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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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Stelle, besonders in der Gegend der Augennerven; denn gerade als-<br />

dann, wenn bey der Pubertätsentwickelung das Blut überhaupt<br />

dunkler, mit Kohlenstoff übersättigter ist, wie vor jeder Menstrua-<br />

tion 121 , und die Anhäufung des venösen Blutes im Gehirn grösser<br />

ist, ... äussert sich die Begierde nach Feuer, das ist, nach dem Licht-<br />

reitz der irritabilitätsarmen Sehwerkzeuge» 122 . Die Brandstiftung er-<br />

scheint hier also als Äquivalent der Menstruation, wie diese einge-<br />

setzt zur Kompensation eines physischen Ungleichgewichts - analog<br />

dem säftepathologischen Abtropfen. Adolph Henke (177 -1843), der<br />

noch vor Osiander ein Werk «über die Entwicklungen und Entwick-<br />

lungs-<strong>Krankheit</strong>en» publiziert hatte, sollte dann zum Schöpfer eines<br />

eigentlichen Brandstiftungstriebes junger Leute, namentlich aber<br />

doch junger Mädchen, werden. Denn das Weib, so schreibt er schon<br />

in dem erwähnten Werk von 1814, werde von den Vorgängen der<br />

Pubertät ungleich mehr betroffen als der Mann, da bei ihm die<br />

Geschlechtssphäre «die ganze Organisation und das innerste Le-<br />

ben beherrscht». Die «pathogenische Wirkung» dieses Entwick-<br />

lungsprozesses ist daher enorm. «Daraus erklärt sich der ziemlich<br />

allgemein verbreitete Glaube, von dem selbst manche Ärzte sich<br />

nicht frei machen können, dass die Entwicklung der Pubertät eine<br />

nothwendige <strong>Krankheit</strong> sey, wie man die Menstruation überhaupt<br />

eine gesundheitsgemässe <strong>Krankheit</strong> des weiblichen Geschlechts ge-<br />

nannt hat» 123 . Die Pubertät ist eine Zeit äusserster Empfindlichkeit<br />

und <strong>Krankheit</strong>sanfälligkeit, speziell vor der ersten Regel und ganz<br />

besonders bei den geringsten Unregelmässigkeiten derselben. Na-<br />

mentlich treten in dieser Entwicklungsphase «molimina menstrua-<br />

tionis», Chlorosis oder Bleichsucht und «Affektionen des Nerven-<br />

systemes» in Form von Krämpfen oder psychischen Bildern auf 24 .<br />

1817 aber publiziert Henke, unter Bezugnahme auf Platner und<br />

Osianders frühe Andeutungen, «über Geisteszerrüttung und Hang<br />

zur Brandstiftung als Wirkung unregelmässiger Entwickelung<br />

beim Eintritte der Mannbarkeit» 12 ; 1818, nach Osianders expliziten<br />

Ausführungen, nochmals ähnlich 126 . Damit wird er zum offiziellen<br />

Stifter der aufsehenerregenden und kontroversen Lehre vom sozu-<br />

sagen physiologischen Brandstiftungstrieb der Jugendlichen 127 .<br />

Johannes Baptist Friedreich (1796-1862) nimmt die Ideen seiner<br />

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