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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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92<br />

Herr und Weib<br />

Zur Geschichte der Beziehung<br />

zwischen ordnendem Geist<br />

und anderen Impulsen<br />

Im 19. und früheren 20. Jahrhundert grassierte eine <strong>Krankheit</strong>,<br />

wie sie vor- und nachher nie grassiert hat: die <strong>Krankheit</strong><br />

»weibliches Geschlecht«; dies in Europa so heftig wie in Amerika,<br />

wo Mary Putnam Jacobi (1842-1906) 1876/86 in ihrem Buch<br />

über die Menstruation schrieb: »The sex itself seems to be<br />

regarded as a pathological fact.« Gerade etwa in den Menstrua-<br />

tionslehren dieser Zeit wird der <strong>Krankheit</strong>scharakter des norma-<br />

len <strong>Frau</strong>-Seins offensichtlich (vgl. S. 58-66). Aber auch in der<br />

tendenziellen Pathologisierung der Schwangerschaft, der Ge-<br />

burt, des Wochenbetts im 19. Jahrhundert lässt sich die Patholo-<br />

gisierung der normalen <strong>Frau</strong> erkennen, ebenso in der allgemei-<br />

nen Tendenz, die <strong>Frau</strong> insgesamt in ihrer anerkannten körperli-<br />

chen und geistigen Schwäche als ein Mängelwesen dem vollkom-<br />

meneren Mann gegenüberzustellen. Es wird dabei in der Litera-<br />

tur - und wir bewegen uns hier auf der Ebene der Literatur -<br />

kaum je explizit von der »<strong>Krankheit</strong>« <strong>Frau</strong> (oder »<strong>Krankheit</strong>«<br />

weibliches Geschlecht) gesprochen. Denn diese <strong>Krankheit</strong> ist<br />

ganz wesentlich naturgewollt und normal. Die <strong>Frau</strong> muss not-<br />

wendig an ihrem Geschlecht leiden, menstruieren, schwanger<br />

werden, gebären, kindartig, unintellektuell, emotioneil sein,<br />

sonst wäre sie keine <strong>Frau</strong> mehr und würde ihrer natürlichen<br />

Bestimmung als Gattin und Mutter nicht genügen können. So<br />

hat schon Aristoteles zugestanden, dass die Kreatur <strong>Frau</strong> gerade<br />

in ihrer Unvollkommenheit nötig sei für die Erhaltung der<br />

Menschheit (vgl. S. 36-38); so schreibt der Neurologe Paul Julius<br />

Möbius (1853-1907) um 1900 über den »physiologischen« (d. h.<br />

normalerweise vorliegenden) Schwachsinn des Weibes.<br />

Krank ist die <strong>Frau</strong> also nur im Vergleich mit dem Manne; in ihrer

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