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Ökohydrologische Modellbildung auf der Grundlage von IVANOVs ...

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Dresdener Schriften zur Hydrologie, Bd. 5 (2007)<br />

Synap2006 <strong>IVANOVs</strong> Theorie…, Edom et al.<br />

<strong>Ökohydrologische</strong> <strong>Modellbildung</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Grundlage</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>IVANOVs</strong> hydromorphologischer Theorie und Anwendungen<br />

im praktischen Naturschutz<br />

Edom, F. (HYDROTELM Dresden); Dittrich, I., Kessler, K. & Goldacker, S. (Dr. Dittrich &<br />

Partner Hydro-Consult GmbH, Bannewitz); Wagner, M. (TU Dresden, IHM); Golubcov,<br />

A.A. (HYDROTELM Kurgan/ Russland)<br />

Einführung<br />

In <strong>der</strong> FFH-Richtlinie <strong>der</strong> EU (Art. 3) wird die Errichtung eines „kohärenten europäischen<br />

ökologischen Netzes beson<strong>der</strong>er Schutzgebiete mit <strong>der</strong> Bezeichnung „Natura 2000“ “<br />

gefor<strong>der</strong>t. Bestandteil ist die Erhaltung und Entwicklung sogenannter Lebensraumtypen<br />

(LRT), die auch unterschiedliche Habitate <strong>der</strong> Moore und Moorwäl<strong>der</strong> beinhalten.<br />

Wie die Umsetzung <strong>der</strong> EU-Richtlinien in örtlich konkreten Moorgebieten auszusehen hat,<br />

bedarf einer wissenschaftlichen Zielfindungsstrategie, die hydrologisches, moorkundliches<br />

und geobotanisches Wissen in sich vereinigt. Zu einer hydrologisch fundierten Modellierung<br />

<strong>von</strong> Ökosystemzuständen bietet sich die Weiterentwicklung solcher „klassischer“<br />

hydrologischer Modelle an, die in weitgehend natürlichen Ökosystemen entwickelt und<br />

erprobt wurden. Für natürliche Moore ist dies z.B. die hydromorphologische Theorie <strong>von</strong><br />

IVANOV [16].<br />

Hydromorphologie und Hydromorphologische Theorie<br />

Hydromorphologie ist das Teilgebiet <strong>der</strong> Geomorphologie, das sich mit wassergeprägten<br />

Formenelementen <strong>der</strong> Landschaft und ihren Zusammenhängen untereinan<strong>der</strong> beschäftigt.<br />

Eine Kopplung mit Methoden <strong>der</strong> quantitativen Hydrologie erlaubt dann die kausale<br />

Erklärung, mathematische Modellierung sowie Entwicklungsvorhersagen für wassergeprägte<br />

Landschaftselemente. Dieses nennen wir Hydromorphologische Theorie (HT).<br />

Hydromorphologische Theorien gibt es z.B. für Moore [16], Flussbett- und Auendynamik [19],<br />

Küstendynamik sowie weitere mit dem Wasser verbundene Erosions- und<br />

Sedimentationsprozesse.<br />

In diesem Sinne ist ein wachsendes Moor ein wassergeprägtes und –geformtes<br />

Landschaftselement. Ein ganzes Moor als wassergeprägtes Formenelement <strong>auf</strong> einer großen<br />

Skalenebene besteht wie<strong>der</strong>um aus Mustern unterschiedlicher wassergeprägter Elemente<br />

<strong>auf</strong> kleinerer Ebene, den sogenannten hydromorphologischen Strukturelementen. Dieses<br />

sind z.B. Flach- o<strong>der</strong> Tiefrüllen, Moorkolke, Bült-Schlenken-Komplexe, Flarke und Rimpies,<br />

Laggs o<strong>der</strong> auch einzelne Vegetationseinheiten im Moor.<br />

90


Dresdener Schriften zur Hydrologie, Bd. 5 (2007)<br />

Synap2006 <strong>IVANOVs</strong> Theorie…, Edom et al.<br />

Als Hauptprinzip <strong>der</strong> HT für wachsende Moore kann das dritte moorhydrologische Theorem<br />

