Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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Kenntniss des Menschen, dass die katholische Kirche ihre Priester<br />
zur Keuschheit (Cölibat) verpflichtet«.<br />
Dahinter steht die Angst vor der eigenen Sinnlichkeit, Angst vor<br />
der <strong>Frau</strong> als Zerstörerin von höherer Geistigkeit und höherem<br />
sozialem Gebilde. Die <strong>Frau</strong> erscheint als Vampir, der dem<br />
Manne die höheren Lebenskräfte aus dem Leibe saugt, wie er<br />
sich durch Onanie selbst um dieselben bringt, als Gefäss von<br />
Trieben, welche, entfesselt, geeignet sind, Mann und Männer-<br />
staat zu zerstören. Lombroso und Ferrero nennen das normale<br />
Weib ein halbkriminaloides Wesen: »<strong>Frau</strong>en sind grosse Kinder;<br />
ihre bösen Triebe sind zahlreicher und mannigfaltiger als beim<br />
Manne, nur bleiben sie fast immer latent; wenn sie aber einmal<br />
aufgereizt und geweckt werden, so ist natürlich das Resultat<br />
um so schlimmer.« Und: »Das normale Weib besitzt viele Cha-<br />
rakterzüge, durch die es sich [. . .] dem Verbrecher nähert.«<br />
»Wäre das Weib nicht körperlich und geistig schwach, wäre es<br />
nicht in der Regel durch die Umstände unschädlich gemacht, so<br />
wäre es höchst gefährlich. In den Zeiten politischer Unsicher-<br />
heit hat man mit Schrecken die Ungerechtigkeit und Grausam-<br />
keit der Weiber kennengelernt, ebenso an den Weibern, die un-<br />
glücklicherweise zur Herrschaft gekommen sind«, schreibt Mö-<br />
bius; der sächsische Ministerialdirektor Dr. Erich Wulffen wird<br />
noch 1925 die <strong>Frau</strong> eine »geborene Sexualverbrecherin«<br />
nennen.<br />
Dieses System voneinander gegenseitig bedingenden Konzepten<br />
und Ängsten ist zweifellos mit der Pathologisierung der <strong>Frau</strong> im<br />
19. Jahrhundert eng verquickt. Untergründig hat diese Patholo-<br />
gisierung die Bedeutung eines medizinisch-wissenschaftlichen<br />
Bannzaubers gegen die Systemgefährdung durch das auf die <strong>Frau</strong><br />
projizierte sexuelle Prinzip. Die Ähnlichkeit zwischen dem<br />
Manne, der seine Sexualität nicht hinreichend zu kontrollieren<br />
imstande ist, und der »normalen« <strong>Frau</strong> ist unverkennbar - die<br />
Ähnlichkeit also der »<strong>Krankheit</strong> weiblichen Geschlechts« und<br />
der <strong>Krankheit</strong> des unbe»herr«schten Mannes.<br />
So entspricht die <strong>Frau</strong> in ihrem natürlichen Hang zum Verbre-<br />
chen den einzelnen unglücklichen »geborenen Sexualverbre-<br />
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