Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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21.07.2013 Aufrufe

gard, sondern eine allgemeine Überzeugung der im Mittelalter ton- angebenden Gelehrten, der Theologen 8 . Und sie hat bis weit in die Neuzeit hinein, sogar in nicht-säkularisierter Form, fortgelebt. Noch im 17. Jahrhundert schreibt ein wiederum repräsentativer Autor, der Iatrochemiker Johann Baptista van Helmont aus Brüssel: «Will man aber nach der Ursache dieser Blödigkeit fragen» - er nennt die Menstruation «monatlichen Zoll» oder «monatliche Blö- digkeit» - «so ist gewiss, dass die Eva nach der Essung des verbote- nen Apffels sich den (sic!) Kützel der geylen Lust unterwürffig ge- macht, auch den Mann zur fleischlichen Vermischung angereitzet und zugelassen: Daher die hiervon empfange Menschliche Natur ins Verderben gerathen, und fortan in solcher Unart geblieben: um welches Verderbens willen die Nachkommen der vorigen unver- gleichlichen Reinigkeit beraubet worden. Dannenhero die Vermu- thung entstehet, dass Eva ... das Zeugnüs auf alle ihre Nachkom- men bringen müssen, wie nicht nur sie gefallen, sondern diese Schuld ... auch auf die ihrigen gerathen, und dieselben dieser bluti- gen Verunstaltung an ihrer Natur entgelten müssen. ... Solcher Ge- stalt nun ist dieser Fluch in die Natur eingegangen und wird auch so bleiben. Und um eben dieser Ursache willen ist auch die Noth- wendigkeit dieser Monathlichen Schwachheit entstanden. ... Dan- nenhero möchte man aus dem bisshero gemeldeten diesen Schluss machen: dass die unvergleichliche Mutter Christi, ... weil sie nie- mahlen keine Verderbung bey sich statt finden lassen, folglich auch nie dieser Monathlichen Blödigkeit unterworffen gewesen ...» 86 . Die Lehre von der Menstruation als Sündenmal klingt auch in je- ner Ansicht eines iatrochemisch interessierten späteren Autors nach, über die Müller-Hess in seiner überaus reichhaltigen Arbeit berich- tet, nach welchem «das menstruationserregende Ferment in dem Apfel der Eva enthalten gewesen sei» 87 . Die Sünde ist in diesem Zusammenhang engstens mit der Sexua- lität assoziiert - wobei auf Eva eine doppelte Last zu liegen kommt: die der eigenen Sexualität und dazu noch die derjenigen Adams, denn sie ist die Verführerin - und gleichsam zur eigenen Entlastung scheint Adam dann Evas Menstruation als gerechte Strafe zu emp- finden.

War die Menstruierende unrein und sündig, so leuchtete es ein, dass die von ihr abgeschiedene Materie ein Gift sein müsse - wobei, da das Mittelalter aus materieller und geistiger Schädlichkeit keinen Gegensatz machte, der Giftbegriff mit dem Begriff des bö- sen Zaubers verfloss. Die Auffassung des Menstrualblutes als Gift hat seine antiken Wurzeln in der Naturgeschichte des Plinius (Gaius Plinius Secundus, 23-79 n. Chr.). Es kann nichts Bemerkenswerteres gefunden werden als der Fluss der Frauen, heisst es da. «Denn Wein so im Most ist, machet er zu seiner Zeit sauer, die Früchten ange- griffen welck, was gepflantzet verdoret davon. Er verbrennet das Gewechs der Gärten, die Frücht an den Böumen thut er abfallen. Der Widerschein der Spiegel wirt dardurch verduncklet, das Eisen, so es gleich wol gescherpffet, wirt stümpff, des Helffenbeins Weisse gelb. Es sterben davon die Immen in ihren Stöcken, und verrostet gleich was er berüret. So ihnen die Hund schlecken, werden sie un- sinnig, unnd ist kein Artzney für derselbigen Hund Biss. ... Und dise gantz beschwerliche kranckheit kömmet alle malh in dreissig Tagen ... Ettliche haben ihn mehr ... ettliche gar nimmer. Aber dieselbigen sind unfruchtbar» 88 . Auch Aristoteles kennt das Phäno- men, dass sich in Anwesenheit Menstruierender Spiegel trübten. Diese Wirkung wird für ihn durch den Blick vermittelt. Aristoteles erkennt dem Sehorgan einige eigene Strahlkraft zu, und diese äus- sert sich im Fall der fiebrigen Störung des Bluts der Menstruieren- den am blanken Spiegel durch roten Beschlag 89 . Die Giftwirkung des Menstrualblutes wird hier zum bösen Blick. Der böse Blick der Menstruierenden und die Giftwirkung des Menstrualblutes waren dem Mittelalter geläufige Dinge. Den bösen Blick findet man bei Albertus Magnus (1193-1280) 90 , bei Konrad von Megenberg (1309- 1374) verursacht er die Pocken 91 . Eine Viermeisterglosse zur saler- nitanischen Chirurgie des Meisters Roger Frugardi (2. Hälfte des 12. Jh.), die nach der Mitte des 13. Jahrhunderts in Südfrankreich entstanden sein soll, rät dem Chirurgen, vor der Trepanation die Unterhaltung mit menstruierenden Frauen zu vermeiden, weil sol- che die Wundheilung gefährden 92 . Volksmedizinische Traditionen spielen zweifellos in diese Lehren hinein. Ausserdem dürfte die so- genannte «arabische Rezeption», im Verlaufe derer das Abendland 6

