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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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sich an die Leber oder ans Herz krallen, er konnte noch weiter<br />

kopfwärts steigen und entsprechend alle möglichen Symptome<br />

verursachen: Angst im Herzen, Zusammenschnüren der Kehle,<br />

Kopfschmerzen, Schwinden der Sinne, Krämpfe . Die durch Dislo-<br />

kationen des Uterus verursachten Leiden werden «hysterisch» ge-<br />

nannt (vgl. S. 34). Als die Wissenschaft die Gebärmutter später ih-<br />

rer freien Beweglichkeit beraubte, erfuhr die «Hysterie» mannigfa-<br />

che Interpretationswandlungen; die Idee von einem vorwiegend<br />

weiblichen Leiden mit prinzipiell vielfältiger und launischer<br />

Symptomatik aber hat sich durch die Jahrhunderte erhalten (vgl.<br />

S. 126).<br />

Entsprechend einer handwerklich-praktischen Orientierung<br />

werden beim hippokratischen Autor wie bei Soran die gynäkologi-<br />

sche Chirurgie und die Geburtshilfe eingehend behandelt. Bei<br />

Soran nimmt die Hebamme eine sehr prominente Stellung ein.<br />

Viele Hebammenhandgriffe werden im Detail angegeben, als ob<br />

eine Hebamme dieses Werk geschrieben hätte. Im kritischen Mo-<br />

ment aber muss die Hebamme den Arzt zuziehen - ihm fallen die<br />

Leitung komplizierter Geburten und die in erschütternder Aus-<br />

führlichkeit beschriebenen Embryotomien und Extraktionen des<br />

toten Kindes zu.<br />

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett waren offensichtlich<br />

damals und bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts ernste<br />

Gesundheits- und Lebensgefährdungen für die <strong>Frau</strong>. Da die perina-<br />

tale Sterblichkeit der Kinder aus ähnlichen Gründen ebenfalls sehr<br />

erheblich war, hatten die <strong>Frau</strong>en um so häufiger zu gebären, noch<br />

ganz abgesehen von den meist höheren Lebendkinderzahlen frü-<br />

herer Familien gegenüber heutigen (unseres Kulturkreises), was die<br />

Mortalität der verheirateten <strong>Frau</strong> weiterhin erhöhte. Es lässt sich<br />

denken, dass dies, kombiniert mit der Armseligkeit des therapeu-<br />

tisch-geburtshilflichen Arsenals dieser Zeiten mit an der Wurzel<br />

der Tendenz liegt, die <strong>Frau</strong> gegenüber dem Manne minderzuach-<br />

ten. Abwertung und Abwendung sind ja geläufige menschliche<br />

Reaktionsformen in Schmerzsituationen - die auch prophylaktisch<br />

eingesetzt werden. Man trauert nicht so empfindlich um etwas, was<br />

man nicht zu sehr schätzte und liebte.<br />

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