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Max-Planck-Institut für Astronomie - Jahresbericht 2007

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30 II. Highlights<br />

II.3 Die schnelle Entstehung von Planetesimalen in turbulenten Scheiben<br />

In den ersten Phasen der Entstehung von Planeten<br />

sto ßen Staubteilchen zusammen, bleiben aneinan der<br />

haf ten und wachsen. Hat ein Körper einen Durch messer<br />

von etwa einen Kilometer erreicht, so ist seine<br />

Gra vitationskraft groß genug, um weitere Körper aus<br />

der Umgebung anzuziehen und an sich zu binden. Auf<br />

die se Weise wächst er schließlich zu einem Pla neten<br />

heran. Doch dieses einfache Szenario scheint bei<br />

Grö ßen um zehn Zentimeter eine Grenze zu besit zen.<br />

Ge steins bro cken dieser Größe stürzen sehr schnell in<br />

den Zentralstern ab, und sie können jüngsten Er gebnissen<br />

der Laborastrophysik zufolge nicht weiter mit<br />

dem klassischen Stoßen­Haften­Mechanismus wachsen,<br />

weil sie sich bei gegenseitigen Stößen eher<br />

ge gen seitig zerstören. Theoretiker des MPIA haben<br />

nun einen Weg gefunden, wie die Na tur diese Zehn­<br />

Zen timeter­Barriere überwinden könn te: In den proto<br />

planetaren Scheiben entstehen durch Tur bu lenzen<br />

»Hoch druckwirbel«. Darin sammeln sich Ge steins brocken<br />

und können sich nun aufgrund der gemein sa men<br />

Schwerkraft zusammenlagern. Auf diese Wei se kön nen<br />

in kurzer Zeit Körper von der Größe unse res Klein plane<br />

ten Ceres entstehen.<br />

Kleinste Staubpartikel bleiben bei gegenseitigen Stößen<br />

aneinander haften, weil zwischen ihnen die anziehende<br />

Van-der-Waals-Kraft wirkt. Die hier<strong>für</strong> nötigen Rela<br />

tiv geschwindigkeiten erhalten sie durch die Brownsche<br />

Bewegung. Sie nimmt mit wachsender Teil chenmasse<br />

ab und kann deshalb nur in der sehr jungen protoplanetaren<br />

Wolke einen Einfluss haben. Im weiteren<br />

Verlauf sinken die immer größer werdenden Teilchen<br />

aufgrund der Schwerkraft zur Mittelebene der sich ausbil<br />

dendenden protoplanetaren Scheibe ab. Da die Sinkgeschwindigkeit<br />

mit wachsender Teilchenmasse zunimmt,<br />

treten auch hierbei zwischen den Staubpartikeln<br />

Relativgeschwindigkeiten auf, die zu weiteren Zusammenstößen<br />

und einem Anwachsen führen. So werden<br />

die Teilchen beim Erreichen der Scheibenebene vermutlich<br />

bis zu einige Zentimeter groß.<br />

In der Mittelebene der Scheibe ist die Staubdichte<br />

ver hältnismäßig hoch, so dass Teilchen jetzt öfter zusam<br />

menstoßen und prinzipiell zu Planetesimalen mit<br />

ei nigen Kilometern Durchmesser anwachsen könnten.<br />

Die ses verhindern jedoch im Wesentlichen zwei Prozes<br />

se. Erstens prallen die Staubkrümel ab einer ge wissen<br />

Geschwindigkeit voneinander ab oder zerstören sich<br />

sogar gegenseitig. Jüngste Ergebnisse der La bor as trophysik<br />

belegen, dass die Gesteinsbrocken durch den<br />

Stoßen-Haften-Mechanismus kaum über mehr als etwa<br />

zehn Zentimeter hinaus wachsen können.<br />

Und zweitens verlieren Körper dieser Größenordnung<br />

aufgrund ihrer Reibung mit dem Gas in der Scheibe<br />

an Drehimpuls und nähern sich auf einer spiralförmigen<br />

Bahn in relativ kurzer Zeit dem Zentralstern.<br />

Abschätzungen zeigen, dass ein Brocken dieser Größe<br />

innerhalb von einigen hundert Jahren dem Stern so nahe<br />

kommt, dass er verdampft. In diesem kurzen Zeitraum<br />

kann ein Stein von der Größe eines Tennisballs nicht um<br />

etwa zwei Größenordnungen im Durchmesser, das heißt<br />

um sechs Größenordnungen in der Masse wachsen.<br />

Turbulenz konzentriert Gesteinsbrocken<br />

Die hohen Driftraten der Felsbrocken treten in Scheiben<br />

auf, in denen Gas und Staub laminar strömen. Es<br />

gibt aber bereits seit einiger Zeit die Vermutung, dass<br />

Turbulenzen auftreten, die die Bewegung der Par tikel<br />

erheblich beeinflussen. In erster Linie ist das die<br />

Kel vin-Helmholtz-Turbulenz (kurz KH-Turbulenz), die<br />

auf folgende Weise entsteht: Zunächst sedimentiert der<br />

Staub zur Mittelebene der Scheibe. Dort sinken Tempe<br />

ratur und Dichte mit wachsendem Abstand vom<br />

Zen tralstern. Aus diesem Grunde herrscht ein radialer<br />

Druckgradient, was dazu führt, dass das Gas lang samer<br />

rotiert, als es dies auf einer reinen Keplerbahn tun<br />

würde. Die Staubteilchen hingegen reagieren nicht auf<br />

den Druckgradienten, sondern »fühlen« nur die Schwerkraft.<br />

Sie umlaufen den Zentralstern deshalb auf Keplerbahnen.<br />

Ist in der Mittelebene der Scheibe das Staubzu-Gas-Verhältnis<br />

hoch genug, so reißt der Staub die<br />

Gasteilchen mit und zwingt sie ebenfalls auf die Geschwin<br />

digkeit einer Keplerbahn. Als Folge hiervon bewegt<br />

sich das Gas in der Mittelebene schneller als das<br />

Gas ober- und unterhalb davon. Es tritt also eine ver tikale<br />

Geschwindigkeitsscherung auf, welche die KH-Insta<br />

bilitäten auslöst.<br />

Die hierbei einsetzende turbulente Gasbewegung wirbelt<br />

den Staub in der Mittelebene auf und verhindert dadurch<br />

eine Verklumpung des Staubes zu Planetesimalen.<br />

Dieses Problem erkannten P. Goldreich und W. R.<br />

Ward schon 1973 und sahen darin ein Hindernis <strong>für</strong> das<br />

Anwachsen der Staubteilchen zu Planetesimalen.<br />

Erst vor wenigen Jahren tauchte dann die Vermutung<br />

auf, dass die Turbulenzen lokal Bereiche mit erhöhter<br />

Gasdichte entstehen lassen, in denen sich feste Partikel<br />

ansammeln können. Anders Johansen, Hubert Klahr und<br />

Thomas Henning gingen diesem Phänomen im Jahre<br />

2006 mit umfangreichen Computersimulationen nach<br />

und konnten es bestätigen (s. <strong>Jahresbericht</strong> 2006, Kap.<br />

III.2). Können diese Hochdruckwirbel die Geburtsstätten<br />

der Planetesimale sein?

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