Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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68<br />
V. MENSTRUATION ALS ZEICHEN<br />
DER VERFEHLTEN BESTIMMUNG -<br />
DIE SEXUAL- UND FORTPFLANZUNGSETHIK<br />
DES 19. JAHRHUNDERTS<br />
Wenn im späteren 18. Jahrhundert unter anderem bevölkerungspo-<br />
litische Überlegungen hinter der Einstufung der Menstruation als<br />
widernatürlicher Vorgang standen, schwingt da wohl wiederum<br />
die Auffassung der Menstruation als Verschüttung von Material,<br />
welches eigentlich der Fortpflanzung zu dienen hätte, mit: Men-<br />
struation als ein Analog zum Abort - eine Assoziation, die durch<br />
die Beobachtung, dass Schwangere nicht menstruieren, natürlich<br />
genährt wird. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts tritt die Beziehung<br />
der Menstruation zur Fortpflanzung noch weiter hervor. Mehr und<br />
mehr einigten sich nämlich die Gelehrten, dass das mittlerweile<br />
entdeckte 132 weibliche Ei sich allmonatlich zur Zeit der Menstrua-<br />
tion vom Ovar löse 133 . Die aristotelische Tradition, die im Men-<br />
strualblut den eigentlichen Zeugungsbeitrag der <strong>Frau</strong> gesehen<br />
hatte, mag in diese Auffassung hineingespielt haben. Offiziell aller-<br />
dings hat die aristotelische Sicht der Menstruation seit dem 17. Jahr-<br />
hundert, welches ein weibliches Ei postulierte und dem 18. Jahr-<br />
hundert, welches einen dem männlichen ebenbürtigen Zeugungs-<br />
beitrag annahm, kaum mehr gegolten. Aber Ideen sterben ja nicht,<br />
weil sie offiziell nicht mehr gelten. Eher pflegen sie sich abzukap-<br />
seln, oft sich in dem, was man mit kluger Ungenauigkeit als Volks-<br />
seele bezeichnet, einzunisten und da sozusagen als Sporen, immer<br />
zu neuem Aufkeimen in der Welt der Wissenschaft bereit, fortzule-<br />
ben. Mit der Lehre, dass Eisprung und Menstruation gleichzeitige,<br />
zusammenhängende Ereignisse seien, war auch die klassische Auf-<br />
fassung, das Konzeptionsoptimum liege in der Zeit der Menstrua-<br />
tion, neu rationalisiert. Dieser Auffassung mögen viehzüchterische<br />
Erfahrungen Pate gestanden haben, sie wird aber von Hippokrates 134<br />
über Franz Carl Naegele 13 und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein<br />
auch von der humanmedizinischen Wissenschaft vertreten.<br />
Im Licht der Lehre vom zeitlichen Zusammenfallen und ursächli-<br />
chen Zusammenhang von Eisprung und Menstruation nun intensi-