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Gerhard Schorr

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Vermögensverfassung –<br />

Schulzes Thesen gültig<br />

Der Förderverein<br />

Hermann Schulze-<br />

Delitzsch hatte zum<br />

13. Delitzscher Gespräch<br />

eingeladen.<br />

Das Thema der Veranstaltung<br />

lautete:<br />

„Die Genossenschaften<br />

zwischen<br />

Tradition und Innovation.<br />

Neue Chancen durch das novellierte<br />

Genossenschaftsrecht“ (vgl.<br />

„WIR“ 12/2006). Einen Hauptvortrag<br />

mit dem Titel „Genossenschaftliche<br />

Vermögensverfassung – hat sich<br />

Schulze-Delitzsch geirrt?“ hielt WP/StB<br />

<strong>Gerhard</strong> <strong>Schorr</strong> (Abb.), Stuttgart.<br />

„WIR“ veröffentlicht wesentliche Auszüge.<br />

Die Fragestellung wirkt wie eine einzige<br />

Provokation. In dieser Provokation<br />

liegt die Chance einer realistischen, ehrlichen<br />

Analyse des Zustandes genossenschaftlicher<br />

Unternehmen im Hier und<br />

Heute. Die Fragestellung kann darüber<br />

hinaus auch Energie freisetzen, die Zukunftsfähigkeit<br />

der genossenschaftlichen<br />

Vermögensverfassung auszuleuchten<br />

und damit Visionen für das Genossenschaftswesen<br />

zu entwickeln. (...)<br />

Wer die „genossenschaftliche Vermögensverfassung“<br />

beschreiben will, der<br />

würde zu kurz greifen, wenn er allein die<br />

spezielle Zusammensetzung und Funktion<br />

des Eigenkapitals einer Genossenschaft<br />

heranziehen würde. Prägend für<br />

die genossenschaftliche Vermögensverfassung<br />

sind die gesamten Strukturelemente<br />

einer Genossenschaft. Auf der<br />

Metaebene sind dies die drei bekannten<br />

Grundprinzipien: Selbstverwaltung,<br />

Selbstverantwortung und Selbsthilfe. Damit<br />

sind aber die Strukturelemente der<br />

Genossenschaft nicht hinreichend beschrieben.<br />

Das auf Freiheit und Verantwortung<br />

basierende Wertsystem der Genossenschaft<br />

muss – von der Gründerzeit<br />

an – um einige weitere Strukturelemente<br />

ergänzt werden.<br />

Das Prinzip „Ein Mitglied – eine Stimme“<br />

ist für die Willensbildung in einer Genossenschaft<br />

absolut prägend. Es ist also<br />

weder entscheidend wie viel Geschäftsguthaben<br />

ein Mitglied auf sich vereinigt,<br />

noch wie hoch sein Umsatz mit der Genossenschaft<br />

ist. (...) Diese Spielregel ist<br />

für kapitalistische Unternehmen, Unternehmen<br />

die sich dem Shareholder-Value-<br />

Prinzip unterwerfen, undenkbar. Auch die<br />

hiermit eingeführte Solidarität ist eine unverzichtbare<br />

weitere Säule der genossenschaftlichen<br />

Organisationsform. (...) Solidarisch<br />

sein, heißt in der Genossenschaft<br />

nicht nur auf die eigenen Belange zu<br />

schauen, sondern sich im Klaren zu sein,<br />

dass nur aus dem solidarischen Zusammenwirken<br />

möglichst aller Mitglieder<br />

der Genossenschaft diese auf Dauer ihre<br />

Förderfähigkeit erhält.<br />

Dass auch verbindliche Regeln ein unverzichtbares<br />

Strukturelement einer Genossenschaft<br />

sind, mag zunächst manch einen<br />

befremden. Wer mit dieser Feststellung<br />

ein Problem hat, der möge in die Statuten<br />

von Genossenschaften im 19. Jahrhundert<br />

oder um die Wende zum 20.<br />

Jahrhundert Einblick nehmen. (...) Es ist<br />

eine unwiderlegbare historische Wahrheit,<br />

dass nur durch derartige verbindliche Regeln,<br />

die nichts anderes darstellen als<br />

ethische Grundlagen für das Zusammenleben<br />