[6, S. 186] angeführt werden: „In wachsenden Mooren ist das Mesorelief <strong>der</strong> Mooroberfläche<br />

weitgehend parallel zur Moorwasserspiegeloberfläche. Damit können Mesoreliefformen eines<br />

Moores als Oberfläche eines Grundwasserkörpers dargestellt werden.“ Ein wichtiger<br />

mathematischer Ausdruck <strong>von</strong> IVANOV’s HT ist seine „hydromorphologische<br />

Grundgleichung“, die in [6, 16, 22] abgeleitet und ausführlich diskutiert wird.<br />

Zur Methodik <strong>der</strong> hydromorphologischen Analyse<br />

Jedes Moor weist sein eigenes Mesorelief <strong>auf</strong>, das im L<strong>auf</strong>e <strong>der</strong> Moorentwicklung entstanden<br />

o<strong>der</strong> auch durch anthropogene Einflüsse verän<strong>der</strong>t worden ist. Zu einer<br />

hydromorphologischen Analyse muss als erster Schritt das Relief erfasst werden,<br />

entwe<strong>der</strong> durch flächendeckende terrestrische Vermessung o<strong>der</strong> durch Fernerkundung. Es<br />

lassen sich nun Höhenkarten und Gefällekarten herstellen. Senkrecht zu den Höhenlinien<br />

kann man für (potentiell) wassergesättigte Moore das Netz <strong>der</strong> Stromlinien konstruieren. Die<br />

Stromlinien zerteilen das Moor in Stromsektoren, die durch die Höhenlinien in Segmente<br />

unterteilt werden. Stromlinienbil<strong>der</strong> unterschiedlicher Moore und Moortypen finden sich in [14,<br />

15, 16, 20].<br />

In den Stromlinienbil<strong>der</strong>n zeigen sich divergente, parallele und konvergente Situationen.<br />

Die Einbettung unterschiedlicher natürlicher und anthropogener Strukturen in die gegebene<br />

hydromorphologische Situation ergibt schon einige Möglichkeiten qualitativer Erklärungen. So<br />

führen konvergente Situationen meist zu einer Zunahme des Profildurchflusses. Rüllen und<br />

moorinnere Bäche finden sich meist in konvergentem Relief. Divergentes Relief beherbergt<br />

oft typische ombrogene Standorte.<br />

Nimmt man eine oberflächennahe Strömung im wachsenden (selbstregulierten) Moorkörper<br />

an, fließt das Wasser in Richtung <strong>der</strong> Stromlinien. Die Verteilung <strong>der</strong> langjährig mittleren<br />

spezifischen Profildurchflüsse qS im Segment i lässt sich nun flächendeckend berechnen:<br />

q ( i)<br />

S<br />

q ⋅ b<br />

b(<br />

i)<br />

i<br />

∑ =<br />

[ A<br />

⋅ ( P<br />

− ET<br />

b(<br />

i)<br />

91<br />

+ q<br />

( j))]<br />

J J J GW<br />

CM CM J 1<br />

= +<br />

(1)<br />

mit: qCM = langjährigem mittleren Zufluss aus dem silikatischen Einzugsgebiet in das erste<br />

Segment j=1 eines Moorsektors mit <strong>der</strong> Breite bCM = b0; AJ = Fläche des Segmentes j, (PJ –<br />

ETJ + qGW(j)) = langjährig mittlere vertikale Wasserbilanz des Moor-Segmentes j. P =<br />

Nie<strong>der</strong>schlag; ET = Verdunstung; qGW = vertikaler Grundwasseraustausch.<br />

Es ergibt sich eine Karte <strong>der</strong> räumlichen Verteilung <strong>der</strong> horizontalen Profildurchflüsse<br />

durch den Moorkörper o<strong>der</strong> - bei entsprechenden Moortypen - durch das Akrotelm. Nach<br />

unseren Erfahrungen im Erzgebirge sind in Mooren mit ungestörtem Relief die<br />

