Stellungnahme DJV Wald & Wild - Newsroom.de
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<strong>Stellungnahme</strong> <strong>de</strong>s Deutschen Jagdschutz-Verban<strong>de</strong>s<br />
zum Gutachten<br />
„Der <strong>Wald</strong>-<strong>Wild</strong>-Konflikt<br />
Analysen und Lösungsansätze vor <strong>de</strong>m Hintergrund rechtlicher,<br />
ökologischer und ökonomischer Zusammenhänge"<br />
Christian Ammer, Thorsten Vor, Thomas Knocke und Stefan Wagner<br />
im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>samtes für Naturschutz (BfN), <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße <strong>Wald</strong>bewirtschaftung<br />
(ANW), <strong>de</strong>m Deutschen Forstwirtschaftsrat (DFWR) und <strong>de</strong>r Hatzfeldt-<br />
<strong>Wild</strong>enburg´schen Verwaltung<br />
Die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße <strong>Wald</strong>wirtschaft (ANW), das Bun<strong>de</strong>samt für Naturschutz<br />
(BfN) und <strong>de</strong>r Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) hatten das Gutachten „Der<br />
<strong>Wald</strong>-<strong>Wild</strong>-Konflikt“ bei <strong>de</strong>r Universität Göttingen und <strong>de</strong>r Technischen Universität München<br />
in Auftrag gegeben und in einem Pressegespräch am 5. Mai 2010 in Berlin vorgestellt.<br />
Die Studie sollte „eine sachliche Analyse <strong>de</strong>r Verbisssituation in <strong>de</strong>utschen Wäl<strong>de</strong>rn<br />
liefern und damit die Grundlage für einen konsequenten Weg zur Lösung <strong>de</strong>s <strong>Wald</strong>-<strong>Wild</strong>-<br />
Konflikts bil<strong>de</strong>n“.<br />
Das Ziel <strong>de</strong>s Gutachtens, nämlich zu einer Versachlichung <strong>de</strong>r Diskussion beizutragen,<br />
wird nicht erreicht. Im Gegenteil: das Gutachten trägt eher zu einer Emotionalisierung <strong>de</strong>r<br />
Thematik bei. Das Gutachten verpasst durch absolut oberflächliche Analysen <strong>de</strong>r historischen<br />
Zusammenhänge, <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsursachen und wildbiologischen Zusammenhänge<br />
einen Beitrag zur Lösung bestehen<strong>de</strong>r Problemfel<strong>de</strong>r zu leisten. Der Leser erhält keine<br />
neuen Erkenntnisse. Selbst zahlreiche bereits publizierte und diskutierte sowie wissenschaftlich<br />
anerkannte Lösungsansätze bleiben unerwähnt und unkommentiert. Auffallend<br />
ist, dass alle integrativen Ansätze, die die Aspekte <strong>de</strong>r Lebensweise <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>arten und<br />
<strong>de</strong>r Differenzierung <strong>de</strong>r Lebensräume sowie die jeweiligen lokalen und regional unterschiedlichen<br />
anthropogenen Zielsetzungen betreffen, völlig fehlen. Selbst die einfach zu<br />
= 1
echerchieren<strong>de</strong>n Fakten im Bereich <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsbewertung und rechtlichen Zusammenhänge<br />
sind schwach analysiert und führen zu holzschnittartigen, monokausalen Folgerungen.<br />
Das Gutachten ist in so weit kaum geeignet, auf hoher politischer Ebene als<br />
auch fachlicher Ebene eine echte Diskussionsgrundlage zu bieten.<br />
Das Gutachten bleibt in weiten Teilen unsachlich und ohne entsprechen<strong>de</strong> Quellenbezüge,<br />
was <strong>de</strong>r <strong>DJV</strong> so nicht akzeptiert. Im gesamten Gutachten wer<strong>de</strong>n ausschließlich zu<br />
hohe <strong>Wild</strong>dichten für Verbiss- und Schälschä<strong>de</strong>n verantwortlich gemacht.<br />
Unerwähnt bleiben eine Vielzahl weiterer Ursachen für Schä<strong>de</strong>n, wie sie im <strong>Wald</strong>bericht<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung 2009, Seite 20, aufgeführt wer<strong>de</strong>n: „Die Ursachen für Schä<strong>de</strong>n<br />
durch Verbiss und Schälen sind vielfältig: Beeinträchtigung <strong>de</strong>r natürlichen Aktivitätsmuster<br />
<strong>de</strong>s <strong>Wild</strong>es durch Lebensraumzerschneidung, Beunruhigung durch <strong>Wald</strong>besucher,<br />
schneereiche Winter, das jahreszeitlich stark wechseln<strong>de</strong> Äsungsangebot in <strong>de</strong>r Agrarlandschaft,<br />
sowie örtlich zu hohe <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong>. Ein nachhaltiges Management <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong><br />
durch die Jagd ist – auch angesichts <strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rten Landschaften und weitgehend<br />
fehlen<strong>de</strong>n größeren Raubtieren – erfor<strong>de</strong>rlich, um artenreiche und leistungsfähige<br />
Wäl<strong>de</strong>r zu erhalten bzw. zu entwickeln. Ferner sind Lebensraumverbessern<strong>de</strong> Maßnahmen,<br />
wie Strukturierung <strong>de</strong>r <strong>Wald</strong>bestän<strong>de</strong> (Mischwäl<strong>de</strong>r), <strong>Wild</strong>ruhezonen und Besucherlenkung<br />
geeignete Möglichkeiten, um eine „Harmonie von <strong>Wald</strong> und <strong>Wild</strong>“ zu erreichen."<br />
Grundsätzlich erkennt <strong>de</strong>r Deutsche Jagdschutzverband an, dass es lokal und regional<br />
aus komplexen Wirkungszusammenhängen begrün<strong>de</strong>te, überhöhte Schalenwildbestän<strong>de</strong><br />
gibt, die die ökologische und ökonomische Leistungsfähigkeit von Lebensräumen schmälern.<br />
Überhöhte Schalenwildbestän<strong>de</strong> können im Einzelfall die Vielfalt <strong>de</strong>r Wirkungen und<br />
die Entfaltung von Leistungen in Lebensräumen für Natur und Mensch beeinträchtigen.<br />
Hier ist es Aufgabe von richtig verstan<strong>de</strong>ner <strong>Wild</strong>hege und Jagdausübung, diesen Lebensräumen<br />
und ihrer Leistungsfähigkeit angepasste <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong> herzustellen. Mit diesem<br />
Lebensraumbezug und <strong>de</strong>n erfor<strong>de</strong>rlichen differenzierten Schlussfolgerungen je<br />
<strong>Wild</strong>art beschäftigt sich das vorliegen<strong>de</strong> Gutachten zum „<strong>Wald</strong>-<strong>Wild</strong>-Konflikt“ nicht.<br />
= 2
Oberflächlich und verkürzt thematisiert das vorliegen<strong>de</strong> Gutachten <strong>de</strong>n „<strong>Wald</strong>-<br />
<strong>Wild</strong>-Konflikt“ ausschließlich vor <strong>de</strong>m Hintergrund ökonomischer und in menschlichen<br />
Ansprüchen zu suchen<strong>de</strong>n Interessenlagen.<br />
Beispiel: Die Bewertung <strong>de</strong>r tolerierbaren Rotwilddichte eines Forstbetriebes mit <strong>de</strong>m Ziel<br />
einer Gewinnmaximierung aus Na<strong>de</strong>lholz-Reinbestän<strong>de</strong>n auf armen Standorten ist völlig<br />
an<strong>de</strong>rs, wie die eines Forstbetriebes auf einem Truppenübungsplatz o<strong>de</strong>r die Bewertung<br />
aus einem Betrieb mit bereits umgebauten Baumarten in strukturreichem Mischwald auf<br />
reichen Standorten mit Artenvielfalt innerhalb wie außerhalb <strong>de</strong>s <strong>Wald</strong>es. Das „Zuviel<br />
<strong>Wild</strong>-Gefühl“ hängt also extrem vom jeweiligen Betriebsziel, <strong>de</strong>n Standorten, <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>struktur<br />
und <strong>de</strong>r jeweiligen persönlichen „Scha<strong>de</strong>nstoleranz“ <strong>de</strong>s <strong>Wald</strong>besitzen<strong>de</strong>n – sei<br />
er Privatmann, kommunale Gebietskörperschaft o<strong>de</strong>r staatlicher Forstverwalter – ab. So<br />
ist es nicht selten, dass auch bei objektiv völlig gleicher Ausgangssituation hinsichtlich<br />
<strong>Wald</strong>zustand und <strong>Wild</strong>bestand die <strong>Wald</strong>besitzen<strong>de</strong>n selbst völlig abweichen<strong>de</strong> Toleranzaussagen<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong> und ihrer Bejagungsnotwendigkeit treffen. Bei<strong>de</strong><br />
für mögliche Lösungsansätze im Konfliktfeld „<strong>Wald</strong> und <strong>Wild</strong>“ entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Aspekte<br />
<strong>de</strong>r natürlichen Lebensraumkapazität und Raumnutzung sowie <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nstoleranz <strong>de</strong>r<br />
<strong>Wald</strong>besitzen<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n im Gutachten keine ausreichen<strong>de</strong> Würdigung. Deshalb sind<br />
auch die Lösungsansätze für die eine notwendigerweise integrative Problemlösungsstrategie<br />
vor Ort ungeeignet und bedienen ausschließlich jagdpolitisches Lager<strong>de</strong>nken.<br />
Genau dieser Ansatzpunkt wird vom Gutachten vollkommen negiert und einzig und allein<br />
auf die Reduzierung <strong>de</strong>r Dichte wie<strong>de</strong>rkäuen<strong>de</strong>r Schalenwildarten abgehoben. Eine Reduktion<br />
<strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Jäger und <strong>de</strong>r Jagd mit Schwerpunkt auf die Stellung als<br />
Dienstleister und Schädlingsbekämpfer für <strong>de</strong>n Forst, wie im Gutachten <strong>de</strong>s Öfteren dargestellt,<br />
wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>m Selbstverständnis <strong>de</strong>r Jägerschaft und <strong>de</strong>r Jagdgesetzgebung.<br />
Unzweifelhaft ist, dass die Jagd <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong> regulieren kann, was Einfluss auf<br />
die Höhe <strong>de</strong>s Verbisses nimmt. Vollständig vermei<strong>de</strong>n lässt sich Verbiss nicht, wobei<br />
heute bereits anerkannt ist, dass nicht je<strong>de</strong>r Verbiss einen Scha<strong>de</strong>n darstellt.<br />
