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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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kennung einer jungfräulichen Enge der Vagina bei ausdrücklicher<br />

Ablehnung einer Membran überliefert 186 . Hingegen wird der arabi-<br />

sche Gelehrte Avicenna (980-1037) oft als der früheste medizinische<br />

Autor angegeben, der ein Jungfrauenhäutchen beschrieben hat -<br />

tatsächlich spricht er in seinem Canon von einem aus Ligamenten<br />

und Gefässen bestehenden panniculus, den man bei Jungfrauen<br />

finde 187 . Immer wieder wird ferner in der medizinischen Literatur<br />

die Frage nach dem Hymen mit dem biblischen Jungfernschaftszei-<br />

chen der Deflorationsblutung assoziiert (das mit Blut befleckte<br />

Tuch, das nach der Hochzeitsnacht vorgewiesen wird 188 ).<br />

Es scheint, dass die mittelalterliche Wissenschaft ihr Wissen vom<br />

Hymen vor allem aus jüdischer und arabischer Tradition bezog.<br />

Zwar dürfte auch die Tradition des <strong>Frau</strong>engeflüsters da eine Rolle<br />

gespielt haben, doch ist diese naturgemäss nicht quellenkundig. Hi-<br />

storisch spricht für ihr Wirken nur, was wir im folgenden sehen<br />

werden, dass nämlich die frühe neuzeitliche Wissenschaft den Hy-<br />

men mit den Hebammen recht eng assoziierte. Auf welche Tradi-<br />

tion die Bemerkung des Jacopo Berengario da Carpi (1470-1 0) 189<br />

über den Hymen - ausser auf die Beobachtung - zurückgeht, ist aus<br />

derselben nicht ersichtlich; Andreas Vesalius (1 14-1 64) zitiert -<br />

mindestens in der ersten Fassung seiner «Fabrica» 190 - die Araber als<br />

Autoritäten in Sachen der Anatomie des Hymens (in der Folio-<br />

Ausgabe von 1 distanziert er sich von den Arabern zugunsten<br />

eigener Befunde 191 ).<br />

Wenn in der Folgezeit zahlreiche Autoren die Existenz des Hy-<br />

mens negiert haben, liegt es dem Historiker demnach nahe, hierin<br />

einerseits den Ausdruck der realen Probleme zu sehen, denen die<br />

wissenschaftliche Untersuchung des Hymens begegnet sein wird,<br />

andererseits aber auch den Ausdruck des für die Renaissance typi-<br />

schen In-den-Vordergrund-Tretens der klassisch-antiken und der<br />

schriftlichen Tradition (Humanismus, Buchdruck) gegenüber den<br />

arabischen, jüdischen und den hausärztlich-mündlich-wehmütterli-<br />

chen Traditionsströmen.<br />

In der vorliegenden Arbeit soll aus all den Problemen, die bei<br />

diesen Überlegungen auftauchen, ein kleines Teilproblem heraus-<br />

gegriffen werden: die Geschichte der Beziehung zwischen dem<br />

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