Profildurchflüsse ziemlich gleichverteilt [4, 5, 9, 11]. Zonen höherer Wasserflüsse gibt es in


Dresdener Schriften zur Hydrologie, Bd. 5 (2007)<br />

Synap2006 <strong>IVANOVs</strong> Theorie…, Edom et al.<br />

natürlichen Abflussstrukturen wie Rüllen o<strong>der</strong> Bächen sowie in gestörten Bereichen. Durch<br />

das unterschiedliche Gefälle differenziert sich die Zonierung <strong>der</strong> Transmissivitäten stärker.<br />

dy<br />

dl<br />

Gl. (1) dividiert durch das Gefälle (s)<br />

eines Segmentes (Länge s in Gefällerichtung l)<br />

ergibt die Transmissivität TZ(i) des im langjährigen Mittel durchflossenen Schichtpaketes des<br />

Moorsegmentes i bei langjährig mittlerem Wasserstand zm [6, 7, 8, 12]:<br />

i<br />

q ( i)<br />

q ⋅ b ∑ [ A ⋅ ( P − ET + q ( j)]<br />

J J<br />

J GW<br />

S<br />

CM CM J = 1<br />

T ( i)<br />

= = +<br />

(2)<br />

Z<br />

dy dy<br />

dy<br />

( i)<br />

b(<br />

i)<br />

⋅ ( i)<br />

b(<br />

i)<br />

⋅ ( i)<br />

dl dl<br />

dl<br />

Entsprechend erhält man eine Karte <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> durchströmten (selbstregulierten)<br />

Transmissivitäten [7, 8]. Weil in wachsenden Mooren die Moorvegetation selbst und <strong>der</strong> <strong>von</strong><br />

ihr gebildete Torf das durchströmte Medium darstellen, also die hydraulischen Eigenschaften<br />

bestimmt, ist die Transmissivität eng korreliert mit langfristig stabilen Vegetationsformen [6, 7,<br />

8, 16, 17]. Wenn sich also die Wasserspeisung o<strong>der</strong> die Klimabedingungen än<strong>der</strong>n, reagiert<br />

die Vegetation mit Selbstregulationsmechanismen, die zur Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Transmissivität<br />

führen [6, 16, 18].<br />

Die Bewertung des langjährig mittleren hydrochemischen Einflusses in einem Moorsegment<br />

gestaltet sich schwieriger. Eine methodisch einfachere Lösung ist die Berechnung <strong>von</strong><br />

Mischungsverhältnissen <strong>der</strong> Wassermengen unterschiedlicher Herkunft. Unterschieden<br />

werden minerogene Wassermengen, die vor Durchströmung des Moorkörper schon mit einer<br />

silikatischen Gesteinsmatrix Kontakt hatten, und ombrogene Wassermengen, die direkt <strong>auf</strong><br />

den Torfkörper <strong>auf</strong>treffen. Das Verhältnis des minerogenen Wassers zu dem gesamten das<br />

Segment i durchströmenden Wasser nennen wir die Obergrenze des Hang- und<br />

Quellwasseranteils, den genetischen Hang- und Quellwasseranteil o<strong>der</strong> den Minerogenie-<br />

Quotient H0(i):<br />

H<br />

∑<br />

J = 1<br />

∑<br />

CM CM<br />

J GW<br />

J = 1<br />

( i)<br />

: = O<br />

i<br />

(3)<br />

q<br />

CM<br />

⋅ b<br />

q<br />

CM<br />

+<br />

⋅b<br />

+<br />

[ A<br />

J<br />

i<br />

[ A<br />

⋅ ( P<br />

J<br />

⋅ q<br />

− ET<br />

J<br />

92<br />

( j)]<br />

+ q<br />

GW<br />

( j)]<br />

Nimmt man an, dass alles verdunstende Wasser mit seinem lokalen Gehalt an<br />

Nährstoffionen zur dauerhaften Akkumulation dieser Ionen in <strong>der</strong> Pflanzendecke o<strong>der</strong> im Torf<br />

führt, erhält man ein kleineres Mischungsverhältnis. Dieses nennen wir die Untergrenze des<br />

