Museumspädagogische Arbeitsmaterialien zur Sonderausstellung ...

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22.07.2013 Aufrufe

in diesem Genre an, auch beziehen sich die gezeichneten Landschaften nur gelegentlich auf seine Radierungen. Samuel van Hoogstraten wie auch Willem Goeree weisen in ihren Traktaten über Malerei (1678) bzw. Zeichenkunst (1668) jeweils darauf hin, dass das Zeichnen im Freien doch überwiegend eine entspannende Beschäftigung sei oder zumindest eine Aktivität, bei welcher das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden werden könne. Ob Rembrandt auch ins Freie zog, um dabei sein Zeichengeschick zu verbessern und sich dabei zugleich zu entspannen, werden wir wahrscheinlich nie herausfinden. Während der Zeit, als die meisten seiner Landschaftszeichnungen entstanden, d.h. in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts, entdeckten viele Amateure das Zeichnen in der Natur als angenehmen und geeigneten Zeitvertreib. Warum sollte nicht auch Rembrandt wie diese Liebhaber der Künste aus dem wohlhabenden Bürgertum in die Natur gegangen sein, um sich auf diese Weise mit diesen zu identifizieren? Er blieb natürlich in erster Linie ein professioneller Künstler, der diese Ausflüge vielleicht nur deshalb unternahm, um gemeinsam mit seinen Schülern, zu denen auch Amateure gezählt werden können, zu zeichnen. Bildbeispiele: • Rembrandt, Umkreis, Die Amstel, gesehen von der Blaubrug aus, um 1645/50, Feder und Pinsel, braune und graue Lavierungen, Fondation Custodia, Paris, Sammlung Frits Lugt • Rembrandt, Bauerngehöfte am Sloterweg, um 1650/52, Feder und braune Tinte, graue Lavierungen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Kopenhagen 2.4.2 Spaziergang mit Rembrandt - Amsterdam und das Umland Wiederholte Motive auf Rembrandts Zeichnungen sind die alten Bauernhöfe und Dörfer rund um Amsterdam, die auch auf den Arbeiten mancher Vorgänger und Zeitgenossen zu entdecken sind. Unterschiedlich ist jedoch der jeweilige Blickwinkel. Sehr beliebt muß die Wanderung über den Kadijk (Kat.-Nr. 27) und über die Deiche nach Diemen gewesen sein. So wurde dieser Ort unter anderem auf Zeichnungen Rembrandts erkannt, die sich in Haarlem befinden (Kat.-Nr. 41) und in einer Privatsammlung (Kat.- Nr. 30). Am Diemerdeich (Kat.-Nr. 39) lag das Gehöft Houtewael, das gleich mehrmals von Rembrandt gezeichnet und radiert wurde (Kat.-Nr. 87). Sowohl Diemen als auch Houtewael finden sich im Werk vieler anderer Künstler, darunter auch bei Claes Jansz. Visscher, wieder. Rembrandt besuchte nicht nur dieselben Orte wie seine Kollegen, manche Ansichten scheint er sogar häufiger als diese gezeichnet zu haben. Das Motiv des Amsteldeichs bei Meerhuizen hat sich mehrfach erhalten (Kat.-Nr. 24) und die markante Flußbiegung bei Meerhuizen mindestens dreimal, einmal als eine recht lockere Skizze nur mit Feder und Tinte und zweimal als eine mehr ausgearbeitete Komposition mit Feder, Tinte und Lavierungen. Wieder zwei andere Zeichnungen Rembrandts, beide Ansichten des Amsteldeichs mit Het molentje (Kat.-Nr. 50, Kat.-Nr. 51), geben ebenfalls den gleichen Ort wieder, wenn auch aus einer etwas anderen Perspektive. Beide scheinen nach der Natur entstanden zu sein, allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Gleiches gilt für die drei Blätter mit dem Amsteldeich bei Meerhuizen, die unterschiedlichen Varianten des Amsteldijk beim Haus Kostverloren und die Ansicht von Sloten (Kat.-Nr. 43). Wenngleich Rembrandt im Atelier nachträgliche Lavierungen oder kleine Veränderungen vornahm, so hat es dennoch den Anschein, als seien nahezu alle seine Zeichnungen in der Natur entstanden. Rembrandt beschreibt in seinen Landschaften Orte, die er realiter so nicht gesehen haben kann (das heißt jedoch nicht, daß er diese Darstellungen in seinem Atelier angefertigt haben muss). Es gehörte zu seinen Gewohnheiten, das Gesehene neu zu komponieren oder auch zu variieren und konnte diese Veränderungen aus dem Gedächtnis ausführen. Schließlich war dies ja ein in seinem Atelier fortwährend praktiziertes Verfahren, etwa wenn er die Druckgraphik anderer 12

