Max-Planck-Institut für Astronomie - Jahresbericht 2007
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24 II. Highlights<br />
in der Scheibe maximal zur Verfügung. Die Beobachtung<br />
von TW Hya b liefert erstmals eine echte obere Grenze<br />
<strong>für</strong> die zur Planetenentstehung erforderliche Zeitspanne:<br />
Sie kann nicht mehr als acht bis zehn Millionen Jahre betragen<br />
haben. Somit ist TW Hya der ideale Prüfstein <strong>für</strong><br />
numerische Modelle der Bildung von Planeten.<br />
TW Hya b steckt zum einen den Zeitrahmen <strong>für</strong> die<br />
Planetenentstehung ab. Gleichzeitig stellt der Planet die<br />
Theoretiker erneut vor die Frage, wie ein derart massereicher<br />
Körper seinen Zentralstern in solch geringem<br />
Abstand umkreisen kann. Unter den bislang bekannten<br />
Exoplaneten gibt es eine Reihe dieser heißen<br />
Jupiter. Sie alle sind nach der heute gängigen Theorie<br />
der Planetenentstehung nicht dort entstanden. Nahe am<br />
Stern war stets zu wenig Materie vorhanden und es war<br />
dort zu heiß. Daher geht man davon aus, dass sich die<br />
Planeten in den weiter außen liegenden, kühlen und<br />
dichten Bereichen der zirkumstellaren Scheibe bilden.<br />
Anschließend führt ein Austausch von Drehimpuls zwischen<br />
dem Scheibenmaterial und dem Planeten dazu,<br />
dass dieser langsam auf einer spiralförmigen Bahn an<br />
den Zentralstern heranwandert.<br />
Computersimulationen, wie sie auch am MPIA durchgeführt<br />
werden, haben gezeigt, dass ein Planet, der<br />
in einem Abstand von fünf Astronomischen Einheiten<br />
von seinem Zentralstern entsteht, innerhalb von mehreren<br />
tausend Jahren eine Lücke in der Scheibe frei fegt<br />
(<strong>Jahresbericht</strong> 2006, S. 27). Gleichzeitig wandert er nach<br />
innen. Bereits nach wenigen zehntausend Jahren hat er<br />
seinen Abstand zum Stern halbiert und seine Masse verdoppelt,<br />
denn während der Migration sammelt er Materie<br />
aus seiner Umgebung auf.<br />
Eine entscheidende Frage ist nun: Wann und wodurch<br />
kommt die Wanderung zum Stillstand? Ist das nahezu<br />
materiefreie Loch im Zentrum einer Scheibe hier<strong>für</strong><br />
verantwortlich? Die Bahn von TW Hya b am Innenrand<br />
der Scheibe scheint diese Hypothese zu unterstützen.<br />
Theoretisch zwingend ist sie jedoch nicht. Ob weitere<br />
Bremseffekte, wie Magnetfelder oder Gezeitenkräfte eine<br />
Rolle spielen, ist zur Zeit Gegenstand der Forschung.<br />
Letztlich wird auch eine alternative Theorie untersucht,<br />
bei der ein Planet nicht durch langsames Aufsammeln von<br />
Staub und Gas aus der Umgebung, sondern wie ein Stern<br />
durch direkte Kontraktion entsteht. Möglicherweise kann<br />
TW Hya b in Zukunft weitere Hinweise zur Entscheidung<br />
zwi schen den beiden Möglichkeiten liefern.<br />
Ein weiterer Planet um HD 70573<br />
Die Astronomen des MPIA konnten bei ihrem<br />
Suchprogramm noch einen weiteren Erfolg verbuchen.<br />
Bei dem 150 Lichtjahre entfernten Stern HD 70573<br />
entdeckten sie eine periodische Doppler-Verschiebung<br />
mit einer Periode von 852 Tagen. Auch hier ergab die<br />
Bisektor-Analyse keine Korrelation mit Signaturen der<br />
Sternaktivität, so dass die wahrscheinlichste Erklärung<br />
wiederum ein unsichtbarer Planet ist. Da in diesem Fall<br />
die Bahnneigung unbekannt ist, lässt sich <strong>für</strong> seine Masse<br />
nur eine untere Grenze von 6.1 Jupitermassen angeben.<br />
Hierbei wird angenommen, dass der Stern, ein G-Zwerg,<br />
eine Masse von genau einer Sonnenmasse besitzt.<br />
HD 70573 gehört der Herkules-Lyra-Assoziation an,<br />
einer Bewegungsgruppe, deren Alter auf 200 Millionen<br />
Jahre geschätzt wird. Eine Analyse des Sternspektrums<br />
(Äquivalentbreite der Lithium-Linie bei 670.8 nm) ergab<br />
ein Alter zwischen 78 und 125 Millionen Jahren. Damit<br />
ist der gleichaltrige Planet nach TW Hya b der zweitjüngste<br />
bekannte extrasolare Planet.<br />
Der Fund eines Planeten bei HD 70573 ist auch deswegen<br />
bedeutend, weil dieser Stern zu einem Forschungsprogramm<br />
am Weltraumteleskop sp i t z e r gehört (sp i t z e r /<br />
Fe p s Legacy Program), in dem die Beziehung zwischen<br />
älteren Staubscheiben (sogenannten Debris-Scheiben)<br />
und Planeten untersucht wird.<br />
Die beiden beschriebenen Entdeckungen haben bewiesen,<br />
dass es trotz anfänglicher Bedenken durchaus<br />
möglich ist, Planeten bei jungen Sterne nachzuweisen.<br />
Dies eröffnet insbesondere der Erforschung der<br />
Planetenentstehung ganz neue Möglichkeiten. Neben diesem<br />
Programm werden am MPIA gegenwärtig Beobachtungsinstrumente<br />
der nächsten Generation entwickelt<br />
und gebaut, die extrasolare Planeten auch mit anderen<br />
Methoden aufspüren sollen: direktes Abbilden, astrometrische<br />
Messung der scheinbaren Bewegung des Sterns<br />
am Himmel und die Messung der Helligkeitsveränderung<br />
des Zentralsterns, wenn der Planet vor ihm vorbeizieht<br />
(Transitphotometrie).<br />
Johny Setiawan, Thomas Henning,<br />
Ralf Launhardt, André Müller,<br />
Patrick Weise, Martin Kürster