Hang- und Quellwasseranteils, den trophisch wirksamen Hang- und Quellwasseranteil o<strong>der</strong><br />

den Minerotrophie-Quotient HU(i):


H<br />

Dresdener Schriften zur Hydrologie, Bd. 5 (2007)<br />

Synap2006 <strong>IVANOVs</strong> Theorie…, Edom et al.<br />

∑<br />

J = 1<br />

∑<br />

CM CM<br />

J GW<br />

J = 1<br />

( i)<br />

: = U<br />

i<br />

(4)<br />

q<br />

CM<br />

q<br />

⋅ b<br />

⋅ b<br />

CM<br />

+<br />

+<br />

i<br />

[ A<br />

[ A<br />

J<br />

⋅ ( P<br />

⋅ q<br />

J<br />

+ q<br />

( j)]<br />

GW<br />

93<br />

( j)]<br />

Nehmen HO bzw. HU Werte <strong>von</strong> 1 an, ist das Wasser vollständig minerogen bzw.<br />

minerotroph. Ist <strong>der</strong> Wert gleich Null, handelt es sich um ombrogene bzw. ombrotrophe<br />

Standorte. Mit Gl. (3) und (4) lassen sich Karten <strong>der</strong> Hang- und Quellwasseranteile<br />

berechnen (Abb. 1).<br />

Abb.1: Zonierung <strong>der</strong> potentiellen trophisch wirksamen Hangwasseranteile in <strong>der</strong> Großen<br />

Säure bei Carlsfeld /Erzgebirge (aus [11])<br />

Für die Ableitung resultieren<strong>der</strong> Ökotoptypen, die ein standörtlich mögliches Spektrum an<br />

Vegetationstypen ergeben, wurde eine Matrix aus Klassen <strong>der</strong> Torfmächtigkeit, <strong>der</strong><br />

Transmissivität und <strong>der</strong> trophisch wirksamen Hangwasseranteile erstellt [9]. <strong>Grundlage</strong> ist<br />

eine Parallelisierung russischer und erzgebirgischer Vegetationstypen [6, 7, 8, 24] sowie die<br />

kontinuierliche Einbindung mit geobotanischer Erfahrungen (z.B. [10]). Es ergeben sich<br />

Karten <strong>der</strong> potentiellen Ökotopzonierung <strong>von</strong> wachsenden Mooren unter aktuellen Relief-<br />

und Wasserhaushaltsbedingungen.<br />

In einem aktuell wachsenden Moor mit stromlinienförmig abgestimmten Akrotelmen<br />

entspricht dies <strong>der</strong> aktuellen Ökotopzonierung. In solchen Mooren ist es möglich, die<br />

Modellansätze durch Kartierung <strong>der</strong> Vegetation o<strong>der</strong> <strong>der</strong> hydraulischen Parameter zu eichen.<br />

In einem regenerierenden Moor o<strong>der</strong> einem durch Maßnahmen zu revitalisierenden Moor ist<br />

dies eine prognostische Ökotopzonierung. Die prognostische Ökotopzonierung zeigt die<br />

Entwicklungsrichtung <strong>der</strong> Sukzession regenerieren<strong>der</strong> Moore [10] bzw. im Falle zu planen<strong>der</strong><br />

Naturschutzmaßnahmen ein realistisch anzustrebendes (und nicht durch


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Synap2006 <strong>IVANOVs</strong> Theorie…, Edom et al.<br />

Wunschvorstellungen überzogenes) Leitbild. Da Regenerationsprozesse im oberen<br />

Erzgebirge bis zu zwei Jahrhun<strong>der</strong>te dauern können [10], sind Beweise <strong>der</strong> prognostizierten<br />

Ökotopzonierung nur sehr langfristig möglich. In den bisher hydromorphologisch analysierten<br />

Mooren des Erzgebirges häufen sich aber aus unterschiedlichen Geländebeobachtungen,<br />

Kartierungen <strong>der</strong> Vegetation und <strong>der</strong> Moorstratigraphie Belege über die Richtung <strong>der</strong><br />

