk<br />

in Mexiko<br />

Santiago – Im Freightliner-Werk im mexikanischen<br />

Santiago de Tianguistenco führten<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Umweltexperten 2002<br />

erstmals eine Umweltrisikoanalyse durch.<br />

Das Management wurde davon überzeugt,<br />

dass organisatorische und technische<br />

Maßnahmen unumgänglich waren, um<br />

den Standort auf den von <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

weltweit geforderten Umweltstandard<br />

hin zu entwickeln. Investitionen für die<br />

Umsetzung eines herausfordernden<br />

Maßnahmenkataloges wurden daraufhin<br />

freigegeben. 2004 beteiligte sich das Werk<br />

zusätzlich an einem Umweltprogramm<br />

der mexikani-schen Regierung. Unter<br />

Einbeziehung der Umweltbehörden wurden<br />

Abläufe und Technik nochmals analysiert<br />

und weitere Verbesserungsmaßnahmen<br />

festgelegt. So wurden unter anderem ein<br />

Gewässerschutzprogramm aufgesetzt,<br />

separate Abfall- und Gefahrstofflager nach<br />

dem Stand der Technik errichtet sowie alle<br />

Mitarbeiter über Umweltrisiken aufgeklärt.<br />

Die Anstrengungen für eine saubere<br />

Umwelt haben Wirkung gezeigt. Der Staat<br />

Mexiko zeichnete das <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />

Werk Santiago jetzt mit dem Gütesiegel<br />

„Certificado Industria Limpia“ als besonders<br />

umweltfreundlich aus.


49° N /8° E<br />

360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> News zum Umgang mit der Umwelt<br />

Mehr Effizienz in<br />

Lackierereien<br />

Rastatt – Etwa die Hälfte des Energieverbrauchs<br />

in Montagewerken entfällt auf<br />

Lackierereien. In einem Benchmarking-<br />

Projekt von <strong>Daimler</strong>Chrysler wurden<br />

deshalb sieben Pkw-Lackierereien in<br />

Deutschland und den USA untersucht.<br />

Ein Team bewertete deren Energieeffizienz<br />

und erarbeitete Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen.<br />

Während das Design<br />

der Anlagen nur bei Neu- oder größeren<br />

Umbauten verändert werden kann, lässt<br />

sich die Betriebsweise häufig kurzfristig<br />

und mit geringen Investitionen optimieren.<br />

Stellschrauben sind die Temperatur und<br />

Feuchtigkeit der Kabinenzuluft, die Sinkgeschwindigkeit<br />

der Luft in der Kabine und<br />

die Betriebsweise der Anlagen am Wochenende.<br />

In verschiedenen Werken werden<br />

jetzt entsprechende Umsetzungsprogramme<br />

gestartet.<br />

49° N /8° E<br />

sonnen-strom<br />

in Gaggenau<br />

Gaggenau – Umweltfreundlicher Strom<br />

mithilfe der Sonne: Seit Dezember 2006 ist<br />

auf einem Dach des Getriebewerks Rastatt<br />

– einer Außenstelle des Werks Gaggenau<br />

in Deutschland – die größte Fotovoltaikanlage<br />

des gesamten <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />

Konzern installiert. Auf 21.600 Quadratmeter<br />

Dachfläche sind 2.380 Solarmodule<br />

mit einer Modulfläche von 3.950 Quadratmetern<br />

optimal auf die Sonne ausgerichtet.<br />

Sie erzeugen im Jahr durchschnittlich<br />

490.000 Kilowattstunden Solarstrom.<br />

Das entspricht dem jährlichen Bedarf von<br />

125 Vier-Personen-Haushalten. Damit<br />

lassen sich 453 Tonnen Kohlendioxid pro<br />

Jahr einsparen. <strong>Daimler</strong>Chrysler hat das<br />

Dach <strong>zur</strong> Verfügung gestellt, die neu<br />

gegründete Betreibergesellschaft Solarpark<br />

Rastatt GmbH ist für die Technik und die<br />

Instand-haltung verantwortlich. Beide<br />

Unternehmen leisten mit der Solaranlage<br />

einen Beitrag <strong>zur</strong> Reduzierung des<br />

Treibhauseffektes.<br />

35° N /140° E<br />

Weniger Emissionen<br />

in Japan<br />

Kawasaki – Investition in Lackqualität<br />

und Umweltschutz: Im Mai 2006 hat die<br />

Mitsubishi Fuso Truck & Bus Corporation<br />

(MFTBC) in ihrem Werk in Kawasaki/<br />

Japan eine Hightech-Lackiererei für Nutzfahrzeuge<br />

eröffnet. Die Investition von acht<br />

Milliarden Yen (etwa 50 Millionen Euro)<br />

bringt viele Umweltvorteile mit sich:<br />

Der Ausstoß von flüchtigen organischen<br />

Gasen (VOCs) und Gerüchen wird durch<br />

eine moderne Abluftregelung deutlich<br />

reduziert. Eine bessere Isolierung sorgt für<br />

eine niedrigere Lärmbelastung. Dank einer<br />

ausgefeilten Wärmerückgewinnung und der<br />

Nutzung eines Trockenofens sowie einer<br />

Lackkabine mit geringerem Wärmeverlust<br />

konnte der Energieverbrauch um 30 Prozent<br />

reduziert werden.


UsA<br />

sILvER spRING<br />

THAyER AvENUE


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Sauberes Comeback<br />

Die BLUETEC-Technologie macht den Diesel<br />

so emissionsarm wie nie zuvor<br />

sauberes<br />

comeback<br />

Lange war der Diesel in den usA verpönt. Jetzt ist er wegen seines geringen Kraftstoffverbrauchs<br />

und einer neuen Abgastechnologie wieder gefragt


0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Autor<br />

Donna Kerr am Steuer ihres Mercedes-Benz E 320 BLUETEC<br />

Stefan Scheytt<br />

Fotografie<br />

Christoph Püschner<br />

39°N/77°w Im Leben von Donna Kerr<br />

hat es schon viele Autos der Marke<br />

Mercedes-Benz gegeben. Derzeit besitzt<br />

die Grundstücksmaklerin aus Silver Spring<br />

bei Washington D.C. zwei Modelle mit dem<br />

Stern. Das eine ist ein Grand 600, Baujahr<br />

1970; die „Stretch Limo“ soll einmal eine<br />

wichtige Rolle in Kerrs Konzept für ein<br />

Edelrestaurant spielen und wird nun von<br />

einem Restaurator zu einem Preis auf<br />

Touren gebracht, für den man sich leicht<br />

drei C-Klasse-Fahrzeuge leisten könnte.<br />

Daneben besitzt Donna Kerr seit Kurzem<br />

einen Mercedes-Benz E 320 BLUETEC.<br />

Es ist das sauberste Dieselfahrzeug der<br />

Welt und obendrein in seinem Durst<br />

nach Sprit äußerst genügsam. Für die<br />

Geschäftsfrau Donna Kerr war das ein<br />

entscheidendes Argument: „Ich gehe sehr<br />

ungern tanken.“<br />

Imagewandel für Diesel<br />

In der Geschichte der Autofahrernation USA<br />

hat es einmal sehr viele Dieselfahrzeuge<br />

gegeben. Das war in den Jahren nach der<br />

Ölkrise 1973, als mit den Spritpreisen auch<br />

die Beliebtheit des Diesel stieg und bis zu<br />

90 Prozent aller in den USA verkauften<br />

Mercedes-Benz Modelle Selbstzünder<br />

waren. Das Fehlen von schwefelarmem<br />

Dieselkraftstoff ließ die Diesel-Pkw<br />

fast wieder völlig von den Straßen<br />

verschwinden. Was blieb, war das Image<br />

eines verbrauchsgünstigen, aber lahmen,<br />

lauten und schmutzigen Selbstzünders.<br />

An diesem Urteil hielten viele fest und<br />

verpassten interessante Entwicklungen.<br />

Sie versäumten, wie die Common-Rail-<br />

Direkteinspritzung (CDI) dem Diesel<br />

heute zu Drehmomenten verhilft, die jene<br />

von Benzinern meist übertreffen. Sie<br />

versäumten, wie die wartungsfreien<br />

Partikelfilter das Rußproblem lösten. Und<br />

sie versäumten, wie Mercedes-Benz die<br />

Stickoxidemissionen innerhalb von 15 Jahren<br />

um rund 75 Prozent reduzierte. Den<br />

neuesten Technologiesprung allerdings wird<br />

kaum jemand so leicht verpassen können.<br />

Denn BLUETEC verringert die Stickoxide<br />

nochmals drastisch und erreicht das Niveau<br />

des Ottomotors – bei bis zu 35 Prozent<br />

geringerem Dieselverbrauch. Der<br />

Imagewandel zeichnet sich bereits ab: Das<br />

US-amerikanische Wissenschaftsmagazin<br />

„Scientific American“ wählte BLUETEC zu<br />

den wegweisenden Innovationen in<br />

Wissenschaft und Technik des Jahres 2006.<br />

Die traditionsreiche Zeitschrift „Popular<br />

Science“ setzte BLUETEC auf die Liste<br />

„Best of What’s New“ der besten Produktinnovationen.<br />

Auf der International Auto<br />

Show in New York im April <strong>2007</strong> wählten<br />

Automobiljournalisten aus 22 Ländern den<br />

E 320 BLUETEC zum „<strong>2007</strong> World Green<br />

„Diesel-Pkw leisten einen<br />

wichtigen Beitrag, um<br />

Kraftstoffbedarf und<br />

Kohlendioxidemissionen<br />

zu senken.“<br />

Margo Oge, Leiterin des Office of transportation & Air<br />

der EPA Quality<br />

Car“. Durch weiter sinkende Emissionsgrenzen<br />

und steigende Kraftstoffpreise<br />

dürfte der Diesel in den USA ein sauberes<br />

Comeback erleben: Marktforscher rechnen<br />

mit einem Anstieg des Marktanteils von<br />

3,4 auf 15 Prozent bis zum Jahr 2015. Und<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler als Erfinder und maßgeblicher<br />

Treiber der Dieseltechnologie<br />

dürfte daran einen großen Anteil haben,<br />

zumal die Modellpalette an klassischen<br />

Dieselfahrzeugen und BLUETEC-Versionen<br />

stark vergrößert werden soll.<br />

Innovation durch Abgasreinigung<br />

Erzielt werden die umweltfreundlichen<br />

Emmissionswerte durch ein modulares<br />

System <strong>zur</strong> Abgasreinigung. Es besteht<br />

aus einem Oxidationskatalysator, der vor<br />

allem den Ausstoß an Kohlenmonoxid<br />

senkt, und einem Partikelfilter, der die<br />

Menge der Rußteilchen um bis zu<br />

98 Prozent auf ein kaum nachweisbares<br />

Niveau reduziert. Dritter Baustein ist die<br />

Kombination aus zwei weiteren Elementen:<br />

dem NOx -Speicherkatalysator, der<br />

Stickoxide sammelt und im sogenannten<br />

Fettbetrieb in harmlosen Stickstoff<br />

verwandelt, und dem SCR-Katalysator<br />

(Selective Catalytic Reduction), der wei-<br />

tere Stickoxide abbaut. „Die eigentliche<br />

Innovation von BLUETEC besteht in der<br />

Kombination dieser Module zu einem


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Sauberes Comeback 1<br />

Diesel findet an amerikanischen Tankstellen immer mehr Abnehmer ...und ist ideal für lange Strecken<br />

System, das alle relevanten Schadstoffe<br />

im Abgasstrang vermindert“, erklärt der<br />

Chemiker Bernd Krutzsch, Abteilungsleiter<br />

Abgasnachbehandlung. Für seinen Beitrag<br />

zu BLUETEC erhielt er den <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />

Forschungspreis 2005.<br />

„Bei der Entwicklung dieser Fettphasen<br />

im Motor, auf die das Fahrzeug norma-<br />

lerweise mit Ruckeln und Rußwolken<br />

reagiert, hatten wir einige Rückschläge<br />

zu verkraften“, erinnert sich Motorenentwickler<br />

Bernd Lindemann, der als<br />

BLUETEC-Entwickler für die neue Technologie<br />

ebenfalls mit dem Forschungspreis<br />

ausgezeichnet wurde. „Wenn wir den<br />

Fettsprung initiierten, gab es zunächst<br />

ein Geräusch, als würden die Kolben<br />

rausfliegen.“ Viele Versuche später muss-<br />

te für Demonstrationszwecke eigens ein<br />

akustisches Signal eingebaut werden, um<br />

den Fettsprung überhaupt noch wahrzunehmen.<br />

Mit anderen Worten: Der<br />

Autofahrer bekommt von der Betriebsstrategie<br />

des Motors nichts mit – und so<br />

soll es auch sein.<br />

Eine andere Variante, die Stickoxide<br />

abzubauen, ist BLUETEC mit AdBlue. Sie<br />

bewährt sich bereits seit zwei Jahren in<br />

rund 60.000 Lkw und Bussen von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler. Das Prinzip: Die wäss-<br />

rige Harnstofflösung AdBlue wird in den<br />

vorgereinigten Abgasstrom eingespritzt.<br />

Das dabei freigesetzte Ammoniak wandelt<br />

im nachgeschalteten SCR-Katalysator bis<br />

zu 80 Prozent der Stickoxide in unschädlichen<br />

Stickstoff und Wasser um. Von 2008<br />

an soll BLUETEC mit AdBlue auch für Pkw-<br />

Modelle erhältlich sein.<br />

Weniger Schwefel im Diesel<br />

Das ist ganz im Sinne von Margo Oge,<br />

Leiterin des Office of Transportation & Air<br />

bei der mächtigen US-Umweltbehörde<br />

EPA. Legendär ist ihre Aussage, die USA<br />

könnten täglich 1,4 Millionen Barrel Rohöl<br />

sparen – das entspricht dem täglichen<br />

Import aus Saudi-Arabien – wenn nur ein<br />

Drittel der Vans, Pickups und SUV (Light-<br />

Duty-Fahrzeuge) mit Dieselmotoren betrieben<br />

würden. Jahrelang hat die engagierte<br />

Umweltpolitikerin deshalb für einen<br />

geringeren Schwefelgehalt im Dieselkraftstoff<br />

gestritten - eine entscheidende Voraussetzung<br />

für moderne und verbrauchs-<br />

arme Fahrzeuge.<br />

Margo Oge setzte sich durch: Seit Oktober<br />

2006 fließt der „Ultra low sulfur diesel“ an<br />

fast allen Tankstellen mit Dieselzapfsäule<br />

aus dem Hahn. „Jetzt können Diesel-Pkw<br />

einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass<br />

wir unseren Kraftstoffbedarf und damit die<br />

Kohlendioxidemissionen senken“, sagt<br />

Oge und fügt hinzu: „Leider haben manche<br />

Amerikaner noch das alte negative Bild<br />

vom Diesel vor Augen. Wir müssen sie<br />

darüber aufklären, dass die Technologien<br />

von heute diesem Bild in keiner Weise<br />

mehr entsprechen.“<br />

Im Fall von Donna Kerr ist Aufklärung<br />

freilich nicht mehr nötig. Noch ist ihr<br />

E 320 BLUETEC zu neu, als dass sie eigene<br />

Verbrauchsrechnungen angestellt hätte.<br />

Aus den „Fuel Economy Information“ der<br />

EPA weiß sie jedoch, dass ihrem neuen<br />

Mercedes-Benz in der Stadt 9 Liter auf<br />

100 Kilometer genügen, auf dem Highway<br />

nur 6,4 Liter (37 mpg). „Wir haben ein<br />

Ferienhäuschen in Maine, knapp 800<br />

Meilen (gut 1.200 km) entfernt. Wenn wir<br />

Glück haben, reicht uns dafür eine<br />

Tankfüllung.“ \


2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

usA<br />

„Öko-Allianz“ titelte die Presse, als Mercedes-Benz, Jeep ® , Audi und Volkswagen Ende 2006 in<br />

Los Angeles die umweltfreundliche Dieseltechnologie BLUETEC für den amerikanischen Markt<br />

präsentierten. <strong>Daimler</strong>Chrysler hat bereits den Mercedes-Benz E 320 BLUETEC auf dem amerikanischen<br />

Markt eingeführt. Mit der gemeinsamen Verwendung des Namens wollen die Automobilhersteller<br />

dem Dieselantrieb einen zusätzlichen Schub für den bislang <strong>zur</strong>ückhaltenden<br />

US-Markt geben.<br />

Los Angeles<br />

1 Oxidations-<br />

Katalysator<br />

3 De NOx-<br />

Katalysator<br />

2 Partikelfilter<br />

BLUETEC-Komponenten beim E 320 cdi<br />

Oxidations-Katalysator, DeNOx-Katalysator,<br />

Partikelfilter und SCR-Katalysator- BLUETEC ist<br />

eine Kombination aus mehreren Komponenten,<br />

die unterschiedlich kombiniert werden:<br />

Oxidations-Katalysator (1) und Partikelfilter (2)<br />

senken den Ausstoß an Kohlenmonoxid und<br />

Rußpartikeln. Ein neu entwickelter NOx-Spei-<br />

cherkatalysator (3) sammelt die Stickoxide und<br />

verwandelt sie in harmlosen Stickstoff. Der<br />

SCR-Katalysator ( ) (Selective Catalytic Reduction)<br />

baut weitere Stickoxide ab.<br />

SCR-<br />

Katalysator<br />

Niedriger Verbrauch<br />

Der mit einem 224 PS starken V6-Motor ausgestattete<br />

Mercedes-Benz E 320 BLUETEC verbraucht nur 6,7<br />

Liter je 100 Kilometer und ist mit einer Tankfüllung bis<br />

zu 1.200 Kilometer unterwegs.<br />

Sauberster Diesel-Pkw<br />

Autojournalisten aus 22 Ländern haben den<br />

Mercedes-Benz E 320 BLUETEC wegen seiner<br />

niedrigen Emissionen zum „<strong>2007</strong> World Green<br />

Car“ gewählt. Als einziger Diesel-Pkw entspricht<br />

er der strengen US-Abgasnorm BIN 8 – bei ge-<br />

ringem Verbrauch durch seinen Dieselantrieb.<br />

New York


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Sauberes Comeback 3<br />

Europa<br />

In Deutschland könnten BLUETEC-Modelle von Mercedes-Benz<br />

schon heute unterwegs sein – schwefelfreier Dieselkraftstoff<br />

kann überall getankt werden. Jedoch nicht in allen europäischen<br />

Staaten ist dieser Kraftstoff flächendeckend verfügbar. Erst von<br />

2008 an soll schwefelfreier Dieselsprit in allen 15 EU-Staaten<br />

verfügbar sein. Der Schwefel im Kraftstoff würde den NOx-<br />

Speicherkatalysator regelrecht vergiften. Die Markteinführung<br />

von BLUETEC in Europa wird in 2008 mit<br />

der Mercedes-Benz E-Klasse beginnen.<br />

BLUETEC für Lkw<br />

In Europa fahren rund 60.000 Lkw und Busse mit einer weiteren Komponente von BLUETEC, der<br />

Harnstofflösung AdBlue. Das Prinzip: Freigesetztes Ammoniak wandelt im SCR-Katalysator<br />

bis zu 80 Prozent der Stickoxide in die ungiftigen Substanzen Stickstoff und Wasser um. Die<br />

AdBlue-Lösung wird wie Dieselkraftstoff an einer Zapfsäule getankt. Von 2008 an soll BLUETEC<br />

mit AdBlue auch für Pkw-Modelle erhältlich sein.<br />

Abgase<br />

Oxidations-<br />

Katalysator<br />

AdBlue<br />

Alles über das neue Abgasreinigungssystem für Dieselmotoren<br />

Hydrolyse-<br />

Katalysator<br />

SCR-<br />

Katalysator<br />

Oxidations-<br />

Katalysator


trip durch tokio<br />

Einer der sparsamsten Kleinlaster der Welt ist in Japan unterwegs. Der canter Eco hybrid von<br />

Mitsubishi Fuso verfügt über einen hybridantrieb mit kombiniertem Elektro- und Dieselmotor. Er<br />

reduziert den stickoxid- und Feinstaubausstoß um mehr als 40 Prozent – und rechnet sich auch<br />

ökonomisch. zu diesem Ergebnis kommt das Logistikunternehmen DhL, das den Wagen in tokio<br />

testet. 360 GRAD ging mit auf tour und lässt das umweltauto selbst berichten<br />

Text und Fotos<br />

Kilian Kirchgeßner<br />

jApAN<br />

ToKIo<br />

HIGAsHI sHINAGAwA<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Trip durch Tokio<br />

10:55<br />

10:55 Uhr, Shinagawa-Viertel. Stand: 8.204 Km<br />

10:57<br />

43°N/142°E Herrlicher Sonnenschein, und ich stehe immer noch in der Garage. Ich will raus!<br />

Alle anderen Autos durften schon los, dabei sind die blanker Durchschnitt. Ich dagegen bin etwas<br />

Besonderes: ein Hybridkleinlaster, der einzige in ganz Japan. Aaaah, da kommt er ja endlich: Tetsuya<br />

Kuroda, mein Fahrer vom Logistikunternehmen DHL. Hat wohl Spätschicht heute. Jetzt<br />

aber los, Junge!<br />

11:50 Uhr, Nishi-Kojiya-Viertel. Stand: 8.235 Km<br />

Schöne Gegend, nicht so blitzblank wie die Innenstadt<br />

vorhin. Hier sind die Straßen schmaler, die<br />

Leute sind auf Fahrrädern unterwegs, und es<br />

gibt Kinderspielplätze. Gut, dass ich den Kleinen<br />

nicht die Luft verpeste. Hoppla, die Ampel wird<br />

grün, fast lautlos fahre ich an. Das muss mir erst<br />

mal einer nachmachen. Der Elektromotor schiebt<br />

sachte an, und der Diesel schaltet sich erst ein,<br />

wenn ich ein bisschen schneller rolle.<br />

11:08 Uhr, Shinagawa-Viertel. Stand: 8.207 Km<br />

Berufsverkehr in der 30-Millionen-Einwohner-<br />

Stadt Tokio: Einfach fantastisch, diese Rushhour.<br />

Ich liebe das Gedränge! Im Stop-and-go-Verkehr<br />

kann ich meine Fähigkeiten voll ausfahren:<br />

Wenn Tetsuya mir auf die Bremse tritt, speist ein<br />

Generator die Bremsenergie als Strom in eine<br />

Batterie ein. Da geht kein Saft verloren.<br />

11:08<br />

11:57 11:50


6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

12:15 12:16<br />

12:18<br />

12:15 Uhr, Gotanda-Viertel. Stand: 8.250 Km<br />

Vierspurige Straße, überall Geschäfte und Büros. Ein bisschen feiner, die Gegend. Ausgerechnet in<br />

diesem Getümmel sucht mein Fahrer einen Parkplatz. Er muss hier wohl ein Paket abgeben. Na ja,<br />

ich kann ja so lange gemütlich parken. Nur Tetsuya, der Arme, muss rennen, damit er schnell zum<br />

nächsten Kunden kommt. Dabei ist er ja auch nicht mehr der Jüngste, im Vergleich zu mir, meine<br />

ich ...<br />

12:26<br />

12:27 Uhr, auf dem Weg nach Daikoku Futo.<br />

Stand: 8.258 Km<br />

So eine Frechheit! Der Lastwagen vor uns<br />

hat uns ausgebremst. Wie gut, dass Tetsuya<br />

Kuroda so ein besonnener Fahrer ist, sonst<br />

hätte es jetzt gekracht. Aber ich lasse mich<br />

nicht <strong>zur</strong>ückfallen. Wir überholen! Für die<br />

Beschleunigung schalte ich den Elektroantrieb<br />

zu, jetzt müssen alle 125 PS ran. Ich staune<br />

selbst immer wieder, wie schnell und sicher<br />

ich abzische, wenn beide Motoren gleichzeitig<br />

arbeiten und wir locker an den anderen<br />

vorbeiziehen.<br />

13:20<br />

12:25<br />

12:27<br />

13:20 Uhr, Higashi-Shinagawa-Viertel.<br />

Stand: 8.292 Km<br />

Ich liebe diese Tankstellen! Da schwillt mir jedes Mal<br />

der Kühler vor Stolz. Nur der Tankwart ärgert sich<br />

immer, wenn er mich sieht: Wenn jeder Laster so<br />

sparsam wäre, hat er mir neulich zugeraunt, könnte<br />

er gleich dichtmachen. Kann ihn ja verstehen. Ich<br />

verbrauche zwischen 10 und 20 Prozent weniger<br />

Diesel als die konventionellen Fahrzeuge.<br />

12:25 Uhr, auf dem Weg nach Daikoku Futo.<br />

Stand: 8.255 Km<br />

Auf der Stadtautobahn kann ich zeigen, was in<br />

mir steckt! Die anderen Autos werden richtig<br />

neidisch. Der Elektromotor macht Pause, weil<br />

der Diesel bei dem Tempo einfach sparsamer<br />

ist. Das Umschalten zwischen den Motoren geht<br />

übrigens automatisch. Der Bordcomputer erkennt<br />

die Fahrsituation und wählt zwischen Diesel- und<br />

Elektroantrieb.


