Max-Planck-Institut für Astronomie - Jahresbericht 2007
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74 III. Ausgewählte Forschungsgebiete<br />
III.2 In welchen Galaxien leben Quasare?<br />
Warum gibt es eine feste Beziehung zwischen der Masse<br />
des riesigen Bulge einer Galaxie und der viel geringeren<br />
Masse ihres nahezu punktförmigen, wenn auch<br />
»supermassereichen« zentralen Schwarzen Lochs – als<br />
wüsste das Schwarze Loch etwas von der Galaxie, in<br />
der es lebt? Warum gibt es eine Zweiteilung der Ga laxien<br />
in Elliptische und Spiralen, aber recht wenige Galaxien<br />
dazwischen?<br />
Diese beiden Fragen könnten eine gemeinsame Antwort<br />
haben: Die Energie, die ein supermassereiches Schwarzes<br />
Loch während seiner Wachstumsphase in Form von<br />
Strah lung abgibt, reicht im Prinzip dazu aus, die Galaxie,<br />
in deren Zentrum es sitzt, auseinanderzureißen. Auch<br />
wenn dies nicht geschieht, wird möglicherweise durch<br />
in Strahlung umgesetzte Akkretionsenergie Gas aus der<br />
Ga laxie herausgeblasen und dadurch nicht nur weitere<br />
Sternentstehung in der Galaxie, sondern auch das weitere<br />
Wachstum des zentralen Schwarzen Lochs unterdrückt.<br />
Durch eine solche Rückkopplung könnte das<br />
Wachs tum der zentralen Schwarzen Löcher mit der<br />
Sternentstehung in deren Wirtsgalaxien selbstregulierend<br />
gekoppelt sein. Eine der spannendsten Phasen im Leben<br />
der Galaxien ist somit die, in der ihr zentrales Schwarzes<br />
Loch wächst: die Quasarphase. Aber was macht die<br />
Galaxien in dieser kurzen Phase so besonders, dass sie<br />
dieses Wachstum zulassen? Welche Bedingungen sind<br />
<strong>für</strong> Quasaraktivität Voraussetzung? In was <strong>für</strong> Galaxien<br />
leben also Quasare?<br />
Schwarze Löcher in leuchtenden Galaxien<br />
Die dauerhaft leuchtkräftigsten Quellen im Universum<br />
sind Galaxien in einer Phase starken Einfalls von Materie<br />
in ihr zentrales supermassereiches Schwarzes Loch. Diese<br />
»Quasar« genannte aktive Phase in der Entwicklung von<br />
Galaxien – bei den Schwarzen Löchern spricht man auch<br />
von aktiven galaktischen Kernen (Active Galactic Nuclei,<br />
AGN) – dauert größenordnungsmäßig hundert Millionen<br />
Jahre. Während dieser relativ kurzen Zeit werden große<br />
Mengen an Gravitationsenergie von in das Schwarze<br />
Loch einfallender Materie in Strahlungsenergie umgewandelt<br />
(Abb. III.2.1). Um in das Schwarze Loch hineinstürzen<br />
zu können, muss die einfallende Materie ihren<br />
Drehimpuls abgeben. Auf dem letzten Stück ihres Weges<br />
geschieht dies über die Bildung einer dichten sogenannten<br />
Akkretionsscheibe um das zentrale Schwarze Loch,<br />
deren Durchmesser nur wenige Lichtminuten oder stunden<br />
beträgt, und in der durch Reibung Drehimpuls dissipiert<br />
werden kann.<br />
Die während der Quasarphase insgesamt abgestrahlte<br />
potentielle Energie der in den tiefen Potentialtopf des<br />
Schwarzen Lochs einfallenden Materie übersteigt die gravitative<br />
Bindungsenergie aller Sterne in der Galaxie. Sie<br />
hätte also, eine entsprechende Kopplung vorausgesetzt, die<br />
Möglichkeit, die Galaxie aufzulösen. Wir wissen aber, dass<br />
dies nicht geschieht, und es stellt sich die Frage, wie groß<br />
der Einfluss der Quasaraktivität auf die umgebende Galaxie<br />
tatsächlich ist und welche Bedingungen in der Galaxie vorherrschen<br />
müssen, damit ein Quasar entstehen kann.<br />
Seitdem vor gut zehn Jahren die ersten größeren<br />
Stich proben von QuasarWirtsgalaxien im nahen Univer<br />
sum genauer untersucht wurden, ist klar geworden,<br />
dass Aktive Galaxienkerne (AGN), von denen Quasa<br />
re nur die extreme Ausprägung sind, in allen Ga laxien<br />
mit einem stellaren »Bulge« (einer zentralen Verdi<br />
ckung) auftreten können. Vermutlich beherbergt jede<br />
Ga la xie, deren BulgeMasse mehr als etwa eine Million<br />
Son nenmassen beträgt, ein Schwarzes Loch in ihrem<br />
Zentrum, nur unterhalb dieser Grenze herrscht derzeit<br />
noch Unsicherheit. Da nun mit wachsender AGN oder<br />
Quasarleuchtkraft und einer als konstant angenommenen<br />
relativen Akkretionsrate die Masse des Schwarzen<br />
Lochs, und damit auch die BulgeMasse, wachsen muss,<br />
Abb. III.2.1: Beispiel einer Galaxie in der Quasarphase:<br />
HE 1029–1401 ist eine Elliptische Galaxie bei Rotverschiebung<br />
z 0.086 mit einer hellen Punktquelle im Zentrum. Für die gesamte<br />
Lichtabstrahlung des AGN kann nur die Umwandlung<br />
von Gravitationsenergie verantwortlich sein. (Beobachtet mit<br />
HST/WFPC2)