Max-Planck-Institut für Astronomie - Jahresbericht 2007
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34 II. Highlights<br />
In den Simulationen wurde erneut ein würfelförmiges<br />
Volumen in der protoplanetaren Scheibe in etwa 5 AE<br />
Entfernung vom Stern gewählt, das den jungen Stern<br />
in fester Distanz umkreist. Die Gasteilchen kreisen auf<br />
Bahnen mit subkeplerscher Geschwindigkeit, während<br />
sich die Staubteilchen mit keplerscher Geschwindigkeit<br />
um den Stern bewegen. Dadurch erfahren diese einen<br />
starken Gegenwind und driften auf den Stern zu.<br />
Außerdem spüren die Teilchen einen Gaswiderstand,<br />
während sie zur Mittelebene absinken.<br />
Die MRI-Turbulenz erzeugt in dem Gas Wirbel mit<br />
ei ner leicht erhöhten Dichte und geringfügig höherem<br />
Druck als in der Umgebung. Diese Verdichtungen<br />
blei ben über einige Umläufe in der Scheibe erhalten,<br />
was einer Zeitdauer von einigen zehn oder – in äu ßeren<br />
Bereichen der Scheibe – gar hundert Jahren entspricht.<br />
Bezieht man nun die Rückreaktion der fes ten<br />
Kör per, deren Kopplungsgrade vier unterschiedli chen<br />
Durch mes sern zwischen 30 und 120 cm entsprechen,<br />
auf die Gasteilchen ein, so geschieht Folgendes: Die<br />
mit subkeplerscher Geschwindigkeit laufenden Gasteil<br />
chen werden von den Gesteinsbrocken mitgerissen<br />
und bewegen sich nun ebenfalls fast mit keplerscher<br />
Geschwindigkeit. Dadurch verringert sich der<br />
Ge genwind <strong>für</strong> die Gesteinsbrocken. Dann bewegen<br />
sich die Gesteinsbrocken in die bereits vorhandenen<br />
Über dichtegebiete und sammeln sich dort an. Die Zusam<br />
menstöße zwischen den Brocken innerhalb dieser<br />
Be rei che führen zu einer dynamischen Kühlung des<br />
En semb les und damit zu einer weiteren Verdichtung.<br />
Abb. II.3.6: Anwachsen einer Gesteinsagglomeration. Reibungskraft<br />
und vertikale Gravitation in der Scheibe wurden ab<br />
t –10 berücksichtigt, während Eigengravitation und Kühlung<br />
durch Stöße der Gesteinsbrocken untereinander erst bei t 0<br />
»angeschaltet« wurden. Man erkennt das rasante Anwachsen<br />
des Gesteinsensembles bis zu 3.5 Ceres-Massen.<br />
max( p / g )<br />
10000<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
1<br />
–10<br />
K f = 0.25<br />
0.50<br />
0.75<br />
1<br />
Sedimentation selbstgravitierend<br />
–5 0<br />
t / Torb 0.8 0.9<br />
1.9 2.1<br />
3<br />
M Hill /M Ceres t<br />
5<br />
3.5<br />
Allerdings mussten hierbei in der Modellrechnung<br />
Materialeigenschaften wie Koagulation oder gegenseitige<br />
Zerstörung unberücksichtigt bleiben.<br />
Entscheidend tritt dann aber die Gravitation in Kraft:<br />
Sie bewirkt eine Verdichtung des Ensembles. Abb. II.3.5<br />
zeigt das ausgewählte Volumen über insgesamt sieben<br />
Umläufe hinweg. Man erkennt, wie eine anfänglich relative<br />
kleine Ansammlung von Gesteinsbrocken immer<br />
mehr Material aufsammelt und dabei stark anwächst. Der<br />
größte Klumpen ist in jedem Bild rechts vergrößert dargestellt.<br />
Er hatte am Ende der Simulation eine Masse erreicht,<br />
die dem 3.5-fachen des Kleinplaneten Ceres entspricht<br />
(Abb. II.3.6).<br />
Ist das nun die Lösung des Rätsels, wie die kleinen<br />
Steinchen in der protoplanetaren Scheibe ihrem Schicksal<br />
des Verdampfens im Stern entgehen und die Zen ti meter<br />
barriere überwinden? Vieles spricht da<strong>für</strong>, auch wenn<br />
noch Fragen offen sind. So kann ein Mag net feld die Turbu<br />
lenzen nur dann verstärken, wenn die Materie in der<br />
Schei be ionisiert ist. Speziell in den Au ßen bereichen der<br />
pro to pla netaren Scheiben dürfte es aber so kalt sein, dass<br />
das Gas nicht ionisiert ist.<br />
Dennoch sind die bisherigen Fortschritte sehr überzeugend.<br />
Zum ersten Mal scheint es möglich zu sein,<br />
das Wachstum vom mikrometergroßen Staubteilchen bis<br />
zum Planeten durchgehend zu erklären.<br />
Als nächstes wollen die Theoretiker die Hochdruckgebiete<br />
in der MRI besser verstehen lernen. So entstehen in<br />
größeren Simulationskästen sehr starke Zonalströmungen<br />
entlang der Rotationsrichtung der Scheibe, zwischen denen<br />
sich langlebige Hochdruckgebiete ausbilden. Ähnliche<br />
Strömungen treten auch in der Sonne und in Plane<br />
ten wie Jupiter auf: Die Bänder in Jupiters At mo sphä -<br />
re sind solche Gebiete mit verschiedenen Ro ta tions geschwin<br />
dig kei ten. Möglicherweise werden Ge steins brocken<br />
in protoplanetaren Scheiben in solchen Zo nal strömungen<br />
eingefangen. Außerdem scheint es denk bar, dass<br />
auch kleinere Partikel zwischen solchen Zo nal strö mungen<br />
konzentriert werden und dort zu einen bis fünf Zentimeter<br />
großen Körnchen anwachsen.<br />
Gleichzeitig versuchen Johansen und Kollegen, mit<br />
ihren Modellrechnungen die Größenverteilung von Plane<br />
tesimalmassen zu bestimmen, ähnlich wie man in der<br />
Sternentstehung die »Initial Mass Function« bestimmt.<br />
Da<strong>für</strong> müssen die Simulationen länger laufen.<br />
Filme der Computersimulationen finden sich unter:<br />
www.strw.leidenuniv.nl/~ajohan/research.php<br />
Anders Johansen, Hubert Klahr, Thomas Henning.<br />
In Zusammenarbeit mit:<br />
Princeton University Observatory, Princeton; American<br />
Museum of Natural History, New York;<br />
University of Virginia, Charlottesville;<br />
University of Toronto, Kanada