Max-Planck-Institut für Astronomie - Jahresbericht 2007
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76 III. Ausgewählte Forschungsgebiete<br />
Das MPIATeam hat vor einiger Zeit eine solche Metho<br />
de entwickelt, mit der unter Ausnutzung der In for matio<br />
nen über die unterschiedliche räumliche Verteilung der<br />
Emis sion von ausgedehnter Galaxie und punktförmigem<br />
Qua sar kern die Anteile numerisch separiert werden können.<br />
Mit diesem Verfahren können nun zumindest <strong>für</strong><br />
den Fall eines Kontrastes von 10 : 1 die Anteile von Quasar<br />
und Galaxienspektren getrennt und separat ana ly siert<br />
werden. Als Beispiel ist in Abb. III.2.2 unser Ergebnis<br />
<strong>für</strong> den Quasar HE 1503 0228 bei der Rotverschiebung<br />
z 0.135 gezeigt. Zusammen mit belgischen und schweizer<br />
Kollegen, die über eine zweite, technisch unab hängi<br />
ge Methode verfügen, konnte eine größere Stich pro be<br />
von nahen (z 0.3) QuasarWirtsgalaxien mit am VLT<br />
gewonnenen Fo r SSpektren in Bezug auf stellare Po pu latio<br />
nen und ihr interstellares Gas untersucht werden.<br />
Es zeigt sich, dass die energetische Strahlung des Quasars<br />
häufig das gesamte Gas einer Wirtsgalaxie zu ionisieren<br />
vermag. Mit einem sogenannten BPTDiagramm<br />
kann die <strong>für</strong> die Ionisation des interstellaren Gases verantwortliche<br />
Quelle ermittelt werden: Durch die unterschiedlichen<br />
spektralen Energieverteilungen der Emission<br />
von Sternenentstehungsgebieten und QuasarAkkretionsscheiben<br />
werden je nach Quelle Zustände unterschiedlichen<br />
Ionisationspotentials unterschiedlich stark<br />
angeregt, so dass in diesem Diagramm eine Trennlinie<br />
zwischen Bereichen von dominierender Sternentstehung<br />
und von QuasarAkkretion gezogen werden kann. Im Falle<br />
der Quasare ist die Emission heißer junger Sterne nie<br />
al lein <strong>für</strong> die globale Ionisation verantwortlich, immer ist<br />
der Quasar zumindest beteiligt. Unabhängig vom morpho<br />
lo gi schen Galaxientypus dominiert sowohl in Spiral<br />
als auch in elliptischen Wirtsgalaxien eine Mischung<br />
von Licht aus Sternentstehungsgebieten und Quasarlicht,<br />
oder sogar das Quasarlicht allein. Es scheint aber<br />
auch einen weiteren Trend zu geben: In den stärker durch<br />
Gravitationswechselwirkung oder Galaxienzu sam menstö<br />
ße gestörten Quasarsystemen wird die interstellare<br />
Materie eher allein durch den Quasar ionisiert (Abb.<br />
III.2.3).<br />
Die Anwesenheit eines Quasars in der Galaxie hat aber<br />
auch Auswirkungen auf deren stellare Zusammensetzung.<br />
Bereits mit der Analyse der Breitbandfarben konnten gezeigt<br />
werden, dass stellare Populationen in QuasarWirtsga<br />
la xien immer einen Anteil junger Sterne enthalten.<br />
Dies gilt sowohl – nicht unerwartet – <strong>für</strong> Spiralgalaxien,<br />
als überraschenderweise auch <strong>für</strong> Elliptische oder S0<br />
Ga la xien, in denen normalerweise keine oder sehr wenig<br />
Stern entstehung abläuft. Auch hier konnten mit der VLT<br />
Spektrosopie mehr Details gewonnen werden. Die stellaren<br />
Populationen der untersuchten QuasarWirtsgalaxien<br />
sind im Mittel typischerweise eine bis zwei Milliarden<br />
Jahre alt, dementsprechend ist ihre Sternpopulation zu<br />
mehr als 90 Prozent alt und enthält ein paar Prozent etwa<br />
hundert Millionen Jahre alter oder noch jüngerer Sterne.<br />
Es gibt auch hier eine Tendenz zu jüngeren und blaueren<br />
Galaxien bei stärker gestörten Systemen.<br />
lg(OIII/H)<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
–0.5<br />
–0.8<br />
ionisiert<br />
durch Sterne<br />
Spiralgalaxien<br />
Elliptische Galaxien<br />
undefinierter<br />
morphologischer Typ<br />
–0.6 –0.4 –0.0<br />
lg(NII/H)<br />
ionisiert<br />
durch AGN<br />
0 0.2<br />
Abb. III.2.3: Diagnostisches »BPTDiagramm« zur Unter scheidung<br />
des dominierenden Ionisationsmechanismus der Wirts galaxien<br />
einer Stichprobe naher Quasare in Galaxien unterschiedlichen<br />
morphologischen Typs: Spiralgalaxien (Dreiecke), El liptische<br />
Galaxien (Kreise), wechselwirkende Galaxien (gefüllte<br />
Symbole), ungestörte Systeme (offene Symbole). Aus: Letawe<br />
et al. <strong>2007</strong>, MNRAS, 378, 83.<br />
Kosmische Kollisionen und galaktische Gezeitenarme<br />
Schon seit zwanzig Jahren gibt es die Vermutung, dass<br />
Galaxienzusammenstöße die, oder zumindest eine, wichti ge<br />
treibende Kraft hinter der Versorgung der Schwar zen Lö cher<br />
mit Materie sein könnten. Bei einem Zu sammen stoß und<br />
anschließender Verschmelzung zwei er Galaxien erzeugen<br />
die wirkenden Gezeitenkräfte chao ti sche Verwirbelungen<br />
des interstellaren Gases. Tei le des sel ben werden in Bezug<br />
auf das Schwarze Loch in ei ner Umlaufbahn mit verschwindendem<br />
Dreh im puls en den und können damit später<br />
in das Schwarze Loch ein fal len. Für einige der leuchtkräftigsten<br />
Ul tra leucht kräf ti gen Infrarotgalaxien (ultraluminous<br />
infra red gala xy, ul i r g), die einen durch Staub<br />
verdeckten Qua sar in sich tragen, gilt diese Vermutung<br />
mit ziemli cher Si cher heit. Als Gegenpol stehen die leuchtschwä<br />
che ren, aber von ihrer Kernstruktur identischen SeyfertGa<br />
la xien. Diese sind hauptsächlich Spiralgalaxien,<br />
sehr oft ungestört und symmetrisch. Stärkeren Galaxienkol<br />
li sio nen waren diese Galaxien in ihrer nahen Vergangen<br />
heit nicht ausgesetzt. Hier spielen Instabilitäten und die<br />
Akkretion von kleinen Begleitern die dominierende Rol le.<br />
Wie stark aber Galaxienkollisionen auf einen Quasar<br />
wirken können, zeigt Abb. III.2.4 am Beispiel des<br />
Quasars HE 0450 – 2958 und seiner Umgebung. Dieses<br />
System bei z 0.285 ist schon in den 1980er Jahren<br />
als ul i r g klassifiziert worden und enthält einen leuchtkräftigen<br />
Quasar. Im sichtbaren Licht mit dem HST/