Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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21.07.2013 Aufrufe

die von den Arabern speziell gepflegten Wissenschaften wie Alchi- mie, Pharmazie, Toxikologie - orientalische Wissenschaften, die zu wesentlichen Teilen aus Persien, Indien und dem noch ferneren Osten kommen - so gut wie möglich integrierte, das chemisch-to- xikologische, laboratoriumstechnische Verständnis der Menstrua- tion genährt und den Giftcharakter des Menstrualbluts hervorgeho- ben haben. Der «Fasciculus Medicinae» des Johannes von Ketham, ein früher medizinischer Druck von 1491, antwortet auf die Frage, wieso der Blick der Menstruierenden den Spiegel trübe, die gifti- gen Menstruationsdämpfe stiegen eben in den Kopf und suchten da einen Ausgang. Deshalb auch verschlimmere sich das Kopfweh der Menstruierenden durch Tragen eines Schleiers. Dass diese Dämp- fe gerade durch die Augen entwichen, hänge mit deren Porosi- tät zusammen, heisst es weiter. Und es wird auf die Gefahr auf- merksam gemacht, die sich daraus ergibt, dass die Augen damit auch Eingangspforten für das von Menstruierenden Ausgestrahlte sind. Wieso sich die giftigen Frauen nicht selbst vergiften? fragt der Text auch - und antwortet: weil sie sich an das eigene Gift ge- wöhnt haben 93 . War die giftige Frau zu meiden, so war auch das Gift selbst zu fürchten. Der an sich alte Giftcharakter des Menstrualbluts tritt in der Renaissance vermehrt hervor. In der Renaissance - die wissen- schaftliche Renaissance fällt ins späte 1 . und 16. Jahrhundert - ak- zentuiert sich ganz allgemein das wissenschaftliche Interesse am Phänomen Gift. Das Bekanntwerden neuer Gifte aus der Neuen Welt mag dabei seine Rolle gespielt haben, die spektakulären Gift- affären an päpstlichen und weltlichen Höfen - Medici und Borgia - eine andere 94 . Zum allgemeineren Hintergrund des speziellen toxi- kologischen Interesses der Renaissance gehört wohl deren Anti- arabismus, der die Angst vor der orientalischen Giftkunde erhöhte und wohl zuweilen auf die gesamtenchemisch-pharmazeutischen Wissenschaften den Schatten der Giftmischerei war 9 . Ferner haben ja bekanntlich in der Renaissance, im Zusammenhang mit Religionswirren und Wertunsicherheiten, die Hexenverfolgungen ihren grossen Aufschwung genommen. Wie weit auch hier anti- 7

arabistische Tendenzen hineinspielten, wäre abzuklären. Jedenfalls bestehen alte Beziehungen zwischen Frau und Giftmischerei; schon in der klassischen Antike war die Vergiftung ein klassisch weibli- ches Delikt. Von der Küche zum Hexenkessel haben die Frauen durch die Jahrhunderte von ihrer zum grossen Teil wohl durch die Tradition des Frauengeflüsters übermittelten Giftkunde Gebrauch gemacht, ihrem stummen Zorn Genüge zu tun. So fürchtete man in der Hexe nicht nur die böse Zauberin und Teufelshörige, sondern auch die Giftmischerin, um so mehr als Zaubern und Giftmischen bis ins 17. Jahrhundert hinein fliessend ineinander übergingen und über weite Strecken identisch waren. Wenn Hieronymus Cardanus (1 01-1 76) in seinen berühmten Büchern über die Gifte als Kenn- zeichen des Giftes die Unbekanntheit seiner Wirkungsweise an- gibt 96 , ist «Gift» und «Zauber» sozusagen zum Vornherein nicht dif- ferenziert. Cardanos Giftbegriff verschwimmt aber auch mit den Begriffen der Infektion und der rätselhaften akuten inneren Krank- heit bzw. der akuten endogenen Vergiftung - in unserem Zusam- menhang denkt man da an die altehrwürdige Selbstvergiftung an verhaltenem Menstrualblut. Zur Assoziation von Frau und Gift ge- hört natürlich ausser der Hexe auch die Sexualität. Ob es sich dabei um die männliche oder die weibliche Sexualität handelt, ist wohl nicht auszumachen; jedenfalls ist die Literatur, die ja bis vor kur- zem so gut wie gänzlich aus männlicher Feder stammte, voll der mannigfaltigsten Zusammenhänge zwischen Frauen, Hexen, Giften und sexueller Verführbarkeit der Frau, weiblicher Abhängigkeit von der eigenen Sexualität, sexuellen Enttäuschungen, Frustratio- nen, Rachegelüsten und weiblicher Beherrschung der sexuellen Materie samt Verführungskunst. Der böse Blick, der meist Frauen eigen ist 97 , gehört natürlich in diesen Zusammenhang. All dies gehört zum speziellen Hintergrund des speziellen In- teresses der Renaissance am Menstrualblut. Nach Paracelsus (Philip- pus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Para- celsus, 1493-1 41) ist das Menstrualblut der «stercus matricis wie der merda ist stercus stomachi» 98 - ein Unflat, «dem kein Gift auf Erden gleichen mag, schedlicher und strenger» 99 . Menstrualblut gehört zu den Ursachen von allerlei Krankheiten - der «Franzosen» 100 , der 8