War die Menstruierende unrein und sündig, so leuchtete es ein,<br />

dass die von ihr abgeschiedene Materie ein Gift sein müsse - wobei,<br />

da das Mittelalter aus materieller und geistiger Schädlichkeit<br />

keinen Gegensatz machte, der Giftbegriff mit dem Begriff des bö-<br />

sen Zaubers verfloss. Die Auffassung des Menstrualblutes als Gift<br />

hat seine antiken Wurzeln in der Naturgeschichte des Plinius (Gaius<br />

Plinius Secundus, 23-79 n. Chr.). Es kann nichts Bemerkenswerteres<br />

gefunden werden als der Fluss der <strong>Frau</strong>en, heisst es da. «Denn Wein<br />

so im Most ist, machet er zu seiner Zeit sauer, die Früchten ange-<br />

griffen welck, was gepflantzet verdoret davon. Er verbrennet das<br />

Gewechs der Gärten, die Frücht an den Böumen thut er abfallen.<br />

Der Widerschein der Spiegel wirt dardurch verduncklet, das Eisen,<br />

so es gleich wol gescherpffet, wirt stümpff, des Helffenbeins Weisse<br />

gelb. Es sterben davon die Immen in ihren Stöcken, und verrostet<br />

gleich was er berüret. So ihnen die Hund schlecken, werden sie un-<br />

sinnig, unnd ist kein Artzney für derselbigen Hund Biss. ... Und<br />

dise gantz beschwerliche kranckheit kömmet alle malh in dreissig<br />

Tagen ... Ettliche haben ihn mehr ... ettliche gar nimmer. Aber<br />

dieselbigen sind unfruchtbar» 88 . Auch Aristoteles kennt das Phäno-<br />

men, dass sich in Anwesenheit Menstruierender Spiegel trübten.<br />

Diese Wirkung wird für ihn durch den Blick vermittelt. Aristoteles<br />

erkennt dem Sehorgan einige eigene Strahlkraft zu, und diese äus-<br />

sert sich im Fall der fiebrigen Störung des Bluts der Menstruieren-<br />

den am blanken Spiegel durch roten Beschlag 89 . Die Giftwirkung<br />

des Menstrualblutes wird hier zum bösen Blick. Der böse Blick der<br />

Menstruierenden und die Giftwirkung des Menstrualblutes waren<br />

dem Mittelalter geläufige Dinge. Den bösen Blick findet man bei<br />

Albertus Magnus (1193-1280) 90 , bei Konrad von Megenberg (1309-<br />

1374) verursacht er die Pocken 91 . Eine Viermeisterglosse zur saler-<br />

nitanischen Chirurgie des Meisters Roger Frugardi (2. Hälfte des<br />

12. Jh.), die nach der Mitte des 13. Jahrhunderts in Südfrankreich<br />

entstanden sein soll, rät dem Chirurgen, vor der Trepanation die<br />

Unterhaltung mit menstruierenden <strong>Frau</strong>en zu vermeiden, weil sol-<br />

che die Wundheilung gefährden 92 . Volksmedizinische Traditionen<br />

spielen zweifellos in diese Lehren hinein. Ausserdem dürfte die so-<br />

genannte «arabische Rezeption», im Verlaufe derer das Abendland<br />

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