Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wie männlich ist die Wissenschaft?<br />
Wie männlich ist die<br />
Wissenschaftlerin?<br />
So männlich jedenfalls, dass ich, als ich innerhalb der institutio-<br />
nalisierten Wissenschaft (welche ich hier vor allem unter »der«<br />
Wissenschaft verstehe) vom Status PD (Privatdozentin) zur<br />
Professur aufrückte, im Herzen unserer Gesellschaft, in den<br />
Computern nämlich, zum Manne wurde.<br />
Ab dato fand ich mich auf einem grossen Teil der Post, welche<br />
mir Wirtschaft, Industrie und sogar fernere Universitäten zu-<br />
sandten, als Herrn imaginiert. Amnesty International, eine<br />
Institution, die mich bis dahin als <strong>Frau</strong> notiert hatte, glaubte<br />
offenbar, sich bis dahin in meinem Geschlecht getäuscht zu<br />
haben. Meiner Gattin gedachten allerlei Banken und Unterneh-<br />
men, indem sie mich anregten, ihr mal Pelze oder Perlen zu<br />
schenken - wissend, dass Professorengattinnen bei der notori-<br />
schen Zerstreut- und anderer Abwesenheit ihrer Lebensgefähr-<br />
ten besonders trostbedürftig sind, Professoren aber mehr Geld<br />
als Zeit zur Verfügung haben. Ich konnte den Briefen, die an<br />
mich ergingen, auch entnehmen, dass ich für erheblich-verdie-<br />
nend, aber des Umgangs mit Geld wenig kundig gehalten wurde,<br />
denn es wurden mir oft die seltsamsten Anlagen und Beteiligun-<br />
gen, an Diamantenminen und Hochseeschiffahrtsgesellschaften,<br />
auch überseeisches Land angeboten.<br />
Umgekehrt wurde ich rasch zur <strong>Frau</strong>, als ich die Universität -<br />
grundlos, wie es manchen schien - verliess. »Nur eine <strong>Frau</strong> kann<br />
sich sowas leisten!« rief wütend ein an sich befreundeter Insti-<br />
tutsdirektor aus, der mich bis dahin liebenswürdig und väterlich<br />
gefördert hatte. So ist das wohl tatsächlich. Er hat mit Blick auf<br />
mein feministisches Engagement auch gesagt, ich würde damit<br />
den <strong>Frau</strong>en keinen Dienst tun, man sehe nun nur einmal mehr,<br />
dass <strong>Frau</strong>en unberechenbar seien und das Zeug einfach hin-<br />
145