= 3
Auch vollkommen unerwähnt bleibt in <strong>de</strong>m Gutachten die intensive forstliche Nutzung<br />
als Gefährdungsfaktor Nummer eins für die Biodiversität <strong>de</strong>r Wäl<strong>de</strong>r. Der <strong>DJV</strong><br />
nimmt mit Verwun<strong>de</strong>rung zur Kenntnis, dass das Bun<strong>de</strong>samt für Naturschutz, selbst Auftraggeber<br />
<strong>de</strong>s Gutachtens, fast zeitgleich in <strong>de</strong>r eigenen Schriftenreihe Natur und Landschaft<br />
(Heft 5/2010, S. 184) feststellt: „In <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn ist nach wie vor die forstliche (Intensiv-)<br />
Nutzung <strong>de</strong>r mit Abstand be<strong>de</strong>utendste Gefährdungsfaktor. Bis auf wenige Flächen<br />
in <strong>de</strong>n Kernzonen <strong>de</strong>r Nationalparks und einigen, zumeist sehr kleinen Totalreservaten,<br />
führt die flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> forstliche Nutzung zu Altersklassenwäl<strong>de</strong>rn, die in <strong>de</strong>r<br />
natürlichen Dynamik und die für natürliche Wäl<strong>de</strong>r typischen hohen Altholz und Totholzanteile<br />
und Qualitäten fehlen. Dies hat eine niedrigere Diversität etwa bei Pilzen und Käfern<br />
zur Folge, die von diesen Ressourcen abhängig sind.“<br />
Interessant ist dabei, dass die Autoren dieser Ausarbeitung Mitarbeiter <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>samtes<br />
für Naturschutz sind und <strong>de</strong>r Abbildung 1 die Gefährdungsfaktoren nach ihrer Wertigkeit<br />
aufgeführt sind. Alleine die Auflistung zeigt, dass die oben aufgeführten Kritikpunkte <strong>de</strong>s<br />
<strong>DJV</strong> und alle an<strong>de</strong>ren Faktoren bei <strong>de</strong>r Diskussion um Verbissschä<strong>de</strong>n im <strong>Wald</strong> und dadurch<br />
entstehen<strong>de</strong> Gefährdung und Entmischung <strong>de</strong>r Wäl<strong>de</strong>r völlig außer Acht gelassen<br />
wor<strong>de</strong>n sind. Dazu zählen die forstliche Nutzung, die Schadstoffbelastung, die direkte<br />
Vernichtung, die Eutrophierung, die Wasserentnahme, Sport- und Freizeitverhalten, Tourismus<br />
und an<strong>de</strong>re Faktoren.<br />
= 4
Gefährdungsfaktoren bei <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn und Gebüschen (Typen 41.-44.) Quelle: Zeitschrift natur +<br />
landschaft, Heft 5/2010, S. 184, Abbildung 5).<br />
<strong>Wild</strong>schä<strong>de</strong>n und jagdliche Einflüsse wer<strong>de</strong>n erst an 14. Stelle als Gefährdungsfaktoren<br />
genannt, mit einem Einfluss um etwa 15 %. Dies zeigt, dass auch seitens <strong>de</strong>s BfN eine<br />
differenzierte Betrachtung <strong>de</strong>r komplexen Zusammenhänge nicht vorgenommen wird. In<br />
diesem Beitrag wird die „intensive forstliche Nutzung“ angeprangert, im Gutachten einseitig<br />
die „zu hohen Schalenwildbestän<strong>de</strong>“.<br />
Bei allen Diskussionen ist zu berücksichtigen, dass durch die menschliche Bewirtschaftung<br />
mit ihren ökonomisch und i<strong>de</strong>ologisch geprägten Zielstellungen tatsächlich die<br />
natürlichen Lebensgrundlagen und Lebensräume <strong>de</strong>s <strong>Wild</strong>es immer weiter eingeschränkt<br />
und beeinflusst wer<strong>de</strong>n. Regional be<strong>de</strong>utsame, nicht zielkonforme Schalenwildbestän<strong>de</strong><br />
bedürfen daher zunächst einer genauen Analyse <strong>de</strong>r Ursachen und einer<br />
= 5
ganzheitlichen Betrachtung <strong>de</strong>s Lebensraumes. Gleiches gilt für durch das <strong>Wild</strong> verursachte<br />
Schä<strong>de</strong>n durch Schälen und Verbiss.<br />
Die jagdwissenschaftliche Forschung hat in einer Vielzahl von Untersuchungen nachweisen<br />
können, dass diese <strong>Wild</strong>schä<strong>de</strong>n nicht in je<strong>de</strong>m Fall Folge überhöhter Schalenwildbestän<strong>de</strong><br />
sind, son<strong>de</strong>rn häufig auch menschliche Einflüsse mitverantwortlich sind.<br />
Kapitel 1: Anlass <strong>de</strong>s Berichts und Aufgabenstellung<br />
Schon im einleiten<strong>de</strong>n ersten Kapitel <strong>de</strong>s Gutachtens wer<strong>de</strong>n Behauptungen und Thesen<br />
aufgestellt, die nicht durch Quellen belegt wer<strong>de</strong>n. Zitat S. 4: „Allerdings zeigen einschlägige<br />
Inventuren noch immer auf großen Flächen vergleichsweise hohe, durch Schalenwild<br />
verursachte <strong>Wald</strong>schä<strong>de</strong>n, die insbeson<strong>de</strong>re im Hinblick auf die forstliche Produktion<br />
die Biodiversität, <strong>de</strong>n <strong>Wald</strong>umbau im Zuge <strong>de</strong>s Klimawan<strong>de</strong>ls sowie die Schutzfunktion<br />
von Wäl<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>ren CO2-Speichervermögen beson<strong>de</strong>rs gravierend sind."<br />
Die Autoren belegen die o.a. These im Verlauf <strong>de</strong>s Gutachtens allerdings nicht weiter:<br />
eine Präzisierung <strong>de</strong>r „großen Flächen“ mit <strong>Wild</strong>schä<strong>de</strong>n wird nicht vorgenommen.<br />
die forstlichen Produktionseinbußen auf großer Fläche wer<strong>de</strong>n nicht quantifiziert.<br />
<strong>de</strong>r Biodiversitätsverlust wird nicht beschrieben und nicht quantifiziert. Die<br />
Vermischung aus potenzieller natürlicher Vegetation, die im Buchenwald<br />
mit relativ geringer Biodiversität einhergeht und die forstlich gewünschte Diversität<br />
an Nutzholzarten im <strong>Wald</strong>, um wirtschaftlich flexibel zu bleiben,<br />
wer<strong>de</strong>n auf einen Level gestellt. Diese forstwirtschaftlichen Ziele als „ökologisch“<br />
zu verschleiern ist unzulässig, wird jedoch im gesamten Gutachten<br />
vorgenommen.<br />
= 6
Es wir nicht quantifiziert, in welcher Weise die CO2 – Speicherung in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren im <strong>Wald</strong> abgenommen hat und auf welchen Flächen. Es wird<br />
unterschlagen, dass die Biomasseproduktion in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten um<br />
ca. 30 % und <strong>de</strong>mnach auch die CO2 Speicherung erheblich zugenommen<br />
hat. Es scheint, dass die Autoren lediglich auf <strong>de</strong>n „Zug“ <strong>de</strong>r Klimaerwärmung<br />
aufgesprungen sind, um die Öffentlichkeitswirkung zu steigern. Beweise<br />
für diese Behauptungen o<strong>de</strong>r Hypothesen fehlen ebenso wie entsprechen<strong>de</strong><br />
Versuchsanordnungen, die dies darstellen könnten.<br />
In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist die Anmerkung in <strong>de</strong>r Fußnote 1 im Gutachten<br />
auf Seite 4: „Da zwischen Terminaltriebverbiss und <strong>de</strong>m Gesamtverbiss ein sehr<br />
enger Zusammenhang besteht (König u. Baummann 1990), wird im folgen<strong>de</strong>n nicht weiter<br />
zwischen Terminaltrieb- und Seitentriebverbiss unterschie<strong>de</strong>n."<br />
Ein Umstand, <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r in die Diskussion gerät, da in <strong>de</strong>n forstlichen Gutachten<br />
nur <strong>de</strong>r IST-Zustand aufgenommen wird und nicht die tatsächlichen Auswirkungen auf<br />
<strong>de</strong>n Baumbestand. Festgehalten wer<strong>de</strong>n müsste, wie viele Bäume tatsächlich <strong>de</strong>m Äser<br />
entwachsen. Entschei<strong>de</strong>nd müsste die Kenngröße <strong>de</strong>s waldbaulichen Betriebszieles<br />
sein. Bezogen auf Schälschä<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n ersten Durchforstungen die geschädigten<br />
Bäume entnommen. Sie hätten im Rahmen <strong>de</strong>r Bestan<strong>de</strong>spflege sowieso entnommen<br />
wer<strong>de</strong>n müssen. (Ausgenommen sind natürlich Schä<strong>de</strong>n, die über ein verträgliches<br />
Maß hinausgehen).<br />
Kapitel 2: Geschichte und öffentliche Wahrnehmung <strong>de</strong>s <strong>Wald</strong>-<strong>Wild</strong>-Konflikts<br />
Die geschichtlichen Darstellungen sind unseriös wie die Quellen und basieren zumeist<br />
auf einseitigen Vermutungen. Zitat in: „Das wichtigste in Kürze“ auf S. 5 <strong>de</strong>s Gutachtens:<br />
„Heute sind die Schalenwilddichten so hoch wie nie zuvor und vor allem Forstleute, Naturschutzverbän<strong>de</strong><br />
und <strong>Wald</strong>besitzer rufen zu einer Reduktion überhöhter Bestän<strong>de</strong> auf,<br />
um <strong>de</strong>n aus verschie<strong>de</strong>nen Grün<strong>de</strong>n angestrebten <strong>Wald</strong>umbau voran zu bringen."<br />
= 7
Für diese These fehlt je<strong>de</strong>r fachliche Beleg. Nicht belegbar ist die Aussage, dass heute<br />
die höchste jemals vorhan<strong>de</strong>ne Schalenwilddichte herrscht. In Anbetracht von Streckenberichten<br />
von Andresen und Jessen (Andresen, Ludwig (1928): Beitrag zur Geschichte<br />
<strong>de</strong>r Gottorfer Hof- und Staatsverwaltung 1544 – 1659, Kiel und Jessen, Hans (1958):<br />
Jagdgeschichte Schleswig-Holsteins. Möller Söhne, Rendsburg 1958), ist eine wesentlich<br />
höhere Schalenwilddichte in diesen Zeiten zu vermuten. Auch han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>n<br />
Angaben zu <strong>de</strong>n Schalenwilddichten nach 1848 und zwischen 1933 und 1945 um reine<br />
Spekulation.<br />
Bei <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r waldgeschichtlichen Zusammenhänge fehlt völlig, dass sich <strong>de</strong>r<br />
