Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Imaginationslehre sehr bewusst. Schuld am zähen Leben der Ima- ginationstheorie ist nach ihm zweierlei: «1. Dass unsere Weltwei- sen ... nicht vor dienlich erachtet, ... die natürliche Ursachen von diesen Flecken oder Ungestalten zu erklären ... 2. Da die Alten die göttliche Rache mit unter die Ursachen der Missgeburten gezehlet, so kommt es mir sehr glaubwürdig vor, dass dieses einen solchen erschrecklichen Eindruck in dem Gemüth der Älteren verursachte, dass man aus Liebe zu dem Nächsten für gut befunden, alle diese Übel der Einbildung zuzuschreiben ...» Rund 0 Jahre später schreibt ein Autor diese Übel aus Nächstenliebe nicht mehr der Einbildung, sondern natürlichen Ursachen zu 290 . Die Wunden und Verletzungen Neugeborener, sagt Blondel, seien eher Geburtsunfäl- len und schlechten Geburtshelfern zuzuschreiben als mütterlichen Phantasien. Es fällt auf, dass Blondel von Legitimität und Kinds- mord nicht speziell spricht - vielleicht hindert ihn eine aufkläreri- sche Philanthropie daran. Blondel argumentiert vorwiegend anato- misch, physiologisch, embryologisch gegen die Imaginationstheo- rie. Es gibt keine nervösen Verbindungen zwischen Mutter und Kind, und zudem ist das ganze Kind ja im Samen prädeterminiert. Andererseits gibt es plausiblere Gründe für Muttermale als die müt- terlichen Einbildungen: Anlagefehler, intrauterine Krankheiten, Entwicklungshemmungen, Vererbung. Ein Wasserkopf zum Bei- spiel entsteht, wenn das Gehirn im Blasenstadium verbleibt. Rote Flecken sieht man, wo die Haut noch zu dünn ist. Die Hasenscharte aber beruht, wie schon William Harvey beobachtete 291 , auf einer Entwicklungshemmung, und nicht auf der Begegnung der Schwangeren mit einem Hasen 292 . Um die Mitte des 18. Jahrhunderts schrieb die Akademie der Wissenschaften zu Petersburg die Imaginationsfrage nochmals als Preisfrage aus. Prämiert wurde ein Befürworter der Imaginations- lehre, klassisch wurde aber die Gegenschrift des Johann Georg Roe- derer (1726-1763) 293 . Roederer war ein berühmter Göttinger Geburts- helfer. Er war gerichtsmedizinisch interessiert, hat auch einiges zur forensischen Geburtshilfe beigetragen. Er ist von Albrecht von Haller (1708-1777), dem Schwiegersohn des Gerichtsmediziners Teich- meyer, nach Göttingen berufen worden und hat später dessen Vorle- 123
sung über die gerichtliche Medizin übernommen. Auch Haller selbst, der sich sonst in seiner Vorlesung über weite Strecken darauf beschränkt hat, seines Schwiegervaters Lehrbuch zu kommentieren und zu ergänzen, ist in Imaginationssachen gänzlich von diesem ab- gewichen. Basis seiner Kritik waren wohl vor allem seine For- schungen auf dem Gebiet der Missbildungen 294 . Auch Johann Ernst Hebenstreit (1703-17 7), Autor des führenden gerichtsmedizinischen 124 Aus I. E. Hebenstreit: Anthropologia forensis, Leipzig 17 3.
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Imaginationslehre sehr bewusst. Schuld am zähen Leben der Ima-<br />
ginationstheorie ist nach ihm zweierlei: «1. Dass unsere Weltwei-<br />
sen ... nicht vor dienlich erachtet, ... die natürliche Ursachen von<br />
diesen Flecken oder Ungestalten zu erklären ... 2. Da die Alten die<br />
göttliche Rache mit unter die Ursachen der Missgeburten gezehlet,<br />
so kommt es mir sehr glaubwürdig vor, dass dieses einen solchen<br />
erschrecklichen Eindruck in dem Gemüth der Älteren verursachte,<br />
dass man aus Liebe zu dem Nächsten für gut befunden, alle diese<br />
Übel der Einbildung zuzuschreiben ...» Rund 0 Jahre später<br />
schreibt ein Autor diese Übel aus Nächstenliebe nicht mehr der<br />
Einbildung, sondern natürlichen Ursachen zu 290 . Die Wunden und<br />
Verletzungen Neugeborener, sagt Blondel, seien eher Geburtsunfäl-<br />
len und schlechten Geburtshelfern zuzuschreiben als mütterlichen<br />
Phantasien. Es fällt auf, dass Blondel von Legitimität und Kinds-<br />
mord nicht speziell spricht - vielleicht hindert ihn eine aufkläreri-<br />
sche Philanthropie daran. Blondel argumentiert vorwiegend anato-<br />
misch, physiologisch, embryologisch gegen die Imaginationstheo-<br />
rie. Es gibt keine nervösen Verbindungen zwischen Mutter und<br />
Kind, und zudem ist das ganze Kind ja im Samen prädeterminiert.<br />
Andererseits gibt es plausiblere Gründe für Muttermale als die müt-<br />
terlichen Einbildungen: Anlagefehler, intrauterine <strong>Krankheit</strong>en,<br />
Entwicklungshemmungen, Vererbung. Ein Wasserkopf zum Bei-<br />
spiel entsteht, wenn das Gehirn im Blasenstadium verbleibt. Rote<br />
Flecken sieht man, wo die Haut noch zu dünn ist. Die Hasenscharte<br />
aber beruht, wie schon William Harvey beobachtete 291 , auf einer<br />
Entwicklungshemmung, und nicht auf der Begegnung der<br />
Schwangeren mit einem Hasen 292 .<br />
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts schrieb die Akademie der<br />
Wissenschaften zu Petersburg die Imaginationsfrage nochmals als<br />
Preisfrage aus. Prämiert wurde ein Befürworter der Imaginations-<br />
lehre, klassisch wurde aber die Gegenschrift des Johann Georg Roe-<br />
derer (1726-1763) 293 . Roederer war ein berühmter Göttinger Geburts-<br />
helfer. Er war gerichtsmedizinisch interessiert, hat auch einiges zur<br />
forensischen Geburtshilfe beigetragen. Er ist von Albrecht von Haller<br />
(1708-1777), dem Schwiegersohn des Gerichtsmediziners Teich-<br />
meyer, nach Göttingen berufen worden und hat später dessen Vorle-<br />
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