Ökotopentwicklung.<br />

Viele Ökotope natürlicher Moore sind LRT des Anhangs 1 <strong>der</strong> FFH-Richtlinie. Für das<br />

Erzgebirge sind das die LRT 3160 (Dystrophe Stillgewässer), 7110* (lebende Hochmoore),<br />

7120 (noch renaturierungsfähige Hochmoore), 7140 (Übergangs- und Schwingrasenmoore),<br />

7150 (Torfmoor-Schlenken), 91D1* (Birken-Moorwäl<strong>der</strong>), 91D3* (Bergkiefern-Moorwäl<strong>der</strong>),<br />

91D4* (Fichten-Moorwäl<strong>der</strong>) sowie einige torfmoos- o<strong>der</strong> seggenreiche Ausprägungsformen<br />

vom LRT 9410 (montane Fichtenwäl<strong>der</strong>). Da man jetzt Karten <strong>der</strong> hydromorphologisch<br />

potentiellen FFH-LRT [9] herstellen kann, liefert die hydromorphologische Analyse<br />

Planungsgrundlagen für das FFH-Management.<br />

Hydromorphologische Modellierung <strong>von</strong> Torf-Wachstum<br />

Aus <strong>der</strong> hydromorphologischen Theorie konnte eine Gleichung für das Höhen- und<br />

Massenwachstum in einem Segment des Torfkörpers abgeleitet werden [12]. Das<br />

Wachstum eines Segmentes ist dabei abhängig <strong>von</strong> seiner Morphologie, <strong>von</strong> <strong>der</strong> Verteilung<br />

<strong>der</strong> hydraulischen und chemischen Torfparameter über die Tiefe (Torfschichtung) sowie <strong>von</strong><br />

wasserchemischen Parametern. Durch Zusammenfassung einiger Parameter konnte diese<br />

komplexe Gleichung zur - bisher als konzeptionell zu bezeichnenden - Wachstumsgleichung<br />

<strong>von</strong> CLYMO [1, 2, 3] vereinfacht werden. Die vielfach experimentell bestimmten CLYMO-<br />

Parameter bekommen damit einen tieferen Sinn, deswegen kann die Gleichung jetzt als<br />

CLYMO-Gesetz bezeichnet werden.<br />

Anwendungen im praktischen Naturschutz<br />

a) Revitalisierungsplanung<br />

Soll für ein durch Gräben gestörtes Moor eine Revitalisierungsplanung gemacht werden, so<br />

erfolgt nach <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Vermessung und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Geländearbeiten die<br />

Erstellung bzw. Berechnung aller zuvor beschriebenen Karten. In den Karten ist dann jeweils<br />

die Einbettung <strong>der</strong> Gräben in ein potentiell natürliches hydrologisches und trophisches<br />

Regime sowie in eine potentielle Ökotopzonierung erkennbar. Nach Analyse dieser Karten<br />

wird ein räumlich und zeitlich gestaffelter Maßnahmenplan erarbeitet [4, 5, 11]. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> Zeitdauer <strong>der</strong> Regenerationsprozesse und <strong>der</strong> damit verbundenen langsamen<br />

Entstehung neuer wasserdurchlässiger Akrotelme schlagen wir verschiedene Zeithorizonte<br />

<strong>der</strong> (Stau- und Rückbau-) Maßnahmen vor.<br />

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b) Modellierung <strong>von</strong> Än<strong>der</strong>ungen durch Eingriffe<br />

Gibt es unterschiedliche Alternativen <strong>der</strong> Durchführung <strong>von</strong> Revitalisierungsmaßnahmen o<strong>der</strong><br />

sollen bestimmte Einflüsse o<strong>der</strong> Eingriffe <strong>auf</strong> ein Moor bewertet werden, bietet sich eine<br />

Modellierung mit <strong>der</strong> Erstellung unterschiedlicher Szenarien an. Dabei werden für die<br />

verschiedenen Szenarien jeweils wie<strong>der</strong> das gesamte Set <strong>der</strong> Karten erarbeitet. Zum<br />

Vergleich <strong>der</strong> Szenarien bieten sich Unterschiedskarten an. Bei den berechneten<br />

