Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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Beziehung zum Mann aber, als ein Teil von ihm, als Gattin und<br />
Mutter seiner Kinder, ist sie gesund. Entsprechend kommt eine<br />
Genesung von der <strong>Krankheit</strong> »weibliches Geschlecht« für sie<br />
nicht in Frage - oder nur unter Verlust dessen, was sie ausmacht<br />
(eine starke und intelligente <strong>Frau</strong> ist keine normale oder sogar<br />
überhaupt keine <strong>Frau</strong> mehr).<br />
Angesichts der Tatsache, dass es wesentlich Männer gewesen<br />
sind, die dieses Bild von der <strong>Frau</strong> entworfen haben, könnte man<br />
auch sagen: Der Mann verlangt von der <strong>Frau</strong>, was er an sich<br />
selbst als krankhaft abzulehnen tendiert.<br />
Das weibliche Geschlecht also als das kranke Geschlecht-wobei<br />
»Geschlecht« zugleich die Gruppe bezeichnet und die Ge-<br />
schlechtlichkeit, welche diese Gruppe ausmacht. Vielfach wird<br />
die <strong>Frau</strong> ja einfach das »Geschlecht« genannt, das schwache, das<br />
zarte »Geschlecht«, »the sex«, »le sexe« auf französisch. Tat-<br />
sächlich ist sie für den Mann, insofern sie nicht Mensch ist wie er<br />
selbst, wesentlich durch ihr Geschlecht von ihm verschieden -<br />
das »andere«, das »zweite Geschlecht«. Und wenn er ihr nun so<br />
zwiespältig gegenübersteht und von ihr einfordert, was er an sich<br />
selbst ablehnt: könnte sich im Bild von der <strong>Krankheit</strong> am<br />
Geschlecht nicht auch das nicht eingestandene Leiden der Auto-<br />
ren und ihrer Zeit an eigenem Geschlecht, Geschlechtlichkeit,<br />
Emotionalität, Körperlichkeit überhaupt spiegeln?<br />
Es stellt sich also die Frage nach sexuellen Determinanten,<br />
sexualgeschichtlichen Hintergründen des wissenschaftlichen<br />
Konzeptes von der <strong>Krankheit</strong> »weibliches Geschlecht«. Dass es<br />
ausser diesen Hintergründen andere gibt - wirtschaftliche, politi-<br />
sche, militärische, religiöse und so weiter-, welche alle unterein-<br />
ander in Beziehung stehen, ist selbstverständlich. Aber hier soll<br />
nach den sexuellen gefragt werden, wobei »Sexualität« nicht<br />
lediglich für den gewissermassen isolierten »Trieb« steht, son-<br />
dern auch für die zugehörige Emotionalität und Leiblichkeit.<br />
Über sexuelle Determinanten von historischen Erscheinungen<br />
und Entwicklungen - auch wissenschaftlichen - ist bisher wenig<br />
bekannt. Die Sozialgeschichte interessiert sich zwar für die<br />
nicht-ereignishaften, im Alltag ständig wirksamen Faktoren und<br />
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