<strong>Wald</strong> heute offenbar – trotz <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten unzweifelhaft gestiegenen<br />
Schalenwildbestän<strong>de</strong> – <strong>de</strong>nnoch bun<strong>de</strong>sweit im Bestand <strong>de</strong>utlich vermehrt hat und sich<br />
vor allem die Vielfalt in einer nie da gewesenen Dynamik hin zu laubholzreichen Mischwäl<strong>de</strong>rn<br />
entwickelt.<br />
Auch die pauschale Verurteilung, dass Jäger Großraubtiere nur als Konkurrenten betrachten<br />
wür<strong>de</strong>n und sie bekämpfen wollen (vgl. S. 17 <strong>de</strong>s Gutachtens), wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>r<br />
klaren Position <strong>de</strong>s <strong>DJV</strong> (vgl. Anlage 1 Positionspapier zur Rückkehr von Großsäugern).<br />
Ebenfalls nicht belegt ist die Behauptung, dass „nur ein Bruchteil (ca. 1%) <strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>igentümer<br />
die Jagd auf ihren Flächen selbst ausüben (…)“ (vgl. Gutachten S. 5). <strong>DJV</strong> und<br />
BAGJE sind keine Zahlen zum tatsächlichen Anteil <strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>igentümer bekannt, die die<br />
Jagd selbst ausüben. Aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s <strong>DJV</strong> darf diese Aussage nicht an <strong>de</strong>r Zahl<br />
<strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>igentümer ausgerichtet sein, son<strong>de</strong>rn vielmehr an <strong>de</strong>r prozentual bejagten<br />
Fläche. Nach Schätzungen <strong>de</strong>s <strong>DJV</strong> bejagen Grun<strong>de</strong>igentümer ca. 20-30 % <strong>de</strong>r<br />
Fläche selbst.<br />
Auf <strong>de</strong>r Seite 9 <strong>de</strong>s Gutachtens wird <strong>de</strong>r holzgerechte, d. h. die Belange <strong>de</strong>s <strong>Wald</strong>es berücksichtigen<strong>de</strong><br />
Jäger, mit einem Zitat von H. W. Döbel dargestellt: „Der Jäger muss<br />
hirsch-, jagd-, holz- und forstgerecht, gottesfürchtig und fromm, treu und redlich gegen<br />
seinen Herren, vorsichtig, verständig, klug, wachsam und munter, unverdrossen, aufge-<br />
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weckt, entschlossen, unerschrocken und von guter Leibeskonstitution sein, Liebe zu <strong>de</strong>n<br />
Hun<strong>de</strong>n haben und ein gutes und reinliches Gewehr haben" (1746).<br />
Vergleicht man diese Ausführungen mit <strong>de</strong>m § 1 Abs. 2 Bun<strong>de</strong>sjagdgesetz, Zitat: „Die<br />
Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines <strong>de</strong>n landschaftlichen und lan<strong>de</strong>skulturellen Verhältnissen<br />
angepassten artenreichen und gesun<strong>de</strong>n <strong>Wild</strong>bestan<strong>de</strong>s, sowie die Pflege und<br />
Sicherung seiner Lebensgrundlagen; auf Grund an<strong>de</strong>rer Vorschriften bestehen<strong>de</strong> gleichartige<br />
Verpflichtungen bleiben unberührt. Die Hege muss so durchgeführt wer<strong>de</strong>n, dass<br />
Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen<br />
Nutzung, insbeson<strong>de</strong>re <strong>Wild</strong>schä<strong>de</strong>n, möglichst vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n“ und zieht <strong>de</strong>n § 1<br />
Abs. 3 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sjagdgesetzes hinzu: „Bei <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>r Jagd sind die allgemein<br />
anerkannten Grundsätze <strong>de</strong>utscher Weidgerechtigkeit zu beachten." entspricht dies <strong>de</strong>r<br />
aus Sicht <strong>de</strong>s <strong>DJV</strong> nach wie vor gültigen Auffassung und Interpretation <strong>de</strong>r Jägerschaft,<br />
<strong>de</strong>n Belangen von <strong>Wald</strong> und <strong>Wild</strong> gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Eklatant ist dabei auch, dass auf<br />
S. 25 <strong>de</strong>s Gutachtens <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>s § 1, Abs. 2 Bun<strong>de</strong>sjagdgesetz falsch wie<strong>de</strong>r gegeben<br />
wird: „Die Hege wie<strong>de</strong>rum ist so durchzuführen, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen<br />
land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.“<br />
Das Wort „möglichst“ wird bewusst unterschlagen.<br />
Bezeichnend ist für das Gutachten auch das auf Seite 10 eingefügte Foto mit <strong>de</strong>r Bildunterschrift<br />
„Hohe <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong> können hohe Schä<strong>de</strong>n verursachen", ohne dabei <strong>de</strong>n<br />
räumlichen Zusammenhang für das Bildmaterial anzugeben. Vermutlich han<strong>de</strong>lt es sich<br />
hier um einen Truppenübungsplatz mit einer ausgewiesene <strong>Wild</strong>ruhezone.<br />
Wi<strong>de</strong>rsprüchlich ist auch die Formulierung auf <strong>de</strong>r Seite 12 <strong>de</strong>s Gutachtens: „Bis heute<br />
besitzen 99 % <strong>de</strong>r Privatwaldbesitzer kein eigenes Jagdausübungsrecht und haben daher<br />
kaum Einfluss auf die Entwicklung <strong>de</strong>r neuen <strong>Wald</strong>generation und <strong>de</strong>ren Zusammensetzung.<br />
Somit und auf Grund von indirekten För<strong>de</strong>rungen, z. B. in Form von Steuervergünstigungen<br />
von Sturm und Insektenkalamitätsholz, wur<strong>de</strong>n <strong>Wald</strong>bestän<strong>de</strong> in erster Linie<br />
wie<strong>de</strong>r mit Fichten und Kiefern begrün<strong>de</strong>t."<br />
= 9
Hier wer<strong>de</strong>n zu hohe Schalenwilddichten und <strong>de</strong>r geringe Einfluss <strong>de</strong>r Privatwaldbesitzer<br />
und die verfehlte Forst- und För<strong>de</strong>rpolitik unzulässig vermengt. Dass <strong>de</strong>r Privatwaldbesitzer<br />
keinerlei Einfluss auf die Abschlussplanung hat stimmt so nicht.<br />
Je<strong>de</strong>r <strong>Wald</strong>besitzer in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk ist auch Jagdgenosse<br />
und kann seine Vorstellungen innerhalb <strong>de</strong>r jährlichen Jagdgenossenschaftsversammlung<br />
einbringen. Schließlich muss <strong>de</strong>r Abschussplan im Envernehmen<br />
mit <strong>de</strong>m Jagdvorstand aufgestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. § 21, Abs. 2, Satz 3 Bun<strong>de</strong>sjagdgesetz).<br />
Die Interessenvertreter <strong>de</strong>r Jagd, <strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>igentümer, <strong>de</strong>s Forstes, <strong>de</strong>r Landwirtschaft,<br />
<strong>de</strong>s Natur- und Tierschutzes haben darüber hinaus in <strong>de</strong>n Jagdbeiräten je<strong>de</strong>rzeit<br />
die Möglichkeit sich vor <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Abschusspläne durch die Unteren Jagdbehören<br />
zu <strong>de</strong>n Planvorschlägen zu positionieren und darauf entsprechend Einfluss zu<br />
nehmen.<br />
Außer<strong>de</strong>m bestimmen allein die Grun<strong>de</strong>igentümer über die Ausübung <strong>de</strong>s Jagdrechtes.<br />
Da sie in weit überwiegen<strong>de</strong>m Falle von <strong>de</strong>r Verpachtungsmöglichkeit an die „bösen Trophäenjäger“<br />
Gebrauch machen, ist offensichtlich eine Grundzufrie<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>r Jagdpraxis<br />
gegeben. Die Grun<strong>de</strong>igentümer bestimmen nicht nur <strong>de</strong>n Jagdpachtvertrag, son<strong>de</strong>rn<br />
gestalten auch <strong>de</strong>n Abschussplan mit und erhalten vor allem <strong>Wild</strong>scha<strong>de</strong>nsersatz.<br />
Die Scha<strong>de</strong>nsregulierung ist integraler Bestandteil aller gesetzlichen Bestimmungen in<br />
Bund und Län<strong>de</strong>rn sowie zentraler Aspekt <strong>de</strong>r Konfliktminimierung vor Ort. Die seltenen<br />
Rechtsstreitigkeiten wegen <strong>Wald</strong>wildschä<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik lassen auf weitgehend<br />
einvernehmliche Lösungen bei <strong>Wald</strong>wildschä<strong>de</strong>n schließen.<br />
Die getroffene Aussage „Förster aus Gebieten mit frei leben<strong>de</strong>n Wölfen berichten, dass<br />
zwar die Jagd erschwert sei, sich die Naturverjüngung <strong>de</strong>r Bäume nun aber wie von<br />
Geisterhand wie<strong>de</strong>r einstellen wür<strong>de</strong>" (Gutachten S. 17) wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>r eigenen Aussage<br />
von Mitautor Prof. Ammer in <strong>de</strong>r AFZ 3/2009 Seite 148 Zitat: „Analog zur biologischen<br />
Bekämpfung von Schadinsekten durch Fraßfein<strong>de</strong> und Parasiten wür<strong>de</strong> die Reduktion<br />
von Schalenwildbestän<strong>de</strong>n durch Räuber die Strategie mit <strong>de</strong>m geringsten Input an Zeit<br />
und Geld darstellen. Diese Variante wird, so wünschenswert sie für die <strong>Wald</strong>verjüngung<br />
wäre, in einem dicht besie<strong>de</strong>lten Land wie <strong>de</strong>m unseren bis auf weiteres nur in <strong>de</strong>r Theo-<br />
= 10
ie möglich sein. Und selbst wenn überall Wölfe wie<strong>de</strong>r Einzug hielten, könnten sie die<br />
menschlichen Bemühungen um das Eindämmen von Schä<strong>de</strong>n durch Schalenwild lediglich<br />
unterstützen. So haben Untersuchungen in Italien gezeigt, dass sich Wölfe beim<br />
Vorhan<strong>de</strong>nsein zahlreicher Beutetiere vornehmlich auf Schwarzwild konzentrieren<br />
und Rehwild nur nebenbei konsumieren. Zu<strong>de</strong>m scheint es länger als erwartet zu<br />
dauern, bis sich Beute und Räuber aufeinan<strong>de</strong>r eingestellt haben." Diese Ausführungen<br />