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Trip durch Tokio<br />

HybRID-AKTIvITäTEN wELTwEIT<br />

Troy/Michigan, USA: Im Hybrid-Entwicklungszentrum<br />

bauen Projektteams von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler, General Motors und BMW<br />

verschiedene Hybridsysteme. Neuestes<br />

Produkt: Der Two-Mode-Hybrid basiert auf<br />

einem stufenlosem, elektrischen Getriebe,<br />

das zwei Betriebsmodi ermöglicht. Sowohl<br />

im Stadtbetrieb als auch bei höheren<br />

Geschwindigkeiten arbeitet der Antrieb<br />

im günstigen Bereich, sodass erstmals<br />

im gesamten Fahrbetrieb sehr effiziente<br />

Verbrauchswerte erzielt werden.<br />

Portland, USA: Im vergangenen Jahr<br />

präsentierte die nordamerikanische<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Tochter Freightliner<br />

LLC erstmals einen Prototypen des<br />

mittelschweren Lkw „Business Class<br />

M2“<br />

mit Hybridantrieb.<br />

13:30<br />

New York, USA: Die Hybridbusse der<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Stadtbusmarke Orion sind<br />

ein Verkaufsschlager:<br />

1 . 500<br />

Bestellungen sind bereits eingegangen,<br />

die meisten davon aus New York City.<br />

Die modernen Busse ermöglichen eine<br />

deutliche Treibstoffeinsparung und<br />

stoßen weniger Feinstaub aus – in den<br />

Innenstädten trägt die Technologie so<br />

zum guten Klima bei.<br />

Paris, Frankreich: Ein Mercedes-Benz<br />

Sprinter mit Hybridantrieb rollt zu<br />

Testzwecken über die Straßen der<br />

französischen Hauptstadt. Es ist der bislang<br />

einzige Mercedes-Benz Lieferwagen<br />

mit der neuen Technik. Die Batterie ist<br />

platzsparend im Boden des Fahrzeugs<br />

verstaut.<br />

Detroit, USA: Der erste <strong>Daimler</strong>Chrysler-<br />

Hybrid-Pkw geht in Serie:<br />

2008<br />

kommen der Dodge Durango und der<br />

Chrysler Aspen mit dem innovativen<br />

Two-Mode-Hybrid zu den Händlern.<br />

Die Technik stammt aus dem Hybrid-<br />

Entwicklungszentrum in Troy. Der neuartige<br />

Antrieb ist auch für ein Modell<br />

von Mercedes-Benz vorgesehen.<br />

Stuttgart, Deutschland: <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

und die BMW Group erweitern ihre<br />

Zusammenarbeit auf dem Gebiet<br />

der Hybridantriebe und entwickeln als<br />

gleichberechtigte Partner ein innovatives<br />

Hybridmodul für heckgetriebene Pkw<br />

des Premiumsegments. Dabei unterstützt<br />

ein zusätzlicher Elektroantrieb den<br />

Verbrennungsmotor.<br />

13:30 Uhr, Shinagawa-Viertel. Stand: 8.295 Km<br />

He, Jungs, wie lang seid ihr denn schon wieder <strong>zur</strong>ück? Wie, ihr habt schon Feierabend? Ich kann<br />

gleich noch mal raus. Da vorne, die Pakete auf der Palette müssen alle heute noch zu den Kunden.<br />

Im Zweifel schicken sie wohl lieber mich damit los. Bin halt sauberer und sparsamer als ihr. Tja, Jungs,<br />

die Zukunft liegt nun mal in den sauberen Antriebstechnologien. Aber Kopf hoch, bin gleich wieder da,<br />

und dann erzähl ich euch, was ich unterwegs alles so erlebt habe.


chancen<br />

für<br />

Minderheiten<br />

In den usA unterstützt <strong>Daimler</strong>chrysler systematisch zulieferer, deren Eigentümer<br />

benachteiligten ethnischen Gruppen angehören<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler


cHRysLER DRIvE<br />

AUbURN HILLs<br />

UsA


60<br />

Autor<br />

Stefan Scheytt<br />

s. 59<br />

Er öffnet die Türen für Minderheiten: Jethro Joseph<br />

Fotografie<br />

42°N/83°w Wie sie mit ihrem Goldschmuck an Ohren, Hals und<br />

Fingern vor dem wuchtigen Schreibtisch steht, an den Wänden<br />

indianischer Federschmuck neben goldgerahmten Naturgemälden,<br />

ringsum ausladende Sessel und Canapés, könnte man sie für<br />

eine Antiquitätenhändlerin halten. Ihr Geschäft macht Sharon<br />

Cannarsa, die zierliche Frau im schwarzen Samtkostüm, jedoch<br />

mit Nockenwellen, Motorblöcken und Differenzialgehäusen.<br />

Die Eigentümerin und Geschäftsführerin des Autozulieferers<br />

Systrand Manufacturing in Brownstown bei Detroit ist eine<br />

doppelte Ausnahmeerscheinung: als Frau in einer von Männern<br />

dominierten Industrie und als Unternehmerin mit indianischen<br />

Wurzeln. Tochter eines Amerikaners und einer Indianerin vom<br />

Stamm der Mohawk, hatte Sharon Cannarsa mit ihrem Mann in<br />

den 1970er-Jahren zuerst einen kleinen Zulieferbetrieb für die<br />

Ölförderbranche aufgebaut und dann, nach deren Abstieg, einen<br />

zweiten Anlauf mit der Gründung des Automobilzulieferers<br />

Systrand genommen. Mit Erfolg.<br />

Zugang zu <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Erfolgreiche Zulieferin: Sharon Cannarsa<br />

Christoph Püschner<br />

Innerhalb von 25 Jahren hat es Cannarsa zu einem Unternehmen<br />

mit 320 Mitarbeitern, einer Tochterfabrik in Südkorea, einem Joint<br />

Venture mit ThyssenKrupp und einem Jahresumsatz von rund 55<br />

Millionen US-Dollar gebracht.<br />

Solche Erfolgsgeschichten kennt Jethro Joseph viele. Der Leiter<br />

der Abteilung Diversity Supplier Management ist damit betraut,<br />

Zulieferern, deren Eigentümer und Geschäftsführer Minderheiten<br />

angehören, den Zugang zu <strong>Daimler</strong>Chrysler zu verschaffen. Man<br />

könnte Jethro Joseph und seine sieben Mitarbeiter auch als<br />

Kommunikatoren im Sonderauftrag bezeichnen: Sie besuchen<br />

mindestens zwei Dutzend Messen im Jahr, sitzen in den Gremien<br />

zahlreicher Verbände und organisieren „Matchmaker“. Dieses<br />

jährlich stattfindende Forum bietet Firmeneigentümern, die >


ALLEN RoAD bRowNsTowN UsA<br />

61


62 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Qualitätsbewusst:<br />

Einkaufsdirektor Kevin R. Galvin<br />

Minderheiten angehören, die Gelegenheit, sich dem Autobauer<br />

und seinen großen, sogenannten First-Tier-Lieferanten, zu<br />

präsentieren.<br />

NMSDC<br />

Derzeit kauft <strong>Daimler</strong>Chrysler Waren und Dienstleistungen bei<br />

rund 250 solcher Zulieferer in Nordamerika ein. Knapp 40 von<br />

ihnen bietet die Einkaufsabteilung des Konzerns zusätzlich ein<br />

Mentorenprogramm mit Seminaren und Trainingseinheiten in<br />

Qualitätsmanagement und Finanzierungsfragen. „Wir verstehen<br />

uns als Anwalt dieser Firmen und ihrer Mitarbeiter“, sagt Joseph,<br />

„wir möchten nicht, dass sie uns einfach nur ihre Produkte und<br />

Dienste verkaufen; wir möchten, dass sie sich gemeinsam mit uns<br />

kontinuierlich verbessern und mit uns wachsen.“ Schließlich gehe<br />

es darum, dass die vielen Minderheiten im Land ein „Stück vom<br />

Kuchen“ abbekommen.<br />

„Am Ende zählt nur Leistung“ Anthony Cannarsa jr.<br />

Das „Stück vom Kuchen“ hat inzwischen beträchtliche Ausmaße<br />

angenommen. Allein in den vergangenen acht Jahren hat<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler das Einkaufsvolumen bei Unternehmen im<br />

Besitz von Minderheiten auf 3,9 Milliarden Dollar mehr als<br />

verdoppelt. Im Jahr 2006 vergab der Konzern 13,5 Prozent seines<br />

Einkaufsbudgets an die Randgruppen. Insgesamt flossen ihnen seit<br />

Beginn der Initiative im Jahr 1983 mehr als 34 Milliarden Dollar zu.<br />

Etwa15 Millionen Dollar im Jahr gehen davon für Nockenwellen<br />

und andere metallene Motoren- und Getriebeteile zu Systrand in<br />

Brownstown. Erstaunlich an der Partnerschaft der zwei Firmen<br />

ist vor allem, wie rasch sie sich entwickelte: Der erste Kontakt<br />

bei einem „Matchmaker“-Event von <strong>Daimler</strong>Chrysler liegt keine<br />

drei Jahre <strong>zur</strong>ück, heute steht der deutsch-amerikanische Autokonzern<br />

für mehr als ein Viertel der Systrand-Erlöse. „Entscheidend<br />

war, dass wir als relativ kleines Unternehmen überhaupt<br />

MINoRITy bUsINEss<br />

Der National Minority Supplier Development Council (NMSDC)<br />

ist der wichtigste Verband <strong>zur</strong> Förderung von benachteiligten Zulieferern<br />

in den USA. Dazu zählen Firmen, die zu mindestens 51 Prozent im Besitz<br />

eines Angehörigen einer Minderheit sind. Die Eigentümer müssen zudem<br />

das Unternehmen operativ führen.<br />

die Gelegenheit bekamen, gegen viel größere Firmen antreten zu<br />

können“, sagt Firmenchefin Cannarsa.<br />

In der Konkurrenz gegen die ganz Großen der Branche hat<br />

Systrand seine Stärken als überschaubares und schnelles Familienunternehmen<br />

voll ausgespielt. „Wir haben eine motivierte und gut<br />

ausgebildete Mannschaft aufgebaut. Mehrere Großkunden haben<br />

wir dauerhaft an Land gezogen, indem wir kurzfristige Aufträge<br />

annahmen, die andere so nicht leisten konnten oder wollten“,<br />

erzählt Anthony Cannarsa jr., Sohn der Firmenchefin und stellvertretender<br />

Geschäftsführer. 85 Prozent der 200 Mitarbeiter im<br />

Werk in Brownstown sind „Hispanics“. Die Personalchefin kommt<br />

aus Mexiko, die Qualitätsbeauftragte aus China.<br />

Sämtliche Aushänge sind in Spanisch und Englisch verfasst, und<br />

wer die Landessprache besser beherrschen will, bekommt einen<br />

Englischkurs auf Kosten der Firma, die übrigens ihrerseits mehr als<br />

acht Prozent der Einkäufe bei Firmen in Minderheitenbesitz tätigt.<br />

„Aber am Ende“, stellt Anthony Cannarsa jr. klar, „zählt doch, dass<br />

wir Leistung in puncto Qualität, Technologie, Kosten und Logistik<br />

bringen. Wir bekommen von <strong>Daimler</strong>Chrysler nichts geschenkt.“<br />