arabistische Tendenzen hineinspielten, wäre abzuklären. Jedenfalls<br />

bestehen alte Beziehungen zwischen <strong>Frau</strong> und Giftmischerei; schon<br />

in der klassischen Antike war die Vergiftung ein klassisch weibli-<br />

ches Delikt. Von der Küche zum Hexenkessel haben die <strong>Frau</strong>en<br />

durch die Jahrhunderte von ihrer zum grossen Teil wohl durch die<br />

Tradition des <strong>Frau</strong>engeflüsters übermittelten Giftkunde Gebrauch<br />

gemacht, ihrem stummen Zorn Genüge zu tun. So fürchtete man in<br />

der Hexe nicht nur die böse Zauberin und Teufelshörige, sondern<br />

auch die Giftmischerin, um so mehr als Zaubern und Giftmischen<br />

bis ins 17. Jahrhundert hinein fliessend ineinander übergingen und<br />

über weite Strecken identisch waren. Wenn Hieronymus Cardanus<br />

(1 01-1 76) in seinen berühmten Büchern über die Gifte als Kenn-<br />

zeichen des Giftes die Unbekanntheit seiner Wirkungsweise an-<br />

gibt 96 , ist «Gift» und «Zauber» sozusagen zum Vornherein nicht dif-<br />

ferenziert. Cardanos Giftbegriff verschwimmt aber auch mit den<br />

Begriffen der Infektion und der rätselhaften akuten inneren Krank-<br />

heit bzw. der akuten endogenen Vergiftung - in unserem Zusam-<br />

menhang denkt man da an die altehrwürdige Selbstvergiftung an<br />

verhaltenem Menstrualblut. Zur Assoziation von <strong>Frau</strong> und Gift ge-<br />

hört natürlich ausser der Hexe auch die Sexualität. Ob es sich dabei<br />

um die männliche oder die weibliche Sexualität handelt, ist wohl<br />

nicht auszumachen; jedenfalls ist die Literatur, die ja bis vor kur-<br />

zem so gut wie gänzlich aus männlicher Feder stammte, voll der<br />

mannigfaltigsten Zusammenhänge zwischen <strong>Frau</strong>en, Hexen, Giften<br />

und sexueller Verführbarkeit der <strong>Frau</strong>, weiblicher Abhängigkeit<br />

von der eigenen Sexualität, sexuellen Enttäuschungen, Frustratio-<br />

nen, Rachegelüsten und weiblicher Beherrschung der sexuellen<br />

Materie samt Verführungskunst. Der böse Blick, der meist <strong>Frau</strong>en<br />

eigen ist 97 , gehört natürlich in diesen Zusammenhang.<br />

All dies gehört zum speziellen Hintergrund des speziellen In-<br />

teresses der Renaissance am Menstrualblut. Nach Paracelsus (Philip-<br />

pus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Para-<br />

celsus, 1493-1 41) ist das Menstrualblut der «stercus matricis wie der<br />

merda ist stercus stomachi» 98 - ein Unflat, «dem kein Gift auf Erden<br />

gleichen mag, schedlicher und strenger» 99 . Menstrualblut gehört zu<br />

den Ursachen von allerlei <strong>Krankheit</strong>en - der «Franzosen» 100 , der<br />

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