Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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Soran diskutierte das zu viele Essen und zuwenig Arbeiten der<br />
<strong>Frau</strong>en als Ursache der Menstruation 11 . Dass die Menstruation die<br />
Folge des aufrechten Ganges sei, war eine Idee schon der sogenann-<br />
ten Iatrophysiker des 17. Jahrhunderts, welche Lebens- und Krank-<br />
heitsphänomene mechanisch-physikalisch zu deuten liebten, in<br />
demselben Zug der naturwissenschaftlichen Begründung der medi-<br />
zinischen Wissenschaften, der auch die sogenannte Iatrochemie je-<br />
ner Zeit hervorrief. Die Iatrophysiker leiteten die Menstruation<br />
bald von einer Feuchtigkeitsretention im weiblichen Organismus<br />
infolge der besonders dicken Haut der <strong>Frau</strong> her, bald von erhöhtem<br />
Druck in den Uterusgefässen infolge von deren speziellem Bau und<br />
einer Blutüberfülle (die Plethora ist ein altes pathogenes Prinzip<br />
der Säftelehre), bald eben von einem übermässigen Druck der<br />
Blutsäule auf die Unterleibsorgane infolge des aufrechten Ganges,<br />
Druck, der speziell die schwachen weiblichen Gefässe zum Bersten<br />
bringe 116 .<br />
Ein Novum des 18. Jahrhunderts scheint indessen die Idee von<br />
der durch fehlerhafte Erziehung unterdrückten weiblichen Sexuali-<br />
tät zu sein. Dies hängt mit der aufklärerischen Hochblüte des li-<br />
beralen Gedankens zusammen, die sich auch in einem ausgespro-<br />
chenen, wenn auch noch nicht in breiterem Masse praktizierbaren<br />
sexuellen Liberalismus äusserte. In dieser Sicht ist der sexuelle Ver-<br />
kehr ein Tauschgeschäft zum Vorteil beider und hat die Behin-<br />
derung der <strong>Frau</strong> an der Realisierung ihrer Wünsche den Charakter<br />
einer Behinderung der freien Wirtschaft und damit des Vergehens<br />
gegen das höhere Wohl der Gesellschaft.<br />
IV. MENSTRUATION ALS ÄQUIVALENT<br />
VERBRECHERISCHER TATEN -<br />
DIE FORENSISCHE PSYCHIATRIE<br />
DES FRÜHEREN 19. JAHRHUNDERTS<br />
Auch im Bereich der Rechtspflege zeichnet sich im späteren 18.<br />
und frühen 19. Jahrhundert eine Liberalisierung ab. Namentlich<br />
auch <strong>Frau</strong>en gegenüber wird das mildere Urteil gepflegt, zum Teil<br />
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