Parametern ist das die flächige Darstellung <strong>von</strong> Differenzen <strong>der</strong> Profildurchflüsse,<br />

Transmissivitäten usw.. Die Unterschiede <strong>der</strong> Entwicklung <strong>von</strong> Ökotopen bzw. FFH-LRT<br />

lassen sich in Karten mit den entstehenden Sukzessionsflächen darstellen (Abb. 2).<br />

Abb. 2: Durch Rückbau des Weges (schwarze Linie) im Moor zu erzielende<br />

Sukzessionsflächen zu nässeren Ökotoptypen (aus [9])<br />

Durch Rückbau des Weges in einigen Teilen des Moores sind flächig größere Effekte zu<br />

erzielen bzw. es können in einigen Teilen wertvollere o<strong>der</strong> seltenere Ökotope entstehen. Man<br />

kann damit auswählen, in welchem Stromsektor man den Weg entfernt (Abb. 2).<br />

Morphologie, Vegetation und Abflussbildung<br />

Die entwässerbaren Porositäten ne und die hydraulischen Leitfähigkeiten kf im Akrotelm<br />

unterschiedlicher Ökotope sind stark <strong>von</strong> <strong>der</strong> Tiefe unter <strong>der</strong> Mooroberfläche abhängig [6, 16,<br />

17, 21, 22]. WAGNER [23] hat einige dieser Literatur-Messwerte an eine Tiefenfunktion <strong>der</strong><br />

Form<br />

k z)<br />

= k + ( k − k ) ⋅ e<br />

f<br />

Kat<br />

Kat<br />

z<br />

m<br />

( 0 (5) bzw.<br />

( z)<br />

= n<br />

e<br />

Kat + ( n − n )<br />

0 Kat<br />

z<br />

m e<br />

(6)<br />

n ⋅<br />

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Synap2006 <strong>IVANOVs</strong> Theorie…, Edom et al.<br />

angepasst. (Index kat: Größe des Parameters im Katotelm, 0 .... an <strong>der</strong> Mooroberfläche; z =<br />

Tiefe, nach unten negativ; m = ökotopspezifischer Parameter).<br />

Diese Tiefenabhängigkeit erschwert die Anwendbarkeit des klassischen Prinzips des<br />

Einzellinearspeichers in <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Abflussbildung. Deswegen hat WAGNER [23],<br />

<strong>auf</strong>bauend <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Kontinuitätsbeziehung mit dem Nie<strong>der</strong>schlag P, dem tiefenabhängigen<br />

Ausfluss Q(z) und Speicher S(z), <strong>der</strong> Tiefe z und <strong>der</strong> Zeit t, eine neue analytische<br />

Ausflussfunktion hergeleitet. Mit dieser WAGNERschen Ausflussfunktion wurde <strong>der</strong> Einfluss<br />

<strong>der</strong> Stromsektorenform <strong>auf</strong> das Abflussverhalten eines Standardsegmentes untersucht. In<br />

den Abbildungen 3 und 4 sind vergleichend die Grundwasserstandsentwicklungen und<br />

breitenbezogenen Ausflüsse q mit unterschied-lichen Anfangswasserständen z0 und unter<br />

Einfluß <strong>von</strong> Regenereignissen dargestellt.<br />

Abb. 3: Grundwasserstandsentwicklung und breitenbezogener Ausfluss bei z0 = 0 cm<br />

Abb. 4: Grundwasserstandsentwicklung und breitenbezogener Ausfluss bei z0 = -25 cm<br />

Es wird deutlich, dass konvergierende Stromröhren zwar einen größeren breitenbezogenen<br />

Ausfluss generieren, aber durch ihre geringere Ausflussbreite das Wasser generell höher<br />

halten als divergierende Stromröhren. Daraus kann abgeleitet werden, dass Moore bevorzugt<br />

unter konvergenten Verhältnissen entstehen.<br />

Weiterhin ist zu erkennen, dass <strong>der</strong> bei Sättigung bis zur Oberfläche (Abb. 3) wesentlich<br />

schneller absinkt als in Trockenzeiten (Abb. 4).<br />

Außerdem kann mit <strong>der</strong> WAGNERschen Ausflussfunktion eine Aussage über die Wirkung<br />

