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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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verlogenen Anerkennung der Sittlichkeit durch die <strong>Frau</strong>, welche<br />

doch »universale Sexualität« verkörpert - »so tief sitzt die Lüge,<br />

die organische, [. . .] die ontologische Verlogenheit des<br />

Weibes«.<br />

Immer und immer wieder dient die weibliche Lüge letztlich der<br />

Verleugnung der Sexualität. »Als die Menstruation anfing, ein<br />

Gegenstand des Widerwillens für die Männer zu werden«,<br />

schreibt Lombroso, »musste das Weib sie zu verheimlichen<br />

suchen, und auch heute noch ist dies Verbergen eine der ersten<br />

Lügen, die man sie lehrt; man erzieht sie dazu, ihren Zustand<br />

unter Vortäuschung anderer Leiden zu verstecken. Mit anderen<br />

Worten heisst das, man zwingt sie dazu, jeden Monat zwei bis<br />

drei Tage fortgesetzt zu lügen, was eine periodische Übung in<br />

der Simulation bedeutet. Nichts ist während der Periode der<br />

Menstruation häufiger, als die mit Bosheit und Tücke verbunde-<br />

ne Lüge. [. . .] In dieser Zeit ist Jede Weib par excellence, die<br />

Reizung ihrer Genitalorgane erregt alle die Gefühle, die, vereint,<br />

die Liebe des Weibes bilden; unter anderem wird dann auch<br />

[. . .] der Hang zur Lüge« stärker. »Die Pflichten der Mutter-<br />

schaft«, fährt er fort, »sind ebenfalls ein Moment, das die <strong>Frau</strong><br />

zur Lüge zwingt, denn die ganze Kindererziehung besteht aus<br />

einer Reihe mehr oder weniger geschickter Lügen, die theils dazu<br />

bestimmt sind, die sexuellen Beziehungen [. . .] zu verhüllen,<br />

theils [. . .], das Kind [. . .] auf die Wege des Rechten zu<br />

lenken.«<br />

Weibliche Lügenhaftigkeit geht demnach auch fliessend in weib-<br />

liche Schamhaftigkeit und selbstverleugnende Keuschheit über.<br />

Und wie diese ermöglichte sie es der <strong>Frau</strong>, den paradoxen<br />

Anforderungen zu genügen, welche eine männlich dominierte<br />

Gesellschaft an sie stellte, namentlich der Aufgabe, alle im<br />

Zusammenhang mit Sexuellem auftauchenden Widersprüche zu<br />

lösen.<br />

Kein Wunder also, dass die »rätselvolle Sphinx« Hysterie zur<br />

Schrittmacherin neuer gedanklicher Ansätze in der Medizin<br />

wurde, Schrittmacherin psychologischer und soziologischer An-<br />

sätze zunächst. Denn medizinisch-biologisch war an sie offen-<br />

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