von Prof. Ammer sind umso verwun<strong>de</strong>rlicher, wenn unter <strong>de</strong>n zusammengefassten Lösungsansätzen<br />
auf <strong>de</strong>r Seite 155 <strong>de</strong>s Gutachtens die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Akzeptanz von<br />
Großraubwild als Lösungsansatz für <strong>de</strong>n <strong>Wald</strong>-<strong>Wild</strong>-Konflikt postuliert wird.<br />
Fernab je<strong>de</strong>r seriösen wissenschaftlichen Vorgehensweise ist das Zitieren interner Gespräche<br />
mit einzelnen Jägern, um zu belegen, dass es bei <strong>de</strong>r Jagdausübung rein um die<br />
Jagdtrophäen gehe und Raubtiere und Beutegreifer mitunter aggressiv verfolgt wür<strong>de</strong>n<br />
(vgl. S. 19 <strong>de</strong>s Gutachtens).<br />
Auch die Unterteilung in „gute" und „böse" Jäger ist ein Affront gegen die organisierte Jägerschaft.<br />
Zitat: „Gleichwohl gibt es Ausnahmen und Jäger, die sich in Verbän<strong>de</strong>n organisiert<br />
haben, für die die Vermeidung von <strong>Wild</strong>schä<strong>de</strong>n im <strong>Wald</strong> eine zentrale Rechtfertigung<br />
ihrer zumeist auf eine Senkung <strong>de</strong>r Schalenwilddichte ausgerichteten jagdlichen<br />
Aktivitäten darstellt. Diese Gruppe, die zu<strong>de</strong>m eine Gleichbewertung aller Tierarten verlangt,<br />
stellt dabei eine absolute Min<strong>de</strong>rheit innerhalb <strong>de</strong>r organisierten Jägerschaft dar"<br />
(vgl. S. 19 <strong>de</strong>s Gutachtens).<br />
Es wird eine fehlen<strong>de</strong> Gleichbewertung <strong>de</strong>r Tierarten angeprangert, gleichzeitig<br />
aber eine Vorzugsstellung <strong>de</strong>s <strong>Wald</strong>es gegenüber <strong>de</strong>m <strong>Wild</strong> postuliert.<br />
Kapitel 3: Rechtliche Vorgaben und gesellschaftliche Ziele<br />
Es wird permanent ein Gegensatz konstruiert zwischen <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>r Jäger und<br />
<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r waldbesitzen<strong>de</strong>n Grundstückseigentümer: Dabei sollen die <strong>Wald</strong>besitzer die<br />
gesamtgesellschaftlichen Interessen vertreten, während die Jäger ausschließlich ihre ei-<br />
= 11
genen (und im Gegensatz zu <strong>de</strong>n gesamtgesellschaftlichen Interessen stehen<strong>de</strong>n) Interessen<br />
verfolgen.<br />
Das Gutachten kommt im rechtlichen Teil zu Ergebnissen, ohne <strong>de</strong>ren Begründung darzulegen.<br />
Es zieht aus Rechtsvorschriften Schlüsse, die von <strong>de</strong>n erkennbaren Zielen <strong>de</strong>s<br />
Gutachtens geprägt sind. Viele <strong>de</strong>r gezogenen Schlüsse stehen im Wi<strong>de</strong>rspruch zur<br />
Rechtsprechung und <strong>de</strong>r verbreiteten Auffassung von Experten. In<strong>de</strong>m das Gutachten<br />
hier nicht zeigt, welche an<strong>de</strong>ren Auslegungsmöglichkeiten es gibt und warum das getroffene<br />
Ergebnis richtig sein soll, missachten die Verfasser die Grundsätze eines ausgewogenen<br />
und wissenschaftlichen Gutachtens.<br />
Das Gutachten ist geprägt von Schlussfolgerungen, Auslegungen, Interpretationen und<br />
Wertungen, die erkennbar <strong>de</strong>n einseitigen Interessen <strong>de</strong>r Holzproduktion dienen. Die be<strong>de</strong>utendsten<br />
sind:<br />
Die gesetzlichen Regelungen <strong>de</strong>r Jagd (im weiteren Sinne), zu <strong>de</strong>nen das Gutachten<br />
nicht nur das eigentliche Jagdrecht zählt, son<strong>de</strong>rn auch die <strong>Wald</strong>- und Naturschutzgesetze,<br />
sollen nach <strong>de</strong>r Interpretation <strong>de</strong>r Autoren <strong>de</strong>n Grundsatz „<strong>Wald</strong><br />
vor <strong>Wild</strong>“ verbindlich festschreiben. Dies gelte sinngemäß in allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn,<br />
nicht nur dort, wo <strong>de</strong>r Grundsatz „<strong>Wald</strong> vor <strong>Wild</strong>“ ausdrücklich im Gesetz verankert<br />
ist. Der Bericht zieht als Beispiel für die Lan<strong>de</strong>swaldgesetze das bayerische<br />
<strong>Wald</strong>gesetz heran. Dort ist <strong>de</strong>r Grundsatz „<strong>Wald</strong> vor <strong>Wild</strong>“ ein<strong>de</strong>utig normiert.<br />
In an<strong>de</strong>ren Lan<strong>de</strong>swaldgesetzen ist das nicht <strong>de</strong>r Fall. Es ist ein schwerer<br />
Mangel <strong>de</strong>s Gutachtens (und zeigt <strong>de</strong>utlich die Zielsetzung), dass es als Beispiel<br />
für das Lan<strong>de</strong>srecht gera<strong>de</strong> die bayerischen <strong>Wald</strong>- und Jagdgesetze heranzieht,<br />
die <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong>de</strong>r Verfasser von allen entsprechen<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sgesetzen<br />
wohl am nächsten kommen.<br />
Hätten die Verfasser z.B. das nordrhein-westfälische Lan<strong>de</strong>sforstgesetz herangezogen,<br />
hätten sie zu einem an<strong>de</strong>ren Ergebnis kommen müssen.<br />
= 12
Der Grundsatz „<strong>Wald</strong> vor <strong>Wild</strong>“ wird als ein gesamtgesellschaftlich erwünschtes<br />
Ziel beschrieben, wohingegen die jagdrechtlichen Regelungen nur <strong>de</strong>n Zweck verfolgen<br />
wür<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Privatinteressen <strong>de</strong>r Jäger zu dienen – letztlich auf Kosten <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft.<br />
Die Verfasser ziehen aus <strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s BNatSchG <strong>de</strong>n Schluss, dass die<br />
Abschussplanung zwingend so zu gestalten ist, dass eine Verjüngung naturnaher<br />
Wäl<strong>de</strong>r ohne Einbußen durch <strong>Wild</strong>schä<strong>de</strong>n erfolgen kann. Dies ergibt<br />
sich aus <strong>de</strong>m BNatSchG jedoch keineswegs. Die Abschussplanung ist in <strong>de</strong>n<br />
Jagdgesetzen abschließend geregelt.<br />
Völlig unzulässig ist die Auslegung <strong>de</strong>s Umweltscha<strong>de</strong>nsgesetzes dahingehend,<br />
dass Verbissschä<strong>de</strong>n unter Umstän<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich dieses Gesetzes<br />
fallen können. Die Verfasser räumen zunächst ein, dass das Umweltscha<strong>de</strong>nsgesetz<br />
als Auffanggesetz nur dort gilt, wo keine spezielleren Regelungen gelten.<br />
Dann setzen sie sich über dieses Ergebnis jedoch hinweg und kon-<br />
struieren doch eine Ausstrahlung <strong>de</strong>s Umweltscha<strong>de</strong>nsgesetzes in an<strong>de</strong>re<br />
Bereiche.<br />
Die Verfasser übersehen konsequent, dass auch das Jagdrecht ein durch<br />
das Grundgesetz geschütztes Recht ist. Es ist untrennbar mit <strong>de</strong>m Eigentum<br />
verbun<strong>de</strong>n (§ 3 Abs. 1 BJG) und als Teil <strong>de</strong>s Eigentums ebenfalls von Art. 14<br />
GG geschützt. Die Wertung, die die Verfasser <strong>de</strong>s Gutachtens <strong>de</strong>m Gesetzgeber<br />
quasi in <strong>de</strong>n Mund legen, ist in dieser Form nicht zutreffend. Vielmehr überlässt<br />
das Grundgesetz <strong>de</strong>n Eigentümern – auch vermittelt über die Jagdgenossenschaft<br />
– die Entscheidung für eine Haupt- und Nebennutzung <strong>de</strong>s Grun<strong>de</strong>igentums. Die<br />
Aussage, dass die Jagd nur eine Nebennutzung <strong>de</strong>s Eigentums darstelle, die im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Sozialbindung von <strong>de</strong>n Jagdgenossen nur dann hingenommen wer<strong>de</strong>n<br />
müsse, wenn mit ihr Allgemeinwohlziele verfolgt wür<strong>de</strong>n, ist unrichtig. Allenfalls<br />
im Staats- und Körperschaftswald könnte man von <strong>de</strong>r Jagd als Nebennutzung<br />
sprechen, sofern das Lan<strong>de</strong>srecht dies so vorsieht.<br />
= 13
Das Gutachten übersieht, dass die Grun<strong>de</strong>igentümer ihre Interessen in <strong>de</strong>r<br />
Jagdgenossenschaft mit einbringen können und damit auch ihre grundrechtlich<br />
geschützte Position. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, hierbei nach <strong>de</strong>m Staat zu rufen,<br />
<strong>de</strong>r eingreifen sollte.<br />
Immerhin erkennt <strong>de</strong>r Bericht an, dass <strong>Wald</strong>- und Naturschutzgesichtspunkte ggf.<br />
zurückzustehen haben, wenn die Schutz- o<strong>de</strong>r Biodiversitätsaspekte als nachrangig<br />
anzusehen sind. An<strong>de</strong>rerseits betont <strong>de</strong>r Bericht an an<strong>de</strong>rer Stelle immer wie<strong>de</strong>r,<br />
wie wichtig grundsätzlich die so genannten <strong>Wald</strong>schutzaspekte seien und<br />
dass diese im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegen wür<strong>de</strong>n. Wie ernst es die<br />
Verfasser damit aber meinen, wird an an<strong>de</strong>rer Stelle <strong>de</strong>utlich, wo es um Lösungsansätze<br />
geht. Im Ergebnis for<strong>de</strong>rn die Verfasser <strong>de</strong>nnoch die einseitige Bevorzugung<br />
<strong>de</strong>r Interessen <strong>de</strong>r Forstwirtschaft. Die Verfasser negieren über weite Teile<br />
<strong>de</strong>s Gutachtens, <strong>de</strong>n ökologischen <strong>Wald</strong>begriff vom wirtschaftlichen Forstbegriff zu<br />
trennen, suggerieren jedoch eine Gleichsetzung. Zu<strong>de</strong>m wird dadurch <strong>de</strong>r Begriff<br />
<strong>de</strong>r Biodiversität mit <strong>de</strong>r Diversität an Baumarten gleichgesetzt, wobei letzteres jedoch<br />
