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Max-Planck-Institut für Astronomie - Jahresbericht 2007

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le kü le dissoziieren und ionisieren und das Gas über der<br />

Mittelebene aufheizen, wo viele Moleküllinien erzeugt<br />

werden (z.B. van Zadelhoff et al. 2003). Die Schei benche<br />

mie selbst kann zur Produktion komplexer orga nischer<br />

Moleküle führen.<br />

Die kürzliche Entdeckung von NeII­Linien­Emis sionen<br />

verschiedener protoplanetarer Scheiben durch Spitz<br />

e r (Pascucci et al. <strong>2007</strong>) unterstützt die theoretischen<br />

Prognosen von Glassgold et al. (<strong>2007</strong>), wonach die äußeren<br />

Scheibenteile durch die intensive Röntgenstrahlung<br />

eines jungen Sterns ionisiert und aufgeheizt werden können.<br />

Diese thermische Bremsstrahlung wird wahrscheinlich<br />

von den Rekonnexionsschleifen in der stellaren Koro<br />

na in Ent fernungen von bis zu 0.1 AE vom Stern erzeugt<br />

und ver mag tief in die innere Scheibenregion einzudringen<br />

– den Bereich, in dem die Planeten entstehen<br />

(z.B. Igea & Glassgold 1999). Diese Röntgenstrahlung<br />

ionisiert Heliumatome, die das CO zerstören und das<br />

Scheibengas mit ionisiertem atomarem Kohlenstoff auffüllen.<br />

Dies führt zur Bildung schwerer Cyanopolyine und<br />

langer Kohlenstoffketten – teilweise auf Oberflächen von<br />

Staubkörnern –, die einen wesentlichen Teil des natürlichen<br />

Kohlenstoffs in der inneren Scheibenregion binden<br />

können (Semenov et al. 2004). Deshalb ist es von größter<br />

Wichtigkeit, mit Hilfe hochentwickelter theoretischer<br />

Simulationen und hochwertiger Beobachtungsdaten herauszubekommen,<br />

welche Mechanismen und Prozesse<br />

während der verschiedenen Phasen der protoplanetaren<br />

Scheibenentwicklung von Bedeutung sind.<br />

Im Rahmen der Kollaboration »Chemistry in Disks«<br />

(CID) zwischen Gruppen in Heidelberg, Bordeaux, Paris<br />

und Jena haben Astronomen des MPIA ein Programm<br />

zur Untersuchung und Charakterisierung der chemischen<br />

Entwicklung und der physikalischen Eigenschaften naher<br />

protoplanetarer Scheiben um junge Sterne mit unterschiedlichen<br />

Massen und Altersstufen initiiert (sie he z.B.<br />

Dutrey et al. <strong>2007</strong> b). Eines der verschiede nen Projektziele<br />