Meister – meist Blätter mit narrativen Darstellungen – auf diese Weise behandelte. Diese Arbeiten boten ihm eine Grundlage für Variationen, indem er die Figuren verschob und ihre Posen veränderte. In gleicher Weise hat er auch eine Landschaft, die ihm gerade vor Augen schwebte, neu kreiert. Sehr deutlich ist dies auf zwei Zeichnungen mit Amsterdamer Gebäuden zu erkennen: dem Montelbaanstoren (Kat.-Nr.22) und Der Kloveniersdoelen. Bei beiden passte Rembrandt die reale Situation an seine eigenen Vorstellungen an. Den „Montelbaanstoren“, der im Jahr 1606 einen hölzernen Glockenturm erhalten hatte, verwandelte Rembrandt in ein robustes, mittelalterlich anmutendes Bauwerk, da er nur den mächtigen steinernen Sockel wiedergab. Das Kegeldach des Eckturmes der Kloveniersdoelen (Versammlungsort und Übungsplatz der Schützen) hingegen ließ Rembrandt einfach weg. Auch der klassizistische Seitenflügel dieses Gebäudes fehlt auf der Zeichnung. Was Rembrandt vor sich sah, manipulierte er zu einem für ihn reizvollen Ganzen. Bildbeispiele: • Rembrandt, Der Montelbaanstoren in Amsterdam, 1644/45, Rohrfeder und Pinsel in brauner Tinte, Museum het Rembrandthuis, Amsterdam • Rembrandt, Ansicht längs der Amstel, um 1645, Schwarze Kreide, Albertina, Wien • Rembrandt, Ansicht vom Kadijk in Richtung Amsterdam, um 1645/49, Bleistiftzeichnung, Albertina, Wien • Rembrandt, Ansicht von Diemen mit einem Zeichner, um 1648/50, Feder und Pinsel, braune Tinte, Lavierungen, Privatsammlung • Rembrandt, Bauernhof am Diemerdijk, nach Osten gesehen, um 1650, Feder und Pinsel, graue Tinte, The Ashmolean Museum of Art and Archaeology, Oxford • Rembrandt, Ansicht von Sloten, um 1650, Feder und braune Tinte, braune Lavierungen, Privatsammlung • Rembrandt, Mühlen bei der Kostverlorenvaart, um 1654/55, Rohrfeder und braune Tinte, braune Lavierungen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Kopenhagen • Rembrandt, Der Amsteldijk und het molentje, um 1654/55, Feder und braune Tinte, Lavierungen, The Ashmolean Museum of Art and Archaeology, Oxford 2.4.3 Verfallene Gehöfte und verwachsene Bäume – Was ist „malerisch“? Rembrandts Besuche der Polderlandschaft vor Amsterdam lassen sich anhand seiner Naturstudien verfolgen. Überwiegend zeichnete er Orte und Gebäude, die einen altertümlichen Charakter aufwiesen. Auf zahlreichen Zeichnungen finden sich einzelne Gehöfte und Hütten abgebildet, die schon zu Rembrandts Zeit wie Relikte aus vergangener Zeit wirken mussten. Sie waren alt und verfallen oder wiesen sonst eine ungewöhnliche Form auf. Eine weitere Vorliebe waren von Wind und Wetter geprägte, verwachsene, knotige Bäume. Und genau aus diesen Motiven gestaltete er bevorzugt seine Radierungen zur Vervielfältigung. Auch in Amsterdam reizten ihn entsprechend nicht die neuen Fassaden der Patrizierhäuser, sondern alte Wehrtürme und die Ruine des abgebrannten Rathauses. Die Bildwürdigkeit solcher verfallener Gehöfte berührt eine kunsttheoretische Diskussion, die vor allem nach Rembrandts Tod heftig geführt worden ist: Was ist „malerisch“ (oder, wie es in Holland hieß, „schilderachtig“): das Verwinkelte, Verfallene, Altertümliche oder das Gerade, Übersichtliche, Moderne? Argument für Letzteres war der Rang, den man der Malerei als einer hohen und edlen Kunst beimaß, deren Themen demnach nur hohe und edle Motive umfassen konnten. Gerard de Lairesse schildert in seinem umfassenden Lehrbuch der Malerei (1707) das abschreckende Beispiel einer „unschönen und verfallenen Landschaft, die zu Unrecht malerisch genannt“ werde. Dabei führt er zahlreiche Merkmale auch von Rembrandts bevorzugten Motiven auf und steht dabei deutlich konträr zu Rembrandts Auffassung des „Malerischen“. 13

Meister – meist Blätter mit narrativen Darstellungen – auf diese Weise behandelte. Diese<br />

Arbeiten boten ihm eine Grundlage für Variationen, indem er die Figuren verschob und ihre<br />