ein rein durch wirtschaftliche Interessen dominierter Aspekt ist.<br />
Die von <strong>de</strong>n Verfassern vorgeschlagenen Lösungen bauen auf diesen interessengeleiteten<br />
Interpretationen auf. Immerhin wird zunächst nochmals klargestellt, dass staatliche<br />
Eingriffe in das Eigentum einer beson<strong>de</strong>ren Rechtfertigung durch das Allgemeininteresse<br />
bedürfen (etwa beim Schutzwald im Gebirge). Dann kommt <strong>de</strong>r Bericht aber zu <strong>de</strong>m Ergebnis,<br />
dass die Eigentümerinteressen eben durch die Anwendung <strong>de</strong>r Instrumente Abschussplanung<br />
und <strong>Wild</strong>scha<strong>de</strong>nsersatz geschützt wer<strong>de</strong>n müssen. Diese Instrumente<br />
dienen aber nicht nur einem einseitigen Schutz <strong>de</strong>s Grundstückseigentümers, son<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>m Ausgleich verschie<strong>de</strong>ner (grundgesetzlich geschützter) Interessen, darunter auch<br />
<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s Jagdausübungsberechtigten. Grundsätzlich dürfen diese Instrumente also<br />
nicht einseitig angewandt wer<strong>de</strong>n.<br />
Einen so weit gehen<strong>de</strong>n Vorrang <strong>de</strong>r <strong>Wald</strong>bewirtschaftung vor jagdlichen Interessen,<br />
wie ihn die Verfasser konstruieren, gibt es nicht. Nicht einmal aus <strong>de</strong>m bayrischen<br />
<strong>Wald</strong>gesetz kann man so allgemein diesen Schluss ziehen. Allenfalls für <strong>de</strong>n<br />
= 14
Staats- und Körperschaftswald kann sich dieser Grundsatz ergeben. Zwar ist ein gewisser<br />
Vorrang <strong>de</strong>r Ansprüche von Land- und Forstwirtschaft vor <strong>de</strong>n Belangen <strong>de</strong>s Naturschutzes<br />
und <strong>de</strong>r Landschaftspflege sowie <strong>de</strong>m Erhalt <strong>de</strong>s <strong>Wild</strong>bestan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>s<br />
Schutzes bedrohter Arten in <strong>de</strong>r Rechtsprechung anerkannt. Aber <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sgerichtshof<br />
hat auch ausdrücklich die Sozialbindung <strong>de</strong>s Eigentums betont und festgestellt, dass <strong>de</strong>r<br />
<strong>Wald</strong>besitzer einen gewissen Anteil <strong>de</strong>s <strong>Wild</strong>scha<strong>de</strong>ns im Rahmen <strong>de</strong>r Sozialbindung<br />
<strong>de</strong>s Eigentums selbst zu tragen hat. Schä<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m Umfang wie sie „mit einem zur Erreichung<br />
<strong>de</strong>s Hegeziels erfor<strong>de</strong>rlichen Schalenwildvorkommens verbun<strong>de</strong>n sind“ hat <strong>de</strong>r<br />
<strong>Wald</strong>eigentümer daher selbst zu tragen (vgl. BGH Urteil vom 22.05.1984, ähnlich auch<br />
BGH Urteil vom 05.05.1988).<br />
Die Verfasser for<strong>de</strong>rn neue Bewertungsmetho<strong>de</strong>n von <strong>Wald</strong>wildschä<strong>de</strong>n allein mit <strong>de</strong>m<br />
Ziel, Druck auf die Jagdausübungsberechtigten auszuüben. Sie for<strong>de</strong>rn daneben vor allem<br />
auch eine weiter gehen<strong>de</strong> Ausnutzung <strong>de</strong>r bislang schon vorhan<strong>de</strong>n gesetzlichen Instrumente.<br />
Immerhin erkennen die Verfasser an, dass <strong>de</strong>r Pachtvertrag umfassen<strong>de</strong> Möglichkeiten<br />
bietet, die verschie<strong>de</strong>nen Interessen zum Ausgleich zu bringen. Der Pachtvertrag ist<br />
besser geeignet, auch die ökonomischen Vorteile <strong>de</strong>r Jagd (<strong>de</strong>n Pachtzins) mit in<br />
die Interessenabwägung einzubeziehen. Die Grun<strong>de</strong>igentümer haben es als Jagdgenossen<br />
selbst in <strong>de</strong>r Hand, ihre Interessen im Pachtvertrag mit einzubringen.<br />
Aufschlussreich ist die auf S. 23 aufgeführte rechtliche Komponente <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Gemeinschaftsrechtes mit Bezug auf das Jagdwesen. Insbeson<strong>de</strong>re „(…) kann die FFH-<br />
Richtlinie gera<strong>de</strong> mit ihrem gebietsbezogenen Vorschriften (Sicherung und Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Schutzgebietssystems NATURA 2000) eine große Be<strong>de</strong>utung für diesen Themenkomplex<br />
entfalten." Augenfällig ist dabei <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen DFWR, <strong>de</strong>r ANW und<br />
<strong>de</strong>m BfN, da die FFH-Richtlinie – zumin<strong>de</strong>st nach Auffassung <strong>de</strong>s BfN – auch Einschränkungen<br />
in <strong>de</strong>r Bewirtschaftung und <strong>de</strong>r Nutzung vorsieht. Allerdings wur<strong>de</strong> vom EU-<br />
Umweltkommissar, Herrn Dimas, geäußert:: „(…) [NATURA 2000] ist ein sehr flexibles<br />
System und ich wür<strong>de</strong> gerne eines <strong>de</strong>r allgemeinen Missverständnisse über NATURA<br />
= 15
2000 korrigieren – und zwar, dass wenn ein Gebiet ausgewiesen ist, alle ökonomischen<br />
Aktivitäten einzustellen sind. Das NATURA-Netzwerk besteht aus leben<strong>de</strong>n Landschaften,<br />
in <strong>de</strong>nen Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft und Jagd fortgeführt wer<strong>de</strong>n können<br />
(…).“<br />
Als weitere Diskrepanz wird auf S. 23 ein Foto angefügt mit <strong>de</strong>r Unterschrift „Hohe Artenvielfalt<br />
auf Truppenübungsplätzen". Das wird an dieser Stelle als Positivum herausgestellt,<br />
wobei die hohe Biodiversität auf Truppenübungsplätzen insbeson<strong>de</strong>re erst durch<br />
massives menschliches Zutun entstan<strong>de</strong>n ist, ebenso wie durch die hohen Schalenwildbestän<strong>de</strong>,<br />
die auf Truppenübungsplätzen vorkommen. Zum Teil müssen heute diese Flächen<br />
meist durch an<strong>de</strong>re Beweidungsprogramme erhalten wer<strong>de</strong>n. Dies steht im völligen<br />
Wi<strong>de</strong>rspruch zu S. 10, auf <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Bildunterschrift „Hohe <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong> können hohe<br />
Schä<strong>de</strong>n verursachen" die selbe Situation negativ beurteilt wird. Ohne räumliche Zuordnungsmöglichkeit<br />
sind diese Fotos wenig aussagekräftig.<br />
Kapitel 4: Ökonomische und ökologische Auswirkungen von Schalenwildverbiss<br />
Auch hier wird unter <strong>de</strong>r Überschrift „das Wichtigste in Kürze“ nur einseitig auf die Schalenwilddichte<br />
abgehoben. Zitat S. 42: „Eine langfristig naturnahe Bewirtschaftung stabiler<br />
Wäl<strong>de</strong>r kann nur bei niedrigen Schalenwilddichten erreicht wer<strong>de</strong>n."<br />
Alle an<strong>de</strong>ren bereits genannten Faktoren wer<strong>de</strong>n außer Acht gelassen. Auffallend ist<br />
auch, dass bei <strong>de</strong>n ökonomischen Betrachtungen und „(...) trotz verhältnismäßig mo<strong>de</strong>rater<br />
Annahmen für Kulturausgaben und Zäune ergaben sich jährliche Verluste von bis zu<br />
60 € pro ha" (vgl. S. 43) die Einnahmen aus <strong>de</strong>r Jagdpacht komplett außen vor gelassen<br />
wur<strong>de</strong>n. Auch Möglichkeiten <strong>de</strong>s Einzelschutzes im Vergleich zur Komplettzäunung,<br />
um einer Entmischung <strong>de</strong>r Bestän<strong>de</strong> vorzubeugen, wer<strong>de</strong>n nicht einbezogen.<br />
= 16
Die Bestimmungsfaktoren zum <strong>Wild</strong>verbiss bestehen aus Sicht <strong>de</strong>r Gutachter nur aus<br />
<strong>de</strong>r Schalenwilddichte,<br />
<strong>de</strong>n <strong>Wild</strong>arten,<br />
<strong>de</strong>n Populationsstrukturen und Nahrungspräferenzen,<br />
<strong>de</strong>r Seltenheit <strong>de</strong>s Vorkommens von Baumarten,<br />
<strong>de</strong>r Pflanzenreaktion gegenüber Verbiss,<br />
<strong>de</strong>r <strong>Wald</strong>struktur bzw. <strong>de</strong>r waldbaulichen Behandlung (vgl. S. 43).<br />
Wie<strong>de</strong>rum kein Wort zu <strong>de</strong>n Beeinträchtigungen <strong>de</strong>r natürlichen Aktivitätsmuster <strong>de</strong>s <strong>Wild</strong>es<br />
durch Lebensraumzerschneidung, Beunruhigung durch <strong>Wald</strong>besucher, schneereiche<br />
Winter o<strong>de</strong>r das jahreszeitlich stark wechseln<strong>de</strong> Äsungsangebot in <strong>de</strong>r Agrarlandschaft.<br />
Kapitel 4.1.1: Schalenwilddichte<br />
Die Gutachter lassen verlauten: „Gleichwohl gibt es aus methodischen Grün<strong>de</strong>n wenige<br />
Untersuchungen, die <strong>de</strong>r Beziehung von Schadausmaß und <strong>Wild</strong>tierdichte experimentell<br />
nachgegangen sind und sie quantitativ belegt haben. Ein Beispiel hierfür stellt neben <strong>de</strong>r<br />
unter 4.2.1 vorgestellten Studie von Horsley et al. (2003) die Untersuchung von Trempley<br />
et al. (2007) dar" (vgl. S. 44).<br />
Analysiert wird die Verbisssituation an Hand <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>dichte von Weißwe<strong>de</strong>lhirschen. Die<br />
Tiere wur<strong>de</strong>n in unterschiedlicher Dichte in Zäunen von 20 bis 40 ha Größe eingesetzt<br />
und anschließend untersucht wie sich die unterschiedlichen Bestandsdichten auf eine<br />
Verjüngung mit einer verbissanfälligen Art auswirkten. „Die Untersuchung ist im Kontext<br />
<strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit <strong>de</strong>shalb interessant, weil das Äsungsverhalten <strong>de</strong>r Weißwe<strong>de</strong>lhirsche<br />
<strong>de</strong>m <strong>de</strong>s heimischen Rehwil<strong>de</strong>s ähnelt, da bei<strong>de</strong> Arten sehr nah verwandt und<br />
