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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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Erkenntnis sowohl als von menschlichen Beziehungen. Im Wort<br />

sind menschliches Erleben und menschliches Verhalten gewisser-<br />

massen in eine Form gegossen.<br />

88<br />

II. DIE NEGIERUNG DES HYMENS<br />

Wenn man sich zuerst darüber klar zu werden versucht, welches<br />

die Hintergründe der Bestrebungen der neuzeitlichen Mediziner<br />

waren, den Hebammen die Untauglichkeit ihres Virginitätskri-<br />

teriums «Jungfernhaut» nachzuweisen und sie damit für gerichts-<br />

ärztliche Tätigkeit zu disqualifizieren, muss man sich vor Augen<br />

halten, welches Paradox es bedeutete, dass die gerichtsmedizinische<br />

Beurteilung der Virginität im Mittelalter in den Händen der<br />

Hebammen lag.<br />

Es war im späteren Mittelalter schon schlimm genug, dass sozu-<br />

sagen die gesamte gynäkologisch-geburtshilfliche Tätigkeit in den<br />

Händen von <strong>Frau</strong>en lag, denn so sehr diese Tätigkeit von der<br />

Schulmedizin verachtet war, bedeutete sie doch, dass wichtige<br />

Bereiche des täglichen Lebens der Kontrolle der Männer mehr oder<br />

weniger entzogen waren. Dass dies nicht ohne Spannung abging,<br />

spiegelt sich in häufig anzutreffenden Zeichen der männlichen<br />

Angst, Wehmütter vermittelten Antikonzeptiva, Liebesmittel, Ab-<br />

ortiva, leisteten Beihilfe zum Kindsmord usw., wobei dann das<br />

Image der Wehmutter in dasjenige der Kupplerin und der Hexe<br />

überzugehen pflegt 192 .<br />

Mit der Begutachtung der Virginität lag nun ein Tätigkeitsfeld<br />

in <strong>Frau</strong>enhänden, das den Mann noch ausschliesslicher interessierte<br />

und noch brennender insofern, als es dabei doch häufig um Streit-<br />

fälle zwischen den Geschlechtern ging. Es ist anzunehmen, dass in<br />

dieser Situation bei den Männern der Wunsch Raum gewann, die<br />

Begutachtung der Virginität selbst zu übernehmen, um so mehr als<br />

sich keineswegs ausschliessen lässt, dass diese Begutachtung, wenn<br />

sie von <strong>Frau</strong>en vorgenommen wurde, effektiv gelegentlich über-<br />

mässig stark zugunsten der Geschlechtsgenossin ausfiel.<br />

Ein anderer Grund, weshalb die Gutachtertätigkeit der Hebam-<br />

men zu Spannungen führte, war wohl der, dass gerichtliche Tätig-

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