Posen veränderte. In gleicher Weise hat er auch eine Landschaft, die ihm gerade vor Augen<br />

schwebte, neu kreiert. Sehr deutlich ist dies auf zwei Zeichnungen mit Amsterdamer Gebäuden<br />

zu erkennen: dem Montelbaanstoren (Kat.-Nr.22) und Der Kloveniersdoelen. Bei beiden passte<br />

Rembrandt die reale Situation an seine eigenen Vorstellungen an. Den „Montelbaanstoren“, der<br />

im Jahr 1606 einen hölzernen Glockenturm erhalten hatte, verwandelte Rembrandt in ein<br />

robustes, mittelalterlich anmutendes Bauwerk, da er nur den mächtigen steinernen Sockel<br />

wiedergab. Das Kegeldach des Eckturmes der Kloveniersdoelen (Versammlungsort und<br />

Übungsplatz der Schützen) hingegen ließ Rembrandt einfach weg. Auch der klassizistische<br />

Seitenflügel dieses Gebäudes fehlt auf der Zeichnung. Was Rembrandt vor sich sah,<br />

manipulierte er zu einem für ihn reizvollen Ganzen.<br />

Bildbeispiele:<br />

• Rembrandt, Der Montelbaanstoren in Amsterdam, 1644/45, Rohrfeder und Pinsel in brauner<br />

Tinte, Museum het Rembrandthuis, Amsterdam<br />

• Rembrandt, Ansicht längs der Amstel, um 1645, Schwarze Kreide, Albertina, Wien<br />

• Rembrandt, Ansicht vom Kadijk in Richtung Amsterdam, um 1645/49, Bleistiftzeichnung,<br />

Albertina, Wien<br />

• Rembrandt, Ansicht von Diemen mit einem Zeichner, um 1648/50, Feder und Pinsel, braune<br />

Tinte, Lavierungen, Privatsammlung<br />

• Rembrandt, Bauernhof am Diemerdijk, nach Osten gesehen, um 1650, Feder und Pinsel,<br />

graue Tinte, The Ashmolean Museum of Art and Archaeology, Oxford<br />

• Rembrandt, Ansicht von Sloten, um 1650, Feder und braune Tinte, braune Lavierungen,<br />

Privatsammlung<br />

• Rembrandt, Mühlen bei der Kostverlorenvaart, um 1654/55, Rohrfeder und braune Tinte,<br />

braune Lavierungen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Kopenhagen<br />

• Rembrandt, Der Amsteldijk und het molentje, um 1654/55, Feder und braune Tinte,<br />

Lavierungen, The Ashmolean Museum of Art and Archaeology, Oxford<br />

2.4.3 Verfallene Gehöfte und verwachsene Bäume – Was ist „malerisch“?<br />

Rembrandts Besuche der Polderlandschaft vor Amsterdam lassen sich anhand seiner<br />

Naturstudien verfolgen. Überwiegend zeichnete er Orte und Gebäude, die einen altertümlichen<br />

Charakter aufwiesen. Auf zahlreichen Zeichnungen finden sich einzelne Gehöfte und Hütten<br />

abgebildet, die schon zu Rembrandts Zeit wie Relikte aus vergangener Zeit wirken mussten. Sie<br />

waren alt und verfallen oder wiesen sonst eine ungewöhnliche Form auf. Eine weitere Vorliebe<br />

waren von Wind und Wetter geprägte, verwachsene, knotige Bäume. Und genau aus diesen<br />

Motiven gestaltete er bevorzugt seine Radierungen <strong>zur</strong> Vervielfältigung. Auch in Amsterdam<br />

reizten ihn entsprechend nicht die neuen Fassaden der Patrizierhäuser, sondern alte Wehrtürme<br />

und die Ruine des abgebrannten Rathauses.<br />

Die Bildwürdigkeit solcher verfallener Gehöfte berührt eine kunsttheoretische Diskussion, die vor<br />

allem nach Rembrandts Tod heftig geführt worden ist: Was ist „malerisch“ (oder, wie es in<br />

Holland hieß, „schilderachtig“): das Verwinkelte, Verfallene, Altertümliche oder das Gerade,<br />

Übersichtliche, Moderne? Argument für Letzteres war der Rang, den man der Malerei als einer<br />

hohen und edlen Kunst beimaß, deren Themen demnach nur hohe und edle Motive umfassen<br />

konnten. Gerard de Lairesse schildert in seinem umfassenden Lehrbuch der Malerei (1707) das<br />

abschreckende Beispiel einer „unschönen und verfallenen Landschaft, die zu Unrecht malerisch<br />

genannt“ werde. Dabei führt er zahlreiche Merkmale auch von Rembrandts bevorzugten Motiven<br />

auf und steht dabei deutlich konträr zu Rembrandts Auffassung des „Malerischen“.<br />

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