Konzentratselektierer sind“ (vgl. S. 44).<br />
Lei<strong>de</strong>r vergessen die Autoren anzugeben, mit welcher Weißwe<strong>de</strong>ldichte die Autoren um<br />
Horsley (2003) gearbeitet haben. Die Dichten in <strong>de</strong>n Testgattern waren 4, 8, 15 und 25<br />
Weißwe<strong>de</strong>l je 100 ha (vgl. Stephen B. Horsley, Susan L. Stout, David S. <strong>de</strong>Calesta<br />
= 17
(2003): WHITE-TAILED DEER IMPACT ON THE VEGETATION DYNAMICS OF A<br />
NORTHERN HARDWOOD FOREST. Ecological Applications: Vol. 13, No. 1, pp. 98-<br />
118). Bei <strong>de</strong>n Untersuchungsdichten wird ein negativer linearer Trend <strong>de</strong>r Wuchshöhen<br />
<strong>de</strong>r Pflanzen festgestellt, was nicht verwun<strong>de</strong>rlich erscheint. Auffällig dabei ist auch die<br />
Aussage, dass „ein negativer Einfluss <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>dichte auf das Höhenwachstum dagegen<br />
nicht festgestellt wer<strong>de</strong>n konnte" (vgl. S. 44).<br />
Kapitel 4.1.5: <strong>Wild</strong>arten, Populationsstrukturen und Nahrungspräferenzen<br />
Insbeson<strong>de</strong>re in diesem Kapitel fällt auf, dass zum einen zitierte Literatur nicht im Literaturverzeichnis<br />
aufgeführt ist und zum an<strong>de</strong>ren selbst Studienarbeiten <strong>de</strong>r Universität Göttingen<br />
als wissenschaftliche Grundlage hinzugezogen wur<strong>de</strong>n.<br />
Das Kapitel argumentiert mit Arbeiten, die die <strong>Wald</strong>bauform als Mitursache für Verbissschä<strong>de</strong>n<br />
anführen. Die Autoren führen dann nicht zitierte bzw. nicht zitierfähige<br />
(graue) Literatur und ihre Praxiserfahrung an, um die eigenen Thesen zu stützen.<br />
Dieses Vorgehen hält <strong>de</strong>r <strong>DJV</strong> für wissenschaftlich nicht zulässig. Z. B. LÜCK 2009,<br />
Zitat S.57 fehlt, Kolaschek 2009 Zitat S.57 fehlt, Anonymus 2009, 2010 nicht zitierfähige<br />
Literatur – Studienarbeiten Universität Göttingen S. 57.<br />
Kapitel 4.2: Auswirkungen auf Biodiversität und Produktivität von <strong>Wald</strong>ökosystemen<br />
Die Verfasser kommen im weiteren Verlauf zu <strong>de</strong>m Schluss, dass Schalenwildverbiss<br />
auch negative Auswirkungen auf verschie<strong>de</strong>ne Ökosystemkompartimente hat (vgl. Abbildung<br />
3, S. 62).<br />
Dem stehen Ausarbeitungen von Reck (2009) gegenüber, dass insbeson<strong>de</strong>re frei<br />
leben<strong>de</strong> Huftiere (Schalenwildarten) als Habitatbildner (Bioingenieure) und als Vektoren<br />
eine Schlüsselfunktion für die Sicherung <strong>de</strong>r biologischen Vielfalt haben.<br />
= 18
Die Pilotstudie <strong>de</strong>r Stiftung natur + mensch (Reck 2009) zeigt ein<strong>de</strong>utig, dass die Diskussion<br />
um <strong>Wild</strong> und Umwelt in Deutschland geprägt ist von althergebrachten Doktrinen,<br />
überkommenen Vorurteilen und einseitigen Analysen zum <strong>Wild</strong>scha<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r zur Jagd.<br />
Eine Neubewertung <strong>de</strong>s <strong>Wild</strong>tierwirkens o<strong>de</strong>r auch nur eine sachgerechte Diskussion<br />
adäquater <strong>Wild</strong>dichten und notwendiger <strong>Wild</strong>tiermobilität im Naturschutz sowie in <strong>de</strong>r<br />
Forst- und Verkehrsplanung ist <strong>de</strong>rzeit nicht absehbar. Es fehlen die entsprechen<strong>de</strong>n integrativen<br />
Untersuchungsansätze.<br />
Praktikable wissenschaftlich fundierte Managementkonzepte für <strong>Wild</strong> und <strong>Wald</strong>, die die<br />
biologische Vielfalt insgesamt betrachten gibt es folglich bis dato noch nicht. Daher unterstützt<br />
<strong>de</strong>r <strong>DJV</strong> die Fortführung <strong>de</strong>r Stiftungsinitiative, in <strong>de</strong>r sowohl die gesellschaftlichen,<br />
ökonomischen aber auch ökologischen Aspekte zum Themenkomplex<br />
<strong>Wald</strong> und <strong>Wild</strong> aufgearbeitet wer<strong>de</strong>n können.<br />
Gravierend erscheint <strong>de</strong>m <strong>DJV</strong>, dass die angemahnte Gleichbewertung <strong>de</strong>r Tierwelt und<br />
die im Gutachten <strong>de</strong>r Jägerschaft vorgeworfene Höherwertigkeit von Trophäenträgern die<br />
Verfasser anscheinend nicht davon abhält, die Pflanzenwelt höher zu bewerten als die<br />
Biodiversität <strong>de</strong>r Tierwelt. <strong>Wild</strong> hat einen Wert und nicht: <strong>Wild</strong> zerstört nur Werte.<br />
Auffällig ist in <strong>de</strong>r Tabelle II, S. 67 „Übersicht über ausgewählte quantitative Studien zu<br />
<strong>de</strong>n Auswirkungen von Schalenwildverbiss auf Gehölzpflanzen“, die Untersuchungen von<br />
Bergquist et al. (2009) in Schwe<strong>de</strong>n. Zu <strong>de</strong>n Ergebnissen zählt, dass kein Unterschied in<br />
<strong>de</strong>n Überlebensraten für Stieleiche, Hängebirke, Gemeiner Fichte und <strong>Wald</strong>kiefer innerhalb<br />
und außerhalb <strong>de</strong>r Zäune gegeben war.<br />
Es wird hier <strong>de</strong>utlich, dass die Mortalitätsrate nicht die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle für die Gutachter<br />
spielt, son<strong>de</strong>rn nur die Zuwachsraten bzw. die Geschwindigkeit <strong>de</strong>s Zuwachses<br />
für <strong>de</strong>n ökonomischen Betrachtungszeitraum von Relevanz ist. Nur ökonomische<br />
Gesichtspunkte sind für die Verfasser <strong>de</strong>s Gutachtens von Belang.<br />
Ganz <strong>de</strong>utlich wird die von vornherein festgelegte Zielsetzung <strong>de</strong>s Gutachtens an Hand<br />
<strong>de</strong>r Formulierungen auf <strong>de</strong>r S. 69: „Im Auftrag <strong>de</strong>r Stiftung natur + mensch wur<strong>de</strong> un-<br />
= 19
längst eine Pilotstudie zum Thema <strong>Wild</strong> und biologische Vielfalt angefertigt (2009). Diese<br />
kommt zum Schluss, dass eine Erhöhung <strong>de</strong>r Schalenwilddichte lokal eine Erhöhung <strong>de</strong>r<br />
Biodiversität verursachen kann. Diese Schlussfolgerung (tatsächlich sind durch beson<strong>de</strong>rs<br />
hohe Rotwilddichten offen gehaltene Truppenübungsplätze reich an seltenen Tierund<br />
Pflanzenarten s. auch 4.2.3) ist im Hinblick auf die <strong>Wald</strong>bewirtschaftung allerdings<br />
ohne Belang, <strong>de</strong>nn dort ist eine maximale Artendiversität nicht das Ziel. Selbst wenn <strong>de</strong>m<br />
so wäre, wür<strong>de</strong> im <strong>Wald</strong> das Interesse an Diversität <strong>de</strong>r typischen <strong>Wald</strong>arten gelten und<br />
nicht <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Tat großen Diversität naturferner Lebensräume, die langfristig nur durch<br />
andauern<strong>de</strong>n anthropogenen Einfluss erhalten wer<strong>de</strong>n kann (z. B. Magerrasen o<strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n).<br />
Im Klartext heißt das, dass Biodiversität nur dann berücksichtigt wird, wenn<br />
sie mit <strong>de</strong>m System <strong>de</strong>r Holzproduktion konform ist.<br />
Kapitel 4.5.6: Bewertung erhöhter Risiken durch Baumartenverlust<br />
Die ökonomischen Betrachtungen sind bemerkenswert, unterstellen aber wie<strong>de</strong>rum nur<br />
monokausal, dass eine Entmischung überwiegend <strong>de</strong>m <strong>Wild</strong>verbiss anzulasten sei. Die<br />
Stürme <strong>de</strong>r vergangenen 20 Jahre (beginnend mit Vivian und Wiebke 1990) haben zum<br />
großen Teil Bestän<strong>de</strong> zerstört, die durch forstlichen Willen – wenn auch aus unterschiedlichen<br />
Grün<strong>de</strong>n und aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Bestandsgründung verständlicher Motivation, zum<br />
Teil ohne Beachtung <strong>de</strong>r standörtlichen Voraussetzungen – und nicht jedoch durch <strong>Wild</strong>verbiss<br />
Monokulturen waren. Interessant ist dabei die Aussage, auf S. 94: „Allein die hier<br />
durchgeführte Betrachtung ergibt aber schon finanzielle Dimensionen, die durch etwaige<br />
jährliche Jagdpachtbeträge nicht annähernd kompensiert wer<strong>de</strong>n“. Wobei auf S. 93 festgelegt<br />
wird, dass eine jährliche Kompensation von rund 49 € pro ha für die Entmischung<br />
eines Bestan<strong>de</strong>s beispielsweise aus Fichte und Buche fällig wäre. Vergleicht man das mit<br />
<strong>de</strong>n üblichen Pachtzahlungen, kann nicht pauschal geurteilt wer<strong>de</strong>n, dass Jagdpachtbeträge<br />
und <strong>Wild</strong>scha<strong>de</strong>nspauschalen keine annähern<strong>de</strong> Kompensation wären.<br />
Auf S. 97 <strong>de</strong>s Gutachtens wird angeprangert, dass neben <strong>de</strong>n klimabedingt hervorgerufenen<br />
Kosten und <strong>de</strong>r aus überhöhten <strong>Wild</strong>bestän<strong>de</strong>n resultieren<strong>de</strong>n unattraktiven ökonomischen<br />
Situation <strong>de</strong>r Forstbetriebe auch noch zusätzliche Belastungen aus Bewirt-<br />
= 20
schaftungsrestriktionen (z. B. For<strong>de</strong>rung nach <strong>Wald</strong>reservaten, Totholz, sehr hohen Vorratshaltungen)<br />
verschärfend hinzukommen. Gleiches ließe sich für die Jagd darstellen,<br />
wo es in weiten Bereichen von Nationalparken und an<strong>de</strong>ren Schutzgebieten zu Restriktionen<br />
bezüglich <strong>de</strong>r Jagdausübung bis hin zum Komplettverbot kommt.<br />
Kapitel 5: Bun<strong>de</strong>swaldinventur<br />