in einer Genossenschaft, die Genossenschaften<br />

die Gründungsphase<br />

überleben und sich prächtig weiterentwickeln<br />

konnten. Wenn sich die Mitglieder<br />

der Genossenschaft und die Verwaltungsorgane<br />

an verbindliche Regeln halten,<br />

ist die Genossenschaft von ihrer Konstitution<br />

her die insolvenzsicherste und<br />

stabilste Rechtsform, die man sich vorstellen<br />

kann.<br />

Betriebswirtschaftliche Sicht<br />

Über 150 Jahre genossenschaftliche Wirtschaftsgeschichte<br />

hinweg ist durch viele<br />

Statistiken eindeutig belegt, dass die Genossenschaft<br />

eine hohe Stabilität und<br />

eine sehr geringe Insolvenzanfälligkeit<br />

auszeichnet. Dies ist kein Zufall, sondern<br />

eindeutig Ausfluss der tragenden Prinzipien<br />

der Genossenschaft. Insbesondere<br />

schafft die Mitgliedschaft ganz überwiegend<br />

eine solide Eigenkapitalausstattung,<br />

wenn man sich z. B. die knapp 1 300 Kreditgenossenschaften<br />

mit ihren 17 Millionen<br />

Mitgliedern betrachtet, kann man mit<br />

Stolz vermerken, dass die genossenschaftliche<br />

Bankengruppe zu den eigenkapitalstärksten<br />

Bankengruppen zählt.<br />

Was in der heutigen Zeit gar nicht hoch<br />

genug angerechnet werden kann, ist die<br />

Tatsache, dass die genossenschaftliche<br />

Vermögensverfassung das Unternehmen<br />

Genossenschaft vor feindlichen Übernahmen<br />

weitestgehend schützt. Dies liegt im<br />

Wesentlichen an dem Prinzip „Ein Mitglied<br />

– eine Stimme“. (... ) In der heutigen Zeit<br />

der „Mergers“ (Fusionen, Übernahmen –<br />

d. R.) mit der zunehmenden Ökonomisie-<br />

2/2007<br />

Zeitlose<br />

Antwort auf<br />

soziale Fragen<br />

F ORUM 37<br />

rung der Wirtschaften (...) verleiht es den<br />

Genossenschaften eine ungeheuere Stabilität,<br />

was gar nicht hoch genug angerechnet<br />

werden kann.<br />

Ferner ist auffällig, dass sich Genossenschaften<br />

durch eine sehr hohe strategische<br />

Konsistenz auszeichnen. Genossenschaften<br />

müssen nicht ständig ihre Strategie<br />

neu erfinden, sondern sie folgen als<br />

Förderunternehmen einer klaren Vision<br />

und Mission, die über einen sehr langen<br />

Zeitraum vom Kern her aufrecht erhalten<br />

werden kann, zwar immer wieder modernisiert<br />

wird, aber als Leitlinie des Unternehmens<br />

erhalten bleibt. Aus betriebswirtschaftlicher<br />

Sicht ist die genossenschaftliche<br />

Vermögensverfassung in keiner Weise<br />

gescheitert, sondern ganz klar ein Zukunftsmodell.<br />

Einzige Gefahr droht der Genossenschaft<br />

immer nur aus sich selbst heraus. Wenn<br />

die Mitglieder oder die Akteure in der Genossenschaft<br />

ihre Vision und Mission nicht<br />

mehr kennen, an Identitätsverlust leiden,<br />

dann gerät auch die genossenschaftliche<br />

Vermögensverfassung ins Wanken. Wenn<br />

der Selbsthilfegedanke und die Solidarität<br />

in der Genossenschaft in Auflösung begriffen<br />

sind, macht sich die Genossenschaft<br />

von innen heraus obsolet. Das muss aber<br />

nicht sein und ist insbesondere nicht<br />

systemimmanent. (...)<br />

Volkswirtschaftliche, politische Sicht<br />

Die Geschichte der Genossenschaften in<br />

Deutschland (und nicht nur in Deutschland)<br />

ist ganz überwiegend eine Erfolgsgeschichte.<br />

Sie wurde in Deutschland durch<br />

zwei Weltkriege mit verheerenden Konsequenzen<br />

unterbrochen, aber nach jedem<br />

Zusammenbruch erfolgte ein Wiederaufbau<br />

und die Revitalisierung der genossenschaftlichen<br />

Vermögensverfassung.<br />