Zumal die Auftragsvergabe unverändert Sache der Einkäufer ist.<br />

Für sie ist der besondere Einsatz für Minderheiten auch eine Frage<br />

des Marketings. „Unter unseren Kunden sind alle Hautfarben,<br />

Nationalitäten und Ethnien vertreten“, sagt Einkaufsdirektor Kevin<br />

R. Galvin. „Es hilft unserem Image und damit unserem Erfolg am<br />

Markt, wenn auch unsere Zulieferer ein Abbild unserer vielfältigen<br />

Gesellschaft sind.“<br />

Werbung für Minderheiten<br />

Keiner wüsste das besser als Donald A. Coleman. Die multikulturelle<br />

Gesellschaft ist quasi das Geschäftsmodell seiner >


cHRysLER DRIvE AUbURN HILLs UsA<br />

63


6<br />

UsA<br />

soUTHfIELD<br />

TowN cENTER


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Chancen für Minderheiten 6<br />

Werbeagentur Global Hue in Detroit. Coleman, selbst „African<br />

American“, spezialisierte sich auf Werbung für Schwarze und<br />

stieg <strong>zur</strong> Nummer 1 in diesem Segment auf. Später vereinte er<br />

die viertgrößte spanischstämmige und die zweitgrößte von Asiaten<br />

geführte Agentur des Landes unter dem Dach von Global Hue<br />

und schuf damit die größte Werbeschmiede im Besitz von<br />

Minderheiten in den USA.<br />

Coleman ist ein großer, bulliger Typ. Er stand einmal am Beginn<br />

einer Profikarriere im Football, bis ihn eine Verletzung aus der<br />

Bahn warf. Es scheint, als hätte „Don“ Coleman die ganze<br />

Energie seiner Person in das Agenturprojekt umgeleitet. Hoch<br />

über Detroit sitzt er im 16. Stock an seinem Konferenztisch und<br />

sagt: „Meine 150 Mitarbeiter kommen aus vielen Nationen und<br />

unterschiedlichen Kulturen. Sie kennen die Milieus, den Lifestyle<br />

und die Subkulturen in den großen Städten, und sie sprechen die<br />

Sprachen der Minderheiten.“ Dieser Markt, doziert der Vorstandsvorsitzende<br />

von Global Hue weiter, wachse sieben Mal schneller<br />

sozIAL UND wIRTscHAfTLIcH pRäsENT<br />

3 Prozent Minderheiten 1 Prozent Minderheiten<br />

US-Bevölkerung<br />

US-Firmenbesitzer<br />

Sie zählen in den USA zu den Minderheiten: African Americans, Hispanic<br />

Americans, Native Americans, Asian Pacific Americans, Asian Indian Americans<br />

Mit Werbung an die Spitze:<br />

Agenturchef Donald A.Coleman<br />

als der gesamte US-Markt. „Alle Minderheiten zusammen machen<br />

heute 39 Prozent der US-Bevölkerung aus, in 40 Jahren stellen sie<br />

die Mehrheit. Sie sind eine gigantische Einkaufsmacht.“<br />

Sein Wissen über diese gigantische, aber aufgesplittete Zielgruppe<br />

verkauft Global Hue heute an große Unternehmen von Walmart<br />

bis American Airlines. Den Anfang machte 1994 <strong>Daimler</strong>Chrysler.<br />

„Wir waren eine kleine Firma und <strong>Daimler</strong>Chrysler unser erster<br />

großer Kunde. Der Auftrag katapultierte uns in eine andere Dimension“,<br />

sagt Coleman, dessen Mitarbeiter seither für Chrysler, Jeep ®<br />

und Dodge unzählige TV- und Radiospots, Anzeigen, Internetwerbung<br />

und Werbeevents entwickelt haben, immer zugeschnitten<br />

auf die verschiedenen Segmente des Multikulti-Markts. „Bei<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler haben wir als kleine Agentur einen Platz am Tisch<br />

der Entscheider bekommen“, resümiert Coleman, „und das war<br />

nur durch die Unterstützung der Abteilung Diversity Supplier<br />

Development möglich.“<br />

Solches Lob erfahren Jethro Joseph und seine Mitarbeiter oft. Es<br />

ist in Dutzenden von Zeitungsartikeln formuliert, und es steht in<br />

Form von meist gläsernen Trophäen in Josephs Büro im Chrysler-<br />

Gebäude in Auburn Hills, Michigan. Allein vier Mal hat die Abteilung<br />

für <strong>Daimler</strong>Chrysler den nationalen Titel als bester Förderer von<br />

Zulieferern in Minderheitenhand erhalten, im Bundesstaat Michigan<br />

sogar sechs Mal; jüngst kam die Auszeichnung als „Firma des<br />

Jahres“ durch den „Canadian Aboriginal and Minority Supplier<br />

Council“ hinzu. „Ich gehöre seit 36 Jahren <strong>zur</strong> Firma“, sagt Jethro<br />

Joseph, „und was kann man Erfüllenderes erreichen in seinem<br />

Beruf, als anderen helfen zu dürfen?“ Es klingt nicht so, als fühlte<br />

er sich bereits am Ziel. „Minderheiten repräsentieren zwar 39<br />

Prozent der US-Bevölkerung, aber sie besitzen nur 15 Prozent aller<br />

Firmen, auf die nur vier Prozent aller Einkäufe entfallen.“ Jethro<br />

Joseph macht eine Pause. „Es gibt also noch viel zu tun für uns.“ \


Autorin<br />

Sabine Böhne<br />

6°s/107°E Die E-Mail aus Indonesien sorgte für Aufregung in der<br />

13 c. Abiturienten des altehrwürdigen Gymnasiums „Giovanni Prati“<br />

im norditalienischen Trient hatten sich für den Mondialogo School<br />

Contest mit Schülern aus der indonesischen Hauptstadt Jakarta<br />

zusammengetan. Jetzt schlugen die jungen Asiaten ihren Partnern<br />

im fernen Trient vor, gemeinsam ein Unterrichtsgebäude für<br />

Straßenkinder zu bauen. „Wir waren aufgekratzt und haben lange<br />

darüber diskutiert, wie wir vorgehen“, erinnert sich Klassensprecherin<br />

Costanza Pozzo.<br />

Die 18-jährige Italienerin ist eine von mehr als 35.000 Schülern<br />

aus 138 Nationen, die im vergangenen Jahr am Mondialogo School<br />

Contest teilgenommen haben. <strong>Daimler</strong>Chrysler hatte den<br />

Wettbewerb für 14- bis 18-Jährige im Jahr 2003 ins Leben gerufen<br />

und dafür die UNESCO als Partner gewonnen. Jugendliche aus<br />

allen Teilen der Erde treffen sich auf der fünfsprachigen Website<br />

von Mondialogo, bilden transkontinentale Teams und hecken<br />

gemeinsame Projekte aus. Je fremder, desto lieber. Japaner und<br />

Türken entwickeln ein Lernspiel, das sich mit Rettungsplänen bei<br />

Naturkatastrophen befasst. Das Team aus Südafrika und<br />

Australien schafft ein Projekt <strong>zur</strong> Aids-Aufklärung. Schüler aus den<br />

USA und dem Iran überwinden sogar virtuelle Mauern. Obwohl der<br />

Internetkontakt zwischen beiden Ländern blockiert ist, treiben sie<br />

über Vermittler in Pakistan und Bolivien ein Modell <strong>zur</strong><br />

Wasserversorgung voran: praktische Friedensarbeit.


Neben dem Schülerwettbewerb gehört der sogenannte Mondialogo<br />

Engineering Award zum Programm. Er richtet sich an Ingenieurstudenten<br />

aus Industrie- und Entwicklungsländern. Teams aus<br />

beiden Welten müssen innerhalb von sechs Monaten ein Projekt<br />

ausarbeiten. Ob das Wasserversorgungssystem in Tansania oder<br />

die Einrichtung einer telemedizinischen Glasfaserverbindung in<br />

Nepal: Gefragt sind nachhaltige Lösungen aus allen Bereichen der<br />

Ingenieurkunst. Den Besten winken Förderpreise in Höhe von<br />

insgesamt 300.000 Euro.<br />

Die Idee kommt an. „Der Erfolg übertrifft alle Erwartungen“, sagt<br />

Astrid Pietig, Sponsoringleiterin von <strong>Daimler</strong>Chrysler, und meint<br />

damit nicht nur die zahlreichen Preise, die das Unternehmen<br />

gewann.<br />

Pietig und ihre Mitarbeiter erfanden Mondialogo. Im Dialog, so das<br />

Ziel, entwickeln Jugendliche Verständnis und Respekt gegenüber<br />

anderen Kulturkreisen. „Die Attentate vom 11. September<br />

2001 haben uns damals schmerzlich vor Augen geführt, wie<br />

entscheidend die internationale Verständigung für eine friedliche<br />

Zukunft ist“, erinnert sie sich.<br />

Die Idee begeisterte auch Hans d’Orville, Direktor für strategische<br />

Planung bei der UNESCO in Paris. „Das Projekt hat eine Klasse, wie<br />

wir sie bei Sponsorpartnerschaften nur selten finden.“<br />

„Wir suchten ein Engagement, das<br />

unsere Verantwortung als weltweites<br />

unternehmen deutlich macht und die<br />

globale Vernetzung fördert.“<br />

Astrid Pietig, <strong>Daimler</strong>Chrysler-Sponsoringleiterin<br />

Highlight für den Mondialogo School Contest ist in jedem Jahr das<br />

Symposium mit der Siegerehrung, zu dem im vergangenen Jahr<br />

Vertreter der 50 besten Teams nach Rom eingeladen wurden.<br />

Costanza Pozzo und ihr indonesischer Schulpartner Aaron<br />

Pushparatnam belegten mit ihrer Gruppe den ersten Platz.<br />

Unermüdlich hatten sie Geld für den Bau einer Schule für die<br />

Straßenkinder in der indonesischen Hauptstadt gesammelt.<br />

Demnächst wird die „Trento Free School“ in Jakarta eröffnet. \


0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Die<br />

Freiwilligen<br />

Autor<br />

Philip Wesselhöft<br />

Fotografie<br />

Christoph Püschner<br />

Moderne unternehmen sind neben ihrem wirtschaftlichen Auftrag auch für die Lebensbedingungen<br />

in ihrer umgebung aktiv. corporate citizenship heißt das in der Managersprache.<br />

<strong>zur</strong> Philosophie der sozialen Verantwortung zählt die unterstützung engagierter Mitarbeiter.<br />

<strong>Daimler</strong>chrysler fördert ihren Einsatz auf vielfältige Weise. Vier Beispiele zeigen, wie so<br />

etwas aussehen kann


54°N/12°E TRAININGsLAGER fÜR jUNGE spoRTsKANoNEN Da kamen die Kleinen mächtig ins Schwitzen: Zwei Tage trainierten Vertriebsmitarbeiter<br />

der <strong>Daimler</strong>Chrysler Bank Kinder aus dem Leichtathletikclub Mühl Rosin bei Rostock. Die jungen Talente aus der strukturschwachen<br />

Region konnten sich nicht optimal auf eine anstehende Landesmeisterschaft vorbereiten. Im Rahmen der Initiative „Ideen bewegen“ aktivierte daher<br />

Dalibor Rezic, Leasing- und Finanzierungsberater der <strong>Daimler</strong>Chrysler Bank, zwei Vertriebskollegen und ehemalige Profisportler: Holger Schlepps<br />

war 1998 Vizeweltmeister im Turmspringen, Heiko Balz gewann 1992 in Barcelona die olympische Silbermedaille im Ringen. Die Initiative „Ideen<br />

bewegen“ wurde im Sommer 2006 von der <strong>Daimler</strong>Chrysler Bank ins Leben gerufen. Sie unterstützt Mitarbeiter, die sich in ihrer Freizeit in Vereinen,<br />

sozialen Einrichtungen und anderen gemeinnützigen Institutionen engagieren. Rund 20 Projekte konnten bislang realisiert werden. Mit Erfolg: Die<br />

jungen Sportler aus Mühl Rosin gewannen bei der Landesmeisterschaft <strong>2007</strong> je fünf Mal Gold, Silber und Bronze.


