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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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so ungefähr meine eigenen, so dass sie mir eher Schutz als Enge<br />

bedeuteten. Wenn ich etwa an der Medizingeschichte der weibli-<br />

chen Minderwertigkeit arbeitete, war ich ganz froh um die vier<br />

Wände meines Büros und um die akademische Pflicht, von<br />

meiner eigenen Person abzusehen. Haben Männer die Schwäche<br />

und Verletzlichkeit, die sie an sich selbst nicht akzeptieren<br />

konnten, lange als »<strong>Krankheit</strong> <strong>Frau</strong>« auf das »Andere Ge-<br />

schlecht« projiziert und abgeschoben, so habe ich meine<br />

»<strong>Krankheit</strong> <strong>Frau</strong>« mindestens als Geschichts-Wissenschaftlerin<br />

ins Reich der Vergangenheit verbannt und ihre aktuellen Er-<br />

scheinungen methodisch zu Resten der Prähistorie verarbeitet.<br />

Ein Glück, dass die Universität die kaltfedrige, objektivierende<br />

Distanznahme honoriert; mit-leidender hätte ich es einfach nicht<br />

geschafft. Dass ich dabei eigene Schwäche und Empfindlichkeit<br />

auf traditionell-männliche Weise abgespalten und anästhesiert<br />

habe, war wohl der Preis, in der gegebenen Situation aber auch<br />

die Voraussetzung für meine Forschungen.<br />

Was aber zunächst geschützter Freiraum gewesen war, wurde<br />

mir allmählich eng und bedrohlich. Einmal von aussen - Sitzun-<br />

gen nahmen zu, das Sitzen wurde mir überhaupt zu viel,<br />

Mitgliedschaften nisteten sich ein, einige Repräsentationspflich-<br />

ten waren schlichtweg unvermeidlich, das Institut wuchs, ob-<br />

wohl ich es bewusst klein hielt. Ferner die widersprüchlichen<br />

Anforderungen - der doublebind des Systems -: kreativ und<br />

doch berechenbar, offen und doch innerhalb bestimmter Gren-<br />

zen und so weiter; und dann zusätzlich, falls mann <strong>Frau</strong> ist: die<br />

Erwartungsschere, welche verlangt, dass frau ihren Mann stehe<br />

und dabei doch »ganz-<strong>Frau</strong>-bleibe«. Zudem wollen und können<br />

<strong>Frau</strong>en im allgemeinen von den vom System offerierten Kom-<br />

pensationen für das, was ihnen zugemutet wird, weniger Ge-<br />

brauch machen als Männer. Mir ging es jedenfalls so. Das<br />

kritische Mehr an Zumutungen, was mir als <strong>Frau</strong> begegnete, und<br />

das Weniger an konventionellen Kompensationen haben bei mir<br />

den Leidensdruck auf einen Punkt bringen helfen, wo Änderun-<br />

gen möglich werden. Irgendwann wird die Angst, zum Opfer<br />

aller angebotenen Sicherheiten zu werden, grösser als die Angst,<br />

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