Betrachtet man den Zeitraum 1950 bis<br />

1985 in der Bundesrepublik Deutschland,<br />

dann war dies ein einziger Siegeszug der<br />

genossenschaftlichen Rechtsform und damit<br />

der genossenschaftlichen Vermögensverfassung,<br />

denn in dieser Zeit haben zum<br />

Beispiel die Volks- und Raiffeisenbanken<br />

nachweisbar beträchtlich an Marktanteilen<br />

gewonnen. Aber auch in anderen Branchen<br />

haben sich die Genossenschaften<br />

hervorragend geschlagen. Die Volks- und<br />

Raiffeisenbanken sind mehr denn je eine<br />

tragende Säule der Kreditwirtschaft und<br />

werden gerade deshalb von manchem<br />

Globalisierungsfanatiker neben den Sparkassen<br />

mit unsachlichen Bemerkungen kritisiert.<br />

Ungeachtet polemischer Attacken<br />


38<br />

F ORUM / V ERBUND / P ARTNER<br />

▼<br />

DG VERLAG<br />

Neue Sportkarten<br />

Zwei weitere Sportkarten sind mit<br />

Unterstützung des DG VERLAG, Wiesbaden,<br />

dem Karten-Kompetenz-Center<br />

der Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />

an den Start gegangen. Nach der<br />

erfolgreichen Markteinführung der<br />

„Schalke 04-VR-SparCard“ haben drei<br />

VR-Banken gemeinsam 6 000 „Schalke<br />

04-VR-SparCards“ ausgegeben. Die<br />

„1. FC Nürnberg VR-SparCard“ ist mit<br />

einer Auflage von 13 300 Stück neu auf<br />

den Markt gekommen. Kartenausgebende<br />

Banken sind hier zehn Genossenschaftsbanken.<br />

In einem attraktiven<br />

Design bieten diese Karten neben den<br />

Leistungen einer üblichen Debit- oder<br />

Sparkarte zahlreiche attraktive Fanaktionen<br />

und Bankprodukte zu Sonderkonditionen,<br />

wie beispielsweise Extra-<br />

Zinsen für Heimspielpunkte. Hinzu<br />

kommt die hohe Identifikation mit dem<br />

Verein als emotionaler Mehrwert.<br />

Fan-Banking. Fotos: DG VERLAG<br />

auf Volks- und Raiffeisenbanken sind die<br />

Genossenschaftsbanken mehr denn je für<br />

Regionen unverzichtbar. Genossenschaften<br />

in Geld wie in Ware sind auch für die<br />

unternehmerische Selbstständigkeit und<br />

damit für das entscheidende Rückgrat der<br />

Marktwirtschaft in Deutschland unverzichtbar.<br />

Betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich<br />

ist damit die Antwort auf die provokative<br />

Eingangsfrage eindeutig: Die genossenschaftliche<br />

Vermögensverfassung war<br />

kein historischer Irrtum. Die genossenschaftliche<br />

Vermögensverfassung war und<br />

ist vielmehr geprägt durch die Stärke ihrer<br />

einfachen Grundprinzipien und letztlich<br />

eine zeitlose Antwort auf die sozialen Fragen<br />

ganz verschiedener Epochen.<br />

Die Globalisierung bringt es mit sich, dass<br />

der „Kampf der Systeme“ an Härte zuneh-<br />

Zertifizierte Sicherheit. Foto: FIDUCIA<br />

FIDUCIA<br />

Geldabheben noch sicherer<br />

Die FIDUCIA hat als erstes Unternehmen<br />

im genossenschaftlichen Finanz-<br />

Verbund den EMV-(Euopay, MasterCard<br />

und VISA) Sicherheitsstandard umgesetzt<br />

und vollständig zertifiziert. Transaktionen<br />

am Geldautomaten werden<br />

künftig über einen EMV-Chip abgewickelt.<br />

Mit diesem Chip ist erstmals eine<br />

Kartenechtheits-Prüfung für Kreditkarten<br />

und Debitkarten beim Einsatz im Inund<br />

Ausland möglich. Damit wird beispielsweise<br />

verhindert, dass Betrüger<br />

mit gefälschten Karten Geld abheben<br />

können. Für die VR-Banken im Geschäftsgebiet<br />

der FIDUCIA erhöht sich<br />

damit die Sicherheit. Zusätzlich erhalten<br />

Banken die Möglichkeit, für internationale<br />

Maestro- sowie für MasterCardund<br />

VISA-Abhebungen an ihren Geldautomaten<br />

ein höheres Entgelt zu erzielen.<br />

Bis Ende Januar stattet FIDUCIA<br />

über 10 000 Geldautomaten „ihrer“ rund<br />

850 Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />

mit einer neuen Software-Version aus,<br />

die die EMV-Anwendung beinhaltet.<br />

men wird. Dabei droht die Aushöhlung von<br />

Wirtschaft und Gesellschaft durch zunehmende<br />

Anonymisierung und Ökonomisierung.<br />

Unternehmerische Selbstständigkeit<br />

ist aber nicht nur eine Frage nach der Gewinnmaximierung,<br />

sondern eine individuelle<br />

Entscheidung für eigenverantwortliche<br />

wirtschaftliche Tätigkeit, und getragen<br />

von der Verantwortung für Menschen.<br />

Unternehmerische Selbstständigkeit verlangte<br />

und verlangt zu jeder Zeit Kooperation<br />

und damit auch das Wirken einer genossenschaftlichenVermögensverfassung.<br />

(...)<br />

Die sogenannte neue soziale Frage dieser<br />

Tage ist in Wirklichkeit so neu überhaupt<br />

nicht. Zur Beantwortung gehören natürlich<br />

nicht nur Genossenschaften, aber sehr<br />

wohl auch Genossenschaften. Daneben<br />

werden Vereine, Stiftungen, Bürgerenga-<br />

2/2007<br />

Union Investment<br />

Riester-Boom<br />

Die Riester Rente hat sich als adäquates<br />

Mittel zur privaten Altersvorsorge<br />

etabliert. Das belegen die Absatzzahlen<br />

aus dem vergangenen<br />

Jahr. So wurden bei Union Investment<br />

589 000 neue Riester-Verträge abgeschlossen.<br />

Das entspricht einer Steigerung<br />

der Neuabschlüsse von 142<br />

Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der<br />

Bestand der UniProfiRente, dem<br />

fondsbasierten Riester-Produkt von<br />

Union Investment, stieg auf rund 1,06<br />

Millionen Verträge an. „Mit diesem Erfolg<br />

haben wir unsere marktführende<br />

Stellung beim fondsgebundenen<br />

Riester-Sparen ausgebaut und die<br />

meisten Versicherer hinter uns gelassen.<br />

Daran zeigt sich der Trend zu<br />

Fondsprodukten in der Altersvorsorge“,<br />

so Vorstandsmitglied Joachim<br />

Reinke. Das Volumen bei der UniProfi-<br />

Rente stieg seit Ende 2005 um über<br />

140 Prozent auf rund 830 Millionen<br />

Euro. Eine weitere gute Nachricht:<br />

Seit 2. Januar können bei Union Investment<br />

Privatkunden in die Anlageklasse<br />

Reits und Immobilienaktien investieren.<br />

Mit den Fonds partizipieren<br />

Anleger an Unternehmen, die Immobilien<br />

entwickeln, vermieten und damit<br />

handeln.<br />

Info: Tel. (0 18 03) 95 95 01<br />

gements in vielfältiger Form notwendig<br />

sein, um aus der neuen sozialen Frage<br />

nicht eine Renaissance von Systemen zu<br />

provozieren, die eigentlich geschichtlich<br />

längst widerlegt sind (Sozialismus, Verstaatlichung,<br />

etc.). Antwort auf neue soziale<br />

Fragen in unserer Zeit muss vor allen<br />

Dingen Bildung sein. Bildung ermöglicht<br />

den Menschen, ihr Schicksal in die eigene<br />

Hand zu nehmen und Eigenverantwortung<br />

zu übernehmen.<br />

Wer Eigenverantwortung leben kann, der<br />

wird das Prinzip auch bei wirtschaftlichen<br />

Fragen zur Rate ziehen. Und in diesem<br />

Kontext hat die genossenschaftliche Vermögensverfassung<br />

eine hervorragende<br />

Zukunftsprognose. – Schulze-Delitzsch hat<br />

sich nicht geirrt, genau so wenig wie Raiffeisen.<br />

Die genossenschaftliche Vermögensverfassung<br />

ist aktueller denn je. ■

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