48°N/9°E fAHRRäDER fÜR TscHERNobyL Ein Foto aus Tschernobyl war der Auslöser. Das Bild zeigte krebskranke Jungen und Mädchen in<br />

einem Kinderheim, die sich als einziges Spielzeug ein kaputtes Blechauto teilten. „Als ich das sah, war klar: Wir müssen etwas tun“, sagt Sven Giesler,<br />

Teamleiter Produktions- und Werkstofftechnik und Sprecher des „Arbeitskreis Umwelt MitarbeiterInnen <strong>Daimler</strong>Chrysler AG Stuttgart“. Zusammen<br />

mit seinen rund 20 Mitstreitern organisierte er eine Sammlung gebrauchter Kinderfahrräder. Mit Erfolg: Die Mitarbeiter des Werks in Untertürkheim<br />

sammelten 110 Bikes für ein Kinderheim in der weißrussischen Stadt Gomel. <strong>Daimler</strong>Chrysler stiftete dazu 200 netzwerktaugliche PCs mit Monitoren,<br />

die mit einem Betriebssystem in russischer Sprache aufgerüstet wurden. Im Frühjahr <strong>2007</strong> rollte ein Hilfstransport des Vereins „Hilfe für die<br />

Kinder Tschernobyls“ mit den Fahrrädern und Computern sowie Medikamenten und Milchpulver nach Weißrussland.


48°N/9°E AzUbI-EINsATz fÜR bEHINDERTENpRojEKT Das Haus ist ein Hingucker: Frisch renoviert und bunt gestrichen verwandelte sich<br />

eine frühere Bauhütte zum Blickfang der Dorfgemeinschaft Tennental in Baden-Württemberg. In dem Projekt leben behinderte und nicht behinderte<br />

Menschen zusammen. 40 Auszubildende aus dem <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk Sindelfingen halfen den Tennentalern nun, ein 250 Quadratmeter großes<br />

Holzhaus zum Veranstaltungszentrum aufzumöbeln. Sie installierten Strom- und Wasserleitungen, verlegten neue Böden und strichen Wände. Das<br />

Engagement nützt den behinderten Menschen ebenso wie den Azubis. „Die jungen Leute entwickeln dabei ihre Kommunikationsfähigkeit, ihr Verantwortungsbewusstsein<br />

und ihre Selbstständigkeit weiter“, sagt Werksleiter Eberhard Haller. Jedes Jahr absolvieren die Lehrlinge daher eine Woche<br />

ihrer sozialpädagogischen Ausbildung in Tennental. So entstanden bislang neue Fußwege, ein Teich und eine Heu-Trockenanlage.


.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

. Holger Schlepps<br />

. Dalibor Rezic<br />

. Sabine Beutling<br />

. Tobias Vanselow<br />

. Lisa Niemann<br />

. Henning Prüfer<br />

. Heiko Balz<br />

· Pierre-Andre Ahrens<br />

. Clemens Prüfer<br />

. Franzi Hahn<br />

. Louis Simon<br />

. Janilsa Mucauque<br />

. Sophie Bruesehaber<br />

. Sharon-Maree Ahrens<br />

. Johanna Kunath<br />

. Sophie Godemann<br />

. Tom Gröschel<br />

. Jil Moede<br />

. Carl-Charlie Krüger<br />

.<br />

. Martin Bangert<br />

. Birgit Bangert<br />

. Udo Bangert<br />

. Sven Giesler<br />

. Simon Giesler<br />

. Sophie Giesler<br />

. Sebastian Giesler<br />

. Harald Walter<br />

. Bernhard Hindersin<br />

. Sven Haug<br />

. Benno König<br />

. Saioa Migueliz Hausotter<br />

. Migueliz Santiago<br />

. Jürgen Graeff<br />

.<br />

· Helmut Langer<br />

. Marylin Bolay<br />

. Fransiska Baglyas<br />

. Hakan Ciger<br />

. Falko Grüninger<br />

. Pascal Beck<br />

. Lukas Buhl<br />

. Ursula Muth<br />

. Angela Zeitler<br />

. Dorothea Grötzinger<br />

. Patrick Klatt<br />

. Stefan Fetzer<br />

. Holger Hofele<br />

. Ursula Freundl<br />

.<br />

. Tommy Clark<br />

. Robert Hollingsworth<br />

. George Guff<br />

. Richard Owusu<br />

. Marcel Rich<br />

. Kamillee Tynes<br />

. Kimisha Ridley<br />

. Michael Bryers<br />

. Eric Johnson<br />

. Henry Smith<br />

. Vincent Session<br />

. Victor Williams<br />

. Dikea Simmons<br />

. Cathy Parks<br />

. Marcel Younger<br />

. Elena Scott<br />

. Valerie Eley<br />

. Rubin Robinson<br />

. Denice Bradford<br />

. Jamesha Moore<br />

. Teresa Lewis<br />

. Down Day<br />

. Jerron Robinson<br />

. Jamarian Holloway<br />

. Dennis Roy<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.


42°N/83°w UNTERsTÜTzUNG fÜR scHÜLER In Detroit gibt es, wie in vielen Ballungsräumen, Kinder mit Schulproblemen. Hier setzt die<br />

Initiative „Communities In Schools“ (CIS) an. Die gemeinnützige Organisation sammelt Spendengelder von Unternehmen und Privatpersonen, um<br />

Programme für mehr als 60 Schulen in Detroit und Umgebung zu entwickeln. Ob Computerkurs oder Hausaufgabenhilfe: Mit zahlreichen Aktivitäten<br />

konnten die Helfer das Freizeit- und Bildungsangebot für Kinder und Jugendliche verbessern. Der <strong>Daimler</strong>Chrysler Corporation Fund und die Werke<br />

Jefferson North Assembly sowie Mack Engine I und II unterstützen Projekte wie das U.S. FIRST Robotics Team (Bild) seit Jahren. Für sein Engagement<br />

für die Bildungsinitiative wurde W. Frank Fountain, Senior Vice President External Affairs and Public Policy, 2006 mit dem „Champion for Children’s<br />

Award“ ausgezeichnet.


6 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

news<br />

<strong>zur</strong> sozialen Verantwortung<br />

49° N /9° E<br />

Fußball spielen für<br />

den guten zweck<br />

Sindelfingen – Der <strong>Daimler</strong>Chrysler Junior<br />

Cup ist das weltbeste Hallenfußballturnier<br />

für U19-Juniorenmannschaften: Keine<br />

andere Veranstaltung dieser Art kann auf<br />

ein derart hochkarätiges Teilnehmerfeld<br />

verweisen. 82 Nationalteams aus aller<br />

Welt haben in den vergangenen 16 Jahren<br />

teilgenommen, darunter renommierte<br />

Mannschaften der Fußball-Bundesliga und<br />

europäischer Vereine. Darüber hinaus<br />

sind mehr als 150 Teams aus dem<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Konzern beim Auszubil–<br />

dendenturnier angetreten – vor großer<br />

Kulisse: Der Sindelfinger Glaspalast war<br />

in den vergangenen drei Jahren mit knapp<br />

5.000 Zuschauern pro Spieltag ausverkauft.<br />

Zum Wohl bedürftiger Kinder: Allein im Jahr<br />

2006 kamen durch Torprämien, Aktionen<br />

in der Halle und Einzelspenden der Vereine<br />

27.000 Euro für SOS-Kinderdörfer in<br />

Südafrika und Deutschland zusammen.<br />

Seit seinem Bestehen erbrachte das<br />

Turnier fast 500.000 Euro für Kinderhilfsorganisationen.


46° N /16° E<br />

360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> News <strong>zur</strong> sozialen Verantwortung<br />

traumhafter tag für<br />

sOs-Kinderdorf<br />

Zagreb – Ursprünglich planten die Mitarbeiter<br />

der kroatischen Dependance von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler Leasing nur einen Fami-<br />

lientag. Das Treffen für Kinder und ihre<br />

Eltern entwickelte sich jedoch zu einem<br />

unvergesslichen Event mit dem Titel „Day<br />

like a dream“. Der Clou: Die Familien luden<br />

auch 50 Jungen und Mädchen aus dem<br />

SOS-Kinderdorf Lekenik sowie 21 Kinder<br />

aus der Deutschen Schule Zagreb ein. Auf<br />

dem Programm standen Puppentheater,<br />

Sackhüpfen und ein Besuch im Zoo. Die<br />

Sprösslinge der Mitarbeiter genossen die<br />

Veranstaltung ebenso wie ihre weniger<br />

privilegierten Altersgenossen aus dem<br />

Kinderdorf, für die mit dem „Day like a<br />

dream“ ein Traum in Erfüllung ging.<br />

57° N /24° E<br />

unterstützung für<br />

NAtO-Gipfel<br />

Riga – Alle zwei Jahre treffen sich die<br />

Regierungschefs und Staatsoberhäupter<br />

der NATO-Länder – mit Unterstützung von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler. Das deutsch-amerikanische<br />

Unternehmen stellte als sogenannter<br />

Co-Chair und einer von zwei Hauptunterstützern<br />

für den jüngsten Gipfel 2006<br />

im lettischen Riga 300 Mercedes-Benz<br />

Fahrzeuge <strong>zur</strong> Verfügung. „Unsere Rolle als<br />

Co-Chair des NATO Support Committee<br />

unterstreicht unser starkes Bekenntnis <strong>zur</strong><br />

transatlantischen Allianz“, sagt Robert G.<br />

Liberatore, Leiter des Bereichs Politik und<br />

Außenbeziehungen bei <strong>Daimler</strong>Chrysler.<br />

„Mit diesem Engagement unterstützen wir<br />

die NATO in ihrem Bemühen für Frieden<br />

und Stabilität als Grundvoraussetzung für<br />

wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand.<br />

Diese Ziele stehen auch auf der Agenda von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler – im Dialog mit politischen<br />

Entscheidungsträgern.“<br />

10° N /38° E<br />

Bildungsoffensive<br />

in Äthiopien<br />

Degem – Wirtschaftlicher Erfolg und<br />

gesellschaftliche Verantwortung sind keine<br />

Gegensätze. Deshalb engagiert sich die<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler Bank seit dem Jahr 2003<br />

für die Stiftung von Karlheinz Böhm<br />

„Menschen für Menschen“. Sie betreut<br />

langfristig angelegte Hilfsprojekte in<br />

Äthiopien. Die Bank unterstützt die Bildungsoffensive<br />

der Äthiopienhilfe: Sie hat<br />

die Patenschaft für das Harar Agro-<br />

Technical Training College übernommen<br />

und wird in den nächsten zwei Jahren zusammen<br />

mit Mitarbeitern, Kunden und<br />

Partnern den Bau eines Gymnasiums für<br />

2.400 Jugendliche in Degem finanzieren.<br />

Es wird die erste weiterführende Schule in<br />

einer Region mit 110.000 Einwohnern sein.<br />

Seit Beginn der Partnerschaft mit „Menschen<br />

für Menschen“, die mit einer Spendengala<br />

des deutschen Fernsehsenders<br />

ZDF begann, wurden rund 2,7 Millionen<br />

Euro gespendet.


