Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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Lepra 101 und der Pest 102 , nach Laurentius († 1609) auch der Masern<br />
und der Pocken 103 . Der Arzt und Botaniker Petrus Andreas Matthio-<br />
lus (1 00-1 77) weiss, dass man vom Trinken von Menstrualblut,<br />
speziell demjenigen galliger und zänkischer <strong>Frau</strong>en, wahnsinnig<br />
werde. Viele böse und giftige Weiber («maleficae veneficaeque<br />
mulieres» haben dazu noch die dämonologische Dimension) ver-<br />
abreichen solches, von Kakodämonen verführt, ihren Gatten oder<br />
anderen Menschen, die sie hassen 104 . «Sanguis menstruus corrumpit<br />
sanguinem, et generat amorem heroicum», das Menstrualblut ver-<br />
dirbt das Blut und ruft die Liebeskrankheit hervor, schreibt Cardano<br />
in seinen Giftbüchern 10 . Damit stellt er die Beziehung des Men-<br />
strualbluts zum Liebestrank bzw. Liebeszauber (Philtrum) her. Das<br />
Philtrum, ein aktuelles Thema der medizinischen Literatur der Re-<br />
naissance, ist ein Gift oder Zauber, das Liebe herzustellen vermag,<br />
und zwar Liebe zu einer ganz bestimmten Person. So kann das<br />
Philtrum auch Ursache der unfreiwilligen «Liebeskrankheit» wer-<br />
den, die der Renaissance so wohlbekannt war 106 . Es pflegt aus sehr<br />
verschiedenen materiellen und magisch-dämonischen Dingen zu-<br />
sammengemischt zu sein; das Menstrualblut aber, so schreibt Birch-<br />
ler, «gehört zu den meist gebrauchten Liebestrank-Ingredien-<br />
zien» 107 . In seinem Aspekt als wesentlicher Bestandteil des Philtrums<br />
sieht man das Menstrualblut in geradezu paradigmatischer Weise<br />
das materielle Gift und den immateriellen Zauber in sich vereini-<br />
gen, wobei der Hexenzauber nahtlos in den Zauber der schönen<br />
<strong>Frau</strong> übergeht. Die Betrachtung der <strong>Frau</strong> als ein sozusagen physio-<br />
logischerweise innerlich vergiftetes, gifthaltiges, auf psychischer<br />
Ebene zänkisches, giftiges («die Giftspritze») Wesen erscheint in<br />
diesem Zusammenhang dann als die andere Seite der Medaille ihrer<br />
Liebenswürdigkeit.<br />
Im 17. und 18. Jahrhundert werden die alten humoralpathologi-<br />
schen und toxikologischen Ideen um das Menstrualblut vermehrt in<br />
chemisch-biochemische Deutungen gefasst. Die iatrochemischen<br />
Autoren des 17. Jahrhunderts lieben es, die Menstruation als Aus-<br />
druck fermentativer Vorgänge im Geblüt zu betrachten. Dabei<br />
wird einerseits der Anschluss an die humoralpathologische Tradi-<br />
tion hergestellt, andrerseits - fortschrittsgeschichtlich besehen - der<br />
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