<strong>von</strong> Ökotopen mit unterschiedlichen Tiefenfunktionen hydraulischer Parameter getroffen<br />

werden. Abb. 5 zeigt für fünf Ökotope die berechneten Rückgangskurven eines 121 m langen<br />

und 1 m mächtigen Torfkörpers mit einheitlichem Gefälle und ohne Regenereignis.<br />

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Abb. 5: Rückgangskurven verschiedener Ökotope<br />

Es konnte gezeigt werden, dass eine verän<strong>der</strong>te Vegetation o<strong>der</strong> ein verän<strong>der</strong>tes Relief zu<br />

an<strong>der</strong>en Reaktionsmustern <strong>der</strong> Abflussbildung führt. Das heißt, dass ohne die Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Beschreibung <strong>der</strong> Vegetations- und Ökotopentwicklung Abflussbildungsprozesse in Moo-ren<br />

nicht hinreichend, d.h. nur für den kurzzeitigen Ist-Zustand, verstanden werden können.<br />

Danksagung<br />

Wir danken dem Umweltfachbereich des Regierungspräsidiums Chemnitz und dem<br />

Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie dafür, dass sie für die entsprechenden<br />

Planungen und Studien [4, 5, 9, 11] uns und damit unsere Methodik ausgewählt haben.<br />

Damit waren auch einige <strong>der</strong> in diesem Artikel dargestellten Weiterentwicklungen <strong>der</strong><br />

Methodik möglich. Für die ständige vegetationskundliche Rückkopplung danken wir vor allem<br />

Dirk WENDEL (Tharandt). Der Erstautor dankt seinem Lehrer in <strong>der</strong> Moorhydrologie, Dr. Igor<br />

KALJUŽNYJ (Iličevo), für den jahrelangen uneigennützigen fachlichen Rat. Für die<br />

Möglichkeit des Arbeitens an naturschutzorientierten ökologischen Instituten dankt er Prof.<br />

Peter A. SCHMIDT (Tharandt) und Prof. Michael SUCCOW (Greifswald). Ohne ihr<br />

Engagement hätte er nie so viele Moore kennenlernen und verstehen lernen können. Prof.<br />

Gerd PESCHKE (†), Peggy ZINKE (Chemnitz) und Prof. Konrad MIEGEL (Rostock) haben<br />

sich als erste Dresdener Hydrologen mit seinen Arbeiten kritisch auseinan<strong>der</strong>gesetzt. Lieber<br />

Prof. Siegfried DYCK, Ihnen wollen wir sagen, dass aus Ihren Schülern auch Ökohydrologen<br />

hervorgegangen sind.<br />

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Literatur<br />

[1] Clymo, R.S., (1978): A model of peat bog growth. Ecol. Stud. 27: 187-223<br />

[2] Clymo, R.S., (1984): The limits to peat bog growth. Phil. Trans. R. Soc. Lond. B303: 605-654<br />

[3] Clymo, R.S., (1992): Models of peat growth. SUO 43: 127-136<br />

[4] Dittrich, I., Edom, F. & Goldacker, S. (2004a): Hydrologisches Gutachten für die wasserrechtliche<br />

Genehmigung <strong>von</strong> Entwicklungsmaßnahmen zur Revitalisierung des Moorgebietes Löffelsbach. Im Auftrag<br />

des Staatlichen Umweltfachamtes Chemnitz. Dr. Dittrich & Partner Hydro-Consult GmbH, Bannewitz &<br />

HYDROTELM Frank Edom, Dresden. 18 S., Anlage & Anh.<br />

[5] Dittrich, I., Edom, F. & Goldacker, S. (2004b): Hydrologisches Gutachten für die wasserrechtliche<br />

Genehmigung <strong>von</strong> Entwicklungsmaßnahmen zur Revitalisierung des Tuchermoores. Im Auftrag des<br />

