Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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keit im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein ganz besonders<br />
hochgeachtet war. Denn der Jurisprudenz kam im Mittelalter ähn-<br />
lich hoher Rang zu wie der Theologie, ein höherer jedenfalls als<br />
der Medizin 193 . So lag mit der Gutachtertätigkeit eine Tätigkeit in<br />
den Händen der Hebammen (wie der Chirurgen), die selbst einem<br />
Mann vom Status des gelehrten Mediziners Ehre machen konnte -<br />
eine weitere Inkonsistenz, die nicht ohne Spannungen abgehen<br />
konnte. In der Frage der Virginität aber spitzte sich auch diese Si-<br />
tuation zu, denn diese Frage wurde - im Gegensatz etwa zur Frage<br />
nach dem Vorhandensein einer Schwangerschaft und anderen<br />
geburtshilflich-gynäkologischen Fragen - praktisch nur in der fo-<br />
rensischen Situation gestellt.<br />
Es kann daher nicht wundernehmen, dass die gutachterliche Tä-<br />
tigkeit der Hebammen in Sachen der Virginität eine besonders be-<br />
liebte Zielscheibe der Ärzte wurde, die sich in der Neuzeit für<br />
gerichtliche Medizin zu interessieren begannen, wobei eben vor al-<br />
lem kritisiert wurde, dass die Hebammen ihre Virginitätsdiagnose<br />
auf die Präsenz des Hymens abstellten. So schreibt etwa der grosse<br />
Paré: «Also begibt sichs auch offtmals ..., dass etwan von dieser<br />
oder jener Weibs Personen Jungfrawschafft disputiret und gefragt<br />
wird: Und zwar so ist von diesen fast schwärlich zu judicieren und<br />
zu antworten. Etliche Matronen und Hebammen geben für, es<br />
haben diejenige, so noch Jungfrawen unnd ungeschwächt seyen, in<br />
dem Halse oder Eingang zu ihrer Gebärmutter ein Häutlin ... das-<br />
selbe, sagen sie, werde in dem ersten Beyschlaff zerrissen ... Wie<br />
betrüglich unnd ungewiss aber diese Kenn- unnd Merckzeichen<br />
seyen, wird auss ... Historien unnd Zeugnussen mehr dann genug-<br />
sam erwiesen. Denn ... das Häutlin belangendt, so ist dasselbig ein<br />
unnatürlich Ding, und wird unter viel tausent jungen Mägdlein<br />
kaum in einem gefunden ...» 194 Im Buch «Von dess Menschen Ge-<br />
burt» widmet Paré dem Hymen nochmals ein ganzes Kapitel.<br />
«Zwar die Hebammen rühmen, dass sie auss diesem eine Jungfraw<br />
von einer, so geschwächt und beschlaffen worden, leichtlich unter-<br />
scheiden können, nach dem es nemlich gantz und unverletzt oder<br />
zerrissen sey, und feilen die Richter oder Oberkeiten, in dem sie ih-<br />
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