Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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mals von den Heranwachsenden selbst zerstört. Deshalb ist der auf<br />
dem Hymen basierende Schluss auf die Virginität irreführend und<br />
zweifelhaft. Wenn die Sache den Medizinern übertragen wird,<br />
muss daher nach Virginitätszeichen gesucht werden, welche eine<br />
sicherere Entscheidungsbasis abgeben; hierfür biete sich zuerst die<br />
Besichtigung des Urins an, welcher nach der Meinung der gelehr-<br />
testen Männer bei Jungfrauen klarer und dünner ist als bei <strong>Frau</strong>en.<br />
Zweitens gibt es gewisse Virginitätsproben - Codronchi gibt u. a. die<br />
genitale Räucherung an - von welchen die Jungfrau in Nase und<br />
Mund keine Dämpfe und Exhalationen verspürt, die <strong>Frau</strong> aber<br />
wohl 198 .<br />
In einem Brief an einen Geistlichen hat sich gegen Ende des<br />
16. Jh. Horatius Augenius (1 27-1603) über den Hymen und die Un-<br />
sicherheit der Virginitätszeichen ausgelassen 199 . Augenius liebte es,<br />
sich in Briefen mit anderen Gelehrten zu streiten; er hat seine Lauf-<br />
bahn als Professor der Logik und der theoretischen Medizin begon-<br />
nen (was damals recht körperabgewandte Disziplinen waren), war<br />
später aber in der Praxis tätig. Speziell auch scheint er sich für<br />
gerichtsmedizinische Fragen interessiert zu haben.<br />
Augenius lehnte den Hymen als Virginitätszeichen ab. Für ihn<br />
gibt es keine sichere Unterscheidung zwischen der Jungfrau und<br />
der <strong>Frau</strong>. Als geschulter Logiker und Argumentator bringt er aber<br />
zunächst die Zweifel zu Papier, die seiner These entgegengehalten<br />
werden könnten. Da ist einmal die Meinung vieler Rechtsgelehr-<br />
ter, die am Hymen nicht zweifeln. Auch das Volk sei der Meinung.<br />
Aristoteles und Avicenna sprechen ebenfalls von dieser Membran. Es<br />
ist auch zu sagen, dass es ja Verschliessungen durch starke Mem-<br />
branen gibt, wieso soll es denn nicht zarte, schwache geben? Ferner<br />
steht die Autorität des Anatomen Berengario da Carpi hinter dem<br />
Hymen 200 . Und schliesslich ist dieses sichere Virginitätszeichen<br />
durch die Bibel und profane Schriften, auch durch die Autorität<br />
der Kirchenväter bezeugt - und durch die Aussagen der Hebam-<br />
men. Und warum soll man den Hebammen denn in Sachen ihrer<br />
Kunst misstrauen? Man urteilt sicherer über das eigene Handwerk<br />
als über fremdes.<br />
Dann kommt Augenius aber zu den Argumenten, die gegen den<br />
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