Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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ja, wenn sich solche degenerative Processe abspielten, einen ganz<br />
pathologischen Charakter bekommen. ... Der Grund, warum die<br />
früheren Untersucher zu solch eigenthümlichen Resultaten gekom-<br />
men sind, liegt eben einfach darin, dass sie ihre Präparate nie ganz<br />
frisch untersuchen konnten, die Veränderungen, welche sie sahen<br />
..., waren ... einfache Leichenerscheinungen» 142 . A. E. Feoktistow aus<br />
Petersburg hingegen kritisiert spezifisch die Implikationen der<br />
Abort-Lehre: Es liesse sich daraus, schreibt er, «folgende praktische<br />
Nutzanwendung deduciren: Jungfrauen, so jung oder so alt sie sein<br />
mögen, wenn sie nur menstruiren, hätten in der Ehe oder in einer<br />
anderweitigen Form geschlechtlichen Umganges das Heilmittel ge-<br />
gen die <strong>Krankheit</strong>, an der sie laboriren, also gegen die Menstrua-<br />
tion zu suchen.» Und ferner: «Es darf nicht unerwähnt bleiben,<br />
dass schon vor Löwenthal A. King (American Journal of Obstet-<br />
rics, August 187 ) dieselbe Idee vertheidigte, indem er sagte, die<br />
Menstruation sei nichts anderes als eine pathologische Blutung, ab-<br />
hängig von der Nichtbefriedigung normaler geschlechtlicher Be-<br />
dürfnisse, und dass die <strong>Frau</strong> normaliter nie aus dem Zustande der<br />
Schwangerschaft, der Nachgeburtsperiode und der Lactation kom-<br />
men dürfe. - Ein angenehmer Zeitvertreib!» 143 Zwischen Loewen-<br />
thal und Feoktistow entspann sich eine damit eingeleitete zeittypische<br />
kleine Kontroverse 144 , im Laufe derer Feoktistow seinem Partner<br />
nochmals die Ehre absprach, die Menstruationsblutung als erster als<br />
pathologische Blutung bezeichnet zu haben. «Leider ist Loewenthal<br />
mit der Arbeit King’s nicht bekannt ... Aber auch frühere Autoren<br />
vertreten dieselbe Meinung. Einer der frühesten war Robert Remak<br />
und die von ihm citirten Roussel und Oken» 145 .<br />
Diese explizite Kontroverse um die Krankhaftigkeit der Men-<br />
struation bzw. der sich nicht fortpflanzenden <strong>Frau</strong> muss auf dem<br />
Hintergrund der grossen Kontroverse um die Antikonzeption gese-<br />
hen werden, welche die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts stark<br />
bewegte 146 , ähnlich den Kontroversen, die 1977 in der Schweiz der<br />
Abstimmung über die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs<br />
vorangingen 147 . Die Natürlichkeit oder Unnatürlichkeit der Anti-<br />
konzeption beziehungsweise der von der Willkür des Menschen,<br />
namentlich der <strong>Frau</strong> abhängigen menschlichen Vermehrung wurde<br />
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