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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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Form des Kinderwunsches an. »Wenn der Anblick eines be-<br />

stimmten Mannes in einem jungen Mädchen sehnsüchtige Sym-<br />

pathiegefühle erregt«, schreibt Auguste Forel in seiner »Sexuel-<br />

len Frage«, »nehmen sie die Form der Begierde nach Kinderer-<br />

zeugung durch eben diesen Mann, nach ›sich demselben (oft<br />

sklavisch) hingeben‹, nach [. . .] einer Stütze für das Leben an.<br />

Es ist [. . .] eine Sehnsucht, nach Familiengründung und Mutter-<br />

glück, nach [. . .] Befriedigung einer im ganzen Körper verallge-<br />

meinerten Sinnlichkeit, die sich [. . .] nicht besonders auf die<br />

Sexualorgane konzentriert oder nach Begattung verlangt.« Denn<br />

die eigentliche Liebe des Weibes ist die höhere, die Mutterliebe.<br />

»Vor der Mutterliebe«, schreibt Krafft-Ebing, »schwindet die<br />

Sinnlichkeit.«<br />

Wenn man nun fragt, ob Sexualität hier in Mutterliebe verwan-<br />

delt bzw. domestiziert werde oder einfach verschwunden sei, ob<br />

Liebe mit Sexualität überhaupt etwas zu tun habe oder nicht, so<br />

muss die Antwort paradox ausfallen: beides ist der Fall. Und das<br />

Bild von der <strong>Frau</strong> als verkörperte Sexualität im Dienste höherer<br />

Werte, welches ja das Anforderungsprofil an die gesunde,<br />

normale, akzeptierte <strong>Frau</strong> darstellt, enthält dieses Paradox<br />

auch. Denn letztlich schliessen sich ein Leben für die Sexualität<br />

und ein Leben für Mann, Familie und Staat gegenseitig aus, auch<br />

wenn sich beide im Leben der Mutter, in der geistigen Liebe<br />

zwanglos vereinen zu lassen scheinen. Wenn man dies sieht,<br />

versteht man etwas von dem Druck, der die <strong>Frau</strong> des 19. und<br />

eines grossen Teils des 20. Jahrhunderts in die Mutterschaft<br />

zwang, etwas von dem Zusammenhang zwischen paradoxen<br />

Anforderungen und sozialer Diskrimination und etwas von der<br />

Schwierigkeit dieser Zeit, mit Sexualität und mit <strong>Frau</strong>en umzu-<br />

gehen.<br />

Tatsächlich war die Logik solcher Konzepte nur dank der<br />

Tatsache gewährleistet, dass die Begriffe »Liebe« und »Sexuali-<br />

tät« ganz unklar und ihre Beziehung zueinander ungeklärt<br />

blieben - eine konfliktschwangere Tatsache allerdings. Und<br />

diese Konfliktschwangerschaft wurde nun elegant dem weibli-<br />

chen Teil der Menschheit zugeschoben. Die <strong>Frau</strong> wurde bald so,<br />

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