Autor<br />

Die Carl-Benz-School in Karlsruhe bietet einen englischsprachigen Ingenieurstudiengang<br />

Philipp Maußhardt<br />

Fotografie<br />

Uli Reinhardt<br />

49°N/8°E Auf der Terrasse des „Café Multikulti“ im Innenhof der „Carl-Benz-School of<br />

Engineering“ in Karlsruhe sitzt man an einem lauen Sommerabend wie im Kino: Hinter den<br />

Glasfassaden des internationalen Wohnheims lassen sich kreative Menüs erahnen. Im ersten<br />

Stock kochen eine Japanerin und vier Südafrikaner eine Suppe, in der Wohnung gegenüber<br />

schneiden ein Inder und ein Araber Zwiebeln, und in der dritten Küche sitzen vier Studenten<br />

bereits am Tisch und essen. Durch die Glasfronten winkt man sich von Wohnung zu Wohnung<br />

freundlich zu – Feierabend nach einem langen Studientag.<br />

Die 22-jährige Misaki Nakajima hat den ganzen Tag für ihre Abschlussprüfung gelernt: Die<br />

junge Japanerin kam vor vier Jahren aus Yokohama nach Karlsruhe, um ihr Bachelor-Studium<br />

in Mechanical Engineering zu beginnen. Nun steht sie kurz vor der Prüfung. „Am Anfang war<br />

es hart“, sagt sie, „die Sprache, die Kultur, ich kannte niemanden.“ Inzwischen ist die Asiatin<br />

jedoch auf der Zielgeraden und sieht nur noch Vorteile: „Ich habe den Abschluss so gut wie in<br />

der Tasche, ich weiß viel über deutsche Kultur, und ich kann in Japan sofort mit einem tollen<br />

Job rechnen.“ Misaki hat für ihre Ausbildung an der Carl-Benz-School ein Stipendium von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler erhalten, so wie auch Dusty, Vuyo, Gladson und Siphokazi aus Südafrika.<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Talentsucher hatten die Studenten in Südafrika an einer Universität für<br />

Ingenieure ausgewählt und sie von den Vorteilen eines Studiums in Deutschland überzeugt.<br />

Als Gegenleistung für die Kosten der vierjährigen Ausbildung verpflichteten sich die<br />

Südafrikaner, nach ihrer Rückkehr bei <strong>Daimler</strong>Chrysler Südafrika einzusteigen. Ein „Deal“, der<br />

für den 25-jährigen Dusty Jantjies aus Johannesburg „eine Riesenchance“ ist. Ohne ><br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft<br />

Generation<br />

zukunft<br />

Ob studium oder Lehre: Eine fundierte Ausbildung bildet die Basis für den beruflichen<br />

Erfolg. umgekehrt sichern hoch qualifizierte Mitarbeiter die Wettbewerbsfähigkeit des<br />

unternehmens. <strong>Daimler</strong>chrysler ist sich der Verantwortung bewusst


0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Stolze Stipendiaten: Misaki Nakajima aus Japan und ...<br />

das Stipendium hätte er sich die Ausbildung in Deutschland, die ihn in seiner Heimat zu<br />

einer umworbenen Kraft macht, nicht leisten können. Die „Carl-Benz-School of Engineering“<br />

(früher: „International Department“) an der Universität Karlsruhe bietet den einzigen<br />

englischsprachigen Ingenieurstudiengang in Deutschland an.<br />

Internationale Eliten anlocken<br />

Professor Hartmut Weule, ehemals Vorstand für Forschung und Technik der <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

AG, hatte den Studiengang 1999 ins Leben gerufen. Mehrere deutsche Industrieunternehmen<br />

finanzieren die nach Carl Benz benannte Einrichtung, um an den bedeutenden Ingenieur<br />

zu erinnern, der mit seinen Erfindungen den Grundstein für die Automobilindustrie in<br />

Deutschland legte. Die Faszination für deutsche Ingenieurleistungen ist im Ausland nach<br />

wie vor groß. Die Bereitschaft ausländischer Studenten aus Schwellen- und Industrieländern,<br />

in Deutschland Ingenieurwissenschaften zu studieren, ist jedoch gering. Im vergangenen<br />

Jahr waren gerade einmal 29 Japaner an deutschen Universitäten (davon 10 in Karlsruhe)<br />

als Maschinenbaustudenten eingeschrieben, aus den USA nur knapp 60. Mit ihrem<br />

englischsprachigen Angebot, einem breit angelegten Begleitstudium, intensiver Betreuung<br />

und einem großzügigen Campus mit Wohnapartments bietet die „Carl-Benz-School of<br />

Engineering“ internationalen Nachwuchseliten erstmals eine Studienmöglichkeit, die sich<br />

hinter privaten amerikanischen Hochschulen nicht verstecken muss.


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft 1<br />

... Dusty Jantjies aus Südafrika studieren an der „Carl-Benz-School of Engineering“<br />

Im internationalen Wettkampf um die besten Nachwuchskräfte hat <strong>Daimler</strong>Chrysler im<br />

vergangenen Jahr auch auf anderer Ebene einen entscheidenden Vorsprung erzielt: Aus<br />

bislang 30 unterschiedlichen Nachwuchsprogrammen für Akademiker wurden die besten<br />

Ansätze übernommen und in das konzernweite Traineeprogramm für Hochschulabsolventen<br />

„CAReer“ integriert, und zwar für alle Standorte weltweit. Wer eine der 350 CAReer-Stellen<br />

im Jahr <strong>2007</strong> erhält, wird in dem 12 bis 18 Monate dauernden Traineeprogramm auf seinen<br />

künftigen Job optimal vorbereitet. Trainees bekommen darüber hinaus tiefe Einblicke in den<br />

Konzern und haben durch zwei internationale Qualifizierungsreihen die Möglichkeit, sich<br />

fachlich und persönlich weiterzuentwickeln.<br />

„Für mich ist cAReer ideal.“ Tobias Richwien<br />

Tobias Richwien gehört zu den erfolgreichen Bewerbern. Der 27-jährige Wirtschaftsingenieur<br />

hatte sich in seinem Studium auf die Bereiche Qualitätsmanagement und Controlling spezialisiert.<br />

„Als ich im Internet von CAReer erfuhr, hat mich das Konzept sofort überzeugt“,<br />

sagt er. „Einen guten Job hätte ich auch woanders finden können, aber hier bekam ich mehr<br />

geboten: Ich werde auf meine zukünftige Position bestens vorbereitet. Für mich ist CAReer<br />

ideal.“ Dass er kurz nach seinem ersten Arbeitstag im Blaumann am Band stand und zusammen<br />

mit den Arbeitern die Auspuffanlage an einem Lkw montierte, fand der Ingenieur<br />

„einfach super“. „Nur wenn man versteht, was der andere tut, kann man auch seine eigene<br />

Arbeit optimieren.“ Zurzeit arbeitet Tobias Richwien im Lkw-Werk in Wörth am >


2 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Auf der Karriereleiter: Trainee Tobias Richwien im Lkw-Werk Wörth<br />

Produktbewährungsprozess mit und unterstützt damit die Verbesserung von Fahrzeugelementen,<br />

um deren Langlebigkeit zu gewährleisten. Noch einen Schritt <strong>zur</strong>ück: Wer sich in<br />

Deutschland nach der Schule für ein Studium entscheidet, kann direkt an eine Hochschule<br />

gehen oder aber sein Studium mit Praxiserfahrung in einem Unternehmen verbinden. Berufsakademien<br />

(BA) bieten in einigen deutschen Bundesländern beides: Studium und Projekteinsätze<br />

im Unternehmen wechseln sich dabei alle drei Monate ab. In Deutschland<br />

entschieden sich 2006 rund fünf Prozent aller Studienanfänger für ein solches duales<br />

Studium an einer Berufsakademie.<br />

Inga Pietruschka ist eine von ihnen. Nach einem Schulpraktikum in einer Reifenwerkstatt<br />

bewarb sich die 19-jährige Abiturientin an der Berufsakademie in Mannheim für das Fach<br />

Maschinenbau. Dazu schloss sie mit <strong>Daimler</strong>Chrysler als betrieblichem Partner einen Ausbil-<br />

dungsvertrag. Im Mannheimer Motorenwerk lernte sie zunächst drehen, fräsen und feilen.<br />

Alle drei Monate wechselt sie seither den Hörsaal gegen die Werkbank – am Ende stehen<br />

ein Bachelor-Abschluss und der große Vorteil, neben der fachlichen Qualifikation auch die<br />

Unternehmenskultur eines weltweit operierenden Industriekonzerns zu kennen. „Neben der<br />

Vermittlung von reinem Fachwissen habe ich bei <strong>Daimler</strong>Chrysler auch viel über kommunikative<br />

und soziale Kompetenzen erfahren, Dinge, die ich in der Schule oder an der Hochschule<br />

so nie vermittelt bekam“, sagt Inga Pietruschka. Insgesamt bietet <strong>Daimler</strong>Chrysler BA-Studiengänge<br />

in elf verschiedenen Fachrichtungen an. >


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft 3<br />

AUsbILDUNG INTERNATIoNAL<br />

41°N /74°w/ NEw yoRK<br />

29°N /47°E / KUwAIT<br />

31°N /35°E /bEIT sAHoUR<br />

23°s /29°E / LIMpopo<br />

16°s /35°E /bLANTyRE<br />

1°s /37°E /NAIRobI<br />

26°s /28°E /joHANNEsbURG<br />

40°N /33°E /ANKARA<br />

35°N /140°E /KAwAsAKI<br />

1.100<br />

Die Chrysler Group fördert die Automotive High School in New York, an der mehr als<br />

1.100 Schüler praxisnah auf den Berufseinstieg in die Automobilbranche vorbereitet werden.<br />

Eine weitere Initiative konzentriert sich auf Lehrer von öffentlichen Elementary-, Middleund<br />

Highschools in Michigan: Der <strong>Daimler</strong>Chrysler Corporation Fund ehrt mit seiner Initiative<br />

„Closing the Technology Gap in Education“ Lehrer für besondere Verdienste in den Fächern<br />

Mathematik, Naturwissenschaften und Technik.<br />

Neben bereits bestehenden Berufsausbildungszentren in Afghanistan und Russland gründete<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler im November 2006 zusammen mit der Kuwait Investment Authority die<br />

„<strong>Daimler</strong>Chrysler Automotive Academy Kuwait“ mit dem Ziel, jungen Menschen in Kuwait<br />

durch eine fundierte Ausbildung im Bereich Automobiltechnik und Management eine gute<br />

Berufsperspektive zu eröffnen.<br />

15<br />

Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)<br />

entstand in den palästinensischen Gebieten eine Lehrwerkstatt. In Beit Sahour lernen bis zu<br />

1 Jugendliche den Umgang mit modernen Kfz-Techniken, um aufgrund dieser Ausbildung<br />

einen adäquaten Arbeitsplatz erhalten und ihre Familien unterstützen zu können.<br />

Im Februar <strong>2007</strong> nahm die <strong>Daimler</strong>Chrysler Automotive Academy Südafrika ihre Tätigkeit<br />

auf. Das Trainingscenter bildet benachteiligte Jugendliche aus der Region Limpopo in einer<br />

einjährigen Ausbildung zum Kfz-Mechaniker aus.<br />

Das jüngste Ausbildungszentrum eröffneten <strong>Daimler</strong>Chrysler und die GTZ im Juni <strong>2007</strong>.<br />

An den beiden Standorten Blantyre/Malawi und Nairobi/Kenia werden junge Afrikaner in<br />

einer zweijährigen Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker geschult. Mit dem überregionalen<br />

Trainingscenter soll die Berufsausbildung von Fahrzeugtechnikern in den Staaten Malawi,<br />

Kenia, Angola, Mosambik, Sambia, Simbabwe, Äthiopien, Tansania und Uganda gefördert<br />

werden.<br />

Im Students Experience Program (STEP) lädt <strong>Daimler</strong>Chrysler gemeinsam mit der Südliches<br />

Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI) seit 2005 jährlich Studenten aus<br />

Südafrika zu einem Praktikum nach Deutschland ein.<br />

60<br />

Eine Kooperation zwischen der Hacettepe University of Ankara, der Fachhochschule Esslingen<br />

und Mercedes-Benz Türkei ermöglicht jährlich 60 türkischen Studenten der Fakultät für<br />

Maschinenbau, sich in Sprach- und Fachkursen fortzubilden.<br />

40<br />

Deutsch-japanischer Schüleraustausch: Durch die Beteiligung von <strong>Daimler</strong>Chrysler und der<br />

Mitsubishi Fuso Truck & Bus Corporation (MFTBC) an einer Initiative <strong>zur</strong> Förderung des<br />

kulturellen Verständnisses zwischen Japan und Deutschland („Takenoko Fund“) wird Schülern<br />

beider Länder ein Austauschprogramm ermöglicht. 2006 besuchten 0 deutsche Schüler<br />

aus weiterführenden Schulen das Montagewerk Kawasaki.