Der bereits in Kapitel 1 aufgetauchte Wi<strong>de</strong>rspruch, die Verbissschä<strong>de</strong>n nicht nach Seitentrieb-<br />
und Terminaltriebverbiss zu unterschei<strong>de</strong>n, muss auch im Rahmen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swaldinventur<br />
kritisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Ziel führend für eine Versachlichung <strong>de</strong>r Diskussion wäre es auch gewesen, längerfristige<br />
Entwicklungen in <strong>de</strong>r Verbisssituation darzustellen, die keinesfalls nur Negativtrends aufweisen.<br />
Dies belegen beispielsweise Ergebnisse <strong>de</strong>s Forstlichen Gutachtens <strong>de</strong>r letzten<br />
24 Jahre für Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. „Dort hat sich seit 1986 <strong>de</strong>r Anteil von Revieren mit<br />
mittlerer o<strong>de</strong>r starker Verbissbelastung in Buchenverjüngungen fast halbiert und ist in<br />
Fichtenverjüngungen sogar auf 1/3 zurückgegangen. Gleichzeitig ist <strong>de</strong>r Anteil geschützter<br />
Flächen von 40 auf 7 % gesunken, während sich die Verjüngungsflächen mehr als<br />
verdoppelt haben. Sogar bei <strong>de</strong>n verbissgefähr<strong>de</strong>ten Baumarten Tanne und Eiche wird<br />
heute auf 83 % bzw. 85 % <strong>de</strong>r Verjüngungsfläche auf Schutzmaßnahmen verzichtet“ (vgl.<br />
Der Jäger in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg Ausgabe 3/2010 Seite 5). Interpretationsbedürftig<br />
scheint auch die Tabelle 4 auf S.100 zu sein, insbeson<strong>de</strong>re die Anteile verbissener Tannen.<br />
Der Verbissanteil bei Pflanzen ohne Schutz fällt geringer aus als mit Schutz.<br />
Kapitel 6: Vergleich <strong>de</strong>r aktuellen Situation mit <strong>de</strong>n gesetzlichen Vorgaben Soll-Ist-<br />
Vergleich<br />
Äußerst bedauerlich in diesem Kapitel ist, dass das BfN seine Neutralität aufgibt und<br />
nicht auf Grundlage von wissenschaftlich fundierten Ergebnissen argumentiert, son<strong>de</strong>rn<br />
= 21
sich zu polemisieren<strong>de</strong>n Aussagen und <strong>de</strong>n Sachverhalt verkürzt wie<strong>de</strong>rgeben<strong>de</strong>n Inhalten,<br />
wie „<strong>Wald</strong> vor <strong>Wild</strong>" hinreißen lässt.<br />
Unterstellt wird in diesem Kapitel ebenfalls, dass unstrittig sei, was gesellschaftlich erwünscht<br />
ist. Dazu stellt sich die Frage, ob eine Umfrage in <strong>de</strong>r Gesellschaft zur Thematik<br />
<strong>Wald</strong> und <strong>Wild</strong> tatsächlich durchgeführt wur<strong>de</strong>. Im weiteren Verlauf wird immer wie<strong>de</strong>r mit<br />
<strong>de</strong>n gesellschaftlichen Zielen diskutiert und argumentiert, die aber in keinster Weise belegt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Auf S. 108 gipfelt die Unterstellung <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Wunsches in <strong>de</strong>r Formulierung:<br />
„Angesichts <strong>de</strong>r wald- und naturschutzrechtlichen Zielvorgaben besitzt die Begründung<br />
und Entwicklung (<strong>Wald</strong>umbau) eines naturnahen <strong>Wald</strong>es aus standortheimischen Baumarten<br />
höchste gesellschaftliche Priorität."<br />
Auch wi<strong>de</strong>rsprechen sich die Gutachter in <strong>de</strong>r Formulierung: „Dabei gehen die Jagdgesetze<br />
von einem grundsätzlichen Interessengleichklang aus, während <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Wald</strong>zustan<strong>de</strong>s bzw. <strong>de</strong>s Zustan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r <strong>Wald</strong>verjüngung nur ansatzweise hervorgehobene<br />
Be<strong>de</strong>utung beigemessen wird." (vgl. S.108) In vorherigen Kapiteln, insbeson<strong>de</strong>re in<br />
<strong>de</strong>r rechtlichen Ausarbeitung wur<strong>de</strong> angeführt, dass von <strong>de</strong>n Gutachtern eine klare Vorrangstellung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Wald</strong>es vor <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>bewirtschaftung gesehen wird.<br />
Für <strong>de</strong>n <strong>DJV</strong> liegt die gesellschaftliche Priorität in einem grundsätzlichen Interessenausgleich,<br />
<strong>de</strong>n die Verfasser allerdings in Frage stellen. Sie erklären in ihrem<br />
Gutachten zunächst <strong>de</strong>n Vorrang von „<strong>Wald</strong> vor <strong>Wild</strong>“ als gesetzlich bereits verankert<br />
und for<strong>de</strong>rn daraus eine notwendige gesetzliche Än<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Jagdgesetzgebung<br />
ein. Deutlicher können Wi<strong>de</strong>rsprüche nicht formuliert wer<strong>de</strong>n.<br />
Kapitel 7: Ansätze zur Konfliktlösung<br />
Zu <strong>de</strong>n rechtlichen und behördlichen Schritten:<br />
= 22
Abschusspläne sollen abgeschafft wer<strong>de</strong>n und für Rehwild ein Min<strong>de</strong>stabschussplan unter<br />
Berücksichtigung <strong>de</strong>s Zustan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Vegetation und Verwendung von Weisergattern<br />
eingeführt wer<strong>de</strong>n. Dabei stellt sich die Frage, ob dann berücksichtigt wird, wie viel tatsächlich<br />
an Baumbestand aus <strong>de</strong>m Äser wächst. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Auswirkungen von Verbiss<br />
auf die Entwicklung <strong>de</strong>r einzelnen Pflanzen wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Forstlichen Bun<strong>de</strong>sanstalt<br />
Wien Versuche mit „simuliertem Verbiss“ an Fichte unternommen. „Bei alleinigem<br />
Rückschnitt <strong>de</strong>r Seitentriebe konnten, unabhängig von <strong>de</strong>r Häufigkeit <strong>de</strong>r Behandlung,<br />
keine signifikanten Einflüsse auf das Wachstum <strong>de</strong>r Pflanzen festgestellt wer<strong>de</strong>n. Bei<br />
Rückschnitt <strong>de</strong>s Terminaltriebes bzw. <strong>de</strong>s Terminaltriebes und <strong>de</strong>r Seitentriebe wur<strong>de</strong>n<br />
signifikante Zuwachsverluste erst ab dreimaligem Rückschnitt <strong>de</strong>r Pflanzen festgestellt.<br />
Mit steigen<strong>de</strong>r Intensität <strong>de</strong>r Eingriffe zeigten sich zu<strong>de</strong>m gravieren<strong>de</strong> Auswirkungen auf<br />
die Qualität <strong>de</strong>r Pflanzen“ (vgl. Kristöfel F., Pollanschütz J., 1995, Entwicklung von Fichtenpflanzen<br />
nach Triebrückschnitten, FBVA-Berichte 85/1995, Forstliche Bun<strong>de</strong>sversuchsanstalt,<br />
Wien, 17 S.).<br />
Es stellt sich auch die Frage, ob Weisergatter, in <strong>de</strong>nen keinerlei <strong>Wild</strong>einfluss gegeben<br />
ist, grundsätzlich ein geeignetes Instrument darstellen, um Interaktionen zwischen <strong>Wild</strong><br />
und <strong>Wald</strong> darzustellen. Hinzu kommt, dass die Auswahl geeigneter Standorte für Weisergatter<br />
nicht immer einfach ist, weil für eine objektive Beurteilung nahezu gleichwertige<br />
Standorteigenschaften (u.a. Bo<strong>de</strong>n, Licht) gegeben sein müssten.<br />
Auch die Verwendung von Musterpachtverträgen ist bereits jetzt möglich und kann je<strong>de</strong>rzeit<br />
von <strong>de</strong>n Jagdgenossen- und Eigenjagdbesitzern in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />
Vertragliche Vereinbarungen, die nicht zu Lasten Dritter getroffen wer<strong>de</strong>n unterliegen <strong>de</strong>r<br />
Vertragsfreiheit. „Trotz seines öffentlich rechtlichen Bezuges ist das Jagdrecht im<br />
Verhältnis Grun<strong>de</strong>igentümer - Jagdpächter durchweg auf Vertragsfreiheit ausgerichtet,<br />
so dass die <strong>Wald</strong>besitzer grundsätzlich selbst in <strong>de</strong>r Hand haben, im Wege einer<br />
sachgerechten Vertragsgestaltung auf Regelungen hinzuwirken, die ihr durch überhöhten<br />
<strong>Wild</strong>verbiss ausgelöstes Betriebsrisiko in angemessener Weise berücksichtigen" (vgl. S.<br />
123).<br />
= 23
Wichtig erscheint insbeson<strong>de</strong>re, dass unter <strong>de</strong>m Punkt „einheitliche Einschränkung von<br />
Fütterungen auf Notzeiten“, erst einmal die Frage zu stellen ist, wo es eine <strong>de</strong>rartige Einschränkung<br />
nicht gibt. Und wenn, muss dies für alle Besitzarten, insbeson<strong>de</strong>re auch für<br />
die staatlich geführten Reviere gelten.<br />
Zu <strong>de</strong>n waldbaulichen Maßnahmen muss ganz klar auch eine Entzerrung <strong>de</strong>r waldbaulichen<br />
Maßnahmen genannt wer<strong>de</strong>n. Beim <strong>Wald</strong>umbau müssen gleichzeitig auch <strong>de</strong>m<br />
<strong>Wild</strong> Möglichkeiten zur Äsung geboten wer<strong>de</strong>n. Lebensraumverbesserungen sind ein<br />
wichtiger Bestandteil <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsmin<strong>de</strong>rung und wer<strong>de</strong>n überhaupt nicht angesprochen.<br />
Berücksichtigt wer<strong>de</strong>n muss in <strong>de</strong>r Gesamtdiskussion auch, dass sich Naturereignisse<br />
wie die Stürme „Vivien“, „Wiebke“ und „Lothar“ gehäuft haben und <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Naturverjüngungsflächen<br />
intensiv gestiegen ist. Diese erschweren die Bejagung und erhöhen<br />
das Äsungsangebot für eine gewisse Zeit. Wenn sich die Verjüngungsbestän<strong>de</strong> schließen,<br />
verschlechtern sich die Äsungsbedingungen für wie<strong>de</strong>rkäuen<strong>de</strong>s Schalenwild, was<br />
sich auf die Verbisssituation auswirkt. Das zieht automatisch eine insgesamt höhere Verbissbelastung<br />
nach sich. Wichtiger als die angemahnte För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Problembewusstseins<br />