bestand in der Suche nach den Emissionslinien der<br />

Vorläufer komplexer organischer Moleküle. Hierbei fandebn<br />

sie die Scheibe um den massearmen Stern DM Tau<br />

in der H 2 C(3–2)­Linie und lösten sie mit dem Plateau<br />

de Bure­Interferometer (wenn auch mit einem bescheidenen<br />

Signal­Rausch­Verhältnis von 3 : 5) auf. Sie stellten<br />

fest, dass die H 2 CO­Emission keinen zentralen<br />

Peak aufweist wie das Staubkontinuum, sondern eine<br />

asymmetrische ringähnliche Struktur mit einem größeren<br />

inneren »Loch« von 100 AE besitzt. Die hochauflösenden<br />

Beobachtungen von DM Tau mit dem ir a m­<br />

Interferometer durch Dartois et al. (2003) and Piétu et al.<br />

(<strong>2007</strong>) zeigten keinen zentralen Abfall in der CO­Linie<br />

oder im Staubkontinuum.<br />

Das Problem der Auflösung nahegelegener protoplane<br />

tarer Scheiben in Moleküllinien mit einem guten Signal­Rausch­Verhältnis<br />

wird drastische reduziert werden,<br />

wenn das mit 50 12­m­Antennen ausgestattete Atacama<br />

Large Millimeter Array (al m a ) im Jahr 2012 in<br />

Betrieb genommen wird. al m a wird in der Lage sein,<br />

III.3 Chemie in protoplanetaren Scheiben 83<br />

Bilder protoplanetarer Scheiben in einem Fre quenzbereich<br />

zwischen 100 und 950 GHz mit einer räum lichen<br />

Auflösung von bis zu 0.04 – 0.005 zu er fas sen.<br />

Dies ermöglicht die direkte Erkennung und Cha rak terisierung<br />

von Scheibeninstabilitäten, die klumpige Strukturen<br />

(Verwirbelungen, »Spiralarme« etc.) erzeugen,<br />

sowie von inneren Lücken und Löchern durch ent stehende<br />

Riesenplaneten (Wolf et al. 2002, Wolf & Klahr<br />

2002, Narayanan 2006). Die großflächige chemische<br />

Struk tur protoplanetarer Scheiben wird im Lichte der<br />

Rotationsübergänge vieler reichlich vorhandener Mole<br />

kü le zugänglich sein. Wie von Pavlyuchenkov et al.<br />

(<strong>2007</strong>) demonstriert, kann die Anregung von Mo le kül linien<br />

in Scheiben mit starken Gradienten physikalischer<br />

Be din gun gen und chemischer Strukturen ein kompli zierter<br />

und schwer zu interpretierender Prozess sein.<br />

In diesem Kapitel stellen die Astronomen das aktuelle<br />

Wissen über die Chemie in Scheiben dar und sagen<br />

voraus, dass das innere H 2 CO­Loch, sofern es wirklich<br />

existiert, wahr schein lich durch chemische Effekte verursacht<br />

wird. Da rü ber hinaus untersuchen sie das Potenzial<br />

von al m a zur Unterscheidung zwischen verschiedenen<br />

thermischen und chemischen Effekten in protoplanetaren<br />

Scheiben und schätzen die <strong>für</strong> dieses Ziel benötigte<br />

räumliche Auf lö sung und Integrationszeit ab.<br />

Beobachtungsfakten<br />

Bisher wurden im Weltraum mehr als 150 Moleküle<br />

ent deckt, von denen nur ein kleiner Teil mit Hilfe der<br />

Millimeter­Interferometrie in planetenbildenden Scheiben<br />

nachgewiesen wurde: CO und seine Isotope, CN,<br />

HCN, DCN, HNC, H 2 CO, C 2 H, CS, HCO , H 13 CO ,<br />

DCO und N 2 H (Dutrey et al. 1997, Kastner et al.<br />

1997, Aikawa et al. 2003, Dutrey et al. <strong>2007</strong> a, Qi et<br />

al. 2008). Einige helle und große Scheiben wie die um<br />

DM Tau, LkCa 15 und MWC 480 wurden eingehend in<br />

einem Dutzend Molekülübergängen und in der termischen<br />

Emission ihres Staubes untersucht. Die Ana ly se<br />

dieser Linien­ und Kontinuumsdaten ermöglichte es uns,<br />

Scheibengrößen, Ausrichtungen, Kinematik, Tem pe ratur<br />

ver tei lun gen, Flächendichten und molekulare Säulen<br />

dich ten abzuleiten (z.B. Dartois et al. 2003, Qi et al.<br />

2006, Isella et al. <strong>2007</strong>, Piétu et al. <strong>2007</strong>).<br />

Die Linien des reichlich vorhandenen CO­Moleküls<br />

dienen zur Untersuchung der Scheibengeometrie sowie<br />

der thermischen Struktur, der Flächendichtenverteilung<br />

und der Kinematik. Aufgrund der selektiven Photodissoziation<br />

erscheinen die Scheiben in dem Staubkontinuum<br />

und den C 18 O­, 13 CO­ und 12 CO­Linien zunehmend<br />

größer, mit typischen Radien von 300 bis 1000 AE (Dutrey<br />

et al. <strong>2007</strong>a). Eine wichtige Erkenntnis besteht in<br />

der Existenz vertikaler Temperaturgradienten in vielen<br />

Scheiben, wie durch die physikalischen Simulationen<br />

vorhergesagt, obwohl einige Scheiben mit größeren inneren<br />

Hohlräumen keinen Hinweis auf einen solchen Gra­

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