Studium und Ausbildung im Wechsel: Inga Pietruschka studiert an der Berufsakademie<br />

Eine fundierte Aus- und Fortbildung ist die Voraussetzung für den beruflichen Erfolg jedes<br />

Einzelnen und zugleich für die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherung des Unternehmens.<br />

Wer ausbildet, übernimmt daher Verantwortung für die Berufschancen der<br />

nachfolgenden Generationen. Aus diesem Grund stellt <strong>Daimler</strong>Chrysler jedes Jahr weit mehr<br />

Ausbildungsplätze <strong>zur</strong> Verfügung, als das Unternehmen für den eigenen Bedarf benötigt.<br />

Mit rund 8.000 Auszubildenden in Deutschland schafft der Konzern rund 40 Prozent aller<br />

Ausbildungsplätze unter den deutschen Automobilherstellern. Im Jahr 2006 erhöhte<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler mit 1.650 neuen Ausbildungsplätzen trotz rückläufiger Bedarfszahlen sein<br />

Lehrstellenangebot im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent und wird diese Erhöhung auch<br />

<strong>2007</strong> beibehalten.<br />

„Wir wurden extrem unterstützt.“ Jasmin Faltermann<br />

Für Aufsehen in der Branche sorgte 2006 auch Jasmin Faltermann. Die junge Frau wurde<br />

vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag <strong>zur</strong> besten Kraftfahrzeugmechatronikerin<br />

Deutschlands gekürt. Nach dem Abi wollte sie erst einmal etwas „Handfestes“ lernen und<br />

ging schließlich als Auszubildende ins <strong>Daimler</strong>Chrysler-Werk nach Bremen. „Wir wurden<br />

extrem unterstützt“, sagt Jasmin Faltermann, 24, die inzwischen in Hamburg Fahrzeugbau<br />

studiert. „Wir wurden auf internen Lehrgängen immer auf dem neuesten Stand der Technik<br />

geschult. Und unsere Ausbilder haben immer darauf geachtet, dass wir nur bestens vorbereitet<br />

zu den Prüfungen gingen.“ Wie aber erst einmal reinkommen? Für viele Jugendliche<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Generation Zukunft<br />

Beste deutsche Kfz-Mechatronikerin: Jasmin Faltermann lernte bei <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

endet der Traum vom Kfz-Mechatroniker oder von der Industriekauffrau schon bei der<br />

Bewerbung. Wer fehlerhafte Anschreiben verschickt oder im Bewerbungsgespräch keinen<br />

Satz herausbringt, muss mit einer Absage rechnen. Michaela Riedel, 21, und Kilian Köhnlein,<br />

24, helfen als Auszubildende bei <strong>Daimler</strong>Chrysler zukünftigen Bewerbern, die gröbsten Fehler<br />

zu vermeiden. Die angehende Industriekauffrau und der Auszubildende zum Informatikkaufmann<br />

gehören zum FEBS-Team, einer Initiative der <strong>Daimler</strong>Chrysler AG. FEBS steht für<br />

„Ferienworkshops, Einzel- und Gruppentraining, Bewerbertraining an Schulen und Service“.<br />

Michaela, Kilian und weitere Auszubildende von <strong>Daimler</strong>Chrysler zeigen jungen Schulabgängern,<br />

worauf sie bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz achten müssen. FEBS<br />

funktioniert dabei wie eine richtige Firma, in der die Auszubildenden vom Marketing über<br />

die Trainingsdurchführung bis <strong>zur</strong> Buchhaltung und dem Controlling alle Bereiche in Eigenverantwortung<br />

abdecken. „Bislang hatten wir das Angebot nur auf die Kinder von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Mitarbeitern beschränkt“, sagt Michaela Riedel. Der Erfolg war jedoch so<br />

groß, dass nun auch andere Jugendliche von dem Know-how ihrer nur wenige Jahre älteren<br />

„Kollegen“ profitieren können. Sie erfahren, wie eine Bewerbungsmappe aussehen soll. In<br />

der Gruppe trainieren sie Auftritt und Präsentation für die eigene Bewerbungsphase. „Wir<br />

sind mit unseren 'Kunden' auf Augenhöhe“, sagt Gründungsmitglied Kilian Köhnlein, „weil<br />

wir selbst ja gerade erst angefangen haben.“ \


6 <strong>Daimler</strong>Chrysler


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Motor der Wirtschaft<br />

Motor der<br />

Wirtschaft<br />

seit 50 Jahren produziert <strong>Daimler</strong>chrysler Nutzfahrzeuge in Brasilien. Der standort<br />

in são Bernardo do campo ist einer der effizientesten im gesamten Konzern


Autor<br />

Toni Keppeler<br />

Fotografie<br />

Lukas Coch<br />

23°s /46°w Pedro Carlos Sancho ist ein zufriedener Mensch. Er<br />

hat einen guten Arbeitsplatz, Sohn Pedro Carlos, 23, und Tochter<br />

Daiane, 19, sind in der gleichen Firma untergekommen, und für<br />

die siebenjährige Tochter Carolina kann er sich eine Privatschule<br />

leisten. Sancho besitzt ein Auto und eine kleine Drei-Zimmer-<br />

Wohnung in einem Mittelschichtsviertel in São Bernardo do<br />

Campo, einem Vorort der brasilianischen Industriemetropole São<br />

Paulo. „Das alles“, sagt er lachend, „verdanke ich Mercedes-Benz.“<br />

Pedro Carlos Sancho arbeitet seit 21 Jahren im Lastwagen- und<br />

Buswerk von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien in São Bernardo. Als er<br />

mit 27 Jahren in der internen Werkstatt anfing und das Motoröl<br />

der Dienstwagen wechselte, wurden in der Fabrik in etwa so viele<br />

Nutzfahrzeuge produziert wie heute – allerdings mit doppelt so<br />

vielen Arbeitern und Angestellten. In den folgenden Jahren jagte<br />

eine Wirtschaftskrise die nächste. Niemand investierte mehr in<br />

Busse oder Laster. Viele Arbeiter wurden entlassen. Sancho konnte<br />

bleiben und ist heute für ein Band in der Motorenherstellung<br />

verantwortlich. Er hat Verständnis für den Schrumpfungsprozess.<br />

„Die Alternative war klar: Entweder wir bewegen uns, oder wir<br />

sterben.“<br />

„Wir sind geblieben. Das ist vielleicht das<br />

Nachhaltigste, was wir in diesem Land<br />

geleistet haben.“<br />

Gero Herrmann, Präsident von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien<br />

Das Werk in São Bernardo hat sich bewegt. Im vergangenen Jahr<br />

feierten die 11.500 Beschäftigten das 50-jährige Bestehen der<br />

Fabrik. Sie ist eine der effizientesten im weltweiten Produktionsnetz<br />

von <strong>Daimler</strong>Chrysler und mit ihrer schlanken Produktion<br />

und dem flexiblen Management ein Vorbild für andere Werke.<br />

Innerhalb von nur zwei Jahren wurde die gesamte Produktpalette<br />

erneuert. Selbst Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva,<br />

einst kämpferischer Arbeiterführer der Metallgewerkschaft, zollt<br />

Respekt. „Ich komme seit den 1970er-Jahren an das Werkstor<br />

dieser Fabrik“, sagte er bei der 50-Jahr-Feier. „Ich habe hier große<br />

Siege erlebt und sehr traurige Momente. Ich habe Schlangen von<br />

Arbeitern gesehen, die eingestellt wurden, und ich habe<br />

Schlangen von solchen gesehen, die entlassen wurden. All diese<br />

Kämpfe haben sich gelohnt.“ Heute spricht Lula ganz familiär von<br />

„unserer geliebten Mercedes-Benz Fabrik“. Er verspricht ein gutes<br />

Investitionsklima und hofft im Gegenzug, dass <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

dem Land weiterhin treu bleibt.<br />

Für Gero Herrmann, Präsident von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien, ist<br />

die Treue zum Standort eine Frage der Verantwortung. „Andere<br />

S. 6/<br />

Die Zentrale von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien damals und heute<br />

Familie Sancho arbeitet seit zwei Generationen bei <strong>Daimler</strong>Chrysler:<br />

Vater Pedro Carlos mit Tochter Daiane<br />

internationale Konzerne haben in den Krisen der vergangenen<br />

Jahrzehnte dichtgemacht“, sagt er. „Wir sind geblieben. Das ist<br />

vielleicht das Nachhaltigste, was wir in diesem Land geleistet<br />

haben.“<br />

Das Werk in São Bernardo wurde am 28. September 1956 vom<br />

damaligen Präsidenten Juscelino Kubitschek eröffnet. Seither<br />

verließen rund 1,6 Millionen Nutzfahrzeuge die Fabrik. Sie domi-<br />

nieren das Straßenbild des südamerikanischen Landes. Fünf<br />

von zehn Lastkraftwagen und sieben von zehn Bussen, die über<br />

Brasiliens Straßen rollen, tragen den Mercedes-Benz Stern. Die<br />

Produktion geht jedoch weit über den nationalen Bedarf hinaus.<br />

Ein großer Teil ist für den weltweiten Markt bestimmt. Fahrzeuge,<br />

Motoren, Getriebe und Achsen werden in über 50 Länder<br />

exportiert.<br />

Mercedes-Benz hat <strong>zur</strong> Industrialisierung des einstigen Agrar-<br />

staats maßgeblich beigetragen. Die Laster mit dem Stern waren<br />

dabei, als das zweitgrößte Fernstraßennetz der Welt entstand<br />

und als im Zentrum des Landes die neue Hauptstadt Brasilia<br />

gebaut wurde. Sie kamen bei der Konstruktion von Flughäfen,<br />

Kraftwerken und Staudämmen zum Einsatz. Das Werk in São<br />

Bernardo wuchs gemeinsam mit der Wirtschaft des Landes und<br />

setzte dabei neue Maßstäbe. So verhalf Mercedes-Benz dem<br />

Dieselmotor in Brasilien zum Durchbruch. Bevor 1956 das erste<br />

Exemplar des legendären „Torpedo“-Lasters das Werk verließ,<br />

waren gerade zwei Prozent der Nutzfahrzeuge mit diesem<br />

wirtschaftlichen Antrieb ausgestattet. Heute fährt in Brasilien<br />

kein Transporter mehr ohne Diesel.<br />

Durchbruch für Dieselmotoren<br />

Die Konkurrenz schlief nicht. Weitere internationale Konzerne<br />

drängten nach Brasilien, daneben entwickelte sich die heimische<br />

Industrie. Die Zeiten, in denen Busse und Laster von Mercedes-<br />

Benz den Markt beherrschten, sind vorbei. Die Nutzfahrzeuge<br />

sind heute zwar immer noch Marktführer. Sie müssen jedoch<br />

jeden Punkt oberhalb der 50-Prozent-Marke hart erkämpfen. Der<br />

Bau fertiger Busse wurde inzwischen eingestellt. Das Werk in São<br />

Bernardo ist auf Fahrgestelle spezialisiert. Den Aufbau haben<br />

lokale Hersteller übernommen. Etliche Kunden bestehen jedoch<br />

darauf, dass Mercedes-Benz die Endabnahme der Busse erledigt.<br />

„Sie legen Wert auf die Qualität von <strong>Daimler</strong>Chrysler“, sagt der<br />

für die Busproduktion verantwortliche José Carlos das Neves.<br />

Das Werk in São Bernardo ist ein Kompetenzzentrum von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler für die Entwicklung und Produktion von<br />