ist es, nach Lösungen vor Ort zu suchen und gemeinsame <strong>Wald</strong>begehungen bei<br />
Konfliktsituationen durchzuführen.<br />
Zum Verzicht <strong>de</strong>r Anrechnung von Unfallwild auf die Abschusspläne kann nur an-<br />
gemerkt wer<strong>de</strong>n: Ob das Stück Rehwild geschossen o<strong>de</strong>r durch das Auto getötet<br />
wor<strong>de</strong>n ist, hat auf <strong>de</strong>n <strong>Wild</strong>bestand die gleiche Wirkung. Daher muss eine Anrechnung<br />
auf die Abschusspläne erhalten bleiben.<br />
„Da die Ziele <strong>de</strong>r <strong>Wald</strong>entwicklung durch <strong>de</strong>n Gesetzgeber vorgegeben sind, ist hier die<br />
Diskussion um die Frage, welchem Verbiss <strong>Wald</strong>verjüngungen in Urwäl<strong>de</strong>rn ausgesetzt<br />
waren, nicht von Belang. Aus diesem Grund spielt bei <strong>de</strong>r hier erfolgten Darstellung <strong>de</strong>s<br />
Sachstan<strong>de</strong>s we<strong>de</strong>r die Megaherbivorentheorie, nach <strong>de</strong>r Mitteleuropa eher einer offenen<br />
Parklandschaft als einem geschlossenen <strong>Wald</strong> geglichen haben soll (vgl. Bengtsson et<br />
al. 2000), noch die gelegentlich vertretene Meinung, ein hoher Anteil verbissener Bäum-<br />
= 24
chen sei natürlich, eine Rolle. Abgesehen von <strong>de</strong>m Umstand, dass bei<strong>de</strong>s rückblickend<br />
nicht wi<strong>de</strong>rspruchsfrei belegbar ist, stehen hier die <strong>de</strong>rzeit an <strong>de</strong>n menschlichen Bedürfnissen<br />
orientierten Ziele und nicht ein wie immer <strong>de</strong>finierter Naturzustand im Vor<strong>de</strong>rgrund“<br />
(vgl. S. 116). Diese Ausführungen sind in soweit interessant, da hier ein wie auch<br />
immer <strong>de</strong>finierter Naturzustand als nicht relevant eingestuft wird. Trotz<strong>de</strong>m und gera<strong>de</strong><br />
im Gutachten wird aber ein Naturzustand vorgegeben, an <strong>de</strong>ren Ausrichtung und Zielsetzung<br />
sich die Jagd zu orientieren hat.<br />
Mit Interesse verfolgt <strong>de</strong>r <strong>DJV</strong> in diesem Zusammenhang auch das Auswil<strong>de</strong>rungsprojekt<br />
für <strong>de</strong>n Wisent im Rothaargebirge. Der <strong>DJV</strong> wür<strong>de</strong> sich wünschen, dass das BfN auch<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Schalenwildarten ähnlich positiv gegenüber stehen wür<strong>de</strong>. Gespannt<br />
erwartet <strong>de</strong>r <strong>DJV</strong> die Ergebnisse in wie weit <strong>de</strong>r Wisent die forstwirtschaftlichen Ziele beeinflusst.<br />
Absolut wi<strong>de</strong>rsprüchlich ist die Aussage: „Hier sind im Untersuchungszusammenhang<br />
einmal die flächenmäßig allerdings kaum ins Gewicht fallen<strong>de</strong>n Nationalparke und Naturschutzgebiete,<br />
ferner auch Naturparke und Biosphärenreservate (jeweils in ihren Kernzonen)<br />
zu nennen, bei <strong>de</strong>nen es im Wesentlichen um die Erhaltung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n überragend<br />
be<strong>de</strong>utsamen ökologischen Zustan<strong>de</strong>s geht. In diesen Gebieten gilt eine absolute,<br />
je<strong>de</strong>nfalls aber relative Verän<strong>de</strong>rungssperre, so dass alle Handlungen, die zu einer<br />
Beeinträchtigung <strong>de</strong>s vorhan<strong>de</strong>nen Bestan<strong>de</strong>s führen, verboten sind o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st einer<br />
vorherigen sorgfältigen Prüfung ihrer Auswirkungen bedürfen. In diesem Rahmen<br />
muss die Jagd sich einpassen, in <strong>de</strong>m eine <strong>Wild</strong>dichte zu garantieren ist, mit <strong>de</strong>r Entmischungseffekte<br />
in naturnahen <strong>Wald</strong>gesellschaften vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Diese Aufgabe ist<br />
auch hier maßgeblich von <strong>de</strong>r Abschussplanung und <strong>de</strong>n hierfür maßgeblichen Bezugsund<br />
Kontrollinstrumenten zu leisten" (vgl. S.125 f). Spannend ist hierbei, wie eine <strong>Wild</strong>dichte<br />
garantiert wer<strong>de</strong>n soll, wenn die Jagdausübung in Kernzonen von Nationalparken<br />
gänzlich ausgeschlossen ist.<br />
Auch nicht kongruent und schlüssig sind die Formulierungen, dass Einzelreviere häufig<br />
zu groß sind, um eine sachgerechte Hege und Bejagung zu gewährleisten (vgl. S. 127).<br />
Im Gegensatz zur S.129: „Entsprechen die jagdgesetzlich vorgesehenen Jagdmetho<strong>de</strong>n<br />
= 25
und Bejagungstechniken <strong>de</strong>n aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen? In diesem<br />
Kontext sollte gesetzlich vor allem auf die Normierung revierübergreifen<strong>de</strong>r Bejagungsstrategien<br />
hingewirkt wer<strong>de</strong>n." Also sollen doch für größere Flächeneinheiten Bejagungsrichtlinien<br />
festgelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
Ein weiteres Beispiel für aufgestellte Hypothesen ohne Belege bietet folgen<strong>de</strong> Formulierung:<br />
„Häufig herrscht eher die Mentalität vor, dass <strong>de</strong>r <strong>Wald</strong> die Nahrungsgrundlage für<br />
die gewünschten (hohen) <strong>Wild</strong>dichten zu liefern habe. Wenn dies nicht gegeben ist, wird<br />
zusätzlich gefüttert. Diese aus <strong>de</strong>r Landwirtschaft übertragene Sichtweise muss durch eine<br />
verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Forschungstätigkeit kritisch in Frage gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Immer noch wer<strong>de</strong>n in Deutschland Forschungsgel<strong>de</strong>r im Bereich <strong>Wild</strong>tiermanagement,<br />
an<strong>de</strong>rs als in <strong>de</strong>n meisten europäischen Län<strong>de</strong>rn, durch jagdliche Organisationen<br />
vergeben. Im Vor<strong>de</strong>rgrund steht dabei vielfach das Fin<strong>de</strong>n von Grün<strong>de</strong>n zur Rechtfertigung<br />
hoher Schalenwilddichten, bzw. für das Fest- und Hochhalten sogenannter Traditionen.<br />
Eine wichtigere Rolle spielt dabei häufig <strong>de</strong>r Wunsch nach möglichst großen Trophäen“<br />
(vgl. S 131).<br />
Einen kleinen Einblick <strong>de</strong>r Forschungsaktivitäten <strong>de</strong>s <strong>DJV</strong> liefert die Anlage 2 „Jäger<br />
schaffen Vielfalt“.<br />
Empfohlen wird auch eine Synchronisierung <strong>de</strong>r Jagdzeiten für Rehwild bei<strong>de</strong>rlei Geschlechts,<br />
d.h. Jagdzeit für Rehböcke auch im Winter. Dies wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten, dass auf je<strong>de</strong>s<br />
Stück Rehwild in <strong>de</strong>r herbstlichen Drückjagdsaison geschossen wer<strong>de</strong>n kann, egal<br />
ob männlich o<strong>de</strong>r weiblich. Dies kann zu einer nachteiligen Verschlechterung <strong>de</strong>s Geschlechterverhältnisses<br />
führen.<br />
Der neutrale Leser bekommt beim Studieren und Analysieren <strong>de</strong>s Gutachtens <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
dass zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gutachtens immer mehr unbelegte Behauptungen, Thesen<br />
und Unterstellungen Platz greifen. Ein Beispiel dafür ist, dass dafür plädiert wird, Pachtverträge<br />
nur über kürzere Zeiträume zu vergeben, maximal 3 Jahre. „Nur so kann eine<br />
Wohnzimmermentalität in Jagdbezirken (erst einmal einrichten, dann die Füße hoch<br />
= 26
legen) vermie<strong>de</strong>n und eine Kontrolle inklusive <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen und im Pachtvertrag zu<br />
regeln<strong>de</strong>n Sanktionen ermöglicht wer<strong>de</strong>n" (vgl. S. 140).<br />
Wenn dies als sachgerechte Diskussion verstan<strong>de</strong>n wird, kann keine Lösung mit<br />
<strong>de</strong>r Jägerschaft erzielt wer<strong>de</strong>n. Sachdienliche Lösungsansätze wären eher dahingehend<br />
zu suchen, <strong>de</strong>n <strong>Wild</strong>bretmarkt zu för<strong>de</strong>rn und in Bun<strong>de</strong>sprogramme einfließen zu<br />
lassen.<br />
Einseitige, polemische und unsachliche Schuldzuweisungen weist <strong>de</strong>r <strong>DJV</strong> entschie<strong>de</strong>n<br />
zurück.<br />
Das Gutachten ist eine vertane Chance. Es konstruiert Konflikte, die es seit Jahren flächen<strong>de</strong>ckend<br />
in dieser Form nicht mehr gibt, und wärmt eine für die Jägerschaft längst<br />
überwun<strong>de</strong>n geglaubte Konfrontation zwischen Jagd und Forst unnötig wie<strong>de</strong>r auf. Wo es<br />
wirklich Probleme gibt, ist die Jägerschaft bereit gemeinsam an Lösungen zu arbeiten<br />
und hat das durch ihr verantwortliches Han<strong>de</strong>ln bereits hinlänglich bewiesen. Die Einseitigkeit<br />
<strong>de</strong>s Gutachtens befrem<strong>de</strong>t und ist bewusst nicht auf Dialog, son<strong>de</strong>rn auf Konfrontation<br />
angelegt: es will damit offenbar <strong>de</strong>n Gesetzgeber provozieren, sich zu unnötigen<br />
Aktivitäten hinreißen zu lassen. <strong>Wild</strong>scha<strong>de</strong>nsvermeidung sollte durch ein <strong>Wild</strong>tiermanagement,<br />
das <strong>de</strong>n Lebensraum, seine Biotopkapazität, die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Lebensraumverbesserung<br />
und die Ansprüche <strong>de</strong>r Leitwildart in <strong>de</strong>n Blick nimmt geprägt sein.<br />
Dazu gehört auch eine an <strong>de</strong>r <strong>Wild</strong>art orientierte Bejagungsmetho<strong>de</strong> und Abschusshöhe.<br />
= 27