Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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III. MENSTRUATION ALS FOLGE EINER ZIVILISATORISCHEN FEHLENTWICKLUNG - 18. UND FRÜHES 19. JAHRHUNDERT Das 18. Jahrhundert hat entdeckt, dass die Menstruation Folge eines Zivilisationsschadens sei. Mit Rousseau (Jean-Jacques Rousseau, 1712- 1778) hat das 18. Jahrhundert, sozusagen als Ausgleich für seinen Vernunftglauben und Zivilisationsoptimismus, einen gewissen Zi- vilisationspessimismus gepflegt und in diesem Zusammenhang sich darauf geeinigt, dass die Menschheit einen wesentlichen Teil ihrer Leiden ihrer Entfernung von der Natur (daher «zurück zur Na- 61

tur!») verdanke. Die Menstruation war in diesem Sinne Folge des allzu-üppigen Lebensstils - zu vieles Herumsitzen, zu vieles Essen, was vor allem von Frauen nicht durch harte körperliche Arbeit und Ertüchtigung kompensiert wurde - ferner Folge einer allzu strengen, unliberalen Sexualerziehung, die wiederum speziell den Frauen zu Schaden gereichte. So schreibt Samuel Schaarschmidt (1709-1747), es sei «die Vollblü- tigkeit bey dem weiblichen Geschlechte die Ursach ihrer monatli- chen Reinigung». Eine Vollblütigkeit aber «erfolget, wenn man mehrere Nahrungs-Mittel zu sich nimmt, als ... nöthig; und wenn man dabey weniger Bewegung hat, als zu Verzehrung des Uber- flüssigen nöthig ist ... Bey Menschen macht die Lüsternheit, und die Kunstgriffe, so man bey Bereitung derer Speisen zu Reitzung des Appetits anwendet, ... dass sie insgemein mehr essen, als der wahre natürliche Hunger erfordert; und die Gemächlichkeit ... verhindert, dass ... Frauenzimmer sich ... genugsame Bewegung machen; daher es denn auch kommt, dass bey denen wenigsten ... die natürlichen Auswürffe so von statten gehen, als sie billig solten. Keinen dieser Umstände wird man bey denen Thieren gewahr ... so können sie ja auch nicht vollblütig werden» - deshalb men- struieren sie nicht 112 . Die Idee, die sexuelle Zurückhaltung, die vor allem der Frau durch die Gesellschaft auferlegt werde, sei die ei- gentliche Ursache der Menstruation, kommt im Ausspruch eines gewissen Heinrich Nudow (geb. 17 2) von 1791 zum Ausdruck, wel- cher sagt: «Im wahren Ideal des Weibes findet kein Monatsfluss statt» 113 , und in Lorenz Okens (1779-18 1) Erklärung, die Periode komme zustande infolge der «fortdauernden Aussetzung der Emp- fängniss». «Sie, ... Product der Eingeschränktheit des Geschlechts- triebes, erbte sich von der Mutter zur Tochter fort, da auch dieser der Geschlechtsgenuss versagt, und meistens jahrelang versagt wurde, ungeachtet die Natur des zur vollständigen Ausbildung ge- diehenen Weibes es forderte. ... Die ersten Generationen des weiblichen Geschlechts waren sicher von diesem Blutflusse befreit ...» 114 . Die Wurzeln der aufklärerischen Auffassungen der Menstruation als Ausdruck eines Zivilisationsschadens sind zum Teil alt. Schon 62

III. MENSTRUATION ALS FOLGE<br />

EINER ZIVILISATORISCHEN<br />

FEHLENTWICKLUNG -<br />

18. UND FRÜHES 19. JAHRHUNDERT<br />

Das 18. Jahrhundert hat entdeckt, dass die Menstruation Folge eines<br />

Zivilisationsschadens sei. Mit Rousseau (Jean-Jacques Rousseau, 1712-<br />

1778) hat das 18. Jahrhundert, sozusagen als Ausgleich für seinen<br />

Vernunftglauben und Zivilisationsoptimismus, einen gewissen Zi-<br />

vilisationspessimismus gepflegt und in diesem Zusammenhang sich<br />

darauf geeinigt, dass die Menschheit einen wesentlichen Teil ihrer<br />

Leiden ihrer Entfernung von der Natur (daher «zurück zur Na-<br />

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