Busfahrgestellen. Am Rand des Werksgeländes steht das 1991<br />

eröffnete Zentrum für technologische Entwicklung. Mit 530 ><br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler


MoToRENfERTIGUNG sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />

bRAsILIEN


0 <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Ein Mercedes-Benz Bus der ersten Stunde und sein moderner<br />

Nachfolger auf den Straßen von São Bernardo<br />

s. 92 /93<br />

Arbeiter stanzen Karosserieteile an einer großen<br />

Presse<br />

Beschäftigten ist es das größte seiner Art im Konzern außerhalb<br />

von Deutschland. Es ist unter anderem für die Konstruktion und<br />

Entwicklung der leichten Lkw-Baureihe Accelo verantwortlich.<br />

Hauptsächlich aber beschäftigen sich die Ingenieure mit der<br />

Anpassung der Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge an die harten<br />

brasilianischen Verhältnisse. Der größte Teil des Straßennetzes<br />

ist nicht asphaltiert. Die Trucks sind dort ganz anderen Belastungen<br />

ausgesetzt als in Europa oder den USA. „Von unserer<br />

Arbeit profitieren auch die Kollegen in Deutschland“, sagt Decio<br />

Del Debbio, Direktor für Nationalisierung im Entwicklungszentrum.<br />

„Wenn sie Laster nach Afrika exportieren, müssen die ähnlich<br />

robust sein wie unsere brasilianischen.“<br />

Umweltschutz und Armutsbekämpfung<br />

Del Debbio kümmert sich darum, dass möglichst viele der in der<br />

Produktion verwendeten Teile in Brasilien hergestellt werden;<br />

sei es im Werk von São Bernardo oder bei einem der vielen<br />

Zulieferer. „Wir haben inzwischen einen Nationalisierungsgrad von<br />

über 80 Prozent“, sagt er. Das bedeutet weniger Zölle, weniger<br />

logistische Probleme und mehr Arbeitsplätze in Brasilien. Typisch<br />

brasilianische Produkte sind Kokosfasern. Sie kommen aus dem<br />

Norden des Landes, wo das Werk1992 ein Projekt <strong>zur</strong> Verarbeitung<br />

nachwachsender Rohstoffe angestoßen hat. Daraus entstand<br />

die Firma POEMAtec. Sie produziert mit den Fasern Sitze und<br />

Kopfstützen. Allein im Führerhaus vieler Mercedes-Benz Lkw sind<br />

20 Kilo des umweltfreundlichen Materials verarbeitet.<br />

Zum Teil stehen Zollbestimmungen einer umweltverträglichen<br />

Produktion im Weg. So dürfen die Lastermotoren, die das Werk in<br />

Richtung USA verlassen, nach den dortigen Vorschriften kein Öl<br />

enthalten. Das Problem: Die Motoren müssen vor der Ausfuhr<br />

getestet werden. Nach einer halben Stunde Probelauf hat sich<br />

der Schmierstoff in Altöl verwandelt. 2.100 Tonnen dieses Pro-<br />

blemabfalls mussten jährlich aufwendig entsorgt werden. Doch<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler-Ingenieure haben Abhilfe geschaffen. Sie<br />

entwickelten eine Methode, mit der das Motoröl aufbereitet und<br />

bis zu fünf Mal verwendet werden kann. Das spart nicht nur über<br />

eine Million Euro (1,3 Millionen US-Dollar) im Jahr. Gleichzeitig<br />

wurde die jährliche Altölmenge auf 377 Tonnen gesenkt.<br />

Energiepolitisch bedeutender ist die Entwicklung von Motoren,<br />

die einen hohen Anteil an Biodiesel verkraften. „Biodiesel hat<br />

mittel- und langfristig ein großes Potenzial“, sagt Gero Herrmann.<br />

„Brasilien ist darin führend, und die Regierung versucht, diese<br />

Stellung stark auszubauen.“ Demnächst wird die Beimischung<br />

von zwei Prozent Biodiesel Pflicht sein, die Bemühungen des<br />

Unternehmens gehen jedoch weiter. „Wir machen schon Tests >><br />

bRAsILIEN IN zAHLEN<br />

Brasilien<br />

8,5 Mio. km 2<br />

Deutschland<br />

187 Millionen Einwohner<br />

2.400 Euro/Jahr Einkommen<br />

pro Familie<br />

Als Mercedes-Benz 1956 sein<br />

Werk in São Bernardo do Campo<br />

eröffnete, lebten dort nur wenig<br />

mehr als 30.000 Menschen.<br />

Heute zählt die Stadt<br />

723.000 Einwohner.


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Motor der Wirtschaft 1<br />

Mitarbeiter vergnügen sich beim Carromspiel in der Pause Umweltschutz: Paletten werden bei <strong>Daimler</strong>Chrysler in Brasilien<br />

recycelt<br />

Familie Sancho genießt bescheidenen Wohlstand in ihrer Eigentumswohnung<br />

Im Gesundheitszentrum arbeiten Ärzte aller Fachrichtungen


2<br />

bRAsILIEN sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />

pREsswERK


RAsILIEN sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />

LAsTwAGENfERTIGUNG


360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong> Motor der Wirtschaft<br />

Das Ende der Produktionslinie ist erreicht, die Lkw<br />

sind fahrtauglich<br />

Arbeiter montieren den legendären „Torpedo“-Lkw<br />

s. 96/97<br />

Anpfiff nach der Spätschicht: Um Mitternacht treffen sich<br />

20 Arbeiter zum Fußballspielen<br />

mit höheren Anteilen“, sagt Herrmann. Der nachwachsende Rohstoff<br />

könne „ein entscheidender Faktor für das Land werden“ und<br />

diene – weil er Arbeitsplätze auf dem Land schafft – gleichzeitig<br />

der Armutsbekämpfung.<br />

Die Kombination aus Umweltschutz und Armutsbekämpfung findet<br />

sich selbst im Kleinen: Seit dem Jahr 2000 wird im Werk der<br />

Müll getrennt und die wiederverwertbaren Stoffe an das kleine<br />

Recyclingzentrum der benachbarten Kirchengemeinde geliefert.<br />

Die finanziert mit dem Erlös soziale Projekte und trennt inzwischen<br />

den Müll des ganzen Stadtteils. Auch Pedro Carlos Sancho sortiert<br />

zu Hause den Abfall. „Viele Nachbarn machen schon mit, und<br />

wir diskutieren gerade, ob wir das nicht im gesamten Wohnblock<br />

einführen wollen.“<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler macht es seinen Mitarbeitern und deren Angehörigen<br />

leicht, sich für das Unternehmen zu engagieren. Denn<br />

alle profitieren von den familienfreundlichen Leistungen des<br />

Arbeitgebers. So nehmen nicht nur Sancho und seine beiden<br />

Ältesten, sondern auch seine Frau und seine jüngste Tochter das<br />

Gesundheitssystem von <strong>Daimler</strong>Chrysler Brasilien in Anspruch.<br />

Es bietet weitaus mehr als die staatliche medizinische Versorgung.<br />

Intensive medizinische Versorgung<br />

Im Gesundheitszentrum auf dem Werksgelände arbeiten Ärzte<br />

aller Fachrichtungen. Sanchos Sohn Pedro Carlos und die Tochter<br />

Daiane haben die in die Fabrik integrierte staatlich regulierte<br />

Berufsschule besucht und sind, wie alle Absolventen, übernommen<br />

worden. Selbst seinen Haushalt hat Sancho „wie in der Produktion<br />

nach dem Prinzip der kürzesten Wege organisiert“. Werden die<br />

brasilianischen <strong>Daimler</strong>Chrysler-Arbeiter am Ende die besseren<br />

Deutschen? „Nein“, sagt Herrmann, es sei die Mischung aus<br />

brasilianischer Flexibilität und deutscher Disziplin, die den Erfolg<br />

ausmache.<br />

Auch Sancho ist in seinem Herzen ein richtiger Brasilianer<br />

geblieben. Jeden Freitag, wenn um Mitternacht die Schicht endet,<br />

geht er mit seinen Kollegen auf einen nahe gelegenen Fußballplatz<br />

und jagt im Schein des Flutlichts drei Stunden lang einem Ball<br />

nach. Welcher deutsche Arbeiter wollte morgens um drei noch<br />

Tore schießen? \<br />

voM ToRpEDo zUM AxoR<br />

1<br />

1 3<br />

1 6<br />

1<br />

1<br />

2000<br />

beginnt der polnische Einwanderer<br />

Alfred Jurzykowski mit dem Import von<br />

Limousinen und Fahrgestellen für Laster<br />

und Busse von Mercedes-Benz<br />

entsteht daraus Mercedes-Benz do<br />

Brasil<br />

nimmt das Werk von São Bernardo do<br />

Campo die Produktion auf<br />

startet in Campinas, ebenfalls im<br />

Bundesstaat São Paulo, ein Werk für<br />

die Busproduktion<br />

eröffnet das Pkw-Werk in Juiz de Fora<br />

im Bundesstaat Minas Gerais. Dort<br />

läuft zunächst die A-Klasse vom Band,<br />

später die C-Klasse und seit Kurzem die<br />

Sportcoupés der C-Klasse, vor allem<br />

für den Export nach Europa<br />

kommt die Busproduktion <strong>zur</strong>ück ins<br />

Stammhaus. Campinas dient heute<br />

als Standort für das Servicezentrum von<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler in Brasilien


6<br />

bRAsILIEN sÃo bERNARDo Do cAMpo<br />

fUssbALLpLATz


IMpREssUM<br />

Herausgeber<br />

<strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

70546 Stuttgart, Deutschland<br />

Auburn Hills, MI 48326-2766, USA<br />

Verantwortlich für den Herausgeber<br />

Prof. Dr. Herbert Kohler<br />

Robert G. Liberatore<br />

Hartmut Schick<br />

Gesamtkoordination<br />

Ulrike Becker<br />

Dr. Udo Hartmann<br />

Dr. Norbert Otten<br />

Objektkoordination<br />

Dr. Wolfram Heger<br />

Matthias Steybe<br />

Redaktion<br />

agentur.zs<br />

Gestaltung<br />

design hoch drei<br />

Repro<br />

Eder Repro<br />

Druck<br />

Bechtle Druck<br />

Bildquellen<br />

Seite 16-23: Agentur Focus/Magnum, Corbis,<br />

Gettyimages, laif<br />

Seite 24: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung<br />

Seite 27, 28, 30: akg-images<br />

Seite 29: Courtesy Missouri Botanical Garden<br />

Seite 66-69: <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Ansprechpartner<br />

Dr. Norbert Otten<br />

E-Mail: norbert.otten@daimlerchrysler.com<br />

Vertriebs- und Bestellservice<br />

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Tel. +49 (0)- 711-17-5 9185<br />

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© <strong>2007</strong> <strong>Daimler</strong>Chrysler<br />

Der Bericht „360 GRAD – MAGAZIN<br />

<strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ ist auf Papier<br />

gedruckt, das zu 100 Prozent aus Altpapier<br />

hergestellt wurde und mit dem „Blauen<br />

Engel“ zertifiziert ist.<br />

Nachdruck, auch auszugsweise, nur<br />

mit schriftlicher Genehmigung des<br />

Herausgebers und mit dem Bild- und<br />

Textverweis „<strong>Daimler</strong>Chrysler“.<br />

„360 GRAD - FAKTEN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> 200 “<br />

Der ergänzende Bericht „360 GRAD – FAKTEN <strong>zur</strong><br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“ bietet zudem faktenorientierte<br />

Informationen zum Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> und<br />

vervollständigt den vorliegenden Bericht. Er orientiert<br />

sich an den Richtlinien der Global Reporting Initiative<br />

(GRI) und erscheint zeitgleich mit dem Bericht<br />

„360 GRAD – MAGAZIN <strong>zur</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>2007</strong>“.<br />

Weiterführende Informationen zum Themenkomplex <strong>Nachhaltigkeit</strong> finden Sie im Internet unter:<br />

www.daimlerchrysler.com/nachhaltigkeit<br />

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