Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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wurden, sondern dass auch heute noch keine Verständigung<br />
[. . .] erzielt worden ist.« »Die Hysterie bleibt die rätselvolle<br />
Sphinx«, leitet Siegfried Placzec sein Buch über »das Ge-<br />
schlechtsleben der Hysterischen« (1919) ein.<br />
Die <strong>Frau</strong> des 19. Jahrhunderts in ihrer Hysterie irritiert den<br />
objektivierenden Blick ihres männlichen Partners und Arztes,<br />
führt ihn gewissermassen ad absurdum, indem sie sich objektiv<br />
vor allem dadurch charakterisieren lässt, dass sie vexierbildartig,<br />
irrlichtartig täuscht, lügt, manipuliert. Die notorische Lügenhaf-<br />
tigkeit der <strong>Frau</strong> ist in der Hysterie bis zum Unglaublichen<br />
verstärkt. Wenn die normale <strong>Frau</strong> mit Worten und Masken lügt,<br />
so lügt die Hysterika mit ihrem ganzen Körper: während die<br />
normale <strong>Frau</strong> sich der Lüge bedient, bedient sich in der Hysterie<br />
die Lüge der <strong>Frau</strong>. Irgendeine Einbildung oder Idee, woher auch<br />
immer stammend, kann sich in der Hysterie in greifbare Körper-<br />
lichkeit umsetzen.<br />
»Phantasiasis« solle man sie nennen, schlägt Schleich vor. »Es<br />
wäre überflüssig, nachzuweisen, wie die Verlogenheit zur Ge-<br />
wohnheit, ja [. . .] zu einer physiologischen Eigenthümlichkeit<br />
des Weibes geworden ist«, schreiben Lombroso (und sein<br />
Schwiegersohn), und tatsächlich kann er seitenweise Sprich-,<br />
Dichter- und Philosophenwörter zum Beleg der natürlichen<br />
Lügenhaftigkeit der <strong>Frau</strong> beibringen. Er unterstellt eine bewusste<br />
und eine instinktive Verlogenheit der <strong>Frau</strong>en: »Die Unwahrhaf-<br />
tigkeit ist so sehr ein organischer Bestandteil des weiblichen<br />
Charakters geworden, dass ein Weib niemals ganz aufrichtig sein<br />
kann.« Und die Hysterie, wird Weininger schreiben, ist nur »die<br />
organische Krisis der organischen Verlogenheit des Weibes«.<br />
Überdies stellt er den Zusammenhang zwischen diesem Hang<br />
der <strong>Frau</strong> zur Lüge und ihrer notorischen Passivität, Empfäng-<br />
lichkeit, Suggestibilität und totalen Sexualität heraus. »Es ist die<br />
allgemeine Passivität der weiblichen Natur, welche die <strong>Frau</strong>en<br />
am Ende auch die männlichen Wertungen [. . .] acceptieren und<br />
übernehmen lässt. [. . .] Nichts hindert also, dass die männliche<br />
negative Wertung der Sexualität die positive weibliche vollstän-<br />
dig im Bewusstsein des Weibes überdecke.« So kommt es zu der<br />
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