Staatlichen Umweltfachamtes Chemnitz. Dr. Dittrich & Partner Hydro-Consult GmbH, Bannewitz &<br />

HYDROTELM Frank Edom, Dresden<br />

[6] Edom, F. (2001): Moorlandschaften aus hydrologischer Sicht (chorische Betrachtung). In: Succow, M. u.<br />

Joosten, H. (Hrsg.): Landschaftsökologische Moorkunde. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage,<br />

Schweizerbart, S. 185-228, Stuttgart<br />

[7] Edom, F. & Golubcov, A.A. (1996a): Prognose einer potentiell-natürlichen Ökotopzonierung für<br />

Mittelgebirgsregenmoore durch Berechnung hydrologischer Parameter. IHI-Schriften H.2 (1996): 103-111<br />

(Festschrift zum 60. Geburtstag <strong>von</strong> Prof. G. PESCHKE), Internationales Hochschulinstitut Zittau<br />

[8] Edom, F. & Golubcov, A.A. (1996b): Zum Zusammenhang <strong>von</strong> Akrotelmeigenschaften und einer potentiell<br />

natürlichen Ökotopzonierung in Mittelgebirgsregenmooren. Verhandl. <strong>der</strong> Gesellsch. f. Ökol. 26: 221-228,<br />

Stuttgart<br />

[9] Edom, F. & Keßler, K. (2006): Hydrologische Auswirkungen <strong>der</strong> Görkauer Straße <strong>auf</strong> das FFH - Gebiet<br />

„Mothhäuser Haide“. Im Auftrag des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie. HYDROTELM<br />

Frank Edom, Dresden & Dr. Dittrich & Partner Hydro-Consult GmbH, Bannewitz.<br />

[10] Edom, F. & Wendel, D. (1998): <strong>Grundlage</strong>n zu Schutzkonzepten für die Hang-Regenmoore des<br />

Erzgebirges. In: Ökologie und Schutz <strong>der</strong> Hochmoore im Erzgebirge. 31-77. Dresden Sächsische<br />

Landesstiftung für Natur und Umwelt<br />

[11] Edom, F., Dittrich, I., Goldacker, S. & Keßler, K. (2005): Hydrologisches Gutachten für die<br />

wasserrechtliche Genehmigung <strong>von</strong> Maßnahmen zur Wie<strong>der</strong>vernässung des Moorgebietes “Große<br />

Säure“. Im Auftrag des Staatlichen Umweltfachamtes Chemnitz. Dr. Dittrich & Partner Hydro-Consult<br />

GmbH, Bannewitz & HYDROTELM Frank Edom, Dresden<br />

[12] Edom, F.; Golubcov, A. A.; Dittrich, I.; Zinke, P. & Solbrig, B.(2006): Using IVANOV’s hydromorphological<br />

theory in mire-ecology – an introduction. In: Wetlands: Monitoring, Modelling, Management. Proceedings<br />

of the EU-conference about wetland-hydrology in Wierzba-Poland, Balkema Publishers Rotterdam, (in<br />

press)<br />

[14] Galkina, E.A. et al. (1959): Torfjanye bolota Karelii. (Torfmoore Kareliens): Trudy Karel’skogo Filiala<br />

Akademii Nauk SSSR 15, Petrozavodsk<br />

[15] Ivanov, K.E. (1953): Gidrologija bolot. (Hydrologie <strong>der</strong> Moore). Gidrometeoizdat, Leningrad<br />

[16] Ivanov, K.E. (1975): Vodoobmen v bolotnych landšaftach. (Wateraustausch in Moorlandschaften).<br />

Gidrometeoizdat, Leningrad<br />

[17] Ivanov, K.E.; Novikov, S.M. (1976): Bolota Zapadnoj Sibiri, ich stroenie i gidrologičeskij režim. (Moore<br />

Westsibiriens, ihr Aufbau und hydrologisches Regime), Gidrometeoizdat, Leningrad<br />

[18] Joosten, H. (1993): Denken wie ein Hochmoor: Hydrologische Selbstregulation <strong>von</strong> Hochmooren und<br />

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