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Max-Planck-Institut für Astronomie - Jahresbericht 2007

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folgt. Bei den Zwerggalaxien ist diese radiale Abnahme<br />

der Sternentstehungsrate eindeutig nicht vorhanden.<br />

In Abb. II.8.7 sind diese Messwerte <strong>für</strong> die Spiralgalaxien<br />

nun so aufgetragen, dass sich der Verlauf der SFR<br />

in Abhängigkeit von HI, H 2 sowie der gesamten Gasdichte<br />

HI + H 2 direkt vergleichen lässt. Zusätzlich geht eine weitere<br />

Größe, die sogenannte Sternentstehungseffizienz (SFE),<br />

in das Diagramm ein. Sie ist definiert als das Verhältnis<br />

der Dichte der Sternentstehungsrate zur Gasdichte und<br />

gibt an, in welcher Zeitspanne das interstellare Gas bei<br />

der derzeitigen Sternentstehungsrate verbraucht ist. Die<br />

diagonal verlaufenden, gepunkteten Geraden entsprechen<br />

von unten nach oben Verbrauchszeiten von 10 10 ,<br />

10 9 und 10 8 Jahren.<br />

Das unterschiedliche Verhalten des HI- und H 2 -Gases<br />

ist offensichtlich. Während die Sternentstehungsrate<br />

(SFR) ziemlich genau linear (N 1.02 0.12) mit der<br />

Dichte des molekularen Wasserstoffs (H 2 ) steigt, bleibt<br />

die HI-Dichte innerhalb der Galaxien nahezu konstant.<br />

Interessanterweise knickt die Verteilung bei hohen<br />

Sternentstehungsraten sogar um. Bildet man die Summe<br />

HI H 2 , so ergeben sich sehr unterschiedliche Potenzgesetze<br />

mit Exponenten 1 N 2.9. Oft lässt sich<br />

die Verteilung innerhalb einer Galaxie gar nicht mit<br />

ei nem einzigen Potenzgesetz beschreiben. Da dieses<br />

Ver halten sich von Galaxie zu Galaxie signifikant unterscheidet,<br />

muss man davon ausgehen, dass kein universeller<br />

Zusammenhang der SFR mit der gesamten<br />

Gasdichte (HI H 2 ) besteht, wohl aber mit der H 2 -<br />

Dich te.<br />

Auch die Sternentstehungseffizienz zeigt kein einheitliches<br />

Verhalten. In den Zwerggalaxien ist sie nahezu<br />

konstant, während sie in Spiralgalaxien mit wachsendem<br />

Abstand vom Zentrum sinkt. In den Außenbereichen der<br />

Spiralgalaxien erreicht sie dann die <strong>für</strong> Zwerggalaxien<br />

typischen Werte.<br />

Abb. II.8.7 lässt ein interessantes Verhalten des HI-<br />

Gases erkennen: Die Dichte überschreitet in keinem Fall<br />

einen Wert von etwa 10 Sonnenmassen pro Qua drat parsec.<br />

Das gilt sowohl <strong>für</strong> große Spiralgalaxien als auch<br />

<strong>für</strong> Zwerggalaxien. Dieser Sättigungseffekt, der beim<br />

mo lekularen Wasserstoff nicht auftritt, ist etwas über raschend,<br />

denn von einigen Galaxien wurde vermutet, dass<br />

in ihnen die Umwandlung von atomarem in mole ku la ren<br />

Wasserstoff nicht begünstigt wird. Hier sollten hö he re<br />

Sättigungswerte erreicht werden. Das betrifft zum Beispiel<br />

Zwerggalaxien mit geringer Metallizität, in denen<br />

deshalb weniger Staub vorhanden ist. (Die Re ak tion von<br />

zwei Wasserstoffatomen zu H 2 findet auf der Ober flä che<br />

von Staubkörnchen statt.)<br />

II.8. Einzigartige Galaxienportraits mit tH i N g s 65<br />

In Abb. II.8.8 sind die Werte aller Spiralgalaxien zusammengetragen.<br />

Sehr klar tritt hier die Sättigungsgrenze<br />

zu Tage (links unten), die mittlere Verbrauchsdauer<br />

der Gasreservoirs beträgt zwei Milliarden Jahre (rechts<br />

oben).<br />

Die neuen Beobachtungsdaten aus tH i N g s belegen somit<br />

eindeutig, dass die Sternentstehung direkt mit der<br />

Dichte des molekularen Wasserstoffs verknüpft ist. Der<br />

Übergang von atomarem zu molekularem Wasserstoff<br />

und die sich daran anschließende Sternentstehung ist<br />

keine reine Funktion der gesamten Gasdichte. Ganz offenbar<br />

bestimmen andere physikalische Einflüsse das<br />

Verhältnis von HI zu H 2 .<br />

Im Großen und Ganzen bestätigen die Daten die klassische<br />

Idee, wonach Sterne entstehen, wenn sich eine<br />

Molekülwolke unter dem Einfluss der Eigengravitation<br />

zusammenzieht. Ein einfaches Modell legt nahe, dass<br />

Sternentstehung dann nur oberhalb einer bestimmten<br />

Gas dichte einsetzt. In diesem Fall erwartet man eine linea<br />

re Korrelation der Sternentstehungsrate mit der H 2 -<br />

Dich te, also einen Exponenten N 1, wie es die neue<br />

tH i N g s-Studie nahelegt.<br />

Dieses Ergebnis hat erhebliche Auswirkungen auf<br />

die Theorie der Entwicklung von Galaxien. Für den Expo<br />

nen ten N wird nämlich heute im Allgemeinen in den<br />

Modellen ein Wert von 1.4, also ein nichtlineares Verhalten,<br />

angenommen. Allerdings wurde dieser aus Mitte<br />

lungen über ganze Galaxien bestimmt. Mit tH i N g s<br />

konn ten nun zum ersten Mal Exponenten auf einer räumlichen<br />

Skala von weniger als 3200 Lichtjahren bestimmt<br />

werden. Und hier fand sich N 1. Dies ist ein wichtiger<br />

Hinweis <strong>für</strong> die Theoretiker, die zukünftig in hochaufgelösten<br />

Evolutionsmodellen von diesem linearen Verhalten<br />

ausgehen müssen, was einen erheblichen Unterschied zu<br />

ihren derzeitigen Modellen macht.<br />

Fabian Walter, Frank Bigiel, Adam Leroy<br />

In Zusammenarbeit mit:<br />

University of Hertfordshire, Hatfield (UK),<br />

University of Cape Town, Rondebosch (Südafrika),<br />

University of Cambridge, Cambridge (UK),<br />

Bucknell University, Lewisburg (USA),<br />

Mount Stromlo Observatory, Weston ACT (Australien),<br />

Observatories of the Carnegie <strong>Institut</strong>ion of<br />

Washington, Pasadena USA),<br />

Ruhr-Universität Bochum

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