Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
ald anders definiert, bald als diejenige, deren Liebe nur durch die Instinkte diktiert sei, diejenige, die nichts als Sexualität sei, und diejenige, zu deren Normalität es gehöre, dass sie kaum über Libido sexualis verfüge: »Es gibt ausserordentlich normale und tüchtige Frauen, die zeitlebens sexuell ganz kalt bleiben«, schreibt Forel. Krafft-Ebing findet eine komplexere Formel: ist das Weib »geistig normal entwickelt und wohlerzogen, so ist sein sinnliches Verlangen ein geringes. Wäre dem nicht so, so müsste die ganze Welt ein Bordell und Ehe und Familie undenkbar sein«. Das einzige, was nicht in Frage stand, war, dass Frauen in jedem Falle in erster Linie von ihrer sexuellen Situation her verstanden werden müssten. Dieser typischen Haltung gegenüber der Frau entspricht die Haltung gegenüber der männlichen Sexualität. Die Beziehung zwischen Liebe und Sexualität ist wiederum variabel. So oder so aber ist Sexualität ein untergeordneter, eingegrenzter und zu be- »herr«sehender Bereich individuell-menschlichen beziehungs- weise männlichen Daseins - genau wie das Element weibliches Geschlecht innerhalb von Gesellschaft und Familie. Jedermann ist sich hierüber einig. »Für den Mann ist die Liebe fast stets nur Episode«, schreibt Krafft-Ebing, »er hat daneben viele und wichtige Interessen; für das Weib hingegen ist sie der Hauptin- halt des Lebens.« Zu diesem Konzept passt der Befund, dass sich die erogenen Zonen bei der Frau angeblich über den ganzen Körper ausdeh- nen, beim Manne aber eng begrenzt sind (»W ist nichts als Sexualität«, fasst Otto Weiniger zusammen, »M ist sexuell und noch etwas darüber.« »Der Mann kann« sogar, schreibt Forel, »die höhere Liebe vom Sexualtrieb so trennen, dass bei ihm in dieser Beziehung zwei total verschieden fühlende Individuen im gleichen Gehirn vorhanden sind; ein Mann kann sogar der liebevollste Gatte sein und daneben seine Sinnlichkeit mit feilen Dirnen befriedigen. Beim Weibe ist eine solche Trennung [. . .] unnatürlich«. Denn wesentlich ist der Mann geistig und fähig, seine Sexualität kraft seines Geistes selbst zu ordnen, zu führen, zu handhaben, 107
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ald anders definiert, bald als diejenige, deren Liebe nur durch<br />
die Instinkte diktiert sei, diejenige, die nichts als Sexualität sei,<br />
und diejenige, zu deren Normalität es gehöre, dass sie kaum über<br />
Libido sexualis verfüge: »Es gibt ausserordentlich normale und<br />
tüchtige <strong>Frau</strong>en, die zeitlebens sexuell ganz kalt bleiben«,<br />
schreibt Forel. Krafft-Ebing findet eine komplexere Formel: ist<br />
das Weib »geistig normal entwickelt und wohlerzogen, so ist sein<br />
sinnliches Verlangen ein geringes. Wäre dem nicht so, so müsste<br />
die ganze Welt ein Bordell und Ehe und Familie undenkbar<br />
sein«. Das einzige, was nicht in Frage stand, war, dass <strong>Frau</strong>en in<br />
jedem Falle in erster Linie von ihrer sexuellen Situation her<br />
verstanden werden müssten.<br />
Dieser typischen Haltung gegenüber der <strong>Frau</strong> entspricht die<br />
Haltung gegenüber der männlichen Sexualität. Die Beziehung<br />
zwischen Liebe und Sexualität ist wiederum variabel. So oder so<br />
aber ist Sexualität ein untergeordneter, eingegrenzter und zu be-<br />
»herr«sehender Bereich individuell-menschlichen beziehungs-<br />
weise männlichen Daseins - genau wie das Element weibliches<br />
Geschlecht innerhalb von Gesellschaft und Familie. Jedermann<br />
ist sich hierüber einig. »Für den Mann ist die Liebe fast stets nur<br />
Episode«, schreibt Krafft-Ebing, »er hat daneben viele und<br />
wichtige Interessen; für das Weib hingegen ist sie der Hauptin-<br />
halt des Lebens.«<br />
Zu diesem Konzept passt der Befund, dass sich die erogenen<br />
Zonen bei der <strong>Frau</strong> angeblich über den ganzen Körper ausdeh-<br />
nen, beim Manne aber eng begrenzt sind (»W ist nichts als<br />
Sexualität«, fasst Otto Weiniger zusammen, »M ist sexuell und<br />
noch etwas darüber.« »Der Mann kann« sogar, schreibt Forel,<br />
»die höhere Liebe vom Sexualtrieb so trennen, dass bei ihm in<br />
dieser Beziehung zwei total verschieden fühlende Individuen im<br />
gleichen Gehirn vorhanden sind; ein Mann kann sogar der<br />
liebevollste Gatte sein und daneben seine Sinnlichkeit mit feilen<br />
Dirnen befriedigen. Beim Weibe ist eine solche Trennung [. . .]<br />
unnatürlich«.<br />
Denn wesentlich ist der Mann geistig und fähig, seine Sexualität<br />
kraft seines Geistes selbst zu ordnen, zu führen, zu handhaben,<br />
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