Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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chern« unter den Männern, wobei angeborenes Verbrechertum<br />
im Sinne Lombrosos ebensosehr <strong>Krankheit</strong> ist wie Laster. So<br />
entspricht die <strong>Frau</strong> in ihrer natürlichen Mangelhaftigkeit auch<br />
dem Homosexuellen, dem Onanisten und dem Manne, dessen<br />
Nervensystem durch sexuelle Ausschweifungen geschwächt ist.<br />
Nicht selten werden solche Männer als effeminiert, verweib- und<br />
verweichlicht beschrieben, als ob die »<strong>Krankheit</strong> <strong>Frau</strong>« sie<br />
tatsächlich befallen hätte.<br />
»Das normale Verhalten des Kindes ist bei dem Erwachsenen<br />
pathologisch, das des Weibes bei dem Manne, das des Negers bei<br />
dem Europäer«, schreibt Möbius und stellt fest, dass man bei<br />
geistig niedrig stehenden Männern den weiblichen ähnliche<br />
hirnanatomische Verhältnisse finde.<br />
Ein weibliches Gehirn vermuten manche auch im Schädel des<br />
Perversen, des Homosexuellen. Indem der Homosexuelle »bis<br />
zur Hysterik launisch, neidisch, feige, kleinlich, rachsüchtig und<br />
aufwallend ist, vereinigt er in sich alle Mängel des Weibes«,<br />
schreibt Benjamin Tarnowsky (1837-1906). Auch in der starken<br />
Bestimmtheit durch seine Sexualität gleicht der Homosexuelle<br />
dem Weibe. Ähnlich wie im Stereotyp »<strong>Frau</strong>« bzw. »weibliches<br />
Geschlecht« nimmt im Stereotyp »Homosexueller« bzw. »drit-<br />
tes Geschlecht« das Merkmal Sexualität eine absolut übergeord-<br />
nete Stellung ein, während der normale Mann des 19. Jahrhun-<br />
derts sich doch immer in erster Linie als Mensch identifiziert, der<br />
unter anderem über eine Sexualität verfügt. Dass dieser normale<br />
Mann im Homosexuellen wie in der <strong>Frau</strong> seinen möglichen<br />
Sexualpartner bzw. wiederum seine eigenen sexuellen Möglich-<br />
keiten pathologisiert, braucht wohl kaum gesagt zu werden.<br />
Interessant ist wiederum, dass das, was beim Manne als krankhaft<br />
gilt, die homosexuelle Neigung nämlich, bei der <strong>Frau</strong> wenig<br />
auffiel. »Eigentümlich für das weibliche Empfinden ist auch die<br />
Tatsache«, schreibt Forel, »dass eine pathologische Erscheinung,<br />
die bei Männern ungemein scharf absticht, beim Weibe viel<br />
weniger vom normalen Empfinden abgegrenzt ist; ich meine die<br />
auf das gleiche Geschlecht gerichtete Libido.«<br />
Auch der sexuell exzessive Mann und der männliche Onanist<br />
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