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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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heit verloren. Sie hat auch ganz allgemein an sozialer und kulturel-<br />

ler Bedeutung verloren und ist vermehrt zum Spezialistenthema<br />

von beschränkt allgemeinem Interesse geworden.<br />

Die Hintergründe dieses Bedeutungsverlustes sind komplex.<br />

Zum Teil sind sie wissenschaftlicher Art. Mit dem Aufschwung der<br />

Endokrinologie hat das Hormon als Träger genereller Betrachtun-<br />

gen über «die <strong>Frau</strong>» die Menstruation etwas abgelöst und ver-<br />

drängt. Überdies hat die Endokrinologie zur Lockerung der Asso-<br />

ziation von Nervensystem und Menstruation beigetragen 171 und da-<br />

mit die Beziehung zwischen weiblichem Seelenleben und weibli-<br />

chen «Tagen» etwas mittelbarer erscheinen lassen, um so mehr als<br />

auch alle operativen Eingriffe am Genitalapparat geistesgestörter<br />

<strong>Frau</strong>en kaum je die erwarteten Besserungen zeitigten. «Das Nahe-<br />

liegendste scheint zunächst», schreibt Gottfried Ewald (1888-1963)<br />

zwischen den beiden Weltkriegen, «dass irgendein endokriner<br />

Reiz, der mit der Menstruation oder Ovulation verbunden ist, zu<br />

einer zentralnervösen Erregung führt, die die Psychose ins Rollen<br />

bringt. ... Dem widersprechen aber die operativen oder röntgeno-<br />

logischen Kastrationserfolge. Uns selbst lehrte die völlige Erfolglo-<br />

sigkeit von Röntgenkastration, Ovariektomie und schliesslich sogar<br />

Totalexstirpation bei einer klassischen menstruell rezidivierenden<br />

Psychose ..., dass die Dinge keineswegs so einfach endokrinolo-<br />

gisch zu lösen sind» 72 . Insofern die Endokrinologie zur Basis neuer<br />

antikonzeptioneller Techniken wurde, hat sie auch als solche zur<br />

Ent-Aktualisierung der Menstruation beigetragen. Man hat sich an<br />

die Antikonzeption allmählich gewöhnt, die im 19. Jahrhundert an<br />

dieselbe geknüpften Befürchtungen bevölkerungspolitischer, se-<br />

xualpolitischer, moralischer, ethischer Art haben sich gelegt. Zwi-<br />

schen den beiden Weltkriegen wurde das Konzeptionsoptimum<br />

allgemein von der Menstruation auf das Intermenstruum verlegt,<br />

Knaus und Ogino (Hermann Knaus, 1892-1970 und D. Ogino) basier-<br />

ten hierauf ihre antikonzeptionellen Empfehlungen 173 . Damit ver-<br />

lor sich der Abortcharakter der Menstruation vollends.<br />

Auch die Entwicklung der Psychiatrie hat zur Ent-Aktuali-<br />

sierung der Menstruation beigetragen. «Man hat früher einmal ge-<br />

glaubt», schreibt Ewald, «den Psychosen, die sich im Verlaufe des<br />

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