Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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auszugrenzen. Für den Berliner Gerichtsmediziner Johann Lud-<br />
wig Casper (1796-1864) unterscheidet sich der Geschlechtstrieb<br />
von den anderen Trieben dadurch, »dass er beim gesunden<br />
Menschen nicht sich bis zur Unbezwinglichkeit steigert«, denn<br />
er ist nicht Selbsterhaltungstrieb, sondern Gattungserhaltungs-<br />
trieb. »Freilich ist es praktisch eine missliche Sache, eine unwi-<br />
derstehliche Stärke des Geschlechtstriebes zuzulassen«, schreibt<br />
später Albert Moll (1862-1939). Vielmehr kann vom Manne<br />
verlangt und erwartet werden, dass er seine Sinnlichkeit zu<br />
höherem Zwecke produktiv einsetzt, genau wie männlicher<br />
Geist »die <strong>Frau</strong>« gesellschaftlich nutzt. Die Sexualität wird damit<br />
niedriger, sinnlicher »Trieb«, Triebkraft, energetische Basis von<br />
Höherem, Sublimem, Sublimiertem, wie das Feuer dem<br />
19. Jahrhundert vorwiegend in seiner in die Dampfmaschine und<br />
Lokomotive gebannten, technisch beherrschten Form bedeut-<br />
sam war. Man kann sich fragen, wieweit das psychologische<br />
Sublimationskonzept tatsächlich in der Technik des 19. Jahr-<br />
hunderts wurzle. »Jedenfalls bildet das Geschlechtsleben den<br />
gewaltigsten Factor im individuellen und socialen Dasein, den<br />
mächtigsten Impuls zur Bethätigung der Kräfte, zur Erwerbung<br />
von Besitz, zur Gründung eines häuslichen Heerdes«, schreibt<br />
Krafft-Ebing.<br />
Wie aber »das sexuale Leben die Quelle der höchsten Tugenden<br />
werden kann«, fährt er fort, »so liegt in seiner sinnlichen Macht<br />
die Gefahr, dass es zur mächtigen Leidenschaft ausarte. [. . .] Als<br />
entfesselte Leidenschaft gleicht die Liebe einem Vulkan, der alles<br />
versengt, verzehrt, einem Abgrund, der Alles verschlingt-Ehre,<br />
Vermögen, Gesundheit«. Dasselbe gilt, die <strong>Frau</strong> als Projektions-<br />
feld dieser vulkanischen Kräfte und Abgründe betreffend, zwi-<br />
schenmenschlich und gesellschaftlich: wo auf sozialer Ebene die<br />
Sinnlichkeit überhandnimmt, »entsteht [. . .] die Gefahr für die<br />
Gesellschaft, dass Maitressen [. . .] den Staat regieren und dieser<br />
zu Grunde geht. [. . .] Es ist ein